MORD AUF VERLANGEN - EIN FALL FÜR SOLO MALCOLM - John Cassells - E-Book

MORD AUF VERLANGEN - EIN FALL FÜR SOLO MALCOLM E-Book

John Cassells

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Beschreibung

Der Londoner Journalist Monty Usher ist einem Rauschgiftring auf die Spur gekommen. Er ahnt nicht, in welche Gefahr er sich begeben hat...

Seine Frau Peg hingegen wird seitdem von anonymen Anrufern belästigt. In ihrer Not wendet sie sich an Ushers Freund, den Privatdetektiv Solo Malcolm.

Aber Solo kann ihr nicht mehr beistehen: Als er zu den Ushers kommt, findet er eine Tote...

 

Der Roman Mord auf Verlangen um den Privatdetektiv Solo Malcolm aus der Feder des schottischen Schriftstellers John Cassells (ein Pseudonym von Bestseller-Autor William Murdoch Duncan - * 18. November 1909; † 19. April 1975) erschien erstmals im Jahr 1966; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte im gleichen Jahr (unter dem Titel Der Trick mit dem Seil).

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

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Veröffentlichungsjahr: 2022

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JOHN CASSELLS

 

 

Mord auf Verlangen

Ein Fall für Solo Malcolm

 

Roman

 

 

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

MORD AUF VERLANGEN 

ERSTER TEIL 

ZWEITER TEIL 

DRITTER TEIL 

 

 

Das Buch

 

Der Londoner Journalist Monty Usher ist einem Rauschgiftring auf die Spur gekommen. Er ahnt nicht, in welche Gefahr er sich begeben hat...

Seine Frau Peg hingegen wird seitdem von anonymen Anrufern belästigt. In ihrer Not wendet sie sich an Ushers Freund, den Privatdetektiv Solo Malcolm.

Aber Solo kann ihr nicht mehr beistehen: Als er zu den Ushers kommt, findet er eine Tote...

 

Der Roman Mord auf Verlangen um den Privatdetektiv Solo Malcolm aus der Feder des schottischen Schriftstellers John Cassells (ein Pseudonym von Bestseller-Autor William Murdoch Duncan - * 18. November 1909; † 19. April 1975) erschien erstmals im Jahr 1966; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte im gleichen Jahr (unter dem Titel Der Trick mit dem Seil).

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

  MORD AUF VERLANGEN

 

 

 

 

 

 

 

  ERSTER TEIL

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Es war ein Freitagabend im November, und draußen regnete es Bindfäden. Ich hatte eine harte Büroschicht eingelegt, was ganz und gar nicht meinem Geschmack entsprach. Nun ist es aber eine Tatsache, dass man - namentlich in einem Büro dieser Größe - von Zeit zu Zeit aufräumen muss, um ein Überfließen der Schreibtischfächer zu verhindern. Außerdem hatte ich eine Menge Korrespondenz zu erledigen - und auch das ist nicht meine starke Seite. Jedenfalls machte ich zehn vor acht Schluss, und mein Magen bereitete sich auf das Abendessen bei Charlie Bendall vor.

Ich nahm meinen Trenchcoat vom Haken, zwängte mich hinein und dachte, dass ich mir demnächst einen neuen zu kaufen hätte. Da war nämlich ein Riss unter dem rechten Arm, seit ich vor ein, zwei Monaten bei Lee Schuster in eine Schlägerei geraten war. Einerseits hatte Ike Levine die Sache ganz erstklassig repariert, doch andererseits war der Trenchcoat infolge dieser Reparatur beklemmend eng geworden.

Ich dachte daran, wie gesagt, und dachte auch, dass mich diese Neuanschaffung um rund zwanzig Guineas zurückwerfen würde. Mehr wollte ich nicht ausgeben. Wie dem auch sei, ich ging hinaus, schloss die Tür ab und hatte gerade die Treppe erreicht, als das Telefon klingelte.

Es klingelte auf der linken Seite des Korridors, möglicherweise in meinem Büro, und ich blieb ein paar Sekunden lauschend stehen.

Es klingelte weiter.

Ich stand da und dachte nach. Geschäft war Geschäft, und in meiner Branche konnte man sich die Aufträge nicht immer aussuchen. Aber wer garantierte mir schon, dass es sich um eine erfreuliche Nachricht handelte? Egal, es war mittlerweile acht Uhr geworden, und das reichte mir. Also ging ich weiter. Auf dem unteren Treppenabsatz hörte ich es noch einmal klingeln, und dann war alles still.

Ich verließ das Gebäude, dachte über den Grund dieses Anrufs nach und war noch immer zu keinem Schluss gekommen, als ich den Adrian Walk abgeschritten hatte. Aber dann verscheuchte ich diese Gedanken, denn der Abend war kalt, nass, vom Lärm des Verkehrs erfüllt, und ich hatte auf meine Schritte zu achten.

Zwanzig Minuten brauchte ich bis zum Joss House, Charlie Bendalls Lokal, in dem ich gewöhnlich esse, weil ich bei dieser Gelegenheit oft Tommy Belman treffe, der Kriminalbeamter ist und allerlei zu erzählen weiß. Als ich eintrat, war es vielleicht kurz vor halb neun. Das war wichtig, ich wusste es nur nicht sofort.

Choice Charlie stand hinter der Biertheke und bediente zwei Stammkunden. Er blickte zu mir herüber, sagte: »Ziemlich spät heute, Solo. Ich habe schon nach Ihnen Ausschau gehalten.«

»Viel zu tun, Charlie. Den ganzen Tag hart am Ball. Sie wissen ja, wie das bei uns großen Tieren ist, nicht wahr. Immer Wind in den Segeln, nie eine Flaute. Ich habe meine Schubfächer aufgeräumt und den ganzen Nachmittag alte Briefumschläge zerrissen. Was gibt’s denn zum Abendessen?«

Charlie deutete mit einer Kopfbewegung auf den Speiseraum. »Steak, Nierenpudding, Kartoffelpüree und - gelbe Rüben. Alles im Ofen. Ich leiste Ihnen gleich Gesellschaft. Bedienen Sie sich schon mal.«

Ich ging durch, holte die Menüplatte ab, nahm Messer und Gabel aus dem Besteckkasten, setzte mich an einen freien Tisch und machte mich ans Werk. Ich hatte gerade ein paar Bissen gegessen, als Charlie auf meinen Tisch zukam.

»Guten Appetit, Solo.«

»Mit einem Glas Bier würde es mir noch besser schmecken, Charlie.«

»Ich kümmere mich gleich darum. Da wollte jemand mit Ihnen sprechen. Ich gab ihm den Rat, Sie im Büro anzurufen.«

»Wann war das?«

»Kurz nach acht.«

»Genau um diese Zeit klingelte bei mir das Telefon. Aber ich war schon die Treppe hinuntergegangen und wollte nicht noch einmal kehrtmachen. Der Bursche hatte doch sicher einen Namen - oder?«

»Wenn er einen hatte, dann sprach er nicht darüber. Er wollte nur wissen, ob Sie in der Nähe wären. Ich sagte, Sie seien noch nicht eingetroffen - dann legte er auf. Kein Name - keine Auskunft. So, jetzt können Sie raten.«

»Keine Lust, Charlie«, sagte ich. »Ich habe heute beim Aufräumen schon genug Rätsel gelöst. Wer arbeitet, muss essen und trinken - besonders trinken. Unternehmen Sie mal etwas, Charlie.«

Er nickte. »Kommt sofort«, sagte er. »Heute Abend ist’s ziemlich ruhig. Das liegt am Regen. Nun, mir soll’s recht sein; manchmal kann ich einen ruhigen Abend gebrauchen.« Er ging nach vorn, um das Bier zu holen.

Nach ungefähr fünf Minuten kam er wieder und hatte in jeder Hand ein Bierglas. Er nahm mir gegenüber Platz, schob ein Glas in meine Richtung und zündete sich eine Zigarette an. »Werden Sie sich morgen das Fußballspiel ansehen, Solo?«, wollte er wissen.

Choice Charlie ist ein fanatischer Chelsea-Anhänger und lässt, wenn irgend möglich, kein Spiel aus.

»Zum Teufel mit Fußball«, sagte ich. »Morgen liege ich von zwei Uhr mittags bis neun Uhr abends flach. Schon alles geplant, Charlie. Wissen Sie, warum? Weil ich anschließend mit Jane zu einer Show im West End gehe. Sie sieht sich so was gern an - und die Eintrittskarten kosten ein Pfund pro Stück. Anschließend großes Abendessen im Beagle-Club. Zu diesem Zweck muss ich also bei Kräften bleiben. Wir Freiberufler haben keine Rücklagen und müssen uns - wenn wir nicht arbeiten - schonend behandeln.«

Charlie sah mich interessiert an. Er konnte Jane gut leiden - Jane Lynwood, die jetzt am dritten Finger ihrer linken Hand meinen Diamantring trug. Kein sehr großer Diamant, um ehrlich zu sein, aber letzten Endes ist ja auch ihr Finger nicht sehr groß. Charlie hatte schon seit Jahren versucht, mich unter die Haube zu bringen, und so wunderte ich mich auch nicht weiter, als er sagte: »Jane ist bestes Material, Solo. Wirklich eine sehr hübsche junge Lady, wenn Sie mich fragen. Sind Sie noch nicht auf den Gedanken...?«

Das Telefon klingelte.

Charlie lehnte sich zurück und nahm den Hörer von dem auf einer Konsole stehenden Apparat. »Charlie Bendall«, meldete er sich. »Was ist? Ja - ja, er ist jetzt hier. Moment.« Er reichte mir den Hörer herüber.

Ich hielt den Hörer ans Ohr. »Hier Solo Malcolm - wer ist dort?«

Der Bursche behielt seinen Namen für sich und sagte nur: »Ich versuche Sie seit mindestens einer Stunde zu erreichen, Malcolm. Interessieren Sie sich immer noch für Lefty Zernial?«

»Ja, immer noch.«

»Kennen Sie den Stack-Club in Meal Lane?«

»Kenne ich.«

»Ich denke, dort werden Sie Zernial antreffen.«

»Wie kommen Sie darauf?«

Der Mann schwieg einige Zeit. Ich dachte schon, wir wären getrennt worden, als ich ihn murmeln hörte: »Ich weiß schon, was ich sage.«

»Hoffentlich. Ich habe meine Zeit nicht gestohlen und andere Dinge zu tun, als wegen so eines blinden Tips kreuz und quer durch London zu rasen.«

»Liegt natürlich ganz bei Ihnen.«

»Haben Sie wenigstens einen Namen?«

Alles, was er darauf antwortete, war: »Sie sollten mit dem zufrieden sein, was Sie bekommen haben, Malcolm.«

Ein leises Klicken, dann war die Leitung tot.

Ich legte auf.

Choice Charlie sah mich an und sagte: »Die gleiche Stimme, also auch der gleiche Bursche.«

»Wissen Sie das genau, Charlie?«

»Ja, er war es.« Charlie griff nach seinem Bierglas und trank einen Schluck.

»Haben Sie diese Stimme noch nie gehört?«

»Sie kam mir irgendwie bekannt vor, aber das kann man von vielen Stimmen sagen, die man am Telefon hört. Trotzdem habe ich das Gefühl, ihn zu kennen. Allerdings müsste ich mir noch mal seine Stimme anhören - nicht am Telefon, versteht sich.«

Ich hörte Schritte, die sich auf den Speiseraum zubewegten. Bert steckte den Kopf durch die Tür und sagte: »Kundschaft, Charlie.«

Charlie stand auf und ging hinaus.

Ich machte es mir bequem und dachte über den Anruf nach. Diesen Lefty Zernial suchte ich schon seit sechs, sieben Monaten. Und ich war nicht der einzige Mann, der ihn suchte; denn Zernial - und vielleicht noch zwei andere Burschen - hatten dem Juweliergeschäft Aaronson & Blatsky in der Mailing Road einen Besuch abgestattet und es als reiche Leute wieder verlassen.

Dieser Fall ging mich eigentlich nichts an, weil der Angus- Sicherheitsdienst ihn schon übernommen hatte; aber weil der alte Donald Angus ein guter Freund von mir war, hatte er mich vor einer Woche engagiert. Ich sollte ein wenig herumschnüffeln, weil seine eigenen Jungs im Augenblick anderweitig beschäftigt waren. Nun, ich fand heraus, dass Zernial nach Paris geflogen und dort bei Freunden untergetaucht war.

Damit gab ich wieder an Angus ab, der unter anderem die französische Polizei benachrichtigte. Leider war Zernial schon verschwunden. Gewisse Anhaltspunkte deuteten darauf hin, dass er Antwerpen erreicht hatte; aber damit verlor sich seine Spur. Ich stieg dann endgültig aus, weil ich meine eigenen Interessen wahrzunehmen hatte, doch nicht ohne in bestimmten Kreisen für Zernials Namen Reklame zu machen.

Zernial war nach Paris geflogen, doch früher oder später würde er wieder zurückkehren. Jetzt sah es so aus, als wäre er wieder im Lande, und jemand hatte sich daran erinnert, dass ich mich für ihn interessierte. Und wenn mein Freund anonym bleiben wollte, konnte ich ihm letzten Endes keinen Vorwurf machen, denn viele Tips kamen auf diese Weise herein.

Ich dachte noch darüber nach, als Charlie an meinen Tisch zurückkehrte. »Wird langsam Betrieb, Solo«, sagte er, »aber mein Bier kann ich noch austrinken.« Er nahm Platz und trank einen Schluck. »Brady ist gerade gekommen. Sie kennen sicher den Burschen, der...«

»Und kennen Sie den Stack-Club, Charlie?«

»Ich kenne ihn. Er gehört Chick Gower.«

»Und wer steckt hinter Gower?«

Charlie zwinkerte mit einem Auge. »Moss Becker - wer sonst?«

»Das habe ich auch gehört. Aber halten Sie das für möglich?«

»Mit Sicherheit, Solo«, antwortete Charlie. »Ich sah Coleman auf einer unserer Gaststättengewerbeversammlungen. Coleman ist Beckers rechte Hand, vielleicht auch noch seine linke. Hat scharfe Augen. Ja, es ist Becker.«

Ich leerte mein Glas und klopfte meine Tabakspfeife aus. »Wenn der Club Becker gehört, dann geht’s da hochelegant zu.«

»Ist auch elegant«, bestätigte Charlie. »Und Gower versteht etwas von dem Geschäft. Wollen Sie sich den Club mal ansehen?«

»Ich dachte daran.«

»Hat der Bursche am Telefon Sie auf diesen Gedanken gebracht? Oder ich?«

»Er.«

Charlie machte ein nachdenkliches Gesicht. »Dann nehmen Sie sich nur in Acht, Solo. Diese Burschen lassen sich nicht bluffen. Wenn es sein muss, serviert man Ihnen eine Kugel, bevor Sie noch einen Whisky bestellt haben.«

»Sie glauben doch nicht allen Ernstes, dass Gower an so etwas auch nur im Traum denkt?«

»Nicht Gower. Aber der Mann am Telefon... Sehen Sie, Solo, wenn ein Unbekannter Ihnen eine Falle stellen will, dann braucht er nicht lange darüber nachzudenken. Anruf genügt sozusagen. So ein Ausflug kann eines Tages mit einer Überraschung enden. Gibt viele Leute, die den Namen Solo Malcolm nicht ausstehen können.«

»Das stimmt, Charlie«, sagte ich, »aber die Sache hat auch ihre guten Seiten. Erstens weiß ich es und zweitens kenne ich die meisten dieser Leute. Darum gehe ich dunklen Ecken aus dem Wege, und wenn mich jemand in eine dunkle Ecke schubsen will, dann schreie ich notfalls die ganze Straße zusammen. Kommt natürlich auch darauf an, wie viele es sind.«

Ich zog meinen Trenchcoat an. Charlie sah mir dabei zu und sagte ernst: »Kein Freund von mir soll behaupten, dass ich ihn nicht gewarnt hätte, Solo.«

»Ich werde mich nicht beschweren, Charlie.« Damit ging ich hinaus. Es regnete noch immer, und darum steuerte ich die nächste U-Bahn-Station an. Im Übrigen war ich schon auf dem Weg zum Stack-Club.

 

 

 

Zweites Kapitel

 

 

Der Eingang zum Stack-Club war eigentlich keine Sensation. Eine breite Eichentür mit einer Anzahl Glasfenster in der Füllung, hinter der bunte Lichter zu sehen waren. Aber dahinter sah es anders aus. Man ging einen breiten Korridor entlang, dessen Läufer so dick war, dass man bis zu den Knöcheln darin versank. Dann kam man, über eine weitere Türschwelle, in die große Bar. Die Doppeltür in der gegenüberliegenden Wand führte in das Speisezimmer.

Neben der Doppeltür stand ein Mann, der Empfangschef. Er blickte zu mir herüber, als ich eintrat; nicht aufdringlich, aber in jedem Fall interessiert.

Ich ging zur Bar, bestellte einen doppelten Whisky mit Wasser, nippte dann an meinem Glas und sah mir den Betrieb genauer an. In einem Club dieser Art entdeckt man gewöhnlich ein, zwei bekannte Gesichter. Ich sah Jim Mortimer, einen Kriminalbeamten, der mit einem ziemlich korpulenten Burschen Bier trank. Er sah aus wie ein Grieche. Ich nickte Mortimer nicht zu - vielleicht hatte er hier dienstlich zu tun. Ich sah auch Pete Daly, einen der gerissensten Schwindler des Landes, den man im Augenblick in den Vereinigten Staaten vermutete. Dann sah ich noch Joe Lampada, den Shakespeare-Schauspieler; Tommy Fruin, Regisseur, und noch ein paar andere Vertreter dieser Branche.

Ich sah aber weder Lefty Zernial noch jemanden, der wie Lefty Zernial aussah. Doch er konnte ja schließlich noch kommen. Gewöhnlich schenke ich derartigen Informationen Vertrauen, doch manchmal muss man eben warten. Ich zündete meine Tabakspfeife an, trank meinen Whisky und sah den Mann auf mich zukommen, der vorhin mit dem Fischgericht beschäftigt gewesen war.

Ein ziemlich großer, gutaussehender junger Bursche: dunkel; schwarzes, glattes Haar und einen Schnurrbart, der wie ein dünner Strich aussah. Seine Augen, schwarz wie Schlehen, waren auf mich gerichtet, als er sagte: »Haben Sie schon einen Tisch, Sir?«

»Ich brauche einstweilen noch keinen.«

Er lächelte. »Verzeihen Sie, Sir. Sind Sie Mr. Trace?«

»Ich habe diesen Namen noch nie gehört.«

Er lächelte weiter, ging aber davon.

Ich kümmerte mich nicht mehr um ihn, doch als ich meinen zweiten Drink bestellte, fiel er mir wieder auf. Er stand am Ende der Bar und sprach mit einem kleinen, untersetzten Typ, der eine Barkeeper-Jacke trug, und sie blickten beide in meine Richtung. Wenig später verschwand der Kleine hinter einer Tür neben der Bar, und das war es.

Ich trank mein Glas leer und schlenderte auf die Doppeltür des Speisezimmers zu. Da tauchte der Bursche wieder vor mir auf, lächelte noch immer und fragte: »Möchten Sie jetzt einen Tisch, Sir?«

»Nein, ich warte auf einen Freund.«

»So? Nun, vielleicht ist er schon da.«

»Vielleicht«, sagte ich, stieß die eine Hälfte der Doppeltür auf und trat ein.

Wirklich nicht übel, dieser Stack-Club. Weiche Teppiche, gedämpfte Beleuchtung und eine stattliche Anzahl Tische. Es gab auch eine kleine Tanzfläche, auf der im Augenblick reger Betrieb herrschte.

Ich sah mir die Tische an. Von Zernial war nirgends etwas zu sehen, aber das bedeutete nicht, dass er noch nicht da war oder nicht kommen würde. Immerhin entdeckte ich eine Reihe Bekannte, alte und neue, und einer fiel mir sofort auf, weil er mit einer Menükarte winkte und mich damit meinte. Ich erkannte Monty Usher und ging auf seinen Tisch zu.

»Hallo, Monty«, grüßte ich. »Sie sind heute wohl wieder mal in Form, wie?«

Dieser Monty Usher war klein, stämmig und hatte einen grauen Haarschopf, der seine ganze Stirn verdeckte. Doch das graue Haar gab keinerlei Auskunft über sein Alter. Monty war höchstens fünfunddreißig, sechsunddreißig, aber seine Erfolgskurve war diesem Alter ein Stück voraus. Er war beim Western Monitor Kriminalreporter, und ein verdammt guter. Im Augenblick strahlte er über das ganze Gesicht, das - nebenbei bemerkt - nicht sein einziges war, wenn auch sein freundlichstes. Und wenn er lachte, musste ich kurioserweise immer an einen gutgelaunten Affen denken.

»Setzen Sie sich auf einen Drink zu mir, Solo!« Er reichte mir die Hand, ich schüttelte sie, und er sagte noch einmal: »Setzen Sie sich schon.«

Ich nahm Platz.

Auf dem Tisch standen eine Flasche Whisky und ein halbes Dutzend Gläser. In zwei Gläsern sah ich einen kleinen, wie flüssiges Gold schillernden Rest.

Monty hatte schon einiges getrunken; ich sah ihn nicht zum ersten Mal in Stimmung und wusste, dass er etwas vertragen konnte. Während er die Gläser nachfüllte, blickte ich herum.

Auf dem Tisch vor uns stand eine zierliche Handtasche, die mit Juwelen besetzt war; auf der Stuhllehne, Monty gegenüber, lag ein weißes Pelzcape.

»Wo ist Peg?«

»Auf der Tanzfläche«, antwortete Monty. »Sehen Sie den blonden Knaben dort?«

Ich blickte zur Tanzfläche hinüber und sah einen großen blonden Jüngling; nicht so sehr den Knaben, der er für Monty Usher anscheinend war. Selbst aus dieser Entfernung schätzte ich ihn auf neunundzwanzig, dreißig Jahre. Er trug einen tadellos sitzenden Abendanzug. Sein markantes, gebräuntes Gesicht und sein blondes Haar - nun, ich konnte mir vorstellen, dass die Frauen ihn zum Anbeißen fanden.

»Wer ist das, Monty?«

»Tony Riordan.«

»Noch nie etwas von ihm gehört.«

»Amerikaner«, sagte Usher. »Einer unserer Blutsbrüder jenseits des großen Teichs. Er traf erst vor zwei Wochen in London ein. Nick Dalkini gab ihm unsere Adresse. Er wollte sich ein bisschen in London umsehen. War noch nie hier. Wir haben ihn mitgenommen, um ihm ein paar Sehenswürdigkeiten zu zeigen. Sie wissen ja, wie das ist, Solo. Morgen reist er wieder ab.«

»Tja...« Ich griff nach dem Whiskyglas, das Monty mir zugeschoben hatte, und setzte den Inhalt des Glases in kreisende Bewegung. »Dann haben Peggy und Sie ihn hierher gebracht, um ihm eine kleine Kostprobe anzubieten.«

»Man ist nur einmal jung«, sagte Monty. »Das ist meine Devise. Aber tanzen kann ich nicht. Das macht mich schwindlig, und außerdem schwitze ich auch noch dabei. Nein, damit ist’s aus.« Er trank einen Schluck. »Ich habe Sie schon lange nicht mehr gesehen, Solo.«

»War beschäftigt, Monty.«

»Auch jetzt noch?«

»Im Augenblick weniger. Ich habe gründlich aufgeräumt.«

»Haben Sie bei dieser Gelegenheit Stoff für einen Artikel gefunden?«

»Nicht die Bohne - und selbst wenn ich eine Story hätte, würde sie kein Mensch drucken. Doch nach allem, was ich hörte, haben Sie genug Material in der Schublade liegen.«

Monty blickte zu mir auf. »Vielleicht haben Sie recht, Solo«, entgegnete er und lächelte ein schiefes Lächeln. »Sagen Sie mir also, dass ich gar nicht hier sitzen sollte.«

»Das sage ich nicht.«

»Aber Sie denken es, Solo.«

»Ansichtssache.«

»Und trotzdem ist Chick Gower kein übler Bursche...«

»Bitte? Ja, ja, schon möglich. Ich kenne ihn nicht. Aber der Club gehört doch Moss Becker - nicht wahr?«

»So wird behauptet.« Monty blinzelte mir zu. »Machen wir uns nichts vor, Solo. Meine Schublade ist kein Taubenschlag, in den die Nachrichten nur so hineinflattern. Was stimmt mit dem Stack-Club nicht?«

Ich lehnte mich zurück und sah ihn an. Monty Usher war nicht sehr groß von Gestalt, dafür aber umso kräftiger und energischer. Erst vor einer Woche hatte der Western Monitor die Schlagzeile gebracht: Western-Monitor-Reporter einem Rauschgiftring auf der Spur! Und der Artikel begann ungefähr so:

 

Gestern kehrte Monty Usher, der bekannte Kriminalreporter, aus Ankara zurück, wo er sich eingehend mit Problemen beschäftigte, die mit dem Rauschgiftschmuggel nach Großbritannien in engem Zusammenhang stehen...

 

Artikel dieser Art.

Ich sagte: »Wissen Sie, wer hinter Gower steckt, Monty?«

»Moss Becker.«

»Das sagte man mir, und ich hörte auch, dass Moss Becker hinter diesem Rauschgiftring steckt. Umso mehr wundere ich mich natürlich, dass Sie sich - nach all den Veröffentlichungen - in einen seiner Clubs wagen. Ich frage Sie, Monty, ist das klug von Ihnen?«

Monty seufzte. »Was könnte mir hier beispielsweise passieren?«

»Ich will verdammt sein, wenn ich das weiß. Vielleicht schüttet man Ihnen Arsenik in den Whisky, und davon würden auch Ihre Gäste in Mitleidenschaft gezogen.«

Monty zündete sich eine seiner kleinen, dicken Zigarren an. Er rauchte immer diese kleinen, dicken Zigarren, und ich konnte mich nicht entsinnen, dass er jemals eine davon weggegeben hatte. Er neigte den Kopf ein wenig zurück und blies eine Rauchwolke von sich. »Sie kennen mich, Solo. Meine Ermittlung bezüglich des Rauschgiftrings ist nur eine von vielen. Sie wollen mir doch nicht den Rat geben, mich zu verkriechen?«

»Nicht direkt, Monty. Aber Sie könnten vorsichtiger sein, finde ich. Wie Ihnen bekannt sein wird, sind die guten Menschen ziemlich rar.«

Monty grinste. »Ich weiß. Und ich werde schon aufpassen. Aber erstens wissen wir noch nicht, ob wirklich Becker dahintersteckt, und zweitens müssen wir es ihm - sollte er damit zu tun haben - erst einmal beweisen. Drittens ist Becker nicht so grob, wie Sie glauben. Er wird mich nicht bei der nächstbesten Gelegenheit beseitigen. Becker ist kein grober Klotz, sondern glatt wie Seide.«

Ich sagte nichts.

»Peg ist der gleichen Meinung wie Sie«, fuhr er fort.

»Dann ist sie ein kluges Mädchen.«

»Ich weiß, ich weiß. Aber nervös. Ich bin nicht nervös, Solo. Ich habe keinen Nerv in meinem Körper. Ich prahle nicht. Ich kann auch eine Tracht Prügel vertragen. Und weil schon mal davon die Rede ist, so habe ich schon manch eine Abreibung bekommen. Die Colloni-Boys fingen mich unterwegs ab und prügelten mich windelweich. Lew Hammersmith schoss auf mich. Johnny Batiste verprügelte mich zur Abwechslung wieder. Aber ich habe, wie gesagt, keine Angst. Ich hatte noch nie Angst.« Er blickte mit einer Art Lächeln in seinen grauen Augen zu mir auf. »Ich wurde schon ohne Angst geboren, Solo. Weiß nicht mal, was Angst ist. Gibt viele Menschen, die ihre Mängel haben. Dem einen fehlt jegliches musikalische Empfinden, der andere ist in der Mathematik eine glatte Niete, und ich habe einfach kein Gefühl für Angst. Nein, ich hatte mein ganzes Leben noch keine Angst.«

Ich erwiderte seinen Blick und stellte mir die Frage, ob er das wirklich ernst meinte. »Sie meinen, wenn ein paar Burschen mit langen Messern hinter Ihnen herlaufen, würde Ihnen das überhaupt nichts ausmachen?«

»Es würde mich interessieren. Selbstverständlich würde ich auch versuchen, den Abstand zu vergrößern - aber ich würde keine Angst haben. Ich mache kein Geheimnis daraus, Solo. Jetzt wissen Sie es.« Er blinzelte wieder. »Noch einen Drink?«

Ich schob ihm mein Glas zu.

»Sie haben ein ziemlich starkes Knochengerüst, Solo«, sagte er. »Da kommen Sie mit einem Glas bei weitem nicht aus.« Er streifte die Asche von seiner Zigarre. »Nun, was hat Sie heute Abend hierher geführt?«

»Ich suche jemanden.«

»Kenne ich ihn?«

»Vielleicht. Lefty Zernial.«

Monty machte ein interessiertes Gesicht. »Ich erinnere mich an ihn. Er plünderte vor gar nicht so langer Zeit ein Juweliergeschäft. Wie kommen Sie auf die Idee, ihn hier zu suchen?«

»Ich habe einen Tip bekommen und wäre Ihnen zu Dank verpflichtet, wenn Sie das für sich behalten würden. Wenn er heute nicht auf taucht, dann vielleicht morgen.«

»Vielleicht.« Er blickte sich vorsichtig um. »Bleibt unter uns, Solo. Aber wenn Sie ihn erwischen, denken Sie daran, dass ich mein Brot verdienen muss.«

Die Musik hatte aufgehört, und die Paare verließen die Tanzfläche.

Ich stand langsam auf. »Nett, dass ich Sie wieder mal gesehen habe, Monty. Ich möchte auf keinen Fall Ihre Party sprengen.«

»Nur immer langsam«, sagte Monty. »Begrüßen Sie erst einmal Peg. Würde ihr bestimmt nicht gefallen, wenn Sie vor ihr davonlaufen.«

Also blieb ich noch.

 

 

 

Drittes Kapitel

 

 

Ich sah Peg Usher nicht zum ersten Mal und hatte sie schon gekannt, als sie noch mit Nick Dalkini verheiratet war. Ein großes, schlankes Mädchen, ungefähr sechsundzwanzig, honigfarbenes Haar bis zu den Schultern, dazu ein Gesicht und eine Figur, die in jeder Hinsicht filmreif waren - wenn sie sich für Filmrollen interessiert hätte. Doch soviel ich wusste, interessierte sie sich - Monty Usher ausgenommen - nur für ihre Karriere als Journalistin beim Western Monitor.

Sie hatte im New Yorker Büro gearbeitet, als sie Nick Dalkini kennenlernte, der ein bekannter Fernsehreporter und ein flotter Bursche war. Sie hatten in New York geheiratet, Peg war damals zweiundzwanzig, aber es war nicht die ewige Liebe gewesen. Ein Jahr später kehrte Peg in die Londoner Fleet Street zurück. Bald sickerten Scheidungsgerüchte durch, denn eine Persönlichkeit im Fernsehen kann so etwas nicht lange geheim halten. Vielleicht war Nick Dalkini eben zu flott gewesen.

Sechs Monate später hatte sie Monty Usher geheiratet - und das war für alle eine Überraschung gewesen, denn kein Mensch hatte auch nur an die Möglichkeit gedacht, dass Monty sich bei dem Rennen um ihre Gunst beteiligen würde. Aber so ist das Leben nun einmal.

Das ging mir alles durch den Kopf, als sie, den Blonden im Schlepp, zu ihrem Platz zurückkehrte.

»Wie ich mich freue, Sie endlich einmal wiederzusehen, Solo«, sagte sie, mir beide Hände entgegenstreckend. Sie blickte über ihre Schulter. »Tony, dieser große Junge hier ist Solo Malcolm, ein Freund der Familie.« Dann lächelnd zu mir: »Tony Riordan aus New York.«

Wir tauschten einen Händedruck aus. Er hatte einen festen Griff, sah ordentlich und gesund aus, ging aber, wie ich mir schon gedacht hatte, auf die Dreißig zu.

»Freut mich, Sie kennenzulernen, Solo«, sagte er.

»Setzen wir uns jetzt alle und trinken etwas«, schlug Monty vor. »Champagner soll es sein. Wo steckt der Kellner?«