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Acht Krimis von Peter Haberl / Pete Hackett
Der Umfang dieses Buchs entspricht 433 Taschenbuchseiten.
Zwei Namen - ein Autor! Starke Krimis in Serie!
Dieses Buch enthält folgende Krimis:
Peter Haberl: Der Tote im Karpfenteich
Pete Hackett: Drei Leichen im Keller
Pete Hackett: Der Freitagsmörder
Pete Hackett: Das Erbe des Snipers
Pete Hackett: Ein todsicherer Coup
Pete Hackett: Die Farm des Schreckens
Pete Hackett: Blutiges Falschgeld
Pete Hackett: Ein Toter im Kofferraum
Pete Hackett: Mordmotiv Hass
Von wem wurde Kurt Maiser, der Tote im Karpfenteich, ermordet? Die beiden oberpfälzischen Kommissare Degenhart und Kutzer haben bald eine große Auswahl an Verdächtigen. Doch der wahre Täter ist schließlich auch für die Ermittler eine echte Überraschung...
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von Peter Haberl / Pete Hackett
Der Umfang dieses Buchs entspricht 433 Taschenbuchseiten.
Zwei Namen - ein Autor! Starke Krimis in Serie!
Dieses Buch enthält folgende Krimis:
Peter Haberl: Der Tote im Karpfenteich
Pete Hackett: Drei Leichen im Keller
Pete Hackett: Der Freitagsmörder
Pete Hackett: Das Erbe des Snipers
Pete Hackett: Ein todsicherer Coup
Pete Hackett: Die Farm des Schreckens
Pete Hackett: Blutiges Falschgeld
Pete Hackett: Ein Toter im Kofferraum
Pete Hackett: Mordmotiv Hass
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© by Author
© dieser Ausgabe 2016 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Alle Rechte vorbehalten.
www.AlfredBekker.de
Regionalkrimi aus der Oberpfalz
von Peter Haberl
Von wem wurde Kurt Maiser, der Tote im Karpfenteich, ermordet? Die beiden oberpfälzischen Kommissare Degenhart und Kutzer haben bald eine große Auswahl an Verdächtigen. Doch der wahre Täter ist schließlich auch für die Ermittler eine echte Überraschung...
Die Leiche trieb mit dem Gesicht nach unten in dem Karpfenteich hinter der Clausnitzer Schule, etwa hundert Meter von der Leuchtenberger Straße entfernt. Ein Ehepaar, das den Fußgänger- und Fahrradweg zwischen der Leuchtenberger Straße und der Fußgängerbrücke über die Bundesstraße 22 benutzte, hatte den Toten entdeckt.
Nacheinander kamen Polizei und Feuerwehr bei dem Weiher an. Der Leichnam wurde geborgen, der erste Augenschein ergab eine tiefe Platzwunde über dem rechten Ohr, und die Polizei konnte ein Gewaltverbrechen nicht ausschließen. Die Sache ging an das Kommissariat 1 bei der Kriminalpolizei Weiden i.d.OPf, zuständig für die Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter, Mord, Totschlag, Todesermittlungen, Brand-, Sexual- u. Umweltdelikte. Mit den Ermittlungen wurden Hauptkommissar Walter Degenhart und Oberkommissar Karl Kutzer beauftragt.
Zunächst war unklar, wer der Tote war. Man fand bei ihm keinen Ausweis oder Führerschein oder sonst etwas, was seine Identität verraten hätte. Auch seine Geldbörse war weg, so dass sehr schnell der Verdacht entstand, der Mann sei einem Raubmord zum Opfer gefallen. Doch am Vormittag dieses Tages meldete sich bei der Polizeiinspektion eine Frau namens Christine Maiser und erklärte, dass es sich bei dem Toten um ihren Mann handeln könnte. Man brachte die Frau sofort zu Hauptkommissar Degenhart, der ihr in seinem Büro einen Stuhl zum Sitzen anbot, dann rief er seinen Kollegen Kutzer, und als dieser erschienen war und sie beide ebenfalls an dem kleinen Besuchertisch Platz genommen hatten, fragte Degenhart an die ziemlich aufgelöste Frau gewandt: „Wieso denken Sie, dass es sich bei dem Toten um Ihren Mann handelt?“
Degenhart sprach oberpfälzischen Dialekt, und er gab sich nicht die geringste Mühe, Hochdeutsch zu reden, nicht einmal ansatzweise.
„Er ist in der Nacht und auch am Morgen nicht nach Hause gekommen“, erwiderte die Frau mit weinerlicher Stimme. „Ich hab im Radio von dem Leichenfund gehört. Der Weiher liegt an dem Weg, den er immer nimmt, wenn er vom Schützenhaus aus heimgeht.“ Die Frau schluchzte und schniefte, und als sie aus ihrer Handtasche ein Tempo kramte, zitterte ihre Hand.
„Wie heißt Ihr Mann?“, erkundigte sich Oberkommissar Kutzer.
„Maiser – Kurt Maiser. Er ist zweiundvierzig.“
„Was macht er denn beruflich?“, fragte Degenhart.
„Er ist Beamter; Oberinspektor bei der Stadtverwaltung. Zurzeit hat er Urlaub.“
„Geht er denn öfter mal ins Wirtshaus?“
„Das Schützenhaus ist seine Stammkneipe. Er geht jeden Samstagabend zum Schafkopfen hin. Ab und zu versumpft er dort auch während der Woche nach der Arbeit.“
„Es wird sich nicht vermeiden lassen, Frau Maiser, dass Sie sich den Leichnam anschauen, um ihn gegebenenfalls zu identifizieren.“
Christine Maiser schluckte und nickte.
„Es wäre mir sehr willkommen, wenn wir gleich …“
Erneut nickte die Frau, und eine halbe Stunde später war klar, dass es sich bei dem Toten in der Tat um Kurt Maiser handelte. Degenhart und Kutzer versicherten Christine Maiser ihre Anteilnahme. Die Frau war nur noch ein Nervenbündel. Ihre Mundwinkel zuckten, sie zwinkerte fast unablässig und war bemüht, ihre Fassung zu bewahren. „Ist – ist Kurt ertrunken?“, fragte sie mit brüchiger Stimme.
„Die Todesursache muss erst noch geklärt werden“ antwortete der Hauptkommissar. „Im Moment gehen wir noch von einem Tötungsdelikt aus, nachdem der Kopf Ihres Mannes eine große Platzwunde aufweist. Der Gerichtsarzt meint, sie könnte von einem Schlag mit einem stumpfen Gegenstand herrühren, schließt aber auch nicht aus, dass Ihr Mann unglücklich gestürzt ist. Die Obduktion wird die genaue Todesursache ergeben. – Ihr Mann war gestern Abend also im Schützenhaus“, konstatierte Degenhart und wechselte mit dieser Feststellung das Thema.
„Ja. Er hat das Haus um halb 8 Uhr verlassen. Kurt geht – ich meine er ging regelmäßig zu Fuß ins Wirtshaus, weil er ja doch immer einige Biere trank und seinen Führerschein nicht verlieren wollte. Nicht nur, dass er dienstliche Probleme bekommen hätte; so ein Führerscheinentzug kommt ganz schön teuer. Und so dick haben wir es auch wieder nicht.“
„Gehen Sie auch arbeiten, Frau Maiser?“, wollte Karl Kutzer, der Oberkommissar wissen.
„Stundenweise sitze ich bei Netto an der Kasse.“
„Haben Sie Kinder?“
„Einen Sohn. Er hat im Mai das Abitur gemacht und fängt mit dem Wintersemester in Dresden ein Studium an; Maschinenbau. Ein Zimmer haben wir schon für ihn. Großer Gott, wie soll das noch werden? Das Studium kostet eine Menge Geld und Kurts Einkommen wird uns fehlen.“
„Sie bekommen Witwenrente - ich meine Pension. Ihr Mann war doch Beamter.“
„Ja, ja, schon, aber was ist das schon? Sechzig Prozent der Pension, die er kriegen würde. Er war doch erst zweiundvierzig und hat noch lange nicht den vollen Versorgungsanspruch als Beamter erworben. Und dann teilt man mir auch noch die Steuerklasse eins zu. Wie soll das alles nur werden?“
„Eine andere Frage, Frau Maiser“, mischte sich nun wieder der Hauptkommissar ein. „Hat Ihr Mann viel getrunken, wenn er im Wirtshaus war?“
Die Frau presste einen Moment lang die Lippen zusammen, in ihren Zügen schien etwas zu verhärten, dann stieß sie hervor: „Drum ist er ja immer zu Fuß in die Kneipe gegangen. Ja, er hat getrunken – er hat viel getrunken, viel zu viel.“
Die Frau begann leise zu weinen.
Degenhart und Kutzer wechselten einen schnellen Blick, Degenhart nickte und Kutzer sagte: „Wir müssen abwarten, was die Obduktion ergibt, Frau Maiser. Sind Sie in der Lage, selbst nach Hause zu fahren, oder sollen wir Sie nach Hause bringen?“
„Ich schaffe das schon“, murmelte Christine Maiser.
Oberkommissar Kutzer geleitete sie nach draußen.
Als er in Degenharts Büro zurückkehrte, sagte dieser: „Fahren wir noch einmal zu dem Weiher und schauen wir uns ein wenig um. Und dann will ich mit den Wirtsleuten vom Schützenhaus reden.“
Die beiden Kriminalbeamten benutzten die Südost-Tangente und standen schon eine Viertelstunde später am Ufer des Karpfenteichs, in dem der Leichnam Kurt Maisers getrieben hatte. Die Beamten von der Spurensicherung waren schon wieder abgezogen. Ein zweiter Weiher, der ein wenig tiefer lag, befand sich in unmittelbarer Nähe, beide Teiche waren nur durch einen Damm voneinander getrennt. Eine riesige Trauerweide, deren Zweige bis auf die Wasseroberfläche hinunterreichten, stand am Ostufer, das, wie auch die anderen Ufer, dicht mit Schilf bewachsen war.
Versonnen starrte Hauptkommissar Degenhart auf die ruhige Wasseroberfläche. „Was mag sich in der Nacht hier abgespielt haben?“, sinnierte er laut.
„Es gibt mehrere Möglichkeiten“, erwiderte Kutzer. „Die eine ist, dass er im Suff gestürzt ist, sich den Kopf aufgeschlagen hat und vielleicht derart benommen war, dass er in den Weiher gefallen und ertrunken ist.“
„Oder er war stark betrunken.“
„Oder beides - betrunken und benommen.“
„Sei es wie es mag – es ist aber kaum anzunehmen, dass er seinen Geldbeutel oder seine Brieftasche vorher weggeworfen hat“, kam es aus Degenharts Mund.
„Vielleicht beim Sturz verloren; Geldbörse oder Brieftasche liegen möglicherweise irgendwo auf dem Grund des Weihers.“
„Kann sein. Was ist die weitere Möglichkeit?“
„Man hat ihm eins über den Schädel gezogen, ihm den Geldbeutel oder die Brieftasche weggenommen und ihn dann in den Teich geworfen.“
„Das, scheint mir, ist das Naheliegendere. Noch eine Möglichkeit?“
„Jemand hat ihm eins übergebraten, weil er mit ihm ein Hühnchen zu rupfen hatte, und derjenige hat ihm den Geldbeutel oder die Brieftasche weggenommen, um einen Raub vorzutäuschen.“
Degenhart kratzte sich um Kinn und ließ den versonnenen Blick über die Weiheranlage schweifen. „Drei Möglichkeiten – und keine können wir ausschließen.“ Mit dem letzten Wort setzte er sich in Bewegung und ging zu einer Stelle, an der das Schilf niedergetreten oder niedergedrückt worden war. „Hier könnte er in den Weiher gelangt sein – wie auch immer. – Fahren wir zu dem Wirtshaus.“
Es war knapp fünfhundert Meter von der Weiheranlage entfernt. Eine etwas rundliche Frau wischte in der großen Gaststube den Fußboden. Die Stühle waren mit den Sitzflächen auf die Tische gekippt worden. „Wir haben noch geschlossen“, sagte sie.
„Ich bin Hauptkommissar Degenhart von der Kripo Weiden.“ Degenhart wies sich aus und stellte seinen Kollegen Kutzer vor. „Heute Morgen wurde aus dem oberen Kalteneckerweiher eine Leiche gefischt.“
„Ja, ja, ich hab’s auf Ramasuri1 gehört. Weiß man denn schon, um wen es sich bei dem Toten handelt?“
„Sein Name ist Kurt Maiser.“
Jetzt wechselte die Frau die Farbe; sie wurde bleich wie ein Leinentuch. „Der – Kurt – ist tot?“ Sie bekreuzigte sich. „Jesus und Maria! Der Kurt war doch gestern bis nach Mitternacht hier.“ Die Frau griff sich an die Stirn, wankte – als wollten sie ihre Beine nicht mehr tragen - zu einem Stuhl und ließ sich darauf fallen. „Sicher ist er in den Weiher gefallen und ertrunken. Er war ziemlich voll. Ich glaube, er hat acht oder neun Halbe getrunken im Lauf des Abends.“
„Sind Sie die Chefin hier?“, fragte Degenhart.
„Ja. Und auch die Bedienung.“
„Sagen Sie uns Ihren Namen?“
„Roswitha Völkl.“
„Danke. Sie sagten eben, dass Maiser bis nach Mitternacht im Lokal war.“
„Ja, ich glaube, es war so gegen 0 Uhr 30, als er bezahlte und sich auf den Heimweg machte.“
„War er alleine, als er das Lokal verließ?“, erkundigte sich Kutzer.
„Ja. Ich muss Ihnen was sagen, Herr Kommissar. Mein Mann hat den Maiser mehr oder weniger rausgeschmissen. Der Maiser ist – war ausgesprochen streitsüchtig, wenn er sich besoffen hatte. Und meistens ist er dann auf den Brunner Hanne losgegangen. Um ein Haar hätten die zwei schon gerauft. Das war vor zwei oder drei Wochen.“
„Wer ist der Brunner Hanne?“, fragte Degenhart.
„Eigentlich heißt er Hans. Er und der Maiser sind bis zur 4. Klasse miteinander in die Schule gegangen. Dann ist der Hanne sitzen geblieben, und deswegen veräppelt ihn der Maiser heute noch. Er tituliert ihn immer als Sitzenbleiber, und der Hanne lässt sich das nicht immer gefallen.“
„Nicht immer?“
„Manchmal lässt er den Kurt einfach reden. Er ist recht gutmütig, der Hanne. Hin und wieder aber platzt ihm das Hemdknöpfchen. Aber er hat sich immer schnell wieder beruhigt.“
„Haben die beiden sich gestern auch wieder gestritten?“, fragte Degenhart.
„Na freilich“, erwiderte die Wirtin mit Nachdruck. Langsam gewann ihr rundes Gesicht wieder an Farbe, nach und nach kehrte auch ihre Fassung zurück. „Und weil der Maiser wieder einmal schuld war an dem Streit hat ihn mein Mann hinauskomplimentiert. Der Maiser hat zwar geschimpft und meinen Mann sogar beleidigt, aber das sind wir gewöhnt von ihm. Wenn der seinen Rausch hat, dann weiß er nicht mehr was er sagt. Ein furchtbarer Mensch. Dem seine Frau kann einem leid tun. Die macht was mit.“
„Machte …“, verbesserte Degenhart.
„Ha!?“
„Frau Maiser kann nichts mehr mitmachen, denn ihr Mann ist tot. Über ihn kann man nur noch in der Vergangenheitsform sprechen.“
Die Wirtin schaute den Beamten etwas irritiert an. „Ja, ja“, murmelte sie dann. „Ich verstehe. Klar, er ist ja nicht mehr.“
„Wann hat denn Brunner Ihr Lokal verlassen?“, erkundigte sich der Hauptkommissar.
Die Frau bog die Mundwinkel nach unten, wiegte den Kopf, schien scharf nachzudenken, dann antwortete sie: „Eine Viertelstunde nach dem Maiser.“
„Wissen Sie, wo Brunner wohnt?“
„Wiesenstraße oder Tannenbergstraße. Genau weiß ich es nicht, aber irgendwo in der Ecke hat er eine Wohnung. Warum fragen Sie?“ Erwartungsvoll starrte die Wirtin den Beamten an. „Meinen Sie denn, dass der Brunner den Maiser auf dem Gewissen hat?“
„Zunächst wollen wir die Kirche mal schön im Dorf lassen, Frau Völkl. Wir wissen nämlich noch nicht, ob Kurt Maiser einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen ist oder ob es sich um einen Unfall handelte, bei dem er ums Leben kam.“
„Aber einen Verdacht habt ihr doch.“
„Darüber will und darf ich nicht sprechen“, murmelte Degenhart. „Hast du noch Fragen, Karl?“
„Nein. Im Moment nicht.“
„Gut. Vielen Dank, Frau Völkl.“
Die beiden Kripo-Beamten verabschiedeten sich und waren wenig später auf dem Weg zur Polizeiinspektion in der Regensburger Straße. Der Oberkommissar saß am Steuer des Dienstwagens, Degenhart lümmelte auf dem Beifahrersitz. „Scheint ja ein ziemlicher Schluckspecht gewesen zu sein, der Maiser“, gab er zu verstehen. „Und wenn er wirklich so streitsüchtig war, wie die Wirtin uns erzählt hat, dann schließe ich nicht aus, dass ihm einer irgendetwas über den Schädel gezogen hat. – Aber wir wollen die Pferde nicht scheu machen. Warten wir das Ergebnis der Obduktion ab.“
Es lag drei Tage später vor. Danach war der Tod ungefähr zwischen 1 Uhr und 2 Uhr eingetreten, Todesursache war die Schädelverletzung, außerdem hatte Maiser einen Blutalkoholgehalt von 1,93 Promille.
„Damit bleiben also nur noch zwei Möglichkeiten übrig“, erklärte Hauptkommissar Degenhart. „Möglichkeit eins scheidet aus, da die Kopfverletzung zum Tod geführt hat und sich ein Toter nicht mehr in den Weiher verirren kann.“
„Also hat ihm einer eins übergebraten“, spann Oberkommissar Kutzer den Faden weiter. „Und mir fällt im Moment nur ein Verdächtiger ein, und zwar dieser Hanne Brunner.“
„Fahren wir erst zu Frau Maiser und klären wir sie auf“, sagte Degenhart. „Sie hat als erste ein Recht darauf, zu erfahren, wie ihr Mann ums Leben gekommen ist.“
Christine Maiser wohnte Am Krumpes, der Fußweg von dem Weiher, in dem ihr Mann gefunden wurde, bis zu ihrer Wohnung betrug fünf, höchstens sechs Minuten. Verunsichert schaute sie von einem der Beamten zum anderen, nachdem sie auf deren Läuten hin die Haustür geöffnet hatte.
„Grüß Gott, Frau Maiser“, grüßte Hauptkommissar Degenhart. „Haben Sie ein paar Minuten Zeit für uns?“
„Natürlich.“ Christine Maisers Stimme klang belegt. Sie trat zur Seite, räusperte sich und lud die beiden Polizisten ein, einzutreten. Im Wohnzimmer bot sie ihnen Sitzplätze an, und während sie sich niederließen, schaute sie fragend von einem zum anderen. Sie war nervös.
„Die Ergebnisse der Pathologie liegen vor“, hub Degenhart zu sprechen an. „Danach war es kein Unfall, durch den Ihr Mann zu Tode kam.“
Christines Augen weiteten sich. Die Neununddreißigjährige musste zweimal ansetzen, dann erst gehorchten ihre Stimmbänder und sie würgte hervor: „Heißt das, dass Kurt ermordet wurde?“
„Mord oder Totschlag, vielleicht auch Körperverletzung mit Todesfolge – wir wissen es nicht“, antwortete Degenhart. „Sicher ist jedenfalls, dass Ihr Mann tot war, als er in den Weiher geworfen wurde. Ihm wurde der Schädel zertrümmert.“
Christine schlug beide Hände vor das Gesicht und schluchzte, ihr ganzer Körper schien zu erbeben. „Das hat Kurt nicht verdient. O mein Gott, wer hat ihm das angetan?“
„Das festzustellen werden wir sämtliche Hebel in Bewegung setzen, Frau Maiser“, versprach Hauptkommissar Degenhart. „Es kann ein Überfall gewesen sein, denn bei Ihrem Mann wurden weder Geld noch Papiere gefunden. Es kann aber auch Rache gewesen sein, vielleicht war auch nur jemand sauer auf Ihren Mann.“
„Aber – wenn man auf jemand sauer ist bringt man ihn doch nicht gleich um“, stöhnte die Frau.
„Es gibt Menschen, die in ihrer Wut zu allem fähig sind“, erklärte Karl Kutzer. „Gerade der Jähzorn hat schon einer Menge Menschen das Leben gekostet.“
Die Hände Christines sanken wieder nach unten. „Ich – ich werde Tobias wohl sagen müssen, dass sein Vater ermordet wurde. Ich – ich weiß nicht, ob er das verkraftet. Der Junge ist so sensibel.“
„Wie stand Ihr Sohn zu seinem Vater?“
„Sie hatten ein gutes Verhältnis. Mein Mann war ein – hm, Kumpeltyp. Er und Tobias waren nicht nur Vater und Sohn, sie waren auch die besten Freunde.“
„Auch wenn Ihr Mann etwas getrunken hatte?“, kam es wie aus der Pistole geschossen von Walter Degenhart.
„Na ja …“
„Hatte Ihr Mann Feinde?“
Christine Maiser dachte kurz nach, dann schüttelte sie den Kopf und meinte: „Nicht, dass ich wüsste. Sicher, er war bei einigen Leuten unbeliebt, vor allem bei denen, die ihn im betrunkenen Zustand erlebt haben, aber Feinde – nein. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ihn jemand so sehr hasste, dass er ihn umbrachte.“
„Auch nicht Hans Brunner?“ Degenhart entging nicht die kleinste Reaktion im Gesicht der Frau. Unter ihrem linken Auge zuckte ein Muskel, sie wich dem Blick des Hauptkommissars aus, schien ihre Antwort im Kopf zu formulieren und erwiderte schließlich: „Ich kenne den Hanne ziemlich gut. Er und Kurt sind bis zur 4. Klasse zusammen in die Schule gegangen.“
„Bis Brunner die 4. Klasse wiederholen musste“, hakte Degenhart ein. „Und das war für Ihren Mann immer wieder ein Grund, Brunner anzumachen.“
„Woher wissen Sie denn das? Egal. Es stimmt. Aber wenn er den Hanne veräppelt hat, dann ist das nur im Suff geschehen.“
„So auch gestern in der Nacht. Ihr Mann hatte über 1,9 Promille Blutalkohol. Um 0 Uhr 30 hat der Wirt des Schützenhauses Ihren Mann des Lokals verwiesen, weil er wieder einmal Streit mit Brunner vom Zaun gebrochen hat.“
Christine Maiser atmete tief durch, dann stieß sie hervor: „Mein Mann war ein ausgesprochener Streithammel, wenn er getrunken hatte.“ Sie wurde ganz einfach von ihren Gefühlen überwältigt und verlor die Beherrschung. „Gott sei seiner Seele gnädig und mir möge er verzeihen – aber er war ein verdammter Mistkerl. Rechthaberisch, streitsüchtig und aggressiv. Er – war – Alkoholiker. Von seinem Dienstherrn wurde er schon zweimal abgemahnt. Was habe ich ihn angefleht, mit dem Saufen aufzuhören. Ich habe gebetet, ich bin in die Kirche gerannt und habe Kerzen geopfert – aber er konnte die Hände nicht vom Alkohol lassen.“
„Das Verhältnis zwischen Ihrem Sohn und Ihrem Mann war wohl doch nicht ganz so gut, wie Sie es vorhin darstellten?“, konstatierte Karl Kutzer.
„Sie haben sich immer wieder gestritten, hauptsächlich wegen Kurts Saufexzessen. Tobias ist ganz anders als sein Vater. Er …“ Jäher Schreck versiegelte Christine Maiser die Lippen, fast entsetzt starrte sie erst den Oberkommissar, dann Hauptkommissar Degenhart an, dann brach es aus ihrer Kehle: „Sie verdächtigen doch nicht etwa Tobias, seinen eigenen Vater erschlagen zu haben?“
„Jeder aus dem unmittelbaren Umfeld des Getöteten kommt für uns als Täter in Frage. Und nach Ihrem emotionalen Ausbruch von eben, der mir sagt, dass sich Ihre Trauer um Ihren Mann ziemlich in Grenzen hält, auch Sie, Frau Maiser.“
Sie prallte regelrecht zurück, fassungslos starrte sie Oberkommissar Kutzer an, wie jemand, der gar nicht begriff, was der andere von sich gegeben hatte.
In dem Moment drangen Geräusche in das Wohnzimmer, die verrieten, dass jemand das Haus betreten hatte, und gleich darauf betrat ein junger Mann um die zwanzig den Raum. Er sah die beiden Kriminalbeamten, fixierte sie überrascht und irritiert zugleich, nickte ihnen zu, dann richtete er den fragenden Blick auf Christine. Diese sagte: „Das ist mein Sohn Tobias. Das hier –„ sie wies mit dem Kinn auf die beiden Polizisten, „- sind Hauptkommissar Degenhart und Oberkommissar Kutzer. Sie sind wegen dem Papa gekommen.“
Tobias war etwa eins fünfundsiebzig groß, untersetzt, dunkelhaarig und hatte braune Augen. Jetzt strich er sich mit einer fahrigen Geste seiner rechten Hand über das Kinn. „Was gibt es denn?“, fragte er mit dünner Stimme, in der eine große Erregung lag.
„Wir mussten Ihrer Mutter – und nun auch Ihnen, die traurige Mitteilung übermitteln“, antwortete Degenhart, „dass Ihr Vater durch ein Verbrechen ums Leben gekommen ist.“
„O Gott – durch ein Verbrechen!“ Der junge Mann schrie die Worte geradezu hinaus, wankte zu einem Sessel und ließ sich hineinfallen. Mit einer Mischung aus Entsetzen, Schreck und Ungläubigkeit musterte er abwechselnd die beiden Beamten. Seine Lippen zuckten, schließlich entrang es sich ihm in unverfälschter, oberpfälzischer Mundart: „Wie is mei Vader g’storb’n? Wer hat’n umbracht? Und warum? Weshalb um alles in der Welt hat jemand mein’ Vader ermordet?“
„Er wurde erschlagen und dann in den Kalteneckerweiher geworfen“, berichtete Degenhart mit sachlichem Tonfall. „Wer ihn erschlagen hat, wissen wir nicht, und auch die Frage nach dem Warum kann ich Ihnen nicht eindeutig beantworten. Es kann ein Raubmord gewesen sein, vielleicht auch ein Racheakt, vielleicht aber wollte jemand Ihren Vater ganz schlicht und einfach los sein.“
Von Christine Maiser kam ein keuchender Laut, fast ein Stöhnen, und die beiden Polizisten richteten ihre Blicke auf sie. Sie aber schaute Tobias an und murmelte: „Auch wir beide gehören zu den Verdächtigen. Die beiden Herren wissen, was mit deinem Vater los war, dass er dem Alkohol verfallen war und dass wir viel auszuhalten hatten wegen seiner Trunksucht.“
„Der Mord geschah in der Nacht vom 19. auf den 20. August zwischen ein und 2 Uhr“, gab Degenhart zu verstehen. „Wo waren Sie in dieser Nacht, Herr Maiser?“
Der junge Mann musste nicht lange nachdenken. „Nachdem mein Vater gegen halb 8 abends in die Kneipe gegangen ist, bin ich zu meiner Freundin gefahren und war dort bis zum Morgen. Gegen 7 Uhr in der Früh hat mich Mama angerufen und mir gesagt, dass der Papa die ganze Nacht über nicht nach Hause gekommen ist.“
„Was meinten Sie, wo Ihr Vater die Nacht über war?“
„Ich habe lediglich gesagt, dass er schon noch auftauchen werde, dass er wahrscheinlich unter irgendeinem Busch seinen Rausch ausschläft.“
„Ist das öfter mal vorgekommen?“, wollte Kutzer wissen.
„Nein, bis jetzt hat er immer noch nach Hause gefunden. Aber er hat immer mehr gesoffen, und mich hätte es nicht gewundert, wenn er irgendwo umgefallen und nicht mehr hochgekommen wäre.“
„Es hat Ihnen keine allzu großen Sorgen bereitet, dass er nicht nach Hause gekommen ist“, stellte Degenhart fest.
„Nein. Mir war mein Vater wurst, nachdem er immer mehr dem Alkohol verfallen ist. Mit dem hat man doch kein vernünftiges Wort mehr reden können, der war doch bloß noch ekelhaft und hat herumgestritten. Früher, ja, da war er ein feiner Kerl, von dem man das letzte Hemd bekommen hätte. Aber in der letzten Zeit …“
„Das hört sich ja an, als wären Sie froh, dass Ihr Vater nicht mehr lebt.“
Tobias kniff die Augen leicht zusammen. „Unterstellen Sie mir nur nichts, Herr Kommissar. Ich habe ihn nicht erschlagen. Aber ich sage Ihnen, dass sein Tod für Mama und mich eine Erlösung ist. Mein Vater war nur noch unerträglich.“
„Wie heißt Ihre Freundin und wo wohnt sie?“
„Susanne Beetz, sie wohnt in der Brenner-Schäffer-Straße. Die Hausnummer kann ich Ihnen nicht sagen, aber es ist gleich der Wohnblock oberhalb vom Netto-Markt. Die zweite Haustür, wenn man von der Hochstraße kommt.“
Oberkommissar Kutzer notierte den Namen und die Anschrift.
Degenhart heftete den Blick auf Christine. „Haben Sie ein Alibi für die Mordnacht, Frau Maiser?“
„Nein. Ich bin gegen 22 Uhr 30 ins Bett gegangen und hab bis um 6 Uhr in der Früh geschlafen.“ Nach einem zitternden Atemzug fügte sie hinzu: „Sie werden doch nicht glauben, dass ich meinen Mann umgebracht habe. Ich – ich tu doch keiner Fliege was zuleide.“
„Wir glauben gar nichts, Frau Maiser“, erklärte Degenhart. „Unser Job ist es, in alle möglichen Richtungen zu ermitteln und zu selektieren, wir gehen diesem oder jenem Verdacht nach, gehen nach dem Ausschlussprinzip vor und hoffen, dass am Ende unserer Ermittlungen der Mörder übrig bleibt.“
„Meine Mutter ist keine Mörderin!“, keifte Tobias.
Eine Viertelstunde später, es war 10 Uhr 25 vormittags, läutete Oberkommissar Kutzer an Hans Brunners Wohnungstür in der Wiesenstraße. Erst nach dem dritten Klingeln waren hinter der Korridortür Schritte zu vernehmen, und dann wurde die Tür einen Spaltbreit aufgezogen. Das verschlafene, unrasierte Gesicht eines Mannes von gut vierzig Jahren zeigte sich in dem Türspalt. „Ja.“
„Sind Sie Herr Brunner?“
„Ja freilich. Wer sollte ich denn sonst sein?“
Degenhart zeigte seinen Dienstausweis. „Kriminalpolizei Weiden, ich bin Hauptkommissar Degenhart, das ist mein Kollege Oberkommissar Kutzer.“
„Ich kann mir schon denken, warum ihr zu mir kommt“, knurrte Brunner. „Ich war gestern Abend im Schützenhaus und die Wirtin hat mir gesagt, dass sie euch von meinem Streit mit dem Kurt erzählt hat. Na schön. Ich habe mir schon gedacht, dass ihr irgendwann bei mir auf dem Teppich steht. Ich sage euch aber von vornherein, dass ich den Idioten nicht in den Weiher geschmissen habe.“
„Wir würden uns in der Tat gerne ein wenig mit Ihnen unterhalten, Herr Brunner“, gab Degenhart zu verstehen. Dabei taxierte er Brunner; er sah einen hageren Mann mit graumelierten Haaren und einem von der Sonne gebräunten Gesicht, das von einem blaugrauen Augenpaar beherrscht wurde. Brunner war etwa eins achtzig groß. Ein gut aussehender Typ, musste sich Degenhart eingestehen. „Dürfen wir reinkommen? Wir können Sie aber auch zu uns in die Inspektion vorladen.“
„Nein, nein, nur hereinspaziert, meine Herren.“ Brunner grinste etwas gequält. „Schließlich hat unsereiner nichts zu verbergen.“
Hans Brunner gab die Tür frei, machte dabei eine einladende Handbewegung und wartete, bis die beiden Beamten an ihm vorbeimarschiert waren, dann schloss er die Tür und sagte: „Die nächste Tür links.“
Sie betraten ein ziemlich altmodisch eingerichtetes Wohnzimmer. Die gesamte Einrichtung einschließlich des alten Röhrenfernsehers ließ darauf schließen, dass Brunner finanziell nicht gerade auf Rosen gebettet war. Und die Unordnung ließ auch nicht auf die Anwesenheit einer Frau schließen, die Wert auf Sauberkeit und Ordnung legte.
„Nehmen Sie Platz“, forderte Brunner die Polizisten auf. „Bei mir schaut es etwas unordentlich aus“, entschuldigte er sich dann. „Aber ich lebe alleine und bin ziemlich faul, was Hausarbeit anbetrifft.“
„Kein Problem“, versetzte Hauptkommissar Degenhart und winkte ab. „Heute ist Montag. Müssen Sie denn nicht arbeiten?“
„Ich bin Arbeit suchend“, antwortete Brunner.
„Aha. Beziehen Sie Unterstützung?“
„Ja, Hartz vier. Zu wenig zum Leben, zu viel zum Sterben.“ Wieder zeigte Brunner ein aufgesetztes Grinsen. Es verlieh seinem Gesicht etwas Maskenhaftes, die Augen hingegen verloren den lauernden Ausdruck nicht.
„Sie haben uns also erwartet.“
„Na ja, nachdem euch die Völkl Rosi erzählt hat, dass der Maiser und ich in der Nacht, in der ihn der Teufel geholt hat, Streit hatten, bin ich davon ausgegangen, dass ihr mich besucht. Aber ich bin unschuldig. Ich hab dem Blödel nichts getan.“
Auch Brunner gab sich nicht die geringste Mühe, Hochdeutsch zu sprechen. Aber die beiden Polizisten waren geborene Weidener und so hatten sie keine Mühe mit dem oftmals sehr hanebüchenen oberpfälzischen Dialekt, von dem mal ein Zeitgenosse behauptete, dass er sich anhöre wie Hundegebell.
„Ihr Freund war der Maiser wohl nicht gerade“, resümierte Oberkommissar Kutzer. „Idiot, Blödel – Ihre Meinung von ihm scheint mir nicht sehr groß gewesen zu sein.“
„Der hat sich immer für was Besseres gehalten. Na ja, eines ist richtig: Er hat’s zu was gebracht. Immerhin ist er Oberinspektor bei der Stadt. Aber das ist doch kein Grund, mich ständig als dummen Hund hinzustellen.“
„Sie und Maiser sind einige Zeit in dieselbe Klasse gegangen.“
„Ja, ich hab dann die 4. wiederholen müssen. Aber Sie müssen mir glauben, ich war nicht nur blöd. Sicher, der Hellste war ich nie. Aber ich war auch ein ganz fauler Sack. Na ja, die Quittung hab ich gekriegt. Ich hab keine Ausbildung abgeschlossen und heute sitz ich auf der Straße und lebe von ein paar Euro, die mir die Arge alle Monat überweist.“
„Na schön. Um ab und zu ins Schützenhaus zu gehen, reicht es scheinbar“, knurrte Degenhart. „Reden wir von dem Fall Maiser. Kurt Maiser wurde ermordet. Jemand hat ihm den Schädel eingeschlagen und ihn dann in den Weiher geworfen.“
Brunner pfiff durch die Zähne, denn sagte er: „Der Kurt hat nicht viele Freunde gehabt. Früher war das anders. Aber dann hat er angefangen zu saufen und immer, wenn er einen Zacken in der Krone gehabt hat, hat er gestritten wie die Sau. Er ist dann oft ziemlich unverschämt geworden. Wundert mich nicht, dass ihm einer eins über den Dätz gezogen hat.“
„Ihr Weg hat sich nicht zufällig mit dem seinen gekreuzt, als Sie in der Nacht von 19. auf den 20. nach Hause gingen?“
„Nein.“ Brunner schüttete wiederholt den Kopf, um seiner Aussage Nachdruck zu verleihen. „Der Kurt ist immer hinter der Schule vorbei und über die B 22 gegangen, ich lauf vom Wirthaus aus durch den Kirchsteig. Das ist für mich der nächste Weg zu meiner Wohnung. Außerdem ist der Kurt schon einige Zeit vor mir gegangen – ich meine gegangen worden.“
„Sie sprechen von dem Hinauswurf durch den Wirt“, mischte sich wieder Kutzer in die Befragung ein.
„Ja, der Völkl Mane hat in rausgeschmissen. Aber ich hab das dem Arsch gegönnt, nachdem er in seinem Rausch wieder auf mich losgegangen ist. Irgendwann – das hab ich ihm versprochen -, hätte ich ihm eine aufs Maul gehauen. Aber das hat sich jetzt erübrigt.“ Brunner zuckte mit den Achseln. „Er war ein Arschloch, dazu steh ich. Aber erschlagen hätte man ihn auch nicht gleich müssen.“
„Sie sind also vom Wirtshaus aus auf dem direkten Weg nach Hause gegangen?“, fragte Degenhart.
„Natürlich. Ich war ja auch nicht mehr ganz nüchtern und froh, als ich endlich in mein Bett kriechen konnte. Herrgott, Sie haben mich im Verdacht, dem Kurt eins über’n Schädel gezogen zu haben. Aber ich war’s nicht. Ich bin nämlich keiner, der andere erschlägt und dann ins Wasser schmeißt.“
„Kann jemand bezeugen, dass Sie gegen ein Uhr nach Hause gekommen sind?“
„Wieso ein Uhr? Woher wollen Sie das denn wissen?“
„Maiser hat das Schützenhaus gegen 0 Uhr 30 verlassen, Sie sind eine Viertelstunde nach ihm gegangen. Und länger als eine Viertelstunde benötigen Sie nicht vom Wirtshaus bis zu Ihrer Wohnung.“
Brunner kratzte sich hinter dem Ohr und schaute ein wenig ratlos. „So genau weiß ich das nicht mehr. Ich habe auch keine Ahnung, ob mich wer gesehen hat.“ Sein Gesicht nahm einen verkniffenen Ausdruck an. „Wenn ich gewusst hätte, dass ich ein Alibi brauche, hätte ich bei meinem Nachbarn geklingelt. So aber …“
Brunner seufzte.
„Ironie ist nicht angebracht“, stieß Degenhart hervor. „Vergessen Sie bitte nicht, dass ein Mensch getötet wurde.“
„Ja, ja, ist schon gut.“
„Hat der Maiser außer mit Ihnen noch mit jemand gestritten?“, fragte Oberkommissar Kutzer.
„Der Pleyer hat sich eingemischt, als der Kurt wieder mit mir angefangen hat, ist aber sofort still gewesen, als ihm der Kurt riet, das Maul zu halten, weil ihn das nix angeht.“
„Maiser ist samstags immer zum Schafkopfen ins Schützenhaus gegangen. Waren das immer die gleichen Leute, mit denen er spielte? Gehörten Sie auch zu der Runde?“
„Ich –„ Brunner stieß sich den Daumen gegen die Brust, „- nein. Die spielen mir zu hoch; zehn – zwanzig – dreißig. Der Solo kostet fünfzig Cents. Das kann ich mir nicht leisten.“
„Mit wem spielte Maiser?“
„Das waren immer die gleichen; der Hofer Max, der Seitz Gustl und der Frey Toni. Die drei waren eigentlich die einzigen, die noch mit dem Kurt den Umgang gepflegt haben. Alle anderen sind ihm aus dem Weg gegangen.“
„Nun denn …“ Degenhart erhob sich mit einem Ruck. „Ich hab keine weiteren Fragen. Hast du noch was, Karl?“
Auch Oberkommissar Kutzer drückte sich hoch. „Im Moment fällt mir nichts mehr ein.“
Hans Brunner stemmte sich am Tisch in die Höhe. „Manchmal schau ich mir im Fernseher einen Krimi an. Wenn ein Mord geschieht, kommt zuallererst immer die Spurensicherung. Macht man das bei euch denn nicht?“
„Natürlich.“
„Habt ihr denn keinen Hinweis auf den Mörder gefunden?“
„Darüber zu sprechen sind wir nicht befugt. Alles, was wir sagen dürfen – aus ermittlungstaktischen Gründen sagen dürfen, können Sie morgen oder übermorgen in der Zeitung nachlesen.“
„Den neuen Tag kann ich mir nicht leisten.“
„Fragen Sie halt Ihren Nachbarn, ob er Ihnen die Zeitung leiht“, schlug Kutzer mit leicht spöttischem Unterton vor. Dann verließen die beiden Beamten die Wohnung.
„Was hältst du von dem?“, erkundigte sich Degenhart bei seinem Kollegen, als sie an der Einmündung zur Friedrich-Ebert-Straße warten mussten.
„Schwer zu sagen“, antwortete Kutzer. „Besonders viel scheint er wirklich nicht in der Birne zu haben. Ob er fähig ist, einen, der ihn des Öfteren beleidigt hat, zu erschlagen, weiß ich nicht. Aber ich hab schon Gäule kotzen sehen …“
„Wen befragen wir jetzt?“, fragte Degenhart. „Fahren wir in die Brenner-Schäffer-Straße zu der Freundin vom jungen Maiser, oder schauen wir mal im Rathaus vorbei und reden mit dem Vorgesetzten vom Maiser?“
„Fahren wir erst zum Rathaus. Und auf dem Weg zur Inspektion können wir bei der Freundin vorbeischauen.“
Die Fahrzeugkolonne auf der Friedrich-Ebert-Straße riss ab und Kutzer fuhr an, bog nach rechts ab, kurz darauf wieder nach rechts in die Leuchtenberger Straße und nahm den Weg über die Südost-Tangente, um zum neuen Rathaus zu gelangen. Auf dem Parkplatz vor der Max-Reger-Halle stellten sie den Dienstwagen ab, dann betraten sie durch den Hintereingang das Rathaus. Sie wussten, dass Kurt Maiser Sachbearbeiter im Ordnungsamt der Stadt gewesen war und an wen sie sich wenden mussten, nämlich an den Dezernenten für Rechts-, Sicherheits- und Ordnungsverwaltung, Jugend und Soziales. Sein Büro lag im 1. Stock. Die beiden Polizisten meldeten sich im Vorzimmer an und es dauerte keine zwanzig Sekunden, bis sie gebeten wurden, das Büro des Stadtdezernenten zu betreten. Er begrüßte sie per Handschlag und bot ihnen Plätze an seinem Besuchertisch an, und als sie sich gesetzt hatten, sagte er: „Sie kommen wegen Herrn Maiser, nicht wahr? Schrecklich! So ums Leben zu kommen und das mit zweiundvierzig …“
„Es war wahrscheinlich Mord“, sagte Hauptkommissar Degenhart ohne Umschweife. „Um etwas mehr über die Person des Herrn Maiser zu erfahren sind wir hier. Wir wissen zwar schon einiges, aber es gibt sicherlich noch mehr, was wir erfahren müssen.“
„Mord!“ Der Stadtdezernent starrte Degenhart fassungslos an.
„Ja, vielleicht auch Totschlag. Jedenfalls ein Tötungsdelikt.“
„Tja –„ der Stadtdezernent knetete die Hände und schob die Unterlippe vor, „- was soll ich sagen? Über sein Privatleben ist mir nicht viel bekannt. Er war ein – hm, brauchbarer Mitarbeiter - Oberinspektor, der mit seinen Kollegen verhältnismäßig gut ausgekommen ist.“
Degenharts Stirn legte sich in Falten. „Brauchbarer Mitarbeiter, verhältnismäßig gut mit den Kollegen ausgekommen“, echote er. „Das hört sich ausgesprochen mittelmäßig an.“
„Nun ja, Herr Maiser hatte ein Problem. Er trank viel zu viel Alkohol, auch während der Dienstzeit. Wahrscheinlich war er vom Alkohol abhängig. In den vergangenen Monaten war er nicht mehr allzu zuverlässig, er machte Fehler bei der Arbeit, und wenn er getrunken hatte, dann kam es auch schon mal vor, dass er Kollegen, die ihn wegen seiner fehlerhaften Arbeit ansprachen, beleidigte. Ich musste Herrn Maiser bereits zweimal abmahnen. Anlässlich der zweiten Abmahnung wurde ihm die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis angedroht. Er versprach Besserung.“
„Ihn auf Entzug zu schicken wäre wahrscheinlich angebrachter gewesen, als ihm die Entlassung anzudrohen“, bemerkte Kutzer.
„Natürlich haben wir das in Erwägung gezogen. Aber das hätte sich nur unter der Voraussetzung durchführen lassen, dass sich Herr Maiser freiwillig dazu bereit erklärt hätte. Ich habe ihm eine Entziehungskur angeboten, doch er weigerte sich kategorisch, eine solche durchzuführen. Er sei nicht alkoholabhängig, versicherte er.“
„Wenn er Kollegen beleidigte, war der eine oder andere sicher gewaltig sauer auf Maiser“, verlieh Degenhart seinem Gedanken Ausdruck.
„Das ist anzunehmen. Ich schließe aber aus, dass einer meiner Mitarbeiter nach Mitternacht irgendwo auf dem Nachhauseweg Maisers lauerte, um ihn umzubringen.“
„Wir werden nicht umhin kommen, mit den Mitarbeitern zu sprechen“, erklärte Degenhart. „Aber nicht heute. Wir setzen Sie rechtzeitig in Kenntnis, wenn es soweit ist.“
Sie verabschiedeten sich und fuhren in die Brenner-Schäffer-Straße. Auf einem Klingelschild an der von Tobias Maiser beschriebenen Haustür stand tatsächlich der Name Beetz. Die Familie wohnte in der vierten Etage und die Polizisten nahmen den Aufzug. Eine Minute später läutete Oberkommissar Kutzer an der Wohnungstür. Eine Frau um die vierzig öffnete und musterte die beiden Männer vor der Tür fragend.
„Wir sind von der Kripo“, sagte Degenhart, und nannte auch seinen Titel und seinen Namen. „Ist Ihre Tochter Susanne zu Hause?“
Die Frau drehte den Kopf um neunzig Grad und rief in die Wohnung: „Susi, komm doch mal, da sind zwei Herren von der Kriminalpolizei.“ Sie schien wegen des Besuchs nicht die Spur erstaunt zu sein.
Ein etwa siebzehnjähriges Mädchen kam aus einer Tür und blieb mitten im Flur stehen. Susanne Beetz ging noch zur Schule, sie hatte lange, brünette Haare und besaß ein hübsches Gesicht. „Sie möchten, dass ich Ihnen das Alibi von Toby bestätige, nicht wahr?“
„Er hat Sie also informiert“, sagte Degenhart und er wunderte sich nicht länger über die Gelassenheit der Mutter des Mädchens.
„Wozu hat man denn ein Handy“, versetzte Susanne schnippisch. „Tobias war in der Nacht, als sein Vater umgekommen ist, bei mir“, fügte sie dann hinzu. „Das kann auch meine Mutter bestätigen. Am Morgen des 20. rief Tobys Mutter an und sagte, dass sein Vater noch nicht nach Hause gekommen sei. Toby meinte, dass er wohl irgendwo unter einem Strauch seinen Rausch ausschlafen würde.“
„Wir würden Ihnen gern ein paar Fragen stellen, Fräulein Beetz. Dürfen wir in die Wohnung kommen?“ Während dieser Frage heftete er seinen Blick auf Susannes Mutter. Diese nickte und bat die Beamten, einzutreten.
Sie begaben sich ins gemütlich eingerichtete Wohnzimmer, und als alle saßen, begann Degenhart, indem er sagte: „Toby hat Ihnen doch sicher hin und wieder mal sein Herz ausgeschüttet. Er hatte ein ziemliches Problem mit seinem Vater. Was können Sie uns darüber erzählen?“
Das Mädchen starrte einen Moment lang versonnen auf einen unbestimmten Punkt im Raum, dann antwortete es: „Tobys Vater war ein Säufer, und wenn er betrunken war, terrorisierte er seine Familie. Toby war schon soweit, dass er sich eine Arbeit suchen und von zu Hause ausziehen wollte.“
„Er nimmt bald ein Studium auf“, bemerkte Karl Kutzer.
„Seine Mutter und ich haben ihm gut zugeredet. Schließlich hat er den Gedanken sausen lassen.“
„Sie meinen den Gedanken, von zu Hause auszuziehen?“, kam es von Oberkommissar Kutzer.
„Klar.“
„Hat Tobias seinen Vater gehasst?“, fragte Degenhart.
„Hass – nein. Aufgeregt hat er sich oft genug über ihn. Aber gehasst hat er ihn nicht. Sie müssen wissen, sein Vater war nicht immer ekelhaft zu ihm. Früher, als er noch nicht so dem Alkohol verfallen war, muss er ein feiner Kerl gewesen sein. Auch in letzter Zeit, wenn er nüchtern war, hätte er einem sein letztes Hemd gegeben. Doch wehe, wenn er was getrunken hatte. Dann war er ein anderer Mensch; unleidig, unverschämt und absolut abtörnend.“
„Sie sind sich ganz sicher, dass Tobias in jener Nacht bei Ihnen war?“
Die Brauen des Mädchens schoben sich unwillig zusammen. „Meinen Sie etwa, ich lüge Sie an?“
„Er war wirklich da“, mischte sich Susannes Mutter ein. „Die ganze Nacht. Ich kann es beschwören.“
„Dann scheidet er wohl aus“, gab Degenhart zu verstehen.
Nachdem sie Susanne Beetz und ihre Mutter verlassen hatten, begaben sich die beiden Beamten in die Polizeiinspektion. Sie meldeten sich bei ihrem Vorgesetzten an und erstatteten Bericht. Der Kriminaloberrat unterbrach sie kein einziges Mal. Degenhart endete mit den Worten: „Und nun werden wir uns weiter im engeren Umfeld des Getöteten umhören. Ich glaube nämlich nicht daran, dass es sich um einen Raubüberfall handelt. Maiser hat sich eine Reihe von Leuten zu Feinden gemacht. Unter ihnen müssen wir seinen Mörder suchen.“
„Dann schließen Sie auch einen Zufall aus?“, fragte der Leiter des Kommissariats 1. „Ich meine, kann es nicht sein, dass der Getötete zufällig jemand begegnete, der die Gelegenheit, einen Raub zu begehen, beim Schopf ergriff?“
„Völlig ausschließen können wir das natürlich nicht“ versetzte Degenhart. „Aber wo sollte nach Mitternacht mitten unter der Woche auf dem schon tagsüber kaum frequentierten Weg jemand herkommen? Es gibt in Weiden Ost nichts, wo man sich den Abend vertreiben könnte.“
„Er kann bei jemand zu Besuch gewesen sein.“
„Sicher, ich sagte ja, dass wir es nicht völlig ausschließen können, und darum werden wir es auch nicht außer Acht lassen.“
„Wir müssen die Presse informieren, und wir sollten einen Aufruf starten, in dem wir eventuelle Augenzeugen bitten, uns ihre Beobachtungen zu melden.“
„Ich glaube nicht, dass uns das weiterbringt“, knurrte Hauptkommissar Degenhart. „Aber warum nicht? Einen Versuch ist es wert.“
„Die Ergebnisse der Spurensicherung haben uns auch nicht weiter geholfen“, so brachte sich Oberkommissar Kutzer in die Diskussion ein. „Keine brauchbaren Spuren, keine Tatwaffe – nichts außer dem niedergetretenen und zum Teil abgeknickten Schilf am Weiherrand.“
„Wir müssen halt Mosaiksteinchen für Mosaiksteinchen zusammentragen und zusammensetzen“, sagte Degenhart. „Vielleicht macht derjenige, der Maiser auf dem Gewissen hat, einen entscheidenden Fehler.“
„Haben Sie denn einen Verdacht?“, fragte der Vorgesetzte.
Degenhart wiegte den Kopf. „Es gibt einige Leute, bei denen Maiser eine Rechnung offen hatte. An erster Stelle auf dieser Liste steht Hans Brunner. Dem muss er ja ziemlich zugesetzt haben, und darum schließe ich nicht aus, dass sich bei dem die Wut auf Maiser derart hochgeschaukelt hat, dass er ihm eins übergebraten hat.“
„Was sind Ihre nächsten Schritte in dieser Sache?“, fragte der Kriminaloberrat.
„Ich denke, dass die Staatsanwaltschaft den Leichnam noch heute für die Beerdigung freigibt. An der Beerdigung nehmen Karl und ich teil. Mal sehen, wer da so alles erscheint und wie sich der eine oder andere verhält.“
„Daraus werden Sie kaum irgendwelche Schlüsse ableiten können“, gab der Kriminaloberrat zu bedenken.
„Mal sehen. Allzu viel verspreche ich mir natürlich nicht davon.“
Nach dem Gespräch mit ihrem Vorgesetzten begaben sich die beiden Ermittler in ihre Büros. Aber es dauerte nicht lange, dann tauchte der Oberkommissar bei Degenhart auf. „Hör dir mal diese gedankliche Konstruktion an, Walter“, sagte er. „Und dann sag mir, was du davon hältst.“
„Schieß los.“
„Ein großes Problem für die Witwe schien mir zu sein, dass sie nur eine verhältnismäßig niedrige Pension erhält.“
„Ja, das beklagte sie.“
„Wenn Sie Maiser bei der Stadt hinausgeschmissen hätten, hätte er nicht einmal Arbeitslosengeld erhalten, weil er ja als Beamter keine Anwartschaftszeit erfüllt hätte. Die Familie wäre auf Sozialhilfeniveau gesunken, und …“
„Was?“
„… die Frau und der Sohn hätten weiterhin das versoffene Familienoberhaupt an der Backe gehabt. Kann es nicht sein, dass die Frau versucht hat, wenigstens einen Teil der Pension zu retten?“
„Und sich die Schande zu ersparen, dass ihr Mann aus dem Beamtenverhältnis fliegt und sie irgendwann von Arbeitslosengeld 2 leben muss.“
„Das kommt dazu“, pflichtete der Oberkommissar bei. „Wir sollten sie noch einmal in die Mangel nehmen. Die Frage ist, ob wir es heute noch tun oder ob wir ihr morgen Früh einen Besuch abstatten.“
Degenhart warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „Morgen Früh“, knurrte er dann. „Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden.“
„Hast du was vor, heute nach Feierabend?“
„Heute ist Montag …“
Kutzer schlug sich mit der flachen Hand leicht vor die Stirn. „Richtig, Bowlingabend. Na dann – viel Spaß.“
Der nächste Tag wurde wieder sehr heiß, die Sonne stand wie ein Fanal über dem Fischerberg östlich von Weiden, und die Temperatur sollte bis zum Mittag auf über dreißig Grad steigen. Es war der trockenste Sommer seit fünfzig Jahren; Menschen und Tiere und vor allem die Natur litten unter der quälenden, tropischen Hitze. Die beiden Kriminalbeamten Degenhart und Kutzer traten um 8 Uhr ihren Dienst an und entschlossen sich, sofort zu Christine Maiser zu fahren. Sie benötigten für die Fahrt zum Krumpes zwanzig Minuten. Christine Maiser war zu Hause, sie schaute die beiden Beamten etwas überrascht an, dann aber bat sie sie in die Wohnung. „Gibt es irgendwelche neuen Erkenntnisse?“, wollte Christine wissen und musterte die beiden Polizisten erwartungsvoll-fragend, vielleicht auch ein wenig unruhig.
„Wir haben mit dem Vorgesetzten Ihres Mannes bei der Stadtverwaltung gesprochen“, antwortete Hauptkommissar Degenhart. „Er hatte ein ziemlich großes, dienstliches Problem wegen seiner übermäßigen Trinkerei.“
„Ja, ja, ich weiß. Irgendwann hätten sie ihn rausgeschmissen.“
„Und die Pensionsansprüche, die Ihr Mann bisher erworben hat, wären futsch gewesen“, hakte Oberkommissar Kutzer sofort ein.
„Soviel ich weiß, hätten sie ihn nachträglich zur Rentenversicherung anmelden müssen“, murmelte Christine.
„Das wäre sicher auch nicht das Problem gewesen“, ergriff wieder Degenhart das Wort. „Ihr Mann hätte im Falle seiner Entlassung Sozialhilfe – ich meine Arbeitslosengeld zwei beantragen müssen. Sie hätten ab sofort am Existenzminimum gelebt.“
„Wenn’s ihn gefeuert hätten, wäre ich gegangen“, stieß Christine hervor. „Dann wäre mir alles egal gewesen. Ich hätte die Scheidung eingereicht, hätte mir eine Vollzeitarbeit gesucht und was aus Kurt geworden wäre …“ Sie tat, als spuckte sie sich in die rechte Hand und schleuderte die Spucke über ihre Schulter.
„Hat Ihr Mann eine Lebensversicherung?“
„Ja. Er hätte sie mit fünfzig ausbezahlt erhalten.“
„Auf welchen Betrag wurde sie abgeschlossen?“
„40.000 Mark, etwas über 20.000 Euro also.“
„Bei Unfalltod gibt’s das Doppelte, wie?“
„Ich glaube schon.“
„Fassen wir zusammen“, sagte der Hauptkommissar. „Im Fall, dass man Ihren Mann aus dem Dienst bei der Stadt entlassen hätte, wäre Ihrer aller Existenz ruiniert gewesen. Jetzt aber bekommen Sie als Witwe Versorgungsbezüge, und die Lebensversicherung wird Ihnen die Versicherungssumme auszahlen, die bei Unfalltod fällig ist.“
Jetzt wurde Christine nervös. Mit fahriger Geste strich sie sich über den Mund und das Kinn. „Und – und das meinen Sie, wäre für mich ein Motiv gewesen, Kurt zu erschlagen?“
„Ihr Leben an seiner Seite war nicht gerade leicht für Sie. Und ehe alles den Bach hinuntergeht …“
„Sie sind närrisch!“ Christine sprang auf, ihre Augen blitzten. „Ich lass mir von Ihnen keinen Mord in die Schuhe schieben. Brauchen’s wohl einen Hammel, den’s zur Schlachtbank führen können.“ Ihre Stimme wurde um einige Nuancen schriller. „Das lasse ich mir nicht bieten. Verlassen’s sofort meine Wohnung.“
„Regen Sie sich nicht auf, Frau Maiser“, versuchte Degenhart Christine zu besänftigen. „Aber wir dürfen bei unseren Ermittlungen keine noch so kleine Möglichkeit außer Acht lassen. Was meinen Sie, welche nichtigen Gründe oftmals schon für einen Mord ausschlaggebend waren. Im Gegensatz dazu hätten Sie ein echtes Motiv gehabt.“
„Aber ich war’s nicht!“, schrie sie fast hysterisch und stampfte mit dem Fuß auf. „Wenn ich Kurt auch manchmal zum Teufel gewünscht hab – ich wär’ nie auf die Idee gekommen, ihn um die Ecke zu bringen.“ Zuletzt hatte ihre Stimme wieder einen gemäßigten Tonfall angenommen. Sie atmete stoßweise, ihre Augen begannen sich mit Tränen zu füllen.
„Ist Ihr Sohn zu Hause?“
„Nein. Er hat bei der Susi übernachtet. Für ihn leg ich die Hand ins Feuer. Haben Sie eigentlich schon den Brunner Hanne vernommen? Mit ihm hat er doch kurz vor seinem Tod noch Streit gehabt.“ Christine holte ein Tempotaschentuch aus einem Schub und putzte sich die Nase. Dann wischte sie sich mit dem Handrücken über die Augen.
„Wir haben mit Herrn Brunner gesprochen.“
„Und?“
Degenhart zuckte mit den Schultern. „Er bestreitet, etwas mit dem Mord zu tun zu haben. Das Gegenteil können wir ihm nicht beweisen. Aber wenn er es war, überführen wir ihn. Wir lassen nicht locker, bis wir den Täter haben. – Ach ja, was ich noch sagen wollte: Die Staatsanwaltschaft hat den Leichnam Ihres Mannes zur Beerdigung freigegeben.“
„Ich kann ihn also eingraben lassen.“
„Ja. Da bisher keine Todesanzeige im neuen Tag war, nehme ich an, dass auch keine mehr kommt. Drum würde ich Sie bitten, mich zu informieren, an welchem Tag und zu welcher Zeit die Beerdigung stattfindet.“
„Ich setze lediglich einen Nachruf in die Zeitung. Es wird eh schon genug geredet, ich meine, die Leute, die uns kennen, zerreißen sich die Mäuler. Dass sie nicht mit dem Finger auf mich deuten …“
„Gehört Ihnen eigentlich das Haus hier, oder wohnen Sie zur Miete?“
„Es gehört uns, mir und Kurt. Jetzt, wo er tot ist, gehört’s mir. Er hat die Hütt’n von seinen Eltern überschrieben bekommen, und nachdem wir fünfzehn Jahre verheiratet waren, hat er die Hälfte auf mich überschrieben. Es gibt auch einen Erbvertrag, wonach im Falle des Todes eines Ehegatten der andere der Alleinerbe ist.“
Degenharts Brauen hoben sich leicht.
Sie verabschiedeten sich von Christine Maiser. Als sie das Grundstück verließen, kam ein Mann auf sie zu. Er mochte Mitte sechzig sein, seine lichten Haare waren weiß, seine blauen Augen wässrig. Es war offensichtlich, dass sein Ziel die beiden Beamten waren, deshalb hielten sie an und schauten ihm abwartend entgegen. Als er sie erreicht hatte, stieß er in unverfälschtem Oberpfälzisch hervor: „Dös hab i scho lang kumma seh’n …“ Er schaute verschwörerisch, und als er weitersprach, bemühte er sich, verständlicher zu sprechen. Er sagte: „Der kleine Maiser hat schon mal gesagt, dass es das Beste wär’, wenn seinen Vater der Teufel holen würde. Wahrscheinlich hat er jetzt ein wenig nachgeholfen. Nun, wundern muss einen das nicht. Der Maiser hat sich im Suff ja aufgeführt wie die Sau auf dem Sofa.“
Christine Maisers schrille Stimme erklang: „Glauben’s bloß dem Haller nix! Der hat meinen Mann noch nie leiden können. Du warst ihm doch bloß neidisch, Haller, weil sie ihn damals ins Beamtenverhältnis übernommen haben, du wärst doch fast verreckt vor lauter Neid und Missgunst.“
Sie stand unter der Haustür und Zorn prägte ihr Gesicht.
„Halt dei’ Klapp’n, dummes Luder. Auf dein’ Alten war ich nie neidisch. Auf was hätt’ ich ihm den neidisch sein sollen? Auf seinen Dauerrausch etwa? Oder auf dich? Eine wie dich möcht ich doch nicht mal g’schenkt, dich tät ich nicht mit der Beißzange anlangen.“
„Na, na, na!“, kam es von Degenhart. „Einen etwas umgänglicheren Ton, bitte.“
„Ist doch wahr!“, maulte der Weißhaarige. „Die meint wirklich, ihr Alter war was Besonderes, bloß weil er so ein windiger Oberinspektor bei der Stadt war.“
„Falls Sie uns etwas Wichtiges zu sagen haben“, sagte der Hauptkommissar, „das mit dem Tod des Herrn Maiser zusammenhängt, dann sollten wir einen Termin in der Polizeiinspektion vereinbaren. Ansonsten bitte ich Sie, uns nicht länger aufzuhalten, außerdem sollten Sie Frau Maiser in Ruhe lassen. Sie muss sich von Ihnen nicht beleidigen lassen.“
„Ich könnt’ Ihnen eine Menge über den Kurt erzählen“, erwiderte der Mann. „Der hat nicht viel getaugt, sein größtes Bestreben war, irgendwie an Alkohol zu kommen. Wenn er nicht gestorben wär’, hätten sie ihn bei der Stadtverwaltung gefeuert, und dann wär’ sein Titel im Arsch gewesen.“
„Ich sehe es schon, Ihre Ausführungen bezüglich des Herrn Meiser bringen uns nicht weiter“, sagte der Hauptkommissar und wollte an Haller vorbei zum Dienstwagen gehen, als aus einem Hof eine junge Frau kam und ohne zu zögern in Richtung der Polizisten ging. Sie mochte um die dreißig Jahre alt sein, besaß schulterlange, blond gefärbte Haare und hatte ein hübsches, gleichmäßiges Gesicht, das durch seine Fraulichkeit bestach.
Sie hielt zwei Schritte vor dem Hauptkommissar an und sagte: „Mein Name ist Brigitte Troppmann. Sie sind doch die beiden Polizisten, die im Fall Maiser die Ermittlungen durchführen.“
„Das ist richtig“, antwortete Degenhart.
„Ich glaube, ich habe Ihnen etwas Wichtiges zu sagen“, erklärte die junge, hübsche Frau. „Aber hier, denke ich, ist nicht der richtige Ort um eine Aussage zu machen.“
„Dann kommen Sie doch einfach zu uns in die Polizeiinspektion, am besten noch in dieser Stunde. Wir fahren jetzt ins Büro und sind dort in den nächsten Stunden anzutreffen.“
Christine Meiser war in der Zwischenzeit bis zur Hoftüre gekommen und sagte nun: „Was willst denn du denen über meinen Mann erzählen? Willst du dich vielleicht nur wichtig machen?“
Brigitte Troppmann schoss der Frau an der Gartentüre einen unfreundlichen Blick zu, beachtete sie aber nicht weiter, sondern sagte an Degenhart gewandt: „Das wird Sie sicher interessieren, darum werde ich innerhalb der nächsten Stunde bei Ihnen in der Polizeiinspektion vorsprechen.“
Haller stand daneben und spitzte die Ohren, damit ihm ja nichts entging. Nachdem Brigitte Troppmann aber das letzte Wort gesprochen hatte, mischte er sich ein, indem er hervorstieß: „Ist da etwa gar was dran an den Gerüchten, die seit einiger Zeit hier am Krumpes kursierten?“ Während er dies fragte, musterte er die blonde Frau mit forschendem, durchdringendem Blick.
„Das geht Sie einen feuchten Staub an, Herr Haller!“, entgegnete Brigitte Troppmann ziemlich ungehalten, schwang herum und strebte der Gartentüre zu, aus der sie vor wenigen Minuten gekommen war.
„Hast du etwa was mit meinem Mann gehabt?“, rief ihr Christine Maiser hinterher.
Ohne sich umzudrehen antwortete Brigitte Troppmann: „Halt nur du deine Gosch’n, du hast es nämlich nötig.“
„Komm du mir bloß nicht blöd, alte Schlamp’n!“, erboste sich Christine Maiser. „Umsonst ist dir dein Mann nicht davongerannt.“
Brigitte Troppmann äußerte sich nicht mehr, sondern beeilte sich, ins Haus zu gelangen.
„Was sind denn das für Gerüchte, Herr Haller, die am Krumpes über meinen Mann und die Troppmann in Umlauf sind?“, fragte Brigitte Maiser den weißhaarigen Mann.
„Ich sag nix, ich will mir nämlich nicht das Maul verbrennen. Find’s nur selber raus, blödes Luder. Scheinbar hast du keine Augen im Kopf, sonst wär’ dir einiges nicht entgangen.“
Im Gesicht Christine Maisers arbeitete es. Ratlosigkeit beherrschte ihr Mienenspiel. Haller grinste hämisch, wandte sich ab und marschierte davon.
„Der Haller ist die größte Tratsch’n hier am Krumpes“, schimpfte Christine. „Wer ihn zum Freund hat, der braucht keinen Feind mehr.“
„Hatten er und Ihr Mann in der Vergangenheit vielleicht mal Streit?“, fragte der Hauptkommissar.
„Der war auf meinen Mann bloß neidisch, weil der eine Staatsstellung hatte und er selber lediglich Verkäufer in einem Baumarkt war.“
„Der Neid ist ein Laster“, bemerkte Oberkommissar Kutzer.
„Es tät mich brennend interessieren“, sagte Christine, „was die Troppmann Ihnen zu sagen hat.“
„Das wird sich zeigen“, murmelte Degenhart und wandte sich ab. Die beiden Beamten fuhren zurück ins Büro. Tatsächlich erschien eine Stunde später Brigitte Troppmann. Sie betrat das Büro des Hauptkommissars, nachdem dieser sie auf ihr Klopfen hin hereingebeten hatte. Nachdem er ihr einen Stuhl angeboten hatte, rief er Karl Kutzer an und bat ihn, zu kommen. Der Oberkommissar erschien und Degenhart sagte an die Besucherin gewandt: „Schön, dass Sie gekommen sind, Frau Troppmann. Was haben Sie uns denn zu sagen?“
Die Frau dachte kurz nach, nagte kurze Zeit an ihrer Unterlippe, dann begann sie zu sprechen. Sie sagte: „Mein Mann und ich leben seit fast drei Jahren getrennt. Manches Mal waren am Haus Reparaturen durchzuführen, die eines Handwerkers bedurft hätten. Das hätte mich sehr viel Geld gekostet. Kurt hat mir hin und wieder geholfen, solche Reparaturen durchzuführen. Dabei sind wir uns näher gekommen und eines Tages geschah es …“
Brigitte Troppmann verstummte, ihr Blick irrte ab, kurze Zeit herrschte im Büro betretenes Schweigen, das allerdings der Hauptkommissar brach, indem er konstatierte: „Sie und Kurt Maiser hatten also ein Verhältnis.“
Brigitte Troppmann nickte.
„Ich dachte, Maiser war nur hinter dem Alkohol her“, bemerkte Oberkommissar Kutzer. Versonnen fügte er hinzu: „Sieh an, sieh an …“
Degenhart spitzte kurz die Lippen, dann murmelte er: „Hat das Verhältnis zum Zeitpunkt seines Todes noch bestanden?“
Wieder nickte Brigitte Troppmann, sagte aber nichts.
„Kann es sein, dass Maisers Frau davon Wind bekommen hat?“
„Das kann ich mir kaum vorstellen“, erwiderte Brigitte Troppmann. „Allerdings …“ Sie brach ab und wich erneut dem Blick des Hauptkommissars aus.
„Was wollten Sie sagen?“, hakte Degenhart sofort nach.
„Allerdings glaube ich, dass mein getrennt lebender Mann etwas von dem Verhältnis erfahren hat.“
„Und was – meinen Sie – kann das zu bedeuten haben?“, fragte Kutzer.
„Ich weiß es nicht, aber Josef hat immer noch die Hoffnung, dass sich bei uns beiden alles wieder einrenkt.“
„Josef ist Ihr Ehegatte, wie?“
„Ja, wir sind seit sechs Jahren verheiratet. Wie ich schon sagte, haben wir uns vor nicht ganz drei Jahren getrennt, weil es einfach nicht mehr passte zwischen uns. Leider haben wir das erst gemerkt, nachdem wir schon über drei Jahre verheiratet waren. Für mich gibt es keinen Weg zurück.“
„Lebt Ihr Mann in Weiden oder in der Umgebung?“, erkundigte sich der Hauptkommissar.
„Er wohnt wieder bei seinen Eltern in Michldorf. Sie bewirtschaften dort eine kleine Landwirtschaft. Der alte Troppmann ist schon in der Rente.“
„Haben Sie und Ihr Mann Kinder?“
„Nein, und dafür bin ich dem Herrgott dankbar. Sie wären doch nur die Leidtragenden.“
„Wo arbeitet Ihr Mann?“
„Beim Witt hier in Weiden. Er ist dort Betriebselektriker.“
„Trauen Sie ihm zu, dass er gegebenenfalls dem Maiser auflauerte, um ihm eins über den Schädel zu ziehen, weil Maiser mit Ihnen ein Verhältnis angefangen hat und er in ihm einen Nebenbuhler sieht?“
„Der Josef ist ziemlich eifersüchtig, und er ist auch recht jähzornig. Bei der geringsten Kleinigkeit kann er regelrecht ausflippen. Das war auch einer der Gründe, weshalb ich mich von ihm getrennt hab. – Ja, wenn dem was gegen den Strich geht, geht er auf die Palme und dann unterscheidet er nicht mehr nach Freund und Feind.“
Degenhart warf seinem Kollegen einen bedeutungsvollen Blick zu, da aber sprach Brigitte Troppmann auch schon weiter: „Es war gar nicht so schlimm mit Kurts Trinkerei. Sicher, das Bier hat ihm geschmeckt und ab und zu hat er sich auch einen Schnaps gegönnt, aber ich glaube nicht, dass er vom Alkohol abhängig war. Der Kurt war im Grunde seines Herzens eine Seele von einem Menschen, von dem hätte man den letzten Cent bekommen können. Dass er in letzter Zeit öfter mal etwas mehr getrunken hat, daran war seine Frau nicht ganz unschuldig. Sie hat ihm ständig Vorhaltungen gemacht, dass er ein Versager sei, weil er in seinem Alter schon längst Amtmann oder Amtsrat sein müsste. Das hat den Kurt ausgesprochen frustriert, und immer wenn er frustriert war, flüchtete er sich in den Alkohol.“
„Uns hat man erzählt, dass er – wenn er betrunken war – ausgesprochen streitsüchtig gewesen sein soll“, gab Oberkommissar Kutzer zu verstehen.
„Kurt war genervt. Seine Frau nervte ihn, sein Vorgesetzter bei der Stadtverwaltung ebenfalls, und auch der Tobias, der ihm nicht die Spur von Respekt entgegenbrachte und der ins gleiche Horn stieß wie die Christine.“
„Das Verhältnis zwischen Kurt Meiser und seiner Frau war wohl kein besonders Gutes“, verlieh Oberkommissar Kutzer seiner Meinung Ausdruck.
Brigitte Troppmann nickte. „Kurt drohte einige Male, sein Zeug zu packen und zu gehen, wenn sie sich nicht ändert. Sie ist rechthaberisch und verfügt über ein geradezu krankhaftes Geltungsbedürfnis. Sie kann alles und sie weiß alles, ist in Wirklichkeit aber strohdumm.“
„Kann es sein, dass Sie das eine oder andere Ressentiment gegen Frau Meiser haben?“, knurrte Degenhart.
„Ich hab nix gegen die Christine“, versicherte Brigitte Troppmann. „Aber eines kann ich beschwören: Kurt und Christine haben sich fast täglich gestritten, und Tobias hat immer zu seiner Mutter gehalten, egal, ob diese im Recht war oder nicht.“
„Hat Herr Maiser Ihnen gegenüber vielleicht mal von Scheidung gesprochen?“, wollte Kutzer wissen.
„Er hat immer wieder gesagt, dass er seine sieben Sachen packt und Christine verlässt. Wissen Sie, Herr Kommissar, was ich denke?“
„Wie sollte ich?“, antwortete Degenhart, der sich angesprochen fühlte, weil Brigitte Troppmann, während sie sprach, ihn anschaute.
„Ich glaube, dass Kurt seiner Frau unverblümt gesagt hat, dass er sie verlassen werde. Daraufhin haben sie und Tobias, dieser elendige, freche Hundskrüppel, den Plan geschmiedet, Kurt umzubringen. Es ist nämlich so, dass Kurt als Oberinspektor bei der Stadt nicht schlecht verdiente und dass Christine und Tobias ein einigermaßen sorgenfreies Leben führen konnten. Wäre Kurt gegangen, hätte er nur noch geringen Unterhalt zahlen müssen, Christine wäre gezwungen gewesen, einen Vollzeitjob anzunehmen und Tobias hätte möglicherweise gar nicht studieren können.“
„Vielleicht sind Sie auf dem Holzweg, Frau Troppmann“, gab Oberkommissar Kutzer zu verstehen, lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Kann es nicht auch sein, dass Ihr getrennt lebender Ehegatte – der ja recht eifersüchtig sein soll – hinter Ihr Verhältnis mit dem Getöteten gekommen ist und ihn auf dem Heimweg vom Wirtshaus zur Rede stellte? Möglicherweise kaum ist dabei zum Streit, dem Herr Meiser ja nicht aus dem Wege ging, wenn er getrunken hatte, der sich schließlich zu einer Handgreiflichkeit entwickelte, in deren Rahmen Herr Maiser die tödliche Kopfverletzung davongetragen hat.“
Brigitte Troppmann schaute den Oberkommissar kurze Zeit verblüfft an, so, als hätte er etwas völlig Unsinniges von sich gegeben. Plötzlich verzog sie den Mund und sagte: „Woher sollte der Josef denn wissen, dass sich Kurt an jenem Abend im Schützenhaus aufhielt? Und noch weniger konnte er wissen, um wie viel Uhr Kurt die Kneipe verlässt, um nach Hause zu gehen.“
„Richtig!“, stieß Kutzer hervor. „Es ist Spekulation, durch nichts untermauert, eine ebenso wenig fundierte Verdächtigung wie Sie sie eben von sich gegeben haben.“
Betreten senkte Brigitte Troppmann den Blick. „Tut mir leid. Aber in der gesamten Nachbarschaft am Krumpes macht der Verdacht, den ich geäußert habe, die Runde. Jeder weiß doch, was los war mit der Ehe von Kurt und Christine. Und ohne Kurt hätte Christine finanziell auf dem Schlauch gestanden.“
„Man sollte mit derartigen Verdächtigungen vorsichtig umgehen, Frau Troppmann“, mahnte Hauptkommissar Degenhart. „Gibt es sonst noch etwas, das vielleicht von Bedeutung sein könnte? Ich meine von Bedeutung für die Aufklärung des Verbrechens an Kurt Maiser.“
„Im Moment fällt mir nichts ein“, antwortete Brigitte Troppmann.
„Dann bitte ich Sie nur noch, mir die genaue Anschrift Ihres getrennt lebenden Ehegatten in Michldorf zu nennen“, sagte Degenhart abschließend.
Brigitte Troppmann nannte sie ihm.
Nachdem sich die Frau verabschiedet hatte, fragte Hauptkommissar Degenhart an seinen Kollegen gewandt: „Wollen wir uns den Burschen gleich zur Brust nehmen?“
„Um diese Zeit wird er bei der Arbeit sein“, gab Oberkommissar Kutzer zu bedenken. „Aber das ist kein Problem. Ich rufe einfach mal bei Witt an, dann werden wir schon sehen, ob wir ihn an seinem Arbeitsplatz erreichen können.“
Gesagt, getan. Zwei Minuten später war klar, dass Josef Troppmann bei der Arbeit und im Warenverteilzentrum der Firma Witt in der Hutschenreuther Straße anzutreffen war.
Die beiden Kriminalbeamten machten sich sofort auf den Weg. Über die B 470 gelangten sie zum Gewerbegebiet Brandweiher, wo vor wenigen Jahren erst das Warenverteilzentrum errichtet worden war. Und weitere zehn Minuten später saßen sie mit Josef Troppmann an einem Tisch. Troppmann war 33 Jahre alt, hatte rötlichblonde Haare und war an die eins achtzig groß. Er wirkte unruhig und fahrig und konnte keinem der Beamten gerade in die Augen sehen.
„Sie können sich gewiss denken, weshalb wir Sie sprechen möchten“, begann Hauptkommissar Degenhart das Gespräch.
Troppmann nickte, schluckte würgend und erwiderte: „Ja, ich vermute, es geht um Kurt Maiser. Immerhin haben es sämtliche Medien hier in Weiden gebracht, dass er tot im Kalteneckerweiher gelegen hat. Allerdings frage ich mich, weshalb Sie in dieser Sache zu mir kommen. Ich lebe nämlich seit fast drei Jahren nicht mehr am Krumpes. Und zu Maiser hatte ich nie irgendeine Beziehung.“
„Sie kennen den Maiser aber?“, fragte Degenhart.
„Natürlich kenne ich ihn. Als ich noch mit meiner Frau zusammenlebte, waren wir gewissermaßen Nachbarn. Hin und wieder haben wir sogar ein paar belanglose Worte gewechselt.“
„Wir haben mit Ihrer Frau gesprochen.“ Degenhart beobachtete Troppmann unablässig, während er sprach, und der Mann fühlte sich offensichtlich ziemlich unbehaglich.
„Auf die Brigitte bin ich ziemlich sauer“, stieß Josef Troppmann wütend hervor. „Vor vier Wochen war sie bei einem Rechtsanwalt in Weiden und der hat vor drei Wochen die Scheidungsklage beim Amtsgericht Weiden eingereicht.“
Hauptkommissar Degenhart schaute verblüfft drein, wechselte einen schnellen Blick mit seinem Kollegen Kutzer und murmelte: „Davon hat uns Ihre Frau nichts gesagt.“
„Vielleicht haben Sie sie nicht gefragt“, knurrte Josef Troppmann, zu dessen Nervosität sich eine gewisse Ungeduld gesellt zu haben schien.
„Dazu hatten wir auch gar keine Veranlassung“, konterte der Hauptkommissar. „Doch kommen wir zum Grund unserer Vorsprache bei Ihnen, Herr Troppmann. Ich will nicht lange um den heißen Brei herumreden und frage Sie: Wussten Sie, dass Ihre Frau ein Verhältnis mit Kurt Maiser hatte?“
Josef Troppmann prallte regelrecht zurück, doch diese Reaktion mutete sowohl den Hauptkommissar als auch Oberkommissar Kutzer ziemlich theatralisch an. „Meine – Frau – ein Verhältnis – mit diesem Suffkopf! Das kann doch nicht sein. Das glaube ich einfach nicht.“
„Ihre Frau hat es uns vor etwa einer Stunde eingestanden. Sie erzählte uns auch, dass Sie sich nach wie vor Hoffnungen machen, wieder mit ihr zusammenzuleben. Überdies erfuhren wir aus ihrem Mund, dass Sie ausgesprochen eifersüchtig sind.“
„Diese dumme Kuh!“, brach es über Troppmanns zuckende Lippen. „Spätestens seit mir die Scheidungsklage ins Haus geflattert ist, habe ich den Gedanken, wieder mit ihr zusammenzuleben, aufgegeben. Ich hab mit ihr telefoniert, nachdem mir der Brief des Familiengerichts zugestellt worden war, und da hat sie mir klipp und klar gesagt, dass …“
Fast erschreckt brach Josef Troppmann ab und schaute verunsichert von einem der Beamten zum anderen, bis er den Blick senkte und sagte: „Ich will Ihnen nichts vormachen, meine Herren. Ja, ich hab Bescheid gewusst, dass der Maiser meine Alte pimpert. Sie hat es mir gesagt, als ich sie anrief. Sie können sich denken, dass ich ganz schön vor den Kopf gestoßen war. Als Grund für den Scheidungsantrag sagte sie mir, dass der Maiser seine Frau verlassen und zu ihr ziehen werde und dass sie heiraten möchten.“
„Interessant“, murmelte Hauptkommissar Degenhart wie im Selbstgespräch vor sich hin. Dann heftete er seinen zwingenden Blick auf Troppmanns Gesicht und presste zwischen den Zähnen hervor: „Und das hat Ihnen ganz und gar nicht in den Kram gepasst, Herr Troppmann, und Sie haben in der Nacht vom 19. auf den 20. August in der Nähe des Schützenhauses darauf gewartet, dass Kurt Maiser den Nachhauseweg antritt. Was dann geschah, wissen nur Sie, Fakt ist aber, dass Maiser tot zurückblieb.“