DAS MAFIA-PORTRÄT - EIN FALL FÜR SOLO MALCOLM - John Cassells - E-Book

DAS MAFIA-PORTRÄT - EIN FALL FÜR SOLO MALCOLM E-Book

John Cassells

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Beschreibung

Hand in Hand mit dem wirtschaftlichen Aufschwung kommt auch das organisierte Verbrechen in eine aufstrebende Stadt in Mittelengland.

Und Solo Malcolm, der hartgesottene Privatdetektiv, prüft Gerüchte, nach denen selbst die Polizei mit den Gangstern im Bund stehen soll...

 

Der Roman Das Mafia-Porträt um den Privatdetektiv Solo Malcolm aus der Feder des schottischen Schriftstellers John Cassells (ein Pseudonym von Bestseller-Autor William Murdoch Duncan - * 18. November 1909; † 19. April 1975) erschien erstmals im Jahr 1972; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1973 (unter dem Titel Ein Stück vom Kuchen).

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

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Veröffentlichungsjahr: 2022

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JOHN CASSELLS

 

 

Das Mafia-Porträt

Ein Fall für Solo Malcolm

 

Roman

 

 

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

DAS MAFIA-PORTRÄT 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

Elftes Kapitel 

Zwölftes Kapitel 

Dreizehntes Kapitel 

Vierzehntes Kapitel 

Fünfzehntes Kapitel 

Sechzehntes Kapitel 

Siebzehntes Kapitel 

Achtzehntes Kapitel 

Neunzehntes Kapitel 

 Zwanzigstes Kapitel 

Einundzwanzigstes Kapitel 

Zweiundzwanzigstes Kapitel 

Dreiundzwanzigstes Kapitel 

Vierundzwanzigstes Kapitel 

Fünfundzwanzigstes Kapitel 

 

 

Das Buch

 

Hand in Hand mit dem wirtschaftlichen Aufschwung kommt auch das organisierte Verbrechen in eine aufstrebende Stadt in Mittelengland.

Und Solo Malcolm, der hartgesottene Privatdetektiv, prüft Gerüchte, nach denen selbst die Polizei mit den Gangstern im Bund stehen soll...

 

Der Roman Das Mafia-Porträt um den Privatdetektiv Solo Malcolm aus der Feder des schottischen Schriftstellers John Cassells (ein Pseudonym von Bestseller-Autor William Murdoch Duncan - * 18. November 1909; † 19. April 1975) erschien erstmals im Jahr 1972; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1973 (unter dem Titel Ein Stück vom Kuchen).

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

  DAS MAFIA-PORTRÄT

 

 

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Die Sache fing an einem Dezembermorgen an. Es war Dienstag und einer jener grauen Tage, wie man sie gegen Ende des Jahres hat, wenn der Himmel öd und düster ist und die Nebelschwaden der letzten Nacht noch in den Ecken hängen. Ein Tag, an dem Raureif auf den Schieferdächern liegt und man seine Knochen nicht warm bekommt, bis man abends zu Hause ist, die Füße vor dem Feuer ausstreckt, sich ein gutes Essen einverleibt hat und ein Glas mit einem vernünftigen Getränk in der Hand hält.

Ich persönlich war ziemlich guter Laune, da ich für jemanden, der sich geschäftlich MacDonald, MacNab und Mackay-Ferrier nannte, aber als schlichter Oscar Zimmerman geboren worden war, eine kitzlige Angelegenheit bereinigt hatte. Auf jeden Fall war er zufrieden gewesen, wie sich alles entwickelt hatte, und ließ ein Sonderhonorar springen, das höher ausfiel, als ich je zu hoffen gewagt hätte. Daraufhin war Jane mit ihrer Tante nach Malta geflogen, und ich wollte in ein oder zwei Tagen nachkommen, sobald sie die Wohnung hergerichtet hatten. Für einen Typ wie mich, der fast alle seine Abende damit verbringt, in allen möglichen dunklen Winkeln Londons herumzuschleichen, war es höchst angenehm, an diese Weihnachtsferien in Malta zu denken.

So hatte ich mich heute Morgen gefühlt, als ich die Wohnung verließ, um zum Adrian Walk und zum Büro zu gehen.

Nur, dass ich gar nicht bis ins Büro gekommen war. Zunächst hatte ich Charlie Taverner getroffen, einen Polizeibeamten, der im Präsidium an einem Schreibtisch sitzt und ein guter Freund von mir ist, und wir hatten bei ein paar Glas Bier im Bonder’s Pub Geschäftliches besprochen. Danach war ich Mo Stallman über den Weg gelaufen, der einen kleinen, sauberen Tip für mich hatte. Mo nimmt außer Pulverkaffee nichts Hartes zu sich, und so gingen wir in eine Imbissstube auf der Klein Lane und ließen uns mit Kaffee volllaufen.

Was er mir mitzuteilen hatte, war ziemlich interessant. Mo Stallman ist ein recht gerissenes Bürschchen, das viel herumkommt und die Ohren offenhält. Wir beide sind immer gute Freunde gewesen, weil ich einmal einen der schweren Jungs von Sonny Smeaton, der Mo das Leben zur Hölle machte, grün und blau geschlagen hatte.

Das ist schon lange her und war eine der besten Sachen, die ich beruflich je gemacht habe.

Auf jeden Fall war sein Tip von der Sorte, die ich mag. Als ich mich von Mo trennte, ging ich zum Präsidium, um den Tip weiterzureichen, und als ich die Wachstube betrat, saß der alte Charlie Hooker, der Sergeant, auf seinem Stuhl, trank eine Tasse Tee und aß einen riesigen Krapfen. Ich sagte: »Morgen, Charlie! Wie ich sehe, wollen Sie bei Kräften bleiben.«

»Muss ich wohl«, antwortete Charlie, »bei den Sorgen, die ich hab’.« Er setzte die Tasse auf das Buch ab, in das die besonderen Vorkommnisse eingetragen werden, und blickte mich an. »Was halten Sie von diesem saudummen Vorhaben, diesem neumodischen Zeugs...« Er wurde vom Telefon unterbrochen. Er sah mich an: »Nick ist da.«

Ich ging hinüber.

Nick ist Chefinspektor Nick Bogardus, einer der schlauesten alten Füchse, die mir je über den Weg gelaufen sind, und der beste Polizist in London. Bogardus ist groß, breit und dunkelhäutig. Neuerdings trägt er eine ganze Menge mehr Gewicht mit sich herum als zu der Zeit, da ich ihm zum ersten Mal begegnete, und einer der Gründe dafür ist seine Naschhaftigkeit. Ich kenne keinen Menschen, der Süßigkeiten lieber mag als der alte Nick. Als ich in sein Zimmer trat, saß er auf dem Schreibtisch und hatte vor sich auf dem Löschpapier eine Menge Bonbons ausgebreitet. Er suchte sich die schwarzen heraus und legte sie auf einen kleinen Haufen. Dann blickte er auf. »Morgen, Solo. Was führt Sie heute her?«

»Zwei Dinge, Nick. Nummer eins - ich möchte mich verabschieden und Ihnen fröhliche Weihnachten wünschen.«

Bogardus steckte sich ein paar Bonbons in den Mund. »Und Nummer zwei?«

»Ich hab’ was für Sie.«

»Worum geht’s?«

Ich setzte mich und holte meine Pfeife hervor.

Ich stopfte sie, und Bogardus schaute mir dabei zu. »Also?«

»Um die Sache bei Tierney und Coleman letzten Monat.«

»Und?«

»Ich sag’s Ihnen. Sie wissen es nicht.«

Bogardus fluchte leise. »Ich hab’ die ganze Zeit dafür geopfert, die ich erübrigen konnte. Ich hatte Stapleton, Barber, Welsh und Pryor darauf angesetzt. Was wissen Sie?«

»Mir wurde was geflüstert, Nick.«

Bogardus saß da und schaute mich einen Augenblick an. Als er soweit war, sagte er: »Also?«

»Die Tupperman-Bande.«

Er fragte mich nicht danach, woher ich meinen Tip hatte. Der alte Nick ist zu hundert Prozent Polizist. Er fragte nur: »Verlässlich?«

»Ich möchte sagen, ja. An Ihrer Stelle würde ich mich drum kümmern.«

Er nickte langsam. »Also weiter. Ein bisschen mehr.«

»Soviel ich weiß, haben vier mitgemacht.«

»Stimmt. Ein Fahrer, zwei mit Pistolen und einer mit dem schwarzen Sack. Sie stießen den Geschäftsführer in sein Büro und befahlen den Angestellten, sich auf den Boden zu legen. Zu dem Zeitpunkt war nur eine Kundin da. Sie fiel in Ohnmacht und kam erst wieder zu sich, als der Überfall vorbei war.«

»Die Kerle haben Steine im Wert von elftausend Pfund erwischt?«

»Vierzehn. Und versichert«, sagte der alte Nick. »Tupperman, sagen Sie also. Sie könnten recht haben. Die haben schon lange nichts mehr gedreht. Ich werde Stapleton kommen lassen.«

»Sagen Sie ihm, er soll sich an Letty Quinn heranmachen!«

»Wer ist das?«

»Hüpft in der Show bei Ringwood mit. Sie ist die neue Freundin von Mark Tupperman. Soviel ich weiß, hat sie eine Wohnung in Chelsea. Sie hat auch ein kleines Landhaus in Hampshire, heißt Milden Hall. Sie fahren sehr oft übers Wochenende hinaus. Meinem Tip zufolge hat sich Mark dort in der Gegend einen Zentner Zement gekauft. Er sagte, er will damit den Weg zum Haus etwas ausbessern. Er könnte aber auch was anderes damit angestellt haben.«

»Stimmt.« Bogardus zog sich ein Stück Papier heran und griff nach einem gelben Kugelschreiber. Er fing zu schreiben an, und ich beobachtete, wie sich seine schwere, dunkle Hand, auf deren Rücken Büschel von Haaren wuchsen, über das Papier bewegte. Ohne aufzublicken, sagte er: »Milden Hall. Hab’ ich. Ich werde mich mit der Polizei dort in Verbindung setzen.« Er legte seinen Kugelschreiber weg. »Das könnte uns weiterhelfen, Solo. Ich werde Stapleton benachrichtigen.«

Während er sprach, ging die Tür auf, und Maxie Lewis kam herein. Maxie ist Kriminalinspektor, einer der gerissensten Beamten der ganzen Polizei von London. Eines Tages wird Scotland Yard ihn sich schnappen und ihn vielleicht verderben, obwohl ich das bezweifle. Im Augenblick lernt er hier unter Nick Bogardus sein Handwerk, und einen besseren Lehrer könnte er sich nicht wünschen. Maxie sieht nicht nach viel aus, wiegt bei seinen einssechsundsiebzig nur hundertvierzig Pfund, ist bleich und hat eine Menge glattes, schwarzes Haar, aber trotzdem kann er wirklich ein ganz schön harter Bursche sein. Er sagte: »Na, wie geht’s, Solo? Was tut sich so bei euch Schnüfflern?«

»Es geht. Ich habe Nick gerade erzählt, dass ich über Weihnachten und Neujahr nach Malta fahre. Irgendwie muss man sein Geld ja ausgeben.«

»Weiß der Schatzkanzler davon?«

»Ja, alles ganz koscher.«

Maxie schnippte mit den Fingern. »Koscher! Gut, dass Sie das gesagt haben, Solo! Lil hat mir heute Morgen eine Liste mitgegeben, die ich bei Apfelbaum und Fritche in der Sandeman Street abgeben soll, und ich habe es bis jetzt nicht getan.« Er nickte Bogardus zu. »Sie entschuldigen, Nick, aber ich gehe rasch rüber und erledige es.

Lil ist so lieb, wie eine kleine Frau in ihren guten Tagen nur sein kann, aber heute hat sie gerade keinen guten Tag, und ich möchte auf keinen Fall, dass sie mir so ein langes französisches Brot um die Ohren haut.«

»Ihr Jungverheirateten!«, sagte Bogardus. »Beeilen Sie sich. Wir haben viel Arbeit.«

Ich erhob mich. »Ich komme mit, Maxie. Ich muss rüber ins Büro und nach der Post sehen. So ein, zwei Sachen erledigen. Auf Wiedersehen, Nick. Ich schicke Ihnen eine Postkarte. Nicht zu viel Truthahn und Fusel. Damit der Kopf klar bleibt.«

Bogardus grinste. »Die kleine Menge, die ich trinke, wird mir schon nicht zu Kopf steigen, raus mit euch.«

Ich zog also mit Maxie ab, ging ins Büro hinüber, und als ich dort war, klingelte das Telefon.

 

 

 

 

  Zweites Kapitel

 

 

Es gab noch einen letzten schwachen Ton von sich, als ich mich quer über den Schreibtisch streckte und den Hörer abhob.

»Hier Solo Malcolm.«

Einen Augenblick dachte ich, es sei umsonst gewesen, dann sagte eine Mädchenstimme: »Hier Miss Hinton, Mr. Malcolm. Ihr Auftragsdienst.«

»Klappt ja gut. Ich kam gerade herein, und das Telefon läutete. Etwas Geschäftliches?«

»Ja, Mr. Malcolm.«

»So ein Pech. Worum geht’s?«

»Sie möchten einen Mr. Michael Flowers unter dieser Nummer anrufen.« Sie gab mir die Nummer durch. »Sie sollen ihm das Gespräch in Rechnung stellen. Haben Sie alles, Mr. Malcolm? Soll ich Ihnen die Nummer wiederholen?«

»Ich habe sie, danke.« Ich legte auf. Dann saß ich da und schaute mir die Nummer an.

Die Nummer kannte ich von früher, obwohl ich sie nicht oft angerufen hatte. Dieser Mike Flowers war ein alter Kumpel von mir, trotzdem hatte ich ihn eine beträchtliche Reihe von Jahren nicht gesehen. Wir waren ein ganz schönes Weilchen zusammen in MacDonalds Einheit gewesen, und wir hatten damals in den harten Kriegsjahren gemeinsam schwere Zeiten durchgemacht. Wir waren zusammen entlassen worden, und Mike Flowers, der ein kräftiger Kerl aus Yorkshire ist, war mit mir bei der Londoner Polizei eingestellt worden. Abgesehen von der Zeit unserer Ausbildung waren wir eigentlich nie in derselben Abteilung gewesen, trafen uns aber gewöhnlich sehr oft.

Ich ging zuerst. Mike war dabeigeblieben. Nach zehn Jahren Polizeidienst hatte er einen schweren Autounfall gehabt, durch den sein eines Bein etwas kürzer als das andere geworden war. Während er noch im Krankenhaus lag, wurde ihm von einer Firma in Mittelengland, die elektronische Geräte herstellt, ein Posten im Werkschutz angeboten, und er hatte ihn nach einigem Zögern angenommen.

Die Entscheidung war kein Fehler gewesen. Dancroft Electric war unter den kleineren Firmen eine der tüchtigsten und fortschrittlichsten, war raketengleich in die Höhe geschossen. Mike nahm dort jetzt einen hohen Posten im Werkschutz ein. Noch ein Schritt, und er würde der Chef sein, sein jetziger Vorgesetzter

hatte nur noch drei Jahre bis zur Pensionierung. Mir war klar, dass Mike fein heraus war.

Ich hob den Hörer wieder ab und fing an zu wählen. Ich fragte mich, was Mike wohl auf dem Herzen hatte, und dachte mir, dass er vielleicht, wie er es schon seit langem vorhatte, für eine Woche nach London kommen wollte. Meine Gedanken bewegten sich noch in dieser Richtung, als ich eine Mädchenstimme sagen hörte: »Dancroft Electric. Was kann ich für Sie tun?«

»Ich heiße Malcolm. Können Sie mich bitte mit Mike Flowers verbinden?«

Eine Sekunde später war die Verbindung da. Am anderen Ende des Drahts hörte ich Mike sagen: »Bist du es, Solo? Schön, wieder von dir zu hören. Wie geht’s?«

»Gut«, sagte ich. »Ich habe geheiratet. Ich habe Arbeit. Mir geht’s gut. Jane auch. Mir ist es in meinem ganzen Leben noch nie so gutgegangen. Am Samstag werde ich wegfahren, um die Feiertage in Malta zu verbringen. Das wäre in wenigen Worten alles, Mike. Wie geht’s dir?«

»Gut wie immer, nur haben die Zwillinge Mumps.«

»Schlimm«, sagte ich. »Was hast du auf dem Herzen?«

»Steckst du gerade in irgendwas drin?«

»Nein, ich habe eben eine kleine Sache in Ordnung gebracht. Wie ich dir schon sagte, werde ich ein bisschen Urlaub machen. Frühstück im Bett, ein paar alte Gemäuer anschauen.«

Mike sagte: »Hör mal, Solo, ich habe was anderes für dich.«

»Wovon sprichst du? Wo?«

»Hier!« Er schwieg einen Augenblick und fuhr dann fort: »Es dürfte sich um was ziemlich Wichtiges handeln, Solo. Was hältst du davon, auf deinen Urlaub auf Mallorca zu verzichten und hierherzukommen?«

»Malta!«

»Gut, Malta. Was macht das für einen Unterschied?«

Ich sagte: »Schau, Mike, du bist verheiratet. Wie, meinst du, würde Lindsay es aufnehmen, wenn du einen zweiwöchigen Urlaub ausfallen lassen würdest, den sie sich von ganzem Herzen wünscht?«

»Ich weiß, ich weiß. Die Welt wird von den Frauen regiert. Sag ihr, sie kann nächste Weihnachten fahren.«

»Also eigentlich ist sie schon dort und wartet, dass Malcolm J. A. nachkommt.«

»Das erleichtert das Ganze«, erklärte Mike. »Sie kann nicht auf dich losgehen. Ich kenne die Frauen, Solo, Lindsay ist die beste auf der Welt, aber manchmal fällt es mir nicht leicht, das zu sagen. Sie muss mir zeigen, wer die Hosen anhat. Wenn sie das tut, dann komme ich mir ganz schön mies vor. Du weißt, was ich meine. Du bist selbst verheiratet, du weißt also Bescheid.«

»Nein, noch nicht.«

»Kommt schon noch.«

»Also, Mike, worum handelt es sich?«

Mike Flowers schlug einen geschäftsmäßigen Ton an. »Richtig. Ich kann dir am Telefon nicht viel darüber sagen, Solo. Nur so viel: Heute Nachmittag wirst du Besuch bekommen.«

»Besuch?«

»Ganz richtig. Ernest Dennett.«

»Wer zum Teufel ist Ernest Dennett?«

»Einer der Teilhaber der Maklerfirma Tillman, Pryce and Dennett. Mitglied der Better Business League und Schriftführer der Handelskammer hier. Dennett ist ein anständiger Kerl. Er möchte dir was erzählen. Er kann dir einen guten Auftrag verschaffen. Er wird gegen halb drei in London ankommen und nur aus einem einzigen Grund dort sein. Der Grund ist, dich zu besuchen und dich zu engagieren.«

»Von wem stammt der Einfall, Mike?«

»Von mir. Dennett wird es dir erklären. Man wollte, dass ich hinfahre. Ich hielt das nicht für richtig. Ich sagte, dass ich dich anrufen würde, Solo, um dich auf Dennett vorzubereiten. Genau das tue ich jetzt.« Seine Stimme wurde ein klein wenig barscher. »Solo, ich möchte, dass du dir alles anhörst, was Dennett zu sagen hat. Es wäre mir nicht lieb, wenn du die Sache ausschlägst.«

»Und Malta?«

»Der Teufel soll es holen«, antwortete er ungeduldig. »Du sagst zu und bringst die Sache in Ordnung, und dann wirst du nicht mehr nach Malta fahren. Die Leute hier können nämlich eine Weltreise für dich arrangieren und dich mit dem nötigen Taschengeld dazu versehen. Soviel ist bei der Sache drin. Aber abgesehen davon, was für dich bei der Sache herausspringt - du wirst etwas verdammt Gutes tun, etwas, was getan werden muss. Wirst du ihm zuhören?«

Ich dachte nach. »Ich werde ihm schon zuhören.«

»Schön - und wirst du Zusagen?«

»So nicht, Mike. Ich kaufe keine Katze im Sack.«

»Also, Solo, ich muss Schluss machen. Man wollte mich zu dir runterschicken, damit ich mit dir rede. Ich habe das abgelehnt, weil dann jemand leicht den Eindruck bekommen könnte, ich sei in die Sache verwickelt, und das möchte ich nicht. Aber ich möchte, dass du mir wenigstens eins versprichst. Tust du das?«

»Was denn?«

»Dass du nicht gleich nein zu Dennett sagst. Dass du hierherkommst, die Angelegenheit mit mir besprichst, bevor du uns einen abschlägigen Bescheid gibst.«

»Gut, Mike, ich verspreche es dir.« Ich vernahm einen kleinen Seufzer der Erleichterung.

»Das wär’s, Solo. Auf bald. Danke für den Anruf.« Er legte auf.

Ich ebenfalls und fragte mich, was zum Teufel in der Luft lag. Denn so wie Mike Flowers geredet hatte, lag ohne Zweifel etwas in der Luft. Etwas, worüber er am Telefon nicht sprechen wollte - was Mike Flowers ganz und gar nicht ähnlich sah. Schließlich war er ein recht harter Typ, dem, ganz gleich in welcher Gesellschaft er sich befand, nie ein Wort in der Kehle stecken blieb. Ich setzte mich in meinen Stuhl zurück, um darüber nachzudenken, was er gesagt hatte.

Dieser Dennett wollte herkommen, um mir sozusagen heimlich, still und leise einen Besuch abzustatten. So heimlich, dass Mike nicht bereit war, am Telefon darüber zu reden. Er sollte gegen halb drei in London ankommen, was hieß, dass er vermutlich kurz vor drei Uhr im Büro eintreffen würde. Ich schaute auf die Uhr und sah, dass ich gerade noch Zeit genug hatte, um hinüber ins Joss House zu gehen und zu futtern, bevor dieser Geheimbote aus Mittelengland auftauchen würde. Ich zog also meinen guten neuen Tweedmantel an, setzte mir meinen Deckel auf, schloss das Büro ab und verzog mich.

Eine Viertelstunde später saß ich in der Küche des Joss House, und Charlie Bendall schöpfte Linsensuppe auf meinen Teller.

Dieser Charlie Bendall ist einer meiner besten und ältesten Kumpels. Seinerzeit war er der beste Mittelgewichtler in England, und er hätte es so weit wie nur je ein englischer Mittelgewichtler bringen können, aber stattdessen entschloss er sich, Belle Tavistock zu heiraten, und Belle sagte ihm ein für alle Mal, was sie vom Berufsboxen als Lebensunterhalt hielt.

»Wenn du einen Kampf nötig hast, Charlie«, hatte sie gesagt, »dann kannst du es ja mit mir probieren. Wir beide, du und ich, wir werden uns eine gutgehende Kneipe kaufen und glücklich wie im Märchen sein.«

Charlie lachte sich darüber tot und sagte ihr, was er von diesem Einfall hielt. Auf jeden Fall kauften sie die Kneipe, und alles lief mehr oder weniger so, wie Belle es vorhergesagt hatte, und Charlie wurde der glücklichste Kneipenwirt in England.

Zu der Zeit hatte ich ihn kennengelernt, und es war schon eine recht schlechte Zeit. Ich hatte gerade mein Büro in der allerletzten Seitenstraße aufgemacht, und anfangs war nichts so richtig gelaufen. Damals hatte ich von der Hand in den Mund gelebt, und selbst das war oft genug nicht einfach. Charlie Bendall hatte mir unter die Arme gegriffen. Solche Menschen vergisst man nicht.

Jetzt ließ ich mich zu einer Linsensuppe nieder, die mit dem Knochen eines guten Räucherschinkens zubereitet worden war, dann gab es Steak, Kartoffelbrei, Buttergemüse, Stiltonkäse mit Schwarzbrot und danach ein Bier.

Als das alles geschafft war, sagte Charlie: »Also, was soll das überhaupt mit dieser Reise nach Malta, Solo?«

Ich erzählte es ihm.

»Wer hat sich das einfallen lassen?«

»Ich.«

»Dachte ich mir. Bist du schon mal dort gewesen?«

»Nein. Ich möchte einfach mal hinfahren.«

Charlie grinste abfällig. »Mir ging’s genauso - und ich fuhr. Ich und Belle. Sollte eine ziemlich schicke Gegend sein, wie uns der Kerl vom Reisebüro erzählte. Eine Woche in Malta und danach eine auf Gozo. Wir glaubten, die Geschichte ist in Ordnung. Es war schon ein Hochgenuss, nur hatte man uns nichts über die Klosetts gesagt. Plumpsklos, damit mussten wir uns zufriedengeben.«

»Na ja.«

»Die nächste Woche fuhren wir dann nach Gozo«, fuhr Charlie fort, »dort gab’s überhaupt keine Klos.« Er schenkte mir noch etwas Bier nach. »Nur dass du’s weißt.«

»Werd’s nicht vergessen«, antwortete ich. »Erinnerst du dich, dass ich vor sieben oder acht Jahren einen großen Kerl aus Yorkshire mit herbrachte? Heißt Flowers - Mike Flowers.«

»Hatte ein lahmes Bein«, sagte Charlie. »Ich erinnere mich. Wir hatten viel Spaß in der Nacht.«

»Das ist er. Er versucht, mir was anderes zu verschaffen.«

»Springt was raus dabei?«

»Vielleicht«, sagte ich. »Übrigens, Mike glaubt schon.«

»Halt die Augen offen«, meinte Charlie. »In deinem Alter und mit deiner Verantwortung wirst du Geld gut brauchen können, Solo. Pass nur auf.«

»Schon möglich«, sagte ich. »Ich werde mir das Angebot auf jeden Fall anhören. Ich muss also jetzt zurück ins Büro, Charlie. Bis bald.« Ich ging hinaus und spazierte zum Büro. Es war frisch, nasskalt und es roch nach Nebel. Ich hatte das Gefühl, dass er in ein paar Stunden aus den dunklen Ecken hervorkriechen würde, und dass es ganz gut wäre, London in dieser Jahreszeit für ein, zwei Wochen den Rücken zu kehren. Auf Malta und Gozo würde es schon nicht so schlimm sein. Zum Teufel mit Charlie und seinen Horrorgeschichten. Ich setzte mich hinter den Schreibtisch, steckte mir eine Pfeife an und legte die Füße auf den Tisch.

Ich brauchte nicht lange zu warten. Er kam drei Minuten nach drei.

 

 

 

 

  Drittes Kapitel

 

 

Dieser Ernest Dennett war ein stämmiger, kleiner Kerl mit breiten Schultern, hatte einen grünen Tweedmantel an und einen Tweedhut auf dem Kopf. Er legte den Hut an das eine Ende des Schreibtisches, gab mir seinen Mantel und sah mir zu, wie ich ihn am hohen Eichenkleiderständer aufhängte. Dann setzte er sich hin, holte ein silbernes Zigarettenetui hervor und bot mir daraus an.

»Pfeife«, sagte ich. Ich nahm die Pfeife und fing an, sie zu stopfen.

Dennett zog sein Feuerzeug. Er setzte sich zurück, schaute mich einen Augenblick schweigend an und begann dann: »Mike sagte, dass Sie groß sind. Er hat nicht gesagt, wie groß. Ich schätze Sie auf einsneunzig, und Sie wiegen bestimmt nicht weniger als hundertzehn Kilo.«

»Einsdreiundneunzig«, sagte ich. »Hundertfünfzehn Kilo. Sie haben es ziemlich genau getroffen. Also, worum handelt es sich?«

»Wieviel hat Mike Ihnen erzählt?«

»Gar nichts. Er wollte am Telefon nicht über die Angelegenheit sprechen. Er wollte mir nur mitteilen, dass Sie auf dem Weg sind, dass Sie mir etwas anzubieten hätten und dass er unbedingt dafür sei.«

»Dann muss ich wohl alles regeln, was?«

»Sieht so aus.«

Er lehnte sich zurück und blickte mich immer noch an. »Zuerst folgendes, Mr. Malcolm. Ich werde Sie bitten, einen Auftrag zu übernehmen, den Sie vielleicht nicht haben wollen, aber ob Sie nun Zusagen oder nicht - dies Gespräch, das wir heute hier führen, muss ganz und gar unter uns bleiben. Einverstanden?«

Ich dachte nach. »Ja - ich denke schon.«

Er lächelte über das ganze breite Gesicht. Er war klein, kein gutaussehender Mann, aber wenn er lächelte, fing sein ganzes Gesicht zu strahlen an. »Gut. Ich bin Geschäftsmann, Mr. Malcolm, und rede nicht gern um den Brei herum. Mike sagte mir, dass Sie in unserer Stadt gewesen sind.«

»Zweimal in den vergangenen neun Jahren.«

Er nickte. »Richtig. Nun zum Problem. Prostitution, Spielhöllen und dann noch Erpressung von Schutzgeldern.«

»Die Stadt ist vermutlich ein bisschen größer geworden, seit ich das letzte Mal vor vier oder fünf Jahren da war.«

»Das ist sie. Vor sieben Jahren haben wir angefangen, uns auszudehnen. In den letzten drei Jahren sind wir ins Kraut geschossen. Sie kennen die Lage. Wir sind nah genug an Eisen und Kohle dran. Elektrizität ist da. Wir verfügen über mehr als nur eine stattliche Anzahl bestens ausgebildeter Ingenieure und Techniker. Wir haben sogar noch mehr als das. Etwas, worauf sich heute nur wenige Städte stützen können. Wir haben Bauland. Wir haben genug Land, um die ganzen siebziger Jahre hindurch weiterzuwachsen.«

»Dann sind Sie ja anscheinend fein heraus.«

»Ja. Es sieht so aus«, sagte er ruhig. »Die Millionen strömen nur so in die Stadt. Wissen Sie, ich bin Realist. Ich weiß ganz genau, dass es nicht so einfach weitergehen wird, wie es die letzten sieben oder acht Jahre gegangen ist. Wir werden, so wie andere Leute auch, unsere Schwierigkeiten haben. Das Farbigenproblem, die Beziehungen zur Arbeiterschaft. Schön - wenn solche Probleme auftauchen, können wir uns mit ihnen befassen. Die Geschäftswelt ist heutzutage eine ziemlich gut organisierte Einrichtung. Wenn man Schwierigkeiten bekommt, findet man immer einen Experten, der einem sagen kann, wie man sie loswird. Man muss nur sichergehen, den Richtigen zu erwischen und ihm dann die Stange halten. Habe ich recht?«

»Da ist schon was dran.«

»Klar ist da was dran.« Er grinste mich an. »Ich hab’ das Problem mit den höchsten Stellen besprochen.« Er schwenkte seine Zigarette durch die Luft, mit der anderen Hand strich er sich eine Strähne seines rotblonden Haares zurück. Das Lächeln verschwand von seinem Gesicht. »Wenn man das so betrachtet, sieht alles recht gut aus - aber wenn man einen langen, kühlen Blick darauf wirft, fängt man an, Dinge zu sehen, die einem nicht gefallen.«

»Was zum Beispiel?«

»Ich habe sie schon genannt. Prostitution und Spielhöllen. Wo die zwei auftreten, kommt es auch zur Erpressung von Schutzgeldern.«

Ich nickte. »Das stimmt. Sie haben ein Problem, das die meisten Städte in mehr oder weniger großem Umfang haben. Ein Problem, das man auf der ganzen Welt findet, nicht nur hier.«

»Da stimme ich Ihnen zu - aber man muss damit fertig werden.«

»Sie haben doch eine Polizei, die sich mit so etwas beschäftigt.«

»Das stimmt«, sagte er. »Es war mal eine gute Polizei. Wir. waren stolz auf sie. Aber irgendwie scheint sie während der letzten Jahre nicht mehr so tüchtig gewesen zu sein.«

»Auch das ist auf der ganzen Welt ein Problem.«

Dennett sagte verdrießlich: »Ich verstehe das einfach nicht, Mr. Malcolm. Den Leuten geht es besser als je zuvor. Sie haben bessere Häuser, sind gesünder, kleiden sich besser, in jeder Hinsicht leben sie besser - Renten, zusätzliche Sozialaufwendungen. Sie haben verdammt noch mal alles, was sie brauchen, und trotzdem ist anscheinend niemand zufrieden.« Er zündete sich eine neue Zigarette an. »Nun gut, ich habe nicht den ganzen Weg zurückgelegt, um über allgemeine soziale Probleme zu reden. Wir wollen uns mit dem befassen, was zu Hause vor sich geht. Wir müssen das Problem dort anpacken.« Er blickte zu mir her. »Wir möchten, dass Sie das machen.«

Ich saß da und schaute ihn an. »Was tut die Polizei?«

»Ich nehme an, sie tut, was sie kann. Zumindest sagt man uns das. Alle paar Tage wird jemand wegen Prostitution aufgegriffen - aber das ist ziemlich unwichtig. So, wie die Polizei das Ganze anpackt, lässt sie sich nur am Rand mit dem Problem ein.«

»Sie hat’s nicht leicht. Sie ist durch das Gesetz recht eingeschränkt.«

Er machte eine kleine, ärgerliche Handbewegung: »Ich weiß. Ich habe das mit Yard viele Dutzend Male besprochen. Ich bekomme immer dieselben Antworten - und dieselben Ausreden.«

»Wer ist Yard?«

»Der Polizeichef.«

»Wie ist er als Polizeichef?«

Dennett zuckte die Schultern. »Ich glaube, er ist ein recht guter Verwaltungsmann. Er stammt aus der Stadt. Es war eine ziemliche Überraschung, als er vor sechs, sieben Jahren auf dem Sessel vom alten MacFarlane Platz nahm. Tatsache ist, dass er einfach nicht MacFarlanes Format hat.«

»MacFarlane war der alte Polizeichef?«

»Ja - und er kannte sich in seinem Beruf aus. Es gab keine Schwierigkeiten zu seiner Zeit, das kann ich Ihnen versichern. Mit ihm verglichen ist Yard ein Leichtgewicht, und er weiß das.«

»Wie ist er zu dem Posten gekommen?«

Dennett lächelte schief. »Politik. Yard hat ein paar Freunde in einflussreichen Stellungen. Sie wissen doch, wie es in der Politik zugeht. Eine Hand wäscht die andere. Auf jeden Fall ist Yard jetzt da, und wir können nichts daran ändern.«

»Füllt er denn seine Stellung nicht aus?«

»Ich denke doch, so wie er sich das vorstellt. Aber eben nicht so, wie das einmal üblich war. Meiner Meinung nach kriegt er nicht die besten Leute. Ich persönlich denke, dass es an Yard selbst liegt. Er sucht sich immer die falschen aus.«

»Heutzutage ist es nicht so, dass man sich seine Leute aussucht, sondern die nimmt, die man kriegen kann. Die Polizei hat fast überall das gleiche Problem. Und mit ihr die Polizeichefs. Auf jeden Fall wird die Polizei aber von den Leuten geprägt, die an ihrer Spitze stehen. Wenn Sie zu Zeiten MacFarlanes gute Leute an der Spitze hatten, dann sollte es in der Gegend noch eine Menge von ihnen geben. Aber Sie haben doch nicht etwa Schwierigkeiten mit der Polizei?«