Das Landhaus im Elsass - Rotraud Falke-Held - E-Book

Das Landhaus im Elsass E-Book

Rotraud Falke-Held

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Beschreibung

Die Paderborner Kartenlegerin Sidonia erfüllt sich mit einer Reise quer durch Frankreich einen langgehegten Wunsch. Doch gleich bei ihrer ersten Station in Colmar begegnet sie der Innenarchitektin Alexandra Werle. Die junge Frau arbeitet für eine Firma, die Landhäuser in Hotels verwandelt. Alexandra vermisst ihren Kollegen Patrick Köhler, der im Auftrag der Firma den Kauf eines Hauses in den Weinbergen abwickeln sollte. Doch nun ist er spurlos verschwunden und Alexandra befürchtet, dass ihm etwas zugestoßen ist. Sidonia bietet ihre Hilfe an und ahnt trotz ihrer übersinnlichen Fähigkeiten nicht, in welch gefährliche Situation sie und Alexandra hineingezogen werden, denn um das Landhaus rankt sich ein altes Geheimnis.

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zum Inhalt:

Die Paderborner Kartenlegerin Sidonia braucht dringend eine längere Ausszeit von ihrem beruflichen Alltag. Sie erfüllt sich einen langgehegten Wunsch und bricht auf, um ein paar Wochen durch Frankreich zu reisen.

Doch gleich bei ihrer ersten Station in Colmar begegnet sie Alexandra Werle. Die junge Frau arbeitet für eine Firma die Landhäuser kauft und in Hotels verwandelt. Als Innenarchitektin ist sie für die Ausstattung zuständig. Sie hat sich auf diese Aufgabe gefreut, doch nun vermisst sie ihren Kollegen Patrick Köhler, der im Auftrag der Firma den Kauf abhandeln sollte.

Patrick scheint spurlos verschwunden zu sein und Alexandra befürchtet, dass ihm etwas zugestoßen ist. Da es Hinweise gibt, dass Patrick sich einfach etwas Zeit nimmt, um noch eine Weile durch Frankreich zu reisen, unternimmt die Polizei bisher nichts. Doch Alexandra misstraut diesen Spuren.

Sidonia bietet ihre Hilfe an. Die beiden Frauen versuchen herauszufinden, was mit Patrick geschehen ist. Dabei geraten sie in große Gefahr, denn um das Landhaus rankt sich ein altes Geheimnis…

Ein paar Worte vorweg:

Dieses Buch ist ein Roman. Nichts davon ist wirklich passiert.

Alle handelnden Personen sind frei erfunden, Namensgleichheiten wären absolut zufällig. Ebenso sind die Namen aller Firmen, Hotels und Gaststätten frei erfunden.

Auch das Hotel Bougainville habe ich erfunden. Seinen Namen hat es von dem Seefahrer und Schriftsteller Louis Antoine de Bougainville bekommen. Dieser hat im Auftrag von König Louis XV von Dezember 1766 bis März 1769 als erster Franzose die Welt umsegelt.

Die pazifische Insel Bougainville ist nach ihm benannt, ebenso ein Seegebiet in Neuguinea, ein Tiefseegraben, ein Korallenriff vor Nordost-Australien sowie Cape Bougainville und Port Louis auf den Falklandinseln.

Sein Reisebegleiter, der Botaniker und Schiffsarzt Philibert Commerson benannte auch die Pflanzengattung der Bougainvillea nach dem Kapitän.

Eigentlich hatte ich geplant, selbst Frankreich zu bereisen, bevor dieses Buch erschien. Leider war das aufgrund der Corona-Pandemie dann nicht möglich.

Ich habe mich dazu entschieden, Sidonia dennoch reisen zu lassen und der Pandemie in dieser fiktiven Geschichte keine Bedeutung zu geben.

Ich wünsche allen Lesern und Leserinnen gute Unterhaltung

Die wichtigsten Personen:

Sidonia Okebe

Kartenlegerin aus Paderborn

Mercedes Okebe

Sidonias Tochter

Bruno Feldmann

Privatdetektiv aus Deutschland

Patrick Köhler

Vertreter der Firma Danner & Co, Käufer eines Landhauses im Elsass

Alexandra Werle

Patricks Kollegin, Innenarchitektin

Henri Fontaine

alter Mann, der Junge von 1944

Magalie Dubois

Henris Enkelin

Jerôme Dubois

Magalies Bruder

Margaux Dubois

Magalies Mutter, Henris Tochter

Guillaume Dubois

Margaux’ Ehemann

Laurent Bouchard

Portier im Hotel Bougainville in Colmar

Fabrice Charpentier

Commissaire bei der Polizei

Philippe Allard

Fabrice’ Kollege

Xavier+Karine Pasquier

Vorbesitzer des Landhauses

Sylviane Tremblay

Immobilienmaklerin

Guido Uhland

Sozialarbeiten in einem Heim

Dirk Norden

für gestrauchelte Jugendliche

Hannes Pohlmeier

Soldat im 2. Weltkrieg

Prolog

März 2010

Guido Uhland fühlte sich frustriert. Er war Theologe und Sozialarbeiter und versuchte, gestrauchelte Jugendliche in seinem Jugendtreff in Stuttgart wieder auf den rechten Weg zu führen. Unterstützt wurde er dabei von dem Sozialpädagogen Dirk Norden, der selbst als Jugendlicher vollkommen in den Drogensumpf abgerutscht war und deshalb die Sorgen der Teenager absolut nachvollziehen konnte. Im Gegensatz zu Guido, der durchaus behütet aufgewachsen war, wusste Dirk genau, was es bedeutete, ungeliebt zu sein, kein stabiles Elternhaus zu haben, eine Clique zu finden, zu der man unbedingt dazugehören wollte und für die man schlichtweg alles tun würde.

Beide hatten sich diesem Milieu aus unterschiedlichen Gründen verschrieben. Guido, weil er Menschen, die benachteiligter waren als er selbst, etwas geben wollte; Dirk, weil er genau wusste, wie die Jugendlichen sich fühlten, und sie daraus holen wollte. Er selbst hatte es nur mit Hilfe eines engagierten Pädagogen geschafft.

„Schlechte Neuigkeiten“, verkündete Dirk jetzt. „Die staatliche Unterstützung für unseren Treffpunkt wurde gekürzt.“

„Was?“ Guido fuhr auf. „Was soll das denn? Wir leisten hier doch gute und wichtige Arbeit. Wie viele haben wir schon aus dem Sumpf geholt? Haben ihnen geholfen, eine Ausbildungsstelle zu bekommen.“

„Es gibt aber auch immer einige, denen wir nicht helfen können. Und Lutz hat die Ausbildungsstelle verloren. Er hat seinen Chef bestohlen.“

„Scheiße!“ schrie Guido. „Wir können doch auch nicht mehr, als unser Bestes zu geben. Wir reißen uns den Arsch auf, aber den Herren von der Behörde reicht das nicht.“

Dirk hob die Schultern. „Wir müssen etwas ändern. Lass uns ein Wohnheim gründen. Das müsste dann klappen. Außerdem kommen einige wirklich aus gutem Haus, wir könnten Geld von den Eltern nehmen und damit könnten wir auch die Ärmeren finanzieren. Wie wär’s?“

Guido sah ihn an, als käme er aus einer anderen Welt. Über so etwas hatte er noch gar nicht nachgedacht.

„Ich weiß, die Idee klingt etwas halbseiden wegen des Geldes, aber hey – bevor wir uns gar nicht mehr finanzieren können?“

„Ist ’ne Überlegung wert.“

„Guido, du hast neben Sozialwissenschaften auch Theologie studiert, wir könnten das Ganze doch als religiösen Ort aufziehen und so an die Kirche herantreten.“

Jetzt war Guidos Überraschung noch größer. „Ein Kloster?“

„So würde ich das nicht nennen. Eine religiöse Glaubensgemeinschaft. Hey, die Werte, die dort vermittelt werden, sind doch durchaus in Ordnung. Außerdem könnten wir zusätzlich Geld verdienen. Wir könnten Schnitzereien herstellen, irgendwelche Basteleien oder Gemüse anbauen. Ein passendes Haus lässt sich bestimmt finden. Und wir hätten die Jugendlichen sehr viel besser unter Kontrolle als wenn sie nach zwei, drei Stunden Betreuung wieder verschwinden und sich mit ihren Cliquen treffen.“

Guido nickte sacht. „Ich denke drüber nach.“

Inhaltsverzeichnis

Prolog: März 2010

Kapitel 1: April 2021

Kapitel 2: Juni 2021

Kapitel 3: So., 13. Juni 2021

Kapitel 4: Mo., 14. Juni 2021

Kapitel 5: Die., 15. Juni 2021

Kapitel 6: Normandie, Juli 1944

Kapitel 7: Mi., 16. Juni 2021

Kapitel 8: Do., 17. Juni 2021

Kapitel 9: Coulommiers, Frankreich, Juli 1944

Kapitel 10: Do., 17. Juni 2021

Kapitel 11: Fr., 18. Juni 2021

Kapitel 12: Sézanne, Juli 1944

Kapitel 13: Fr., 18. Juni 2021

Kapitel 14: Sa., 19. Juni 2021

Kapitel 15: Colmar, Juli 1944

Kapitel 16: Sa., 19. Juni 2021

Kapitel 17: Sa., 19. Juni 2021

Kapitel 18: So., 20. Juni 2021

Kapitel 1

April 2021

Henri Fontaine lag in seinem Haus im Bett. Sein ganzes Leben hatte er hier in dem kleinen Dorf in der Nähe von Colmar im Elsass verbracht. Und nun ging dieses Leben zu Ende. Henri war nicht traurig und haderte auch nicht mit seinem Schicksal. Er hatte ein gutes Leben gehabt, auch wenn er seine frühe Kindheit im Krieg hatte verbringen müssen.

Jetzt war er achtundachtzig Jahre alt und würde sterben. Ach, der Tod war niemals etwas gewesen, das er als Drama empfunden hatte. Jeder, der auf der Welt war, musste sterben. Der Tod gehörte zum Leben wie die Geburt. Das hatte er immer so empfunden, vielleicht, weil er durch den Krieg schon so früh mit dem Tod konfrontiert worden war. Sein Vater hatte ihn nicht überlebt. Er war in der Normandie gefallen.

Henri hatte großes Glück in seinem Leben gehabt. Er war nie ernsthaft krank gewesen. Natürlich war er in den letzten Jahren nicht mehr so fit gewesen, hatte die Beine nur noch schwer voreinander gekriegt und konnte sich ohne Rollator nicht mehr bewegen, aber immerhin war er noch mobil. Und im Kopf war er immer noch klar, das betrachtete Henri als große Gnade.

Nein, es fiel ihm nicht schwer, diese Welt zu verlassen.

Seine Kinder und sogar seine Enkelkinder waren bereits erwachsen. Sie liebten ihn und waren für ihn da, aber sie brauchten ihn nicht mehr.

Seine geliebte Frau Giselle war schon vor vielen Jahren gegangen und hatte ihn zurückgelassen. Das war seine größte Lebenskrise gewesen. Größer sogar, als der Krieg. Sie waren eine solche Einheit gewesen, so etwas gab es heute gar nicht mehr. Und dann kam der Krebs und hatte sie dahingerafft. Jahre hatte sie - hatten sie beide - dagegen gekämpft. Jahre hatte Giselle dem Tod abgetrotzt, bis es eben doch nicht mehr ging, bis sie keine Kraft mehr zum Kämpfen hatte. Sie hatte ihn gebeten, mit dem Kämpfen aufhören zu dürfen, gehen zu dürfen. Das war eine Frage gewesen, die ihm das Herz zerrissen hatte, aber er hatte es ihr erlaubt und nur wenige Tage später war sie eingeschlafen. Zwölf Jahre war das jetzt her.

Sie hatten trotzdem Glück gehabt, sie hatten fast fünfzig Jahre miteinander verbracht. Nicht immer unbeschwerte, aber doch glückliche Jahre. Sie hatten einfach zusammengehört. Und jetzt würde er zu ihr gehen. Er würde sie wieder sehen, davon war er überzeugt und darauf freute er sich.

Auch finanziell war es ihnen gut gegangen. Sie hatten ein Weingut im Elsass bewirtschaftet, das inzwischen seine Tochter Margaux und ihr Mann Guillaume leiteten. Henris ältester Sohn hatte damit nichts am Hut, sein Herz schlug für die Wissenschaft, er lebte in Paris, eine andere Tochter lebte in Straßbourg und ein weiterer Sohn in Nancy.

Jetzt waren alle hier. Er genoss es, sie alle noch einmal um sich zu haben.

„Großvater, geht es dir gut?“ Die Stimme seiner Enkelin Magalie war ganz nah. Magalie war Margaux’ Tochter. „Ich habe dir einen Tee gebracht, soll ich dir helfen, ihn zu trinken?“, fragte sie.

Henri tätschelte ihre Hand. Sie war ein liebes Mädchen – nein, sie war kein Mädchen mehr – eine liebe junge Frau war sie mit ihren inzwischen fünfundzwanzig Jahren. Sie sah aus wie Giselle in dem Alter und sie war immer genauso fröhlich. Ach, war das damals schön gewesen, sie und ihren Bruder Jerôme hier zu haben, kleine Füße herumtrippeln zu hören. Alles noch einmal miterleben zu dürfen. Giselle und er hatten es sehr genossen, Margaux und ihre Familie hier zu haben.

Er lächelte vor sich hin, als er vor seinem geistigen Auge die kleine Magalie durch die Weinberge tanzen sah. Er genoss es, sich in diesen letzten Tagen an jede Kleinigkeit in seinem Leben zu erinnern. Da war so vieles im Alltag verschüttet gewesen.

Aber dann… halt… er wurde ganz unruhig. Sein Atem ging plötzlich schwer und stoßweise.

„Großvater, was ist mit dir? Maman! Ko…“

Er umklammerte Magalies Hand fester.

„Lass es, ruf sie nicht“, keuchte er. Er bemühte sich um einen ruhigen Atem. „Es geht schon wieder. Magalie, komm, setz dich auf mein Bett.“

„Was ist, Großvater? Stimmt etwas nicht?“

„Ja, etwas stimmt nicht, aber es ist anders als du jetzt denkst, Magalie. Ich muss dir unbedingt etwas erzählen. Bitte, setzt dich zu mir und hör mir zu. Es gibt etwas, das du für mich tun musst. Ich habe es versäumt vor vielen, vielen Jahren. Und irgendwann habe ich es vergessen. Verdrängt. So viel Anderes war wichtig. Der Krieg ging vorüber und das Leben hatte uns wieder und ich war doch damals noch ein Kind.“

Magalie lächelte und streichelte ihrem Großvater über die Wange. „Ich verstehe kein Wort.“

„Ja, ja, du hast recht. Komm, setzt dich. Ich erzähle es dir von Anfang an.“

Magalie kam seinem Wunsch nach und setzte sich auf die Bettkante, hielt die Hand ihres Großvaters und ließ ihn erzählen. Seine Stimme war nicht laut, aber ungewöhnlich fest. Sie zitterte nicht, sie brach nicht. Diese Geschichte zu erzählen, schien ihm ausgesprochen wichtig zu sein:

„Es ist viele Jahre her, sehr viele Jahre. Noch war Krieg. Die Alliierten waren in Frankreich gelandet, um das Land von den Nazis zu befreien. Damals lebte meine Familie auch schon hier, wie du weißt. Ich war ein zehnjähriger Junge, der schon viel mitbekam von dem Krieg, der seinen Vater verloren hatte und der sich nur wünschte, mit seiner Familie in Frieden leben und mit seinen Freunden spielen zu können. Auf Bäume zu klettern, im Fluss zu baden, durch die Weinberge zu laufen. Ich hatte ganz normale Wünsche, so wie wohl alle Kinder. Aber damals waren die einfachsten Dinge nicht realisierbar.“

Er seufzte und betrachtete das junge Gesicht seiner Enkelin. „Ich streifte trotzdem viel herum, ich war ungeheuer abenteuerlustig.“

„Ist alles in Ordnung, Großvater? Strengt es dich auch nicht zu sehr an?“, fragte Magalie besorgt.

Er lächelte und sein Gesicht legte sich in tausend kleine Falten. Magalie fand, dass es wunderschön aussah.

„Nein, es ist gut. Ich muss diese Geschichte erzählen, bevor es zu spät ist.“

Magalie schluckte, aber sie sagte nichts dazu. Was hätte sie sagen sollen, was keine leere Phrase gewesen wäre? Und so hätte das auch ihr Großvater empfunden. Also sollte er erzählen.

Sie nickte ihm zu.

„Damals traf ich bei meinen Streifzügen einen deutschen Soldaten. Er hatte sich in dem alten Landhaus verschanzt – du weißt schon, das, in dem jetzt die Familie Pasquier lebt.“

Sie nickte wieder. Sie hatte gehört, es sollte verkauft werden. Aber das war jetzt gleichgültig.

„Er hatte sich unerlaubt von der Front entfernt, war also ein Deserteur und hielt sich in dem Landhaus versteckt. Es ist wohl nicht verwunderlich, dass er von dort fliehen musste. Ein deutscher Soldat im Elsass… Die Aliierten rückten näher und nach Deutschland traute er sich als Deserteur zu dem Zeitpunkt auch nicht. Obwohl das alles war, was er wollte. Heim, zu seiner Familie. Nun, das wäre ihm wohl auch nicht gut bekommen. Na ja, für mich war das damals ein Riesenabenteuer. Zuerst dachte ich, er sei Franzose, weil er eine französische Uniform trug. Er sprach auch unsere Sprache, aber nicht gut genug. Er musste also fliehen bevor er nach Deutschland zu seiner Familie zurückkehren konnte. Aber er wollte unbedingt, dass seine Familie eine Nachricht von ihm bekam. Sie sollten nicht glauben, er sei tot oder in Gefangenschaft geraten. Er hatte eine Art Tagebuch geschrieben. Das hat er beendet, um es zu versenden und er vertraute es mir an. Doch unsere Poststelle war ausgebombt. Ach, es ging alles nicht so, wie ich es wollte. Ich war ungeheuer stolz darauf, dass er mir dieses Geheimnis anvertraute und hielt dicht. Ich erzählte niemandem von der Begegnung und nahm mir vor, das Tagebuch zu verschicken, wenn der Krieg vorbei war.“

Henris Gesicht war jetzt ernst. Es musste schwer für ihn gewesen sein. Magalie wurde das Herz schwer, sie wollte nicht, dass ihr Großvater sich seine letzten Tage mit alten Problemen schwer machte. Aber sie sagte nichts. Sie wusste, dass es keinen Sinn hatte. Er musste sich das von der Seele reden.

„Ich habe das Heft versteckt und es später vollkommen vergessen.“

„Großvater, du warst ein Kind, mach dir doch darüber keine Gedanken. Das ist mehr als verständlich.“

„Ist es das? Ein solches Erlebnis? Ein solches Geheimnis? Aber es war tatsächlich einfach weg aus meinem Kopf, als hätte es den Soldaten nie gegeben. Und seine Familie hat niemals das Tagebuch bekommen.“

Eine einzelne Träne rollte über seine Wange.

Magalie wischte sie sanft fort.

„Sicher ist er nach dem Krieg nach Hause gekommen und konnte seine Geschichte erzählen. Es ist nicht deine Verantwortung. Du warst doch noch ein Kind.“

„Sicher. Magalie, bitte, schick das Heft an seine Nachkommen.“

Sie erschrak ein wenig. „Großvater! Seine Ehefrau wird nicht mehr leben, vielleicht nicht einmal mehr seine Kinder. Warum ist das so wichtig?“

„Es ist das Vermächtnis eines Mannes, das seine Familie oder seine Nachkommen erhalten sollten. Es ist einfach richtig.“

„Wie soll ich die Nachkommen ausfindig machen? Ich kenne mich mit solchen Recherchen nicht aus.“

Er krallte seine Hand um ihre. „Magalie! Bitte! Such dir Hilfe, vielleicht bei einem Detektiv.“

Er klang ganz klar.

Sie nickte. Sie konnte ihm den Wunsch einfach nicht abschlagen.

„Weißt du denn noch, wo das Tagebuch ist?“

„Nein, nicht genau. Such in den alten Sachen auf dem Dachboden. Irgendwo dort muss es liegen. Magalie, versprich es mir. Erfüll ein altes Versprechen, das dein Großvater gegeben hat. Ich kann es ja nicht mehr.“

Sie nickte.

Er lächelte.

Seine Hand lockerte sich wieder. Er entspannte sich und schien wieder in seine Traumwelt zu gleiten.

Kapitel 2

Juni 2021

So., 06. Juni

Alexandra Werle saß daneben, als ihr Kollege Patrick Köhler seinen Koffer packte, um sich im Auftrag ihrer Firma, der Danner & Co Immobilien GmbH, auf den Weg ins Elsass zu machen, um den Kauf eines Landhauses abzuwickeln. Er wollte bereits heute, am Sonntagnachmittag, fahren, damit er sich gleich am nächsten Morgen um alle Formalitäten kümmern konnte.

Nach den Bildern, die Alexandra gesehen hatte, war es ein wunderschönes Haus inmitten von Wäldern und Weinbergen, im typischen Fachwerkstil der Gegend. Es war bisher in Privatbesitz gewesen, aber nun wollten sich die Besitzer, ein älteres Ehepaar, davon trennen. Sie hatten sich entschlossen, direkt nach Colmar zu ziehen, um ihren Ruhestand mit den Annehmlichkeiten der Stadt, wie der Nähe von Geschäften und Ärzten zu genießen.

„Es würde mir viel Freude machen, so ein Landhaus auszustatten, Gästezimmer neu einzurichten und natürlich auch einen Wellnessbereich. Das wäre ja dann wohl meine Aufgabe“, meinte die Innenarchitektin Alexandra.

Patrick lachte. „Auf jeden Fall. Jetzt lass mich erst mal fahren und den Kauf abwickeln. Das ist doch nur noch eine Formsache. In ein paar Tagen bin ich zurück.“

Alexandra nickte. „Melde dich zwischendurch.“

„Das ist doch klar.“

Er drückte die Verschlüsse seines Koffers zu und grinste der zweiunddreißigjährigen Frau zu, die auf seiner Bettkante saß. Sie waren Kollegen in der kleinen Geschäftskette, die sich darauf spezialisiert hatte, gemütliche, rustikale, landschaftsbezogene Häuser zu kaufen, um diese in Wellness-Urlaubshäuser zu verwandeln. Sie hatten bereits Häuser in verschiedenen Regionen Deutschlands, zum Beispiel auf Rügen, Fehmarn, im Sauerland und Harz, an der See und in den Bergen gekauft und ausgestattet. Außerdem besaßen sie Restaurants und Wellness-Oasen, wo sich Menschen tageweise entspannen konnten.

Jetzt wollten sie zum ersten Mal ins Ausland gehen, nach Colmar in Frankreich.

Patrick hatte vor einigen Wochen das Haus bereits zusammen mit seinem Chef besichtigt und musste jetzt nur noch die Formalitäten abwickeln. Er freute sich auf die kurze Reise.

Mit Alexandra verband ihn nur etwas mehr als Freundschaft und Kollegialität. Sie führten eine lockere Beziehung. Das bedeutete, dass sie sich das gaben, was sie hin und wieder brauchten, aber keine tieferen Verpflichtungen damit verbanden. Sie waren beide Karrieremenschen, fürchteten, dass zu enge Bindungen ihren beruflichen Plänen im Weg stehen würden.

Patrick ließ sich auch durchaus gerne mit ihr sehen. Sie waren ein hübsches Paar. Sie – eine schöne, elegante junge Frau mit ihren einen Meter siebzig, der schlanken Figur und tollen Beinen, ihrem ovalen, ebenmäßigen Gesicht, den graugrünen Augen und den braunen, leicht gewellten Haaren, die weit über die Schultern fielen. Er mochte es, wenn sie sie offen trug, aber oft drehte sie sie zu einer Frisur am Hinterkopf zusammen. Zu einem Dutt oder einer Banane, wie sie das nannte. Aber er mochte es auch, die Haarnadeln herauszuziehen und dann ihre Haare weich über die Schultern fließen zu sehen.

Und dann er selbst – mit seinen einen Meter fünfundachtzig überragte er sie auch dann noch, wenn sie hohe Absätze trug. Er hatte ein leicht kantiges Gesicht, dunkelblonde, akkurat kurz geschnittene Haare, graue Augen und einen gepflegten Bart. Alles in allem sah er nicht gerade aus wie aus einem Moderjournal entsprungen, aber unattraktiv war er sicher nicht.

Er ging einen Schritt auf Alexandra zu und streichelte über ihre Wange. „Ich werde dich vermissen.“

Sie lachte. „Jetzt werd mal nicht sentimental. Es sind doch nur ein paar Tage.“

Er sagte nichts. Manchmal hatte er das Gefühl, er kam ihr näher als sie ihm. Ob ihm das gut tat, wusste er noch nicht.

Alexandra winkte ihm nach, als er mit seinem BMW davonfuhr. Es war gut, dass er eine Weile fort war und sie sich nicht sehen konnten, auch nicht in der Firma. Das gab ihr etwas Zeit, wieder mentalen und emotionalen Abstand zwischen ihnen zu schaffen.

Er kam ihr gefühlsmäßig näher, als sie es zulassen wollte. Für ihn als Mann war es einfacher sich gehen zu lassen. Aber auch sie wollte Karriere machen. Das war ihre Priorität im Leben. Keine heile Familienidylle. Sie hatte es doch erlebt – bei ihren Eltern – bei ihrer Schwester. Der Mann lebte weiterhin sein Leben und die Frau steckte zurück. Das wollte sie nicht. Oder ging wirklich beides so problemlos, wie die Medien es manchmal schilderten? Sie war sich nicht sicher. Es gab so vieles, das ständig erledigt werden musste, wenn man Familie hatte. Sie stöhnte. Gut, dass er erstmal fort war. Und wenn alles gut über die Bühne gegangen war, würde sie eine Weile nach Frankreich fahren, die Einrichtung planen, Möbel und Accessoires aussuchen, Stoffe, den Wellnesbereich aufteilen. Und später musste sie den eventuellen Umbau und die Einrichtungen überwachen. Damit würde sie eine Weile beschäftigt sein. Sie freute sich auf die Aufgabe. Und die zeitweise Trennung von Patrick würde ihr Luft zum Atmen geben.

Mi., 09. Juni

Patrick Köhler war zufrieden. Der Kaufvertrag war unter Dach und Fach. Das Haus war perfekt, die Umgebung einfach fantastisch. Das hatte er jetzt, bei seinem erneuten Besuch hier für sich noch einmal bestätigen können. Hier konnte man Urlaub machen und sich erholen. Wenn dann auch noch Wellness angeboten wurde…

Er hatte im Hotel bereits ausgecheckt und würde sich nachher auf den Heimweg begeben. Aber zuerst wollte er noch einmal in die Weinberge fahren.

Jetzt stand er zum ersten Mal allein in dem Landhaus und ließ es auf sich wirken. Er trat an die Fensterfront und blickte hinaus über die Weinberge. Auch die hatte das Ehepaar Pasquier abgegeben. Aber Wein würde weiter produziert und den würden sie in ihrem Hotel anbieten. Was für eine fantastische Möglichkeit, den Gästen Wein anbieten zu können, der direkt vor ihrer Nase angebaut wurde. Vielleicht konnten sie ja sogar ein Wochenende anbieten, bei denen die Teilnehmer bei der Weinlese helfen konnten. Für ihn persönlich wäre diese Art Urlaub nichts, aber an der Mosel oder in der Pfalz wurde so etwas gut angenommen.

Und Weinproben. Ja, die durften auf keinen Fall fehlen.

Er öffnete die Fenster und atmete tief durch. Und dann gab es hier im Elsass soviel zu entdecken. Sie könnten kleine Touren anbieten, die Weinstraße entlang oder nach Straßbourg. Manche Menschen waren froh, wenn sie nicht selbst planen und fahren mussten. Sich einfach in den Bus setzen, nicht überlegen, wo es lang ging, zum Mittagessen ohne Reue ein Glas Wein trinken – das hatte ja auch durchaus etwas für sich. Nun, das würde sich alles finden. Später. Jetzt ging es erstmal an die Umbauarbeiten. Von außen würden sie nichts ändern, aber innen musste natürlich etwas getan werden. Sie brauchten eine Rezeption und einen Frühstücksraum und alle Zimmer mussten mit Bad ausgestattet werden. Das zu planen und zu überwachen würde Alexandras Aufgabe sein.

Er wollte die Fenster wieder schließen, als er ein Geräusch hörte. Er lauschte. War das ein Auto? Na, wieso auch nicht. Hier entlang ging es doch auch zu irgendeiner Burg.

Er schloss die Fenster wieder. Vielleicht sollte er selbst auch einfach mal weiterfahren bis zu der Burg. Ein bisschen die Gegend erkunden, wenn er schon mal hier war. Bis nach Hause, nach Heidelberg, fuhr er etwas mehr als zwei Stunden, mehr nicht. Da konnte er sich ruhig noch etwas Zeit nehmen.

Er könnte sogar ein paar Tage dranhängen, sicher hätte sein Chef nichts dagegen. Seine Arbeit hier war erledigt. Ja, genau, das würde er tun. Jetzt war es blöd, dass er im Hotel Bougainville vorhin ausgecheckt hatte statt zu versuchen, zu verlängern. Aber er könnte auch weiterfahren und woanders versuchen, ein Hotelzimmer zu bekommen, vielleicht sogar bis nach Paris? Er würde seinen Chef nachher kontaktieren. Und Alexandra auch. Aber die hatte sicher nichts dagegen. Ihre Reaktion auf sein Ich werde dich vermissen war ja deutlich gewesen. Gut, sie whatsappten täglich miteinander, aber dabei ging es mehr um das Haus. Er hatte ihr auch schon einige Fotos geschickt. Jetzt, da er allein hier war, könnte er noch ein paar von den Räumen machen. Das würde ihr gefallen, dann konnte ihre kreative Ader sich schon mal entfalten.

Aus den oberen Fenstern konnte er ein Auto in der Nähe stehen sehen. Einen dunkelblauen Kombi. Er rümpfte die Nase. Was konnte der hier wollen? Hier war doch nichts zu besichtigen. Aber nicht alle Menschen waren nur auf Besichtigungen aus. Es konnte ein Naturliebhaber sein, der hier spazierenging, vielleicht mit seinem Hund.

Patrick zuckte die Schultern und wandte sich vom Fenster ab. Er schoss ein paar Fotos für Alexandra und ging die Treppe wieder hinunter.

„Okay, das war’s für heute“, murmelte er und drückte die Haustür auf.

Er trat aus dem Haus und wollte die Tür gerade wieder abschließen, als er einen Schlag auf den Kopf bekam. Vor seinen Augen wurde es schwarz und er sackte einfach zusammen.

Fr., 11. Juni

Alexandra war allmählich irritiert, weil sie nichts mehr von Patrick hörte. Das war ungewöhnlich. Sie hatten zumindest jeden Tag whatsappt. Sie hatte ihm von zu Hause, von Heidelberg, erzählt, von ihrer Arbeit im Büro und er hatte ihr Fotos von dem wirklich schönen Landhaus geschickt und auch von der Umgebung. Auch die Stadt Colmar hatte Patrick besichtigt. Alexandra freute sich danach noch mehr auf ihren eigenen Aufenthalt im Elsass.

Und dann rissen vor zwei Tagen die Nachrichten plötzlich ab. Nicht einmal Antworten auf ihre eigenen WhatsApps kamen.

„Hi Patrick, wie geht es dir? Was treibst du so?“

Keine Antwort

„Wann kommst du zurück? Du wolltest doch nur ein paar Tage bleiben!“

Nichts. Nicht einmal eine Lesebestätigung

Las er die Nachrichten gar nicht? War sein Handy kaputt? Oder hatte er es verloren?

Sie rief in dem Hotel an, in dem er abgestiegen war.

„Monsieur Köhler hat bereits vor zwei Tagen ausgecheckt“, sagte man ihr dort.

„Aber er ist nicht wieder in Heidelberg angekommen.“

„Das tut mir leid, Madame, aber er ist nicht mehr im Hotel. Vielleicht macht er noch ein paar Tage Urlaub.“

„Ohne Bescheid zu sagen? Das kann ich mir nicht vorstellen.“

„Es tut mir leid, aber ich kann Ihnen da nicht helfen.“

Alexandra stöhnte stumm. Nein, der Mann konnte wirklich nichts dafür und er konnte das Problem auch nicht lösen.

„Dankeschön“, sagte sie etwas steif und legte auf.

Im Hotel konnte man ihr nicht weiterhelfen, aber die Antworten machten für sie keinen Sinn. Wenn er noch ein paar Tage hätte dranhängen wollen, wäre er doch in dem Hotel geblieben. Oder nicht? Vielleicht nicht, wenn er durchs Land hätte fahren wollen. Aber er hätte sich auf jeden Fall gemeldet. Auch in der Firma wusste niemand, wo er blieb. Das war so überhaupt nicht Patricks Art.

Und dann kam heute eine Ansichtskarte mit vier wunderschönen Motiven von Colmar und Umgebung. Fachwerkhäuser, eine Burg in den Wäldern, der Fluss Lauch in Klein Venedig.

Sie hielt die Karte in der Hand und las die wenigen Zeilen.

Hallo Alex, ich hänge noch ein paar Tage dran, es ist hier so idyllisch. Ich melde mich, wenn ich wieder zurückreise. Du kannst mich nicht erreichen, mein Handy ist kaputt, aber ich werde mir hier kein neues besorgen. Mal sehen, wie es sich ohne lebt.

Bis bald, Dein Patrick.

Es war Patricks Handschrift, aber sonst stimmte nichts daran. Patrick war eindeutig ein Kind der modernen Zeit. Der schickte Fotos per WhatsApp, aber doch keine Ansichtskarten.

Er würde auch niemals einen Ort als idyllisch bezeichnen. Als schön, toll, beeindruckend, ungewöhnlich. Aber idyllisch war ein viel zu malerischer Ausdruck für den praktisch denkenden Patrick. Außerdem hatte er sie noch nie Alex genannt. Alexa vielleicht oder eben Alexandra.

Und offenbar war er noch immer in Colmar, warum also war er dann nicht im Hotel Bougainville geblieben? War es ausgebucht? Das musste sie jetzt unbedingt herausfinden.

Aber ihr war auch so schon klar, dass irgendetwas nicht stimmte. Aber was könnte das sein? Er hatte sicher die Karte nicht geschrieben, weil sein Handy kaputt war. Er hätte telefonieren können. Im Hotel oder irgendwelchen öffentlichen Stellen. Oder er hätte eine Mail schreiben können. Er hatte seinen Laptop doch dabei. Er musste sich doch auch in der Firma melden.

Und zu guter Letzt: Patrick ohne Handy? Die Vorstellung war zwar schwer, aber möglich war es immerhin. Gerade sehr technisch orientierte Menschen wollten manchmal Auszeiten nehmen.

Sie besprach sich mit ihrem Chef und rief dann bei der Polizei in Colmar an. Dort beruhigte man sie. Die Ansichtskarte sprach schließlich eine deutliche Sprache. Ein erwachsener Mann, der ein paar Tage Urlaub an einen geschäftlichen Termin hängte. Im Prinzip war das doch eine gute Idee, nichts Ungewöhnliches.

„Bitte, nehmen Sie die Daten auf. Da stimmt etwas nicht. Es ist nicht Patricks Art, Karten zu schreiben. Nichts passt. Ich weiß das, ich bin nicht nur seine Kollegin. Ich bin…“ Ja, was war sie denn? Seine Gespielin, Geliebte, lockere Affäre? „…eine gute Freundin. Ich kenne ihn gut.“

„Je compris – ich verstehe“, kam es durch den Hörer und Alexandra war ziemlich sicher, dass der Polizist wirklich genau verstand, was sie zu sagen versuchte.

Er nahm die Daten auf und Alexandra legte kein bisschen beruhigt auf.

Ich werde dich vermissen. Die Worte, die Patrick beim Abschied gesagt hatte, klangen noch in ihren Ohren. Sie hatte gelacht und gesagt: Es sind doch nur ein paar Tage. Hatte er es besser gewusst? Hatte er nie vorgehabt nach ein paar Tagen zurückzukommen? War er nicht glücklich mit ihrer Art Beziehung, mit ihrem Arrangement?

Und noch eine andere Frage bohrte sich in ihr Hirn: Wie würde es jetzt mit dem Landhaus weitergehen? Patrick hatte zwar den Kauf abgewickelt, aber es würde weiter gehen müssen. Vielleicht konnte sie ins Elsass fahren und sich um alles Weitere kümmern und ganz nebenbei nach Patrick fragen.

Kapitel 3

So., 13. Juni 2021

„Hast du alles?“, fragte Mercedes ihre Mutter.

„Ich denke schon.“ Sidonia entfuhr ein Seufzer. Es war ein merkwürdiges Gefühl, dass sie so kurz davor stand, sich diesen Traum zu verwirklichen. Mindestens vier Wochen lang wollte sie durch Frankreich reisen.

Sie war, ohne es zu merken, die ganzen Jahre über von ihrer Arbeit so sehr vereinnahmt worden. Sidonia hatte sich beruflich immer weiterentwickelt, sie verstand sich heute als Lebensberaterin. Seit über fünfundzwanzig Jahren legte sie Menschen die Karten, las ihr Schicksal in ihren Handflächen, bot inzwischen Meditationsstunden an.

Ihre Kunden waren hauptsächlich Frauen. Sidonia teilte deren Schicksale, fühlte mit ihnen. In den letzten Jahren war dieses Mitfühlen und Mitleiden so stark geworden, dass sie es kaum noch ertragen konnte. Auch hatte sie in den letzten Jahren einige Male plötzliche Visionen erlebt. Vor vier Jahren war das besonders stark gewesen, als eine junge Kundin und Freundin, Judith Schlüter, in Detmold in Gefahr gewesen war. Sidonia hatte urplötzlich ein so starkes Gefühl von Gefahr erlebt, dass sie – als sie Judith telefonisch nicht erreicht hatte – von Paderborn nach Detmold gerast war, um sie zu warnen. Gerade noch rechtzeitig war ihr das gelungen.

Und dann waren diese Vorahnungen vor zwei Jahren wieder extrem stark gewesen, als ein Kunde von ihr ermordet worden war und der Freund ihrer Tochter sich gemeinsam mit dem Privatdetektiv Bruno Feldmann in die Ermittlungen eingeschaltet hatte.

Beide Male war sie persönlich betroffen gewesen, aber es war so schwer, die Probleme und Gefahren schon vorherzusehen, die Sorgen, die Ängste. Reichte es nicht, Probleme zu fühlen, wenn sie auftraten? Musste sie diese für ihre Freunde und Familie auch noch im Vorfeld fühlen? Es war einfach zu schwer. Nicht mehr zu tragen.

Vor zwei Jahren hatte sie beschlossen, diese Reise durch Frankreich, von der sie schon so lange träumte, anzutreten. Das Haus für ein paar Wochen zu verschließen, das Geschäft ein paar Wochen ruhen zu lassen. Um ihre beiden Katzen, die pechschwarze Malou und die getigerte Shila konnte sich ihre Tochter Mercedes kümmern. Sidonia hatte alles geplant. Aber dann hatte sie immer wieder Gründe gefunden, die Reise zu verschieben. Ein Kunde, um den sie sich kümmern musste - um Mercedes, als sie sich von ihrem Freund David getrennt hatte - um eine erkrankte Nachbarin. Noch ein bisschen mehr Geld sparen.

Sie verstand es manchmal selbst nicht. Wollte sie überhaupt fahren? Oder hatte sie ganz einfach Angst davor, diese Reise allein anzutreten? Ach, es war in ihrem Alter eben nicht so einfach, etwas so Neues in Angriff zu nehmen. Aber sie wollte sich nicht hinter ihrem Alter verstecken, das passte nicht zu ihr. Diese ganze Zauderei passte nicht zu ihr. Also traf sie schließlich den unwiderruflichen Entschluss, setzte den Termin, buchte ein Appartement im Elsass und nun war es tatsächlich endlich so weit.

Koffer, Getränke, Kühltasche standen im Wagen.

Sidonia schulterte zum Schluss noch ihre Handtasche und ging durch den Flur, sah sich noch einmal um. Ein merkwürdiges Gefühl war es jetzt trotzdem, für einige Wochen alles zurückzulassen. Zum ersten Mal würde sie auch ihre Tochter mehrere Wochen lang nicht sehen.

Sidonias Blick fiel in den Garderobenspiegel.

Sie sah eine dunkelhäutige Frau mit einem schmalen, ovalen Gesicht, großen, dunklen Augen und vollen Lippen. Sie trug eine weite Pumphose und eine bunte Tunika darüber – ihr bevorzugter weiter Schlabberlook, dem sie all die Jahre treu geblieben war. Passte er jetzt eigentlich noch zu ihr? Oder war sie inzwischen zu alt dafür geworden? Ihre einst tiefschwarzen wilden Locken waren grau geworden, aber sie trug sie noch immer schulterlang und heute zu einem Zopf im Nacken gebändigt. Sie war nicht allzu groß und noch immer schlank, was wohl daran lag, dass sie zwischendurch nicht viel naschte und oftmals nicht einmal kochte, wenn Merci in der Uni aß.

Sie streckte ihrem Spiegelbild die Zunge heraus und ging durch die Haustür. Da stand ihre Tochter und lachte. Sie war ihr Ebenbild aus früheren Jahren, nur ihre Haut war etwas heller, weil ihr Vater ein Weißer war. Mercis Haare waren zwar dunkel, aber nicht ganz so tief schwarz wie Sidonias, allerdings ebenso ungebändigt. Früher hatte Merci sie geglättet, aber heute fielen sie lang und lockig fast bis zur Taille.

„Was ist? Gefällt dir nicht, was du im Spiegel gesehen hast?“, fragte sie fröhlich.

„Nein, da drin war eine alte Frau“, erwiderte Sidonia und verzog den Mund.

„Ach Quatsch. Man ist so jung wie man sich fühlt.“

„Das sagt sich so leicht in deinem Alter. Mal ehrlich, egal, wie ich mich fühle, ich bin achtundfünfzig. Eine Zahl, sicher, aber daran ist nichts zu rütteln. Ich werde alt, Merci. Wenn ich Glück habe, werde ich gesund alt und kann noch viel unternehmen, aber dass ich alt werde, daran gibt es keinen Zweifel.“

Mercedes nahm ihre Mutter in den Arm und küsste sie auf die Wange. „Die einzige Alternative taugt auch nicht“, meinte sie leichthin.

Sidonia hob die Augenbrauen. „Seit wann ist meine Kleine so weise?“, grinste sie.

„Hab eine gute Reise, Mama. Und viel Spaß in Frankreich“, grinste Mercedes ohne auf die Frage einzugehen.

Sidonia nickte. „Und du pass gut auf Shila und Malou auf.“

„Das werde ich.“

Die beiden Frauen verabschiedeten sich herzlich voneinander.

Dann stieg Sidonia in ihren Renault Twingo, den sie schon seit Jahren fuhr, und startete.

Sie war gut vorbereitet, hatte sich die Route auf Google Maps genau eingeprägt. Auf die Autobahn Richtung Kassel – Frankfurt – Karlsruhe – und schließlich auf der Höhe von Straßbourg über die Grenze und dann die Weinstraße entlang bis in das kleine Dorf Eguisheim in der Nähe von Colmar, wo sie sich für die ersten Nächte ein kleines Appartement gemietet hatte.

Sie hatte das Navi im Halter, aber sie würde es vorläufig noch nicht brauchen. Sie würde es erst später anmachen.

Sie fuhr aus ihrer Straße heraus. Es war ein gutes Gefühl. Jeder Meter befreite sie von dem Gespinst, dass ihre Arbeit gewoben hatte. Um sie herum und in ihrem Kopf. Sie ließ alles zurück und fuhr diesen Gefühlen davon.

Alexandra Werle war nach Absprache mit ihrem Chef für ein paar Tage nach Colmar gereist, um nach Patrick zu suchen und natürlich, um sich schon einmal mit dem Innenleben des Hauses zu beschäftigen. Sie hatte nur noch keine Vorstellung davon, wo sie nach ihrem Freund und Kollegen suchen sollte und wie sie das anstellen konnte. Ebenso wenig wusste sie, wie sie in das Haus hineinkommen sollte, denn der Schlüssel dürfte wohl bei Patrick sein.

Ach, sie stieß auf immer mehr Probleme und Ungereimtheiten in Bezug auf sein Verschwinden. Und je mehr sie darüber nachdachte, desto weniger konnte sie sich vorstellen, dass Patrick so handeln würde. Ohne eine Nachricht, mit dem Schlüssel des Hauses im Gepäck würde er nicht einfach verschwinden.

Alexandra stieg im Hotel Bougainville in Colmar ab, ebenso wie Patrick es getan hatte. Es war merkwürdig, aber sie hatte erwartet, Bougainvillea an dem Haus empor ranken zu sehen, aber dem war nicht so. Es war ein Gebäude mit blassblauem Anstrich mit dunkleren Fensterläden und einem spitzen roten Dach mit einzelnen Erkern. Es fügte sich gut in das Stadtbild ein. Sie betrat das Haus und war sofort begeistert. Die moderne Großzügigkeit der Halle hatte man von außen so nicht erwartet. Sie steuerte auf die glänzend schwarze Rezeptionstheke zu. Sie hatte von zu Hause aus ein Zimmer gebucht. Auf ihre Frage versicherte man ihr, dass das Hotel in den letzten Wochen nicht vollständig ausgebucht gewesen war. Also hatte Patrick schon mal nicht ausgecheckt, weil das Hotel ausgebucht war, er aber noch eine Weile bleiben wollte. Hatte er in einen anderen Ort reisen wollen?

Natürlich erkundigte sie sich sofort nach ihm, als sie ankam. Der diensthabende Portier wirkte etwas steif in seiner strahlend blauen Uniform, war aber ausgesprochen freundlich. Doch wirklich weiterhelfen konnte er ihr nicht. Patrick hatte ganz normal ausgecheckt und man hatte ihn auch nicht mehr gesehen. Nein, auch sein Wagen war nicht mehr da, das wäre aufgefallen. Und Monsieur Köhler hatte auch keine Nachricht hinterlassen und auch nicht erwähnt, welche Pläne er hatte. Ja natürlich würde er sich gerne bei seinen Kollegen umhören, aber sie seien ein sehr gut organisiertes Haus, wenn Monsieur Köhler eine Nachricht hinterlassen hätte, wäre sie hier am Empfang deponiert, erklärte er in geschäftsmäßigem Ton.

Alexandra seufzte schwer. Der Portier schien ihre Sorgen nachzuempfinden. Er nahm plötzlich einen wärmeren Tonfall an und beugte sich leicht über die Theke zu ihr.

„Madame, machen Sie sich nicht zu große Sorgen. Die Gegend hier ist wunderschön, er wird sie sich ansehen wollen.“

„Na ja, das wäre wohl möglich, er hatte noch ein paar Tage Urlaub. Aber wieso ist er dann nicht hier im Hotel geblieben? Und vor allem hätte er sich bestimmt inzwischen mal gemeldet. Auf jeden Fall!“

Oder doch nicht? Das Nötigste zum Haus hatte er ja gemeldet. Vielleicht ging es bei seinem Verschwinden ja gerade um sie. Brauchte er etwas Abstand? War er sich nicht im Klaren darüber, wohin ihre Beziehung steuerte? Das wäre kein Wunder, sie wusste es ja auch nicht. Aber wie sie es auch drehte und wendete, es blieb doch die Tatsache: Patrick wäre nie einfach so ohne Absprache und noch dazu mit dem Schlüssel des Landhauses im Gepäck durch das Land gezogen, ohne dass irgendjemand eine Ahnung hatte, wo er war. Und wo war sein Auto? Das sprach ihrer Meinung nach als Einziges dafür, dass er weggefahren war.

„Wenn Sie die Polizei benachrichtigen wollen… Ich bin Ihnen gerne behilflich, ich rufe gerne an. Ihr Französisch ist sicher gut genug, um mit der Polizei zu sprechen, ansonsten stehe ich Ihnen auch gerne als Übersetzer zur Verfügung. Madame, es ist sicher nichts passiert. Von einem Unfall oder dergleichen hätte man doch erfahren. Er hat Papiere dabei, man wüsste, wohin man sich wenden könnte.“

Sie versuchte ein dankbares Lächeln, das aber völlig misslang.

„Ja natürlich. Vielen Dank.“

„Melden Sie sich, wenn Sie Hilfe brauchen.“

„Das ist nett von Ihnen, das werde ich tun.“

„Mein Name ist Laurent Bouchard. Aber natürlich steht Ihnen auch jeder meiner Kollegen zur Verfügung.“

Sie nickte ihm zu. Dieses Mal gelang das Lächeln besser. Die Nennung seines Namens hatte die Anspannung in ihr gelöst. Dadurch wurden seine Angebote, ihr zu helfen, verbindlicher, eben mehr als die höfliche Floskel eines Hotelangestellten. Jedenfalls empfand sie es so.

Natürlich hatten sie bereits von Deutschland aus die Polizei verständigt, aber bisher nichts mehr gehört. Also hatten sie Patrick wohl nicht gefunden, vermutlich hatten sie noch gar nicht nach ihm gesucht. Für die Polizei schien der Vorfall nicht sehr besorgniserregend zu sein. Sie sollte einmal persönlich aufs Polizeirevier gehen und darauf drängen, dass in der Sache etwas unternommen wurde. Und dann würde sie zum Landhaus fahren. Dann hatte sie es zumindest schon mal in natura gesehen, wenn sie auch nicht hineingehen konnte.

Jetzt mal ganz ruhig, redete sie sich in Gedanken zu. Als Erstes packst du deine Tasche aus und isst etwas. Dann kann es losgehen. Auf eine Stunde mehr oder weniger kommt es jetzt auch nicht mehr an.

Bei der Polizei richtete Alexandra nicht allzu viel aus. Natürlich hatte man die Daten ordnungsgemäß schon bei ihrem Anruf bei der Polizei in Colmar aufgenommen. Sie gingen alles noch einmal gemeinsam durch. Alexandra versicherte, dass weder sie noch ihr Arbeitgeber seit ihrem Anruf etwas von Patrick gehört hatten.

„Es gibt keine Hinweise, wohin er gefahren sein könnte“, berichtete der Polizist. „Wir haben natürlich im Hotel nachgefragt und auch bei der Immobilienfirma, die mit dem Verkauf des Landhauses beauftragt wurde. Es ist schon merkwürdig, dass Ihr Kollege sich überhaupt nicht meldet, aber er könnte Gründe dafür haben.“

„Und welche sollen das bitte sein?“

„Da fällt mir eine Vielzahl ein. Er ist ein erwachsener Mann, er kann über seinen Aufenthaltsort frei bestimmen. Möglicherweise braucht er Zeit für sich allein. War er überarbeitet? Hatte er Stress mit Kollegen oder anderen Leuten? Möchte er eine Weile niemanden sehen? Hat er Freunde in unserem Land, die er besuchen könnte?“

„Nein, das trifft alles nicht zu und erklärt auch nicht, dass er sich nicht meldet. So etwas müsste er schließlich nicht heimlich tun.“

„Wir tun wirklich, was wir können, Madame, aber es liegt kein Verdacht auf ein Verbrechen vor. Monsieur Köhler hat völlig normal ausgecheckt und ist abgefahren. Und Sie haben uns ja sogar von einer Postkarte erzählt.“

Jetzt bedauerte Alexandra, dass sie das preisgegeben hatte. Jetzt wurde genau das natürlich für einen Hinweis gehalten, dass Patrick einfach eine Weile für sich sein wollte.

„Das sieht ihm aber überhaupt nicht ähnlich“, versuchte sie es verzweifelt. „Außerdem würde das bedeuten, dass er einfach mit dem Schlüssel des Landhauses weggefahren ist. Er wusste doch, dass die Arbeiten daran losgehen sollen.“

„Hat er das tatsächlich getan? Oder hat er ihn vielleicht bei der Immobilienfirma oder im Hotel hinterlegt?“

Alexandra wurde allmählich sauer. Es kam ihr fast so vor, als würde der Polizist sie für komplett verrückt und überdreht halten.

„Nein, das hat er nicht getan, das wissen Sie genau“, erwiderte sie schärfer als beabsichtigt. „Wenn es so wäre, hätte man Ihnen das sicher mitgeteilt. Sie sagten doch, dass Sie dort nach Patricks Verbleib recherchiert haben.“

Der Polizist registrierte mit einem kurzen Zucken der Mundwinkel, wie aufgeregt sie reagierte, sagte aber nichts dazu. Er schrieb es ihrer Verzweiflung und Hilflosigkeit zu. Ber uhigend legte er seine Hand auf ihre. „Bleiben Sie ruhig, Madame. Es ist sicher nichts passiert. Wir können ja noch einen Aufruf im Radio oder sogar Fernsehen schalten. Im besten Fall hört er den Aufruf und meldet sich daraufhin.“

Ein Hoffnungsschimmer. Ihr Gesicht entspannte sich sofort. „Ja bitte, tun Sie das. Bitte.“

Er nickte. „Ich werde es veranlassen.“

Als sie wieder vor dem Polizeirevier stand, atmete sie kräftig durch. Das Wetter war schön, frühlingshaft. Wie sehr könnte sie diesen Aufenthalt in Colmar genießen, wenn die Situation nicht so besorgniserregend wäre.

Sie würde jetzt erst einmal zu dem Landhaus fahren, denn natürlich war sie neugierig darauf. Sie wollte es sehen. Vielleicht konnte sie sich dort Patrick sogar nahe fühlen. Es war ein dummer Gedanke, sie wusste es, aber sie konnte die Idee nicht einfach beiseite schieben.

Sie programmierte ihr Navi und fuhr los.

Die Straße führte kurvenreich in die bewaldeten Berge.

Das Haus begeisterte sie auf den ersten Blick. Es lag einsam am Waldrand wie ein kleines Schlösschen, aber doch nahe an den Weinbergen. Es war im Fachwerkstil gebaut, hatte drei Etagen plus das Dachgeschoß. Was nicht zu sehen war, war der Keller, aber Alexandra wusste, dass er vorhanden war. Sie stellte sich vor, darin einen Wellnessbereich unterzubringen. Ob man auf dem Grundstück wohl auch einen Swimmingpool anlegen konnte?

Obwohl sie es von Anfang an gewusst hatte, machte sich Enttäuschung breit, dass es verschlossen war und sie es nicht von innen besichtigen konnte. Sie glaubte zwar nicht daran, aber vielleicht hatte die Maklerin ja trotzdem noch einen Schlüssel. Nein, sie hatte nicht nachgefragt, ob Patrick dort seinen Schlüssel hinterlegt hatte, auf den Gedanken war sie überhaupt nicht gekommen und es kam ihr auch jetzt noch völlig widersinnig vor. Das hätte Patrick doch gemeldet. Eine kurze WhatsApp: Mache noch ein paar Tage Urlaub, Schlüssel liegt bei der Maklerin. Wäre das so schwierig gewesen? Konnte man das wirklich damit erklären, dass sein Handy kaputt oder verloren war?

„Quatsch“, sagte sie laut zu sich selbst. „Er hätte telefonieren können. Und der Patrick, den ich kenne, hätte sich auf der Stelle ein neues Handy besorgt. Außerdem hat die Polizei mit der Maklerin gesprochen und wenn die mehr gewusst hätte, hätte sie das spätestens dann ja erzählt.“

Außerdem hatte er ja angeblich eine Karte geschickt, was bedeuten würde, dass er den Kontakt halten wollte – wenn er denn die Karte überhaupt geschrieben hatte, was sie bezweifelte. Oh Mann, ihr Kopf war ja schon ganz wirr vor lauter Gedanken, die darin kreisten.

„Patrick, was ist mit dir los?“

Sie stöhnte laut und versuchte, das Gedankenwirrwarr abzuschütteln.