DER KATZENMÖRDER - EIN FALL FÜR SOLO MALCOLM - John Cassells - E-Book

DER KATZENMÖRDER - EIN FALL FÜR SOLO MALCOLM E-Book

John Cassells

0,0
5,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Das Mädchen lag auf dem Boden. Der Strick um ihren Hals war fest zugezogen. Sie musste einmal sehr hübsch gewesen sein.

Mit einem seltsamen Auftrag für den Privatdetektiv Solo Malcolm und mit dem Tod einer schwarzen Katze hatte alles begonnen...

 

Der Roman Der Katzenmörder um den Privatdetektiv Solo Malcolm aus der Feder des schottischen Schriftstellers John Cassells (ein Pseudonym von Bestseller-Autor William Murdoch Duncan - * 18. November 1909; † 19. April 1975) erschien erstmals im Jahr 1964; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1978.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2022

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



 

 

 

 

JOHN CASSELLS

 

 

Der Katzenmörder

Ein Fall für Solo Malcolm

 

Roman

 

 

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

DER KATZENMÖRDER 

ERSTER TEIL 

ZWEITER TEIL 

DRITTER TEIL 

 

 

Das Buch

 

Das Mädchen lag auf dem Boden. Der Strick um ihren Hals war fest zugezogen. Sie musste einmal sehr hübsch gewesen sein.

Mit einem seltsamen Auftrag für den Privatdetektiv Solo Malcolm und mit dem Tod einer schwarzen Katze hatte alles begonnen...

 

Der Roman Der Katzenmörder um den Privatdetektiv Solo Malcolm aus der Feder des schottischen Schriftstellers John Cassells (ein Pseudonym von Bestseller-Autor William Murdoch Duncan - * 18. November 1909; † 19. April 1975) erschien erstmals im Jahr 1964; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1978.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

  DER KATZENMÖRDER

 

 

 

 

 

 

  ERSTER TEIL

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Für meine Wenigkeit fing das Ganze eigentlich mit einer Keilerei in Ike Mullers Kneipe in der Clink Street an. Sie dauerte zwar nicht lange, hatte es aber in sich. Es war am letzten Samstag im November, und der Regen schien überhaupt nicht mehr aufhören zu wollen. Ich besuchte Muller, weil man bei ihm gelegentlich einen guten Tip bekommen konnte, und auf so etwas war ich gerade dringend angewiesen.

Es ging um eine Versicherungssache, was mir an sich nicht lag, aber ich hatte versprochen, mich für einen alten Freund und die Consolidated-Versicherung umzusehen. Der Mann, hinter dem ich her war, hieß Dick Taggers und musste eigentlich alles über den enormen Fischzug im East End wissen.

Ins Lokal kam ich gegen 21.30 Uhr. In der Gaststube saßen vielleicht zwölf oder vierzehn Gäste. Ein paar spielten Karten, zwei alte Männer beugten sich über Dominosteine, die anderen hockten so herum.

Ike stand hinter der Theke und zählte sein Kleingeld. Er sah mich hereinkommen und nickte mir zu, als ich zu ihm trat.

»’n Abend, Solo. Sie hab’ ich eigentlich nicht erwartet. Was soll’s sein?«

»Wie wär’s mit zwei Bierchen, Ike? Ich muss mit Ihnen reden. Im Hinterzimmer.«

Er machte ein nachdenkliches Gesicht.

»Hier geht’s wohl nicht? Oder...«

Ich nickte.

Er füllte ein Glas.

»Trinken Sie das aus, Solo, dann gehen Sie wieder. Kommen Sie nach hinten, ich lass’ Sie rein. So ist es für alle besser.«

Ich setzte mich an einen Tisch in der Ecke und trank mein Bier, dann verließ ich das Lokal und ging nach hinten in den Hof, wo es eine Anzahl alter Schuppen, Stapel von leeren Flaschenkästen und einen Ziegelhaufen gab, an dem ich mir fast eine Beule gestoßen hätte. Ich schlängelte mich hindurch und klopfte an die Tür, aber durchaus nicht laut.

Ike wartete schon auf mich. Ich musste mich durch einen Spalt hineinzwängen. Er schloss die Tür, schob den Riegel vor und drehte sich um. Das Zimmer war klein. Es gab weder ein Fenster noch einen Kamin, dafür aber einen Tisch, zwei alte Sessel, ein durchgesessenes Sofa und Gin- und Whiskykisten.

Ich ließ mich auf dem Sofa nieder. Ike hockte sich auf die Tischkante - ein kleiner, wendiger Mann Ende Vierzig. Früher mal der beste Bantamgewichtler im ganzen Land, bis zu seinem Autounfall. Er brach sich dabei zwar nur das Bein, aber es blieb steif. Nicht so steif, dass man es beim Gehen bemerkt hätte, aber mit dem Boxen war es aus. Ike übernahm die Kneipe und heiratete. Kinder kamen später. Er verstand sich mit den meisten Leuten gut, vor allem mit mir. Aus einer grünen Flasche füllte er zwei Gläser.

»Das ist was für Sie, Solo. Bekommen Sie in keinem Lokal. Geht alles in den Export.«

Der Whisky konnte sich sehen lassen. Ich lehnte mich zurück und ließ ihn mir schmecken.

Ike zündete sich eine Zigarette an.

»Dann mal los, Solo. Worum geht’s?«

»Um Lefty Rainer.«

Ike zog die Brauen hoch.

»Was hat er denn angestellt, Solo? Man hört nicht mehr viel von ihm.«

»Er treibt sich mit Dick Taggers herum. Ich brauche eine Spur, die mich zu Taggers führt, Ike. Es ist wichtig. Taggers ist in dieser Gegend zu Hause, deshalb komme ich zu Ihnen. Was meinen Sie?«

»Übler Bursche, dieser Rainer.«

»Weiß ich. Er interessiert mich trotzdem.«

Ike überlegte.

»Vielleicht höre ich was, Solo. Ich rufe Sie an, wenn sich was tut. Passen Sie bloß auf. Mit den Typen ist nicht zu spaßen.«

»Bekannt. Das lassen Sie nur meine Sorge sein.« Ich leerte mein Glas. »Nein - nichts mehr, Ike. Ich bin mit dem Wagen da. Sie rufen mich an und...«

Aus der Gaststube drangen plötzlich laute Stimmen herüber, dann zerschellte Glas.

Ike riss die Augen auf, ging zur Tür, schob einen Kalender zur Seite und starrte durch einen Spion.

»So eine Gemeinheit!«, zischte er.

In der Gaststube war es wieder still geworden. Ich stand auf und ging zu ihm.

»Was gibt’s denn?«

»Sehen Sie sich das an, Solo.«

Ich bückte mich und guckte durch das Loch. An der Theke hatten sich mehrere Männer versammelt. Vier Kerle, die nicht ungefährlich aussahen. Unter ihnen war ein großer, breitschultriger Bursche, eins neunzig vielleicht, mit eingeschlagener Nase und demolierten Ohren. Er beugte sich über die Theke, hantierte an den Hebeln und richtete sich auf, als Bier aus den Hähnen strömte.

Der alte Tom trat hinter der Theke auf ihn zu.

»Moment mal, meine Herren...«

Ein junger Kerl mit schwarzer Augenklappe streckte den Arm hinüber und packte ihn am Kragen.

»Immer mit der Ruhe, Opa.«

Der Große lachte.

»Will einer ’n Bier? Alles frei!«

Niemand sagte etwas. An einem Ecktisch saß ein schlanker, gutgekleideter Mann. Er trug einen teuren Mantel und einen Homburg. Eigentlich machte er den Eindruck, als habe er sich nur durch Zufall in das Lokal verirrt. Er stand auf und ging zur Tür.

Der Halbstarke mit der Augenklappe schnitt ihm den Weg ab.

»Diese Halunken!«, sagte Ike zornig. »Ich muss raus.«

»Wer ist das?«, erkundigte ich mich.

»Der Große heißt Purcell. Früher hat er für Eddie Hocker geboxt.« Ike öffnete langsam die Tür. »Ich...«

»Sie können Hilfe gebrauchen, Ike.«

Er sah zu mir auf.

»Stimmt. Wenn Sie aber einer von hinten kommen sieht, gibt das Gerede. Auf die Dauer wird es dadurch nur schlimmer. Nein - ich muss mir schon selber helfen. Morgen sind Sie ja auch nicht da.«

»Lassen Sie mich hinten raus, Ike, dann kann ich vorn wieder reinkommen«, sagte ich. »Das merkt keiner.« Ich ging zur Hintertür und verließ das Zimmer. Der Schlüssel wurde hinter mir umgedreht. Ich hastete um das Haus herum.

Es regnete immer noch unablässig. Vor dem Eingang wartete ich eine halbe Minute. Das Wasser gurgelte in den Gullys. Ich hörte Ike Mullers Stimme. Eine Flasche zersplitterte.

Jemand schrie auf.

Ich drückte die Tür auf und betrat die Gaststube. An der Theke tat sich was. Ike war mittendrin. Er blutete an der Braue.

Der große Kerl stand mit dem Rücken zur Theke und amüsierte sich. Zwei von seinen Kumpanen hielten Ike fest. Der Knabe mit der Augenklappe beugte sich vor und schlug ihm ins Gesicht.

Ich ging hin und holte mit dem Fuß aus. Ich traf ihn mit voller Wucht in den verlängerten Rücken. Es hob ihn bis zur Theke hoch.

Im Lokal wurde es mäuschenstill. Nur Purcell reagierte. Er stieß sich von der Theke ab, und seine Rechte schoss auf mich zu. Ich wich aus, ließ den Schlag über die linke Schulter verpuffen und knallte ihm eins in den Magen.

Es warf ihn an die zwei Meter entfernte Wand. Bevor er sich aufraffen konnte, war ich schon zur Stelle. Ich zerrte ihn hoch und rammte ihn mit der Schulter. Als er sich auf den Hosenboden setzte, knallte ich ihm die rechte Handkante an den Hals. Er kippte um.

Ich wirbelte rechtzeitig herum und sah den mit der Augenklappe zur Tür wischen. Das schaffte er nicht ganz, weil ich im Weg stand. Ich zog ihn zu mir heran, klopfte mit seinem Schädel zweimal an die Wand und gab ihm zwei kräftige Ohrfeigen. Als ich ihn losließ, setzte er sich langsam und schloss das Auge.

Die anderen beiden standen noch an der Theke. Ike holte aus und setzte einen davon außer Gefecht. Der andere gab freiwillig auf. Wir standen da und sahen einander an. Der alte Tom drehte das Bier ab.

»Ganz schöner Schaden, Ike«, sagte ich. »Sollen sie gleich bezahlen?«

»Wär’ nicht schlecht«, erwiderte Ike. Er keuchte immer noch. »Aber mit dem Kassieren ist das nicht so einfach.«

»Wieviel?«

»Um die sechs Pfund.«

»Eine Flasche Scotch ist hin«, sagte der alte Tom. »Das war Purcell.«

»Sagen wir acht.«

Ich schaute mich um.

»Ein zerbrochener Spiegel, ein Dutzend kaputte Gläser. Sagen wir zehn.« Ich trat zu dem Burschen mit der Augenklappe. »Zahltag.«

Er starrte mich entgeistert an, schien aber dann von selbst zu begreifen. Einwände erhob er keine. Er zog eine Brieftasche heraus und entnahm ihr zwei Fünf-Pfund-Scheine.

Ich brachte sie Ike.

»Da ist die Entschädigung. Schulden muss man immer gleich kassieren, Ike. Wer ist der Kerl?«

»Er heißt Stover«, sagte Ike. »Pete Stover.«

»Aufstehen, Stover«, sagte ich. »Ihr drei nehmt Purcell und verschwindet, aber ein bisschen plötzlich. Wenn es hier noch mal Ärger gibt, komme ich und mache Hackfleisch aus euch.«

Stover raffte sich mühsam auf. Er stand eine Weile schwankend da, dann taumelte er auf Purcell zu. Gemeinsam zogen sie ihn hoch und schleppten ihn zur Tür.

Damit war alles vorbei. Alle begannen durcheinanderzureden und Bier und Schnäpse zu bestellen.

»Danke, Solo«, sagte Ike. »Vielleicht kommen sie so schnell nicht wieder. Das war sehr anständig von Ihnen. Wie wär’s mit einer Flasche?« Er holte eine herunter und schob sie mir hin.

Zuerst wollte ich sie nicht nehmen, aber bei gutem Whisky kann ich schlecht nein sagen.

»Danke, Ike. Sie wissen ja, wo Sie mich erreichen, wenn es wieder Ärger geben sollte. Ich muss jetzt weiter. Gute Nacht.« Ich schob die Flasche unter den Arm und ging zur Tür.

Der ruhige, gutgekleidete Mann saß immer noch an seinem Ecktisch. Ich sah, dass er mich beobachtete, aber den Mund machte er nicht auf. Bei dieser Gelegenheit jedenfalls nicht. Ich setzte mich in meinen Jaguar und fuhr nach Hause.

 

 

 

Zweites Kapitel

 

 

Am Sonntagvormittag hörte der Regen auf. Es wurde kälter, und am Montagmorgen schneite es. Nicht viel, aber der Himmel war bleifarben, und von Zeit zu Zeit gab es einen Flockenwirbel, dass man das Gefühl bekam, der Winter hätte noch einiges in petto. Ich stand spät auf, frühstückte und lungerte herum, rauchte und guckte in die Zeitungen. Schließlich war es auch mal was wert, sich nicht anstrengen zu müssen. Ich hatte Ende der Woche einen Fall abgeschlossen und war entsprechend guter Stimmung. Das ging sogar so weit, dass ich mir überlegte, ob ich nicht überhaupt blaumachen sollte, nur um zu beweisen, wer hier eigentlich unabhängig war.

Schließlich fuhr ich doch los - aber nicht ins Büro. Ich besuchte Nat Croft und gab eine Information an ihn weiter, die ich zufällig aufgeschnappt hatte. Anschließend fuhr ich bei Joe Cardosi vorbei. Inzwischen war es nach ein Uhr geworden. Ich fuhr zum Joss House. Es gehört Charlie Bendall, einem meiner ältesten Freunde, der vielleicht auch mein bester ist.

Charlie saß hinten und rührte in einem Suppentopf, als ich hereinkam. Charlie Bendall ist ein alter Knabe mit Glatze, der vor fünfundzwanzig Jahren oder so zu den besten Mittelgewichtlern gehört hat, und einer von den ewigen Leuten, denen ich am Herzen liege.

»Nur herein, Solo«, sagte er. »Linsensuppe - den Speck riechst du ja. Hinterher Steak und Bohnen. Hol dir einen Stuhl und greif zu. Ich bin ziemlich im Druck heute, Bert hat Grippe. Gestern hat er uns dauernd ins Bier gehustet. Da hab’ ich ihn heimgeschickt.«

Ich setzte mich an den Tisch und sah zu, wie Charlie austeilte. Als die dampfenden Teller vor uns standen, setzte er sich mir gegenüber und fragte: »Hast du ihn gesehen?«

»Wen?«

»Den Burschen, der heute früh hier war.«

Ich schüttelte den Kopf.

»Wer war das?«

»Eleganter Schnösel«, meinte Charlie. »Fährt einen Bentley. Er hat nach dir gefragt.«

»War er im Büro?«

»Eine Stunde lang, hat er behauptet. Irgendjemand hat ihm dann gesagt, er soll sich hier erkundigen. Scheint ein wichtiger Kunde zu sein.«

»Wie sieht er aus?«

»Elegant«, wiederholte Charlie. »Mit Hut. Gar nicht wie du und ich, Solo. Redet wie die Burschen im Fernsehen. Er wollte dich unbedingt sprechen. Ich sagte ihm, dass du vielleicht zum Essen vorbeikommst, aber nur, wenn du nicht an einem Fall hängst.«

Wir ließen es uns schmecken. Ich zerbrach mir den Kopf über den Mann, aber nicht besonders. Schließlich kenne ich mehrere Leute, die Bentleys oder sogar einen Rolls Royce fahren, aber der Beschreibung nach konnte ich mir keinen Vers auf ihn machen. Wir unterhielten uns immer noch über ihn, als wir in der Gaststube Stimmen hörten, und wer kam herein - Maxie Lewis.

Maxie Lewis ist Kriminalinspektor - und ein sehr kluger Kopf dazu. Äußerlich macht er nicht viel her. Eins siebenundsechzig, vielleicht, und knappe sechzig Kilo, aber seine Kunden nehmen sich in Acht vor ihm.

Er kam herein, blass wie immer, und schaute sich mit seinen dunklen Augen um.

»Tag, Jungs«, sagte er. »Hab' mir doch gedacht, dass ich gerade recht komme.« Er setzte sich an den Tisch. »Freut mich, dass ich dich treffe, Solo. Hast du Carlson gesehen?«

»Schon seit einem halben Jahr nicht mehr, Maxie.«

Er nickte.

»Das behaupten alle. Er ist aber wieder da. Gestner hat Samstagabend im Clay Court ein Ding gedreht. Wenn Carlson nicht dabei ist, rührt er keinen Finger. Also muss Carlson wieder da sein. Das kannst du überall verbreiten, Solo - bei alten und neuen Freunden. Ich bin hinter ihm her, und wenn ich ihn erwische, hat er für die nächsten vier Jahre ausgesorgt. Mit Glück werden es fünf.«

Er schloss das Thema Carlson ab und schnitt den Schinken an, der auf dem Tisch lag. Hinterher zog er einige rosa und weiße Karten aus der Tasche. Sie wurden von einem Gummiband zusammengehalten. Er ließ den Gummi ein paarmal schnalzen, dann zog er vier Karten heraus - zwei von jeder Farbe.

»Jetzt geht’s los, meine Herren, die günstigste Gelegenheit des Jahrhunderts. Abendessen und Tanz mit Vorführungen und allem Drum und Dran am Weihnachtsabend in der Wellwood Hall.« Er fächerte sie auseinander. »Nur fünfunddreißig Shilling das Paar. Für jeden eins. Hat mich allerhand Mühe gekostet, sie überhaupt noch rauszuholen. Geh’n weg wie die warmen Semmeln.«

»Von wegen Tanz, Maxie«, sagte ich. »Mich hat noch keiner auf einem Tanzboden gesehen. Beim Bier - ja.«

»Ich nehme die bessere Hälfte mit«, erklärte Maxie. »Bogardus tut es auch, genau wie Charlie hier.«

»Na schön, ihr habt eben alle Frauen. Ich bin Außenseiter. Nimm sie mit und verkauf sie auf der Straße.«

Maxie sah Charlie an.

»Hör dir das an, Charlie. In seinem Alter gibt er schon auf. Nick wird der Schlag treffen, wenn er das hört.« Er schüttelte den Kopf. »Kannst du dir nicht irgendwo eine anlachen?«

»Ich hab’ andere Schwächen, Maxie.«

»Was ist denn mit der Kleinen, mit der man dich vor einem Jahr gesehen hat?«, fragte Charlie. »Na, Solo? Abe Cole und Frank Hogg haben dich im West End mit ihr gesehen. Alles hat davon gesprochen.«

Maxie merkte auf.

»Was hör’ ich da, Charlie? Der gute Solo führt ein Doppelleben oder was?«

»Eine prima Puppe«, meinte Charlie. »Abe sagte, dass man kaum was Besseres findet, und unser Solo führt sie aus, als wär’ das ganz selbstverständlich.«

Ich wusste Bescheid. Jane Lynwood, eine besonders gute Bekannte von mir. Aber so wild ist es nun auch wieder nicht damit. Dass Charlie davon wusste, war mir jedenfalls neu.

»Das war Miss Lynwood, Maxie«, sagte ich. »Du hast sie ja kennengelernt.«

Maxie nickte.

»Stimmt. Na bitte, Solo. Zwei Karten. Fünfunddreißig macht das. Bier kostet extra.«

Ich schüttelte den Kopf.

»Miss Lynwood gehört nicht zu den Damen, die ich mir zu einem Tanzabend einzuladen getrauen würde.«

»Was ist denn los mit ihr? Holzbein?«

»Quatsch. Solche Beine wie sie muss man erst mal haben.«

»Richtig, erinnere mich genau«, sagte Maxie. Er starrte mich geraume Zeit an, dann steckte er die Karten wieder ein. »Du begreifst es auch noch, Solo. Hoffentlich nicht zu spät.«

»Hör mal, Maxie, für mich ist das nichts.«

»Weiß ich. Geht uns allen so, manchmal jedenfalls. Aber das muss man überwinden. Als ich Lil kennenlernte - weißt du was? Damals war ich Sergeant bei der Kriminalpolizei mit dreihundert Pfund auf der Bank und achthundert im Jahr. Ihr alter Herr war Solly Leiver von Leiver und Tredgold, dem Möbelkonzern, der in jeder Stadt seine Filialen hat. Vorige Woche hat der Alte einen Konkurrenten geschluckt, der zwei Millionen umsetzt. Solche Leute sind die Leivers. Erste Klasse. Und was habe ich gemacht? Ich habe mir gesagt: Maxie, habe ich mir gesagt, das ist zwar eine feine Puppe, aber nichts für dich. Wenn’s ums Verdienen geht, steckt dich ihr alter Herr in die Westentasche, und wenn du Jagd auf sie machst, kommt jemand unter die Räder - sehr wahrscheinlich du selber. Das habe ich mir gesagt, Solo. Ich stieg also aus und hielt mich brav zurück. Eines Tages gehe ich zu einem Tanzabend ehemaliger Kriegsteilnehmer, und wen sehe ich da - Lil.« Er verstummte.

»Nur weiter«, sagte ich.

Maxie atmete tief ein.

»Weißt du was? Sie hatte Hamish Findlay dabei, einen ausgemachten Einfaltspinsel. Sie hatte sich von ihm einladen lassen, weil sie wusste, dass ich kommen würde. Mittendrin geht sie auf mich zu und sagt: Maxie, du Feigling, was sind denn das für Manieren? Seit acht Wochen warte ich darauf, dass du mir endlich erklärst, warum du dich so schäbig benimmst. Kaum hörst du, dass ich Solly Leivers Tochter bin, schon verdrückst du dich.«

»So spricht aber eine junge, wohlerzogene Dame nicht.«

»Vielleicht hat sie sich nicht ganz so ausgedrückt«, gab Maxie zu, »aber gemeint hat sie es so. Jedenfalls sage ich zu ihr: Lil, sage ich, du hast Sollys ganzes Vermögen hinter dir. Ich habe nur dreihundert auf der Bank und das Gehalt als Sergeant. Das ist alles. Es war auch alles.«

»Was hat sie darauf gesagt?«

»Sie sagte: Das genügt. Davon kannst du drei Leute ernähren. Bis wir zu fünft sind, bist du längst Inspektor. Und sie hat recht gehabt.« Er stand auf. »Denk mal dran.« Er schob Charlie zwei Karten hin. »Fünfunddreißig, Charlie.«

Charlie blechte.

Maxie steckte das Geld ein und knöpfte seinen Mantel zu.

»Danke, Charlie. Wenn du es dir noch anders überlegst, Solo - tu es bald. Ich kann die restlichen Karten höchstens ein paar Tage behalten. Ruf deine Kleine an und frag sie mal, ob sie wichtige Persönlichkeiten kennenlernen will. Leute wie Chefinspektor Bogardus, Chefinspektor McNab und so weiter.«

»Ich werd’ mir’s überlegen«, sagte ich, aber ich wusste, dass ich es nicht tun würde.

Maxie wusste es auch. Er ging. Ich trank mein Bier. Charlie beobachtete mich eine Weile und sagte dann: »Weißt du, Solo, Maxie hat schon recht. Geschäftlich stellst du dich nicht schlecht. Du hast gute Beziehungen, Geld auf der Bank und fährst einen Jaguar. Da sollte man eigentlich auch mal andere Gedanken im Kopf haben. Ein Heim, wie wir alle es uns zugelegt haben. Was stört dich an einer Ehefrau?«

»Sag du mir’s, Charlie.«

Er schwieg.

»Ich hatte mal eine, das weißt du, Charlie. Es hat nicht geklappt. Vielleicht lag es an mir. Ich weiß es nicht. Jedenfalls brauche ich ziemlich lange, um drüber wegzukommen. Kann sein, dass ich es noch nicht ganz geschafft habe. Ich denk’ einfach nicht mehr drüber nach. Danke fürs Essen, Charlie.«

Ich stand auf und zog meinen Gürtel fest. Dann ging ich zu meinem Jaguar hinaus und fuhr zum Adrian Walk, wo ich mein Büro habe. Ich sperrte den Wagen ab und ging hinauf, hob die Post vom Boden auf und trug sie in mein Zimmer. Dort zog ich meinen Mantel aus und setzte mich an den Schreibtisch, um die Briefe durchzusehen.

Briefe von der Versicherung, Briefe von Leuten, denen ich Schreibmaschinen und andere Bürogeräte abkaufen sollte. Einer wollte sich zwanzig Pfund ausborgen. Außerdem meldete sich Bill Kirby, der mit mir beim Militär gewesen war und im Dezember für eine Woche nach London kommen wollte. Ich las seinen Brief zum zweiten Mal, als ich eine Tür gehen hörte. Jemand ging durchs Vorzimmer. Kurz danach klopfte es an meiner Tür.

»Herein.«

Er trat ein. Recht gut aussehend, mit dunklem Mantel, den Hut in der Hand. Ich erkannte ihn sofort. Es war der Mann aus Ike Mullers Lokal.

 

 

 

Drittes Kapitel

 

 

Wir sahen einander ein paar Sekunden an. Ich schätzte ihn auf etwa vierzig. Ohne seinen Hut wirkte er nicht ganz so elegant. Er hatte graumeliertes Haar. Sein Gesicht war fahl. Er sah müde und verzweifelt aus, wie jemand, der ein bisschen viel zu schleppen hat. Er blieb an der Tür stehen und guckte mich an. Seine Augen waren auch grau.

Ich erhob mich.

»Guten Tag.«

Er lächelte. Das machte ihn sympathisch.

»Mein Name ist Clay Marshall.«

Der Name kam mir bekannt vor. Ich hatte schon mal von ihm gehört, wusste im Augenblick aber nicht, wo ich ihn hintun sollte.

»Nehmen Sie Platz, Mr. Marshall. Ich bin Solo Malcolm.«

»Ich weiß. Wir haben uns am Samstag gesehen.«

»Stimmt. Bedauerlicher Anlass.«

»Nicht für mich. Einen Menschen wie Sie suche ich schon seit geraumer Zeit.«

Ich zog die Brauen hoch.

»Wie kommen Sie eigentlich in ein solches Lokal, Mr. Marshall?«

Er lächelte.

»Reines Glück. Wie es manchmal so geht. Ich habe einen alten Arbeiter, der in der Pell Alley wohnt. Ich wollte ihn besuchen, weil er schon seit einer Weile krank ist. Er war nicht zu Hause, aber sein Nachbar sagte, er sei nur ins Kino um die Ecke gegangen und werde um zehn Uhr zurück sein. Deshalb ging ich in die nächste Kneipe, um eine halbe Stunde totzuschlagen.«

»So war das also.«

»Genau.« Er lächelte noch immer. »Man könnte es also auch Zufall nennen. Jedenfalls war ich an Ort und Stelle. Ich sah, wie Sie mit den Kerlen fertig wurden. Das hat mich nicht wenig gefreut. Mit einem solchen Empfang hatten die Burschen natürlich nicht gerechnet.«

»Manchmal geht es eben daneben.« Ich wies auf einen Stuhl. »Nehmen Sie doch Platz, Mr. Marshall. Was wollen Sie mir sagen?«

Er legte seinen Hut auf den Schreibtisch und setzte sich. Ich beobachtete ihn. Charlie hatte ihn gut beschrieben. Nach einer längeren Pause sagte er: »Ich suche Sie schon den ganzen Tag, Mr. Malcolm. Ich war zweimal hier und bekam schließlich den Rat, das Joss House aufzusuchen.«

»Ich weiß. Ich war bei Charlie Bendall.«

Er schlug seinen Mantel auseinander. Sein Anzug stammte aus der Savile Row. Er steckte die Hand in die Tasche.

»Stört es Sie, wenn ich rauche?«

»Durchaus nicht.«

Er zog ein ledernes Etui heraus und bot mir eine Zigarre an. Sie sah sehr teuer aus. Ich zögerte ein bisschen.

»Danke, Mr. Marshall. Kann ich sie mir für später aufheben?«

»Bitte.« Er zündete seine Zigarre an.

Ich stopfte meine Pfeife. Die ganze Zeit über behielt ich ihn im Auge, eigentlich ein bisschen verwundert, weil er nicht zu meinem üblichen Kundenkreis gehörte. Als die Pfeife richtig zog, sagte ich: »Womit kann ich Ihnen dienen?«

»Ich möchte Sie beauftragen«, erklärte er schlicht.

»Womit?«

»Zum Schutz, als Leibwächter, sozusagen.«

Ich sah ihn an.

»Für Sie?«

Er lächelte schwach.

»Nein - nicht für mich. Für meine Frau.«

»Warum?«

»Sie hat Angst. Ich übrigens auch.«

»Und wovor?«

»Vor einem Mord«, sagte er leise. Er schien zu wissen, wovon er sprach. Er schien es ernst zu meinen.

Ich nahm die Pfeife aus dem Mund.

»Wenn Sie an Mord denken, sollten Sie zur Polizei gehen.«

Er starrte mich eine Weile wortlos an, dann meinte er: »Ich weiß. Das habe ich getan. Fünf- oder sechsmal.«

»Mit wem haben Sie gesprochen?«

»Mit einem Inspektor Colling. Ein sympathischer Mann, aber ich konnte ihn offenbar nicht davon überzeugen, dass ich es ernst meine.«

»Mord ist immer ernst«, sagte ich.

»Aber erst, wenn er geschehen ist«, erwiderte er trocken. Er zog seine Brieftasche heraus, dich und prall, entnahm ihr ein Bündel und warf es auf den Schreibtisch. Es wurde von einem Gummiband umschlossen.

»Fünfhundert«, sagte er ruhig. »Als Anzahlung, Mr. Malcolm. Nachschub kommt.«

Wir starrten einander an.

»Erzählen Sie«, sagte ich schließlich.

»Kennen Sie Walter Spiegel?«

Ich zog die Brauen zusammen.

»Er ist beim Film, nicht wahr? Sensationsdarsteller und was weiß ich alles. Früher Mr. Adonis. Der Mann mit dem schönsten Körper. Gewaltiger Bizeps und dergleichen.«

»Meine Frau war früher mit ihm verheiratet.«

»Wie lange ist das schon her?«