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Das Buch enthält Geschichten für Kinder, die etwas von dem ansprechen, was wichtig ist. Außerdem sind noch einige Verse dazwischengefallen. In den Geschichten geht es um die Macht der Worte und wie wir mit Worten die Welt verändern können, um Mut und Wagemut, um Sinn und Hintersinn, um das Große und Kleine und wie das Kleine und Unscheinbare oft mehr Wert hat, als das Große. Die Geschichten zeigen, dass die Dinge um uns herum zu uns reden, auch ohne Zunge, und dass wir ihnen lauschen können.
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Volker Friebel
Das singende Kamel
Geschichten für Kinder über das, was wichtig ist
Edition Blaue Felder
Impressum
Edition Blaue Felder,
Volker Friebel, Denzenbergstraße 29, 72074 Tübingen (Deutschland)
www.Volker-Friebel.de
Texte, Fotografie und Gestaltung: Volker Friebel
Veröffentlichung: Dezember 2016
Alle Rechte vorbehalten
Inhalt
Wünschelrute
Die Tankstelle
Die Geschichte vom singenden Kamel
Bienengesumme
Die Hacke
Die Kröte und die Perle
Bruder Ernst und Bruder Leichtfuß
Der Raupentraum
Die Versammlung der Jungdrachen
Die Dinge reden
Der Fisch
Sänger und Filmstars
„Baumschule“
Das liebliche Tal
Der Frost und die Enten
Das Mondwunder
Geschichte von den zwölf Küken
Blitz Nummer 27
Der Reichtum des Meeres
Die Sternschnuppe
Singen da die Silberglöckchen ...
Eickel und die Schnapsecker
1. April auf der Dracheninsel
Der Schatz und die Vögel
Die Nachtigall und der goldene Käfig
Die Affen und der Mond
Schmetterlingslied
Ritter Freiherr von Knakke-Knumm
Man wird sehen ...
Hans und Ulrich
Die Prinzessin und das Salz
Löwenzahnblasen
Freitag der Dreizehnte
Zu Buch und Autor
Als Edda am Morgen erwachte, waren alle Farben im Zimmer verblasst. Sie seufzte und stieg langsam aus dem Bett. Sie zog die Gardine zurück und sah durch das Fenster in den Garten. Auch hier sah alles trüb und grau aus. Sogar der Gesang der Vögel klang stumpf und hohl. Edda seufzte noch einmal.
Das Frühstück schmeckte ihr nicht. Sie warf das Brot auf den Teller zurück. Der Vater sah sie an und fragte: „Was ist dir denn für eine Laus über die Leber gelaufen?“ Edda antwortete erst gar nicht.
Onkel Martin, der seit ein paar Tagen zu Besuch war, sah sie an und sagte: „Wünschelrute. – Das ist ein altes Gedicht. Willst du es hören?“
„Nein“, sagte Edda.
„Ja“, sagte Mutter.
Und Onkel Martin sprach mit erhobener Stimme:
„Schläft ein Lied in allen Dingen,
Die da träumen fort und fort,
Und die Welt hebt an zu singen,
Triffst du nur das Zauberwort.“
„Das ist schön“, sagte Mutter.
„Das ist blöd“, sagte Edda.
„Das habe ich auch mal in der Schule gelernt“, sagte Vater.
Nach dem Frühstück war endlich frei. Edda ging in die Wiesen, um endlich niemanden sehen zu müssen.
Eigentlich hatte ihr das Gedicht gefallen. Mit einer Wünschelrute, das wusste sie, konnte man Wasser unter der Erde finden – oder Gold – oder sonst etwas Wertvolles. Was, das wusste sie nicht mehr genau. Einen Schatz jedenfalls.
Aber was hatte das mit einem Lied zu tun? Das auch noch in allen Dingen schläft?
„Schlüsselblumen“, sprach Edda vor sich hin und hüpfte einmal. Dieser Name hatte ihr schon immer gefallen. Oma hatte einmal gesagt, dass diese Blumen auch „Himmelsschlüssel“ heißen. Das gefiel ihr sogar noch besser.
Edda blieb stehen und hockte sich in die Wiese. Gräser und Blumen. Ein Marienkäfer, der gerade an einem Grashalm hochkletterte. Sie sah eine Weile zu. Eine Fliege summte ihr vor den Augen. Sie stand wieder auf.
Und hockte sich wieder hin. Und versuchte, an einer blauen Blume zu riechen. Und roch ihren süßen Duft.
Eine Schlüsselblume konnte das aber nicht sein. Die waren gelb, wusste Edda.
Sie hielt ein Ohr ganz dicht an die Blume, so dass sie den Kelch sogar einmal berührte – und zurückzuckte. Und es wieder versuchte.
Aber zu hören war nichts. Nur die Laute ringsum. Vom Gras, von den Vögeln, von einem Flugzeug am Himmel, sogar von ihren eigenen Kleidern, wenn sie sich bewegte. Und aus dem Wald etwas Fernes, vielleicht eine Motorsäge. Und von der Siedlung ein Auto.
Und von der Blume die Stille. Irgendwie wurden alle Laute schön, vor dieser Stille, ganz hinten in dieser Stille! Wie es in diese Stille einbrach. Ob die Stille das „Zauberwort“ aus dem Gedicht war? Obwohl sie eben gar kein Wort war, sondern bloß still?
Als Edda nach einer Weile aufstand, war ihr ein Fuß eingeschlafen. Die ersten Schritte hinkte sie noch, dann ging sie schneller, den Wiesenweg hinein in den Vogelgesang.
Die Farben ringsum waren alle kräftig geworden und schön. Und schön waren die Lieder der Vögel.
Anton wohnt auf dem Dorf. Das Dorf ist so klein, dass es gar keine eigene Schule hat. Zur Schule muss Anton in die nahe Stadt. Wenn das Wetter einigermaßen schön ist, fährt er mit dem Fahrrad dorthin.
Im Winter geht das manchmal schlecht, wenn es kalt und der Radweg vereist ist. Und wenn es schneit oder regnet, dass alles voll Wasser steht. Im Frühling und Sommer und Herbst aber ist es wunderbar, viel schöner als im gedrängelt vollen Bus. Denn sein Dorf ist das letzte vor der Stadt, und deshalb bekommt Anton immer bloß einen Stehplatz, wenn er einmal mit dem Bus fahren muss.
Leider ist er der einzige in seiner Klasse aus dem Dorf. Und das zweite Schlechte ist die Tankstelle an der Einfahrt zur Stadt. Der Fahrradweg verläuft nämlich die meiste Zeit direkt neben der Bundesstraße. Da ist viel Verkehr, und die Autos brauchen ab und zu auch Benzin und Öl und einen Durchlauf durch die Waschanlage. Deshalb steht dort eben eine Tankstelle.
Das wäre eigentlich noch nicht so schlimm. Auf die ein- und ausfahrenden Autos passt Anton schon auf. Aber manchmal fahren Autos gar nicht zum Tanken hin, sondern halten nur wegen irgendetwas anderem. Um Schokolade oder Sprudel zu kaufen oder sonst etwas. Die Fahrer halten dann oft gar nicht an den Zapfsäulen, sondern stellen ihr Auto einfach auf den Platz vor der Tankstelle. Aber das ist gerade der Radweg.
Anton hat sich schon oft vorgenommen zu zählen, wie oft eigentlich der Radweg vor der Tankstelle versperrt ist und ob das öfter auf seiner Hin- oder Rückfahrt geschieht. Aber dann hat er es doch immer wieder vergessen. Aber nie vergessen hat er, sich tüchtig zu ärgern. Er muss dann nämlich immer durch die Tankstelle fahren oder sogar hinunter vom Radweg auf die Bundesstraße und hinter dem parkenden Auto wieder hinauf.
„Tu das nicht“, hatte seine Mutter zu Hause gesagt, als er ihr einmal davon erzählte. Und der Vater hatte dazu genickt. Aber absteigen und zwischen den Autos in der Tankstelle sich durchzwängen, das will Anton nicht. Und so fährt er eben doch manchmal auf die Bundesstraße hinunter. „Geschieht denen doch recht, wenn ich verunglücke, denn die sind dann ja schuld“, denkt er dabei wütend. Ab und zu, wenn niemand in der Tankstelle zu sehen war, hat er sogar schon beim Vorbeifahren auf die Scheibe von parkenden Autos gespuckt.