Mitten im Schrei - Volker Friebel - E-Book

Mitten im Schrei E-Book

Volker Friebel

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Beschreibung

Diese Sammlung enthält chronologisch Haiku von Juni 2013 bis Juli 2016 von Volker Friebel. Der Kern des Reiseberichts am Schluss („Auf dem Hohenstaufen“) ist deutlich älter. Er wurde hier wegen unter anderem wegen den Reflexionen zu meiner Haiku-Geschichte angefügt.

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Volker Friebel

 

Mitten im Schrei

Bunte Steine

 

Edition Blaue Felder

 

Impressum

 

Volker Friebel, Edition Blaue Felder, 

Denzenbergstraße 29, 72074 Tübingen (Deutschland)

www.Volker-Friebel.de 

 

Texte, Bilder, Gestaltung: Volker Friebel

Veröffentlicht: August 2023 

Druck und Vertrieb durch epubli: Neopubli, Berlin

Alle Rechte vorbehalten

 

 

Inhalt

Bunte Blumen  

Vietnam  

Laos  

Kambodscha  

Aufgebrochener Acker  

Delphi  

Im Amsellied  

Italien  

Aufschauen  

Nord-Indien  

Kiste Bücher  

Vulkan  

Durch Patagonien an das Ende der Welt  

Verwehte Träume  

Rumänien  

Sils Maria  

Großer Vogel  

Auf dem Hohenstaufen  

Zu Buch und Autor  

 

 

Bunte Blumen

Juni 2013 bis Januar 2014 

 

 

Holunderblüten, Kinzigtal, Nordschwarzwald
 

 

Zugfahrt an den Bodensee, anschließend Wanderung von Meersburg nach Immenstaad.

 

 

Die Schienen enden

in wilden Blumen.

Wir sehen uns an.

 

 

Nach dem Regen.

Um Kornspitzen spiegelt

der Himmel.

 

 

Holunderblüten.

Eine Frau singt mit den Wellen

des Sees.

 

Wanderung Meersburg – Immenstaad

 

 

Sommer am See.

Über dem Schachbrett im Park

tanzen Mücken.

 

Immenstaad, Anlegestelle

 

 

 

***

 

 

Wolken ziehen

Schatten hinter sich her –

über uns.

 

Fahrradfahrt Tübingen – Schönbuch

 

 

Stehempfang.

Am Rand der Gruppe

tropft die Zeit.

 

Leonberg, Vorplatz Blosenberg-Kirche

 

 

An der Kapelle

Baulärm. Ich stifte eine Kerze

für die Stille.

 

Hohenrechberg, Kirche

 

 

Walddämmerung.

Übern Weg springt ein Fuchs,

verschwindet im Duft.

 

bei Gönningen, Waldweg am Stöffelberg

 

 

Unter der Brücke

Kinder im Bach,

lauschen dem Hall.

 

Tübingen, an der Steinlach

 

 

Aurelius-Kapelle.

Aus Wänden tritt der Duft 

vergangener Zeit.

 

Calw-Hirsau, Aurelius-Kapelle

 

 

Sommerhitze.

Zwischen Weinfeldern der Weg

zum Atomkraftwerk.

 

bei Ilbesheim; Blick Kernkraftwerk Philippsburg

 

 

Hinter der Kirche

zum Bach, zu den Gebeten

der Steine.

 

Monbachtal bei Bad Liebenzell 

 

 

Waldstille.

Auf meinem Daumen meditiert

eine Fliege.

 

Spitzberg bei Tübingen, Meditation 

 

 

 

***

 

 

Mallorca. Wir sind Ende August bis Anfang September einige Tage eingeladen und wohnen zu sechst in einem Ferienhaus in Urb S'Estanyol, nicht weit vom Strand.

 

 

Wiedergeburt

eines Farnblatts – als Plastikbecher am Strand

von Mallorca.

 

Strand bei Urb S'Estanyol

 

 

Predigt.

Der Täufling

trinkt.

 

Kirche Colònia de Sant Pere

 

 

Wind vom Meer.

Auf der Leine ein Handtuch

voll Salz.

 

Terrasse Casa Pesca Dor, Urb S'Estanyol

 

 

Welle um Welle –

der Atem des Meeres

wird meiner.

 

an der Küste bei Urb S'Estanyol

 

 

Eine Menschenspur

im Sand, entlang dem Ansturm

des Meeres.

 

Strand bei Son Serra de Marina

 

 

Heilige Quelle.

Die Schöpfkelle schlägt hart

an den Stein.

 

Wanderung Colònia de Sant Pere – Ermita de Betlem – Urb S'Estanyol

 

 

 

***

 

 

Willkommensfeier.

Ein Auge lugt hinter

der Schultüte vor.

 

Freiburg im Breisgau, Sporthalle der Schneebergschule

 

 

Herbstnacht.

Unterm Ticken der Uhr

unser Schweigen.

 

Freiburg im Breisgau, Wohnung einer Freundin

 

 

Mein Horizont –

rund geworden an dieser

Holunderbeere.

 

bei Freiburg im Breisgau, Fußweg St. Ottilien – Schlossberg

 

 

Astern.

Zwischen Dunkel und Schatten

der Bienenflug.

 

Tübingen, Denzenbergviertel

 

 

Burgfried.

Der Falke stürzt mitten

im Schrei.

 

bei Reutlingen, Achalm

 

 

Zwischen taumelnden Blättern

ich,

gefangen von Elfenfäden.

 

Wanderung Tieringen – Dotternhausen, Nähe Lochenpass

 

 

Herbstfarben.

Wind zerrt an den Kleidern

der alten Frau.

 

Tübingen, Altstadt

 

 

Im Stadtkanal:

Ein Schwarm Blätter nimmt Kurs

auf die Bibliothek.

 

Tübingen, Altstadt

 

 

Zwischen fallendem Laub –

ein Mann

stimmt seine Gitarre.

 

Tübingen, Busfahrt

 

 

Aus dem Nebel

leere Äcker,

ein Umspannwerk.

 

Zugfahrt Tübingen – Bad Wimpfen, vor Heilbronn

 

 

Im Dom flackern

Kerzen. Kepler starb hier,

in dieser Kälte.

 

Regensburg, Dom

 

 

Abendrot.

Im Garten der Villa hackt einer

Holz.

 

Tübingen, Denzenbergviertel

 

 

Advent.

Ein Kiefernzapfen knackt

in die Stille.

 

Tübingen, daheim 

 

 

Lebensringe ...

verwoben im Leuchten

der Wintersonne.

 

Tübingen, daheim; für unsere Hochzeitsanzeige

 

 

Wintersonne.

Hinter geschlossenen Lidern

Kristalle.

 

bei Holzelfingen

 

 

Ein Schaf frisst

vom Schnee, schaut mich an.

Bergwind.

 

bei Holzelfingen

 

 

Winterwald.

Beim Radeln vorbei am Strichcode

der Bäume.

 

Fahrradfahrt Schönbuch, Kleines Goldersbachtal

 

 

Letzter Tag.

Auf dem Kirchhof überfällt uns

das Licht.

 

bei Tübingen, Aufstieg zur Wurmlinger Kapelle

 

 

Haus am Wald.

Bachs Cellosuite durchdringt

den Nebel.

 

Tübingen-Sand, Waldrandweg

 

 

Vor der Fabrik –

ein Wohnwagen parkt

im tanzenden Schnee.

 

Zugfahrt Tübingen – Flughafen Frankfurt am Main

 

Vietnam

Ende Januar / Anfang Februar 2014 

 

 

Flussfahrt bei Cai Be, Mekongdelta 
 

 

Nachtflug.

Das rhythmische Flackern

der Fernseher.

 

Flug Frankfurt am Main – Saigon

 

 

Nachtflug.

Lauter neugeborene

Sterne.

 

Flug Frankfurt am Main – Saigon, nachts über Indien

 

 

Der Puls Saigons –

Über die Kreuzung schwappen

Mopedfahrer.

 

Saigon, am Vereinigungspalast

 

 

Das Farbenspiel der Ampeln. Viele Menschen tragen einen Mundschutz, vor allem auf den Mopeds, die sie meist zu zweit oder dritt besetzen. 

An den Krieg, mit dem der Name Vietnam so sehr belastet ist, erinnert dem Augenschein nach kaum etwas. Obwohl es noch immer Minen gibt und Millionen Opfer der Verseuchung durch das Entlaubungsmittel Agent Orange. Wegen Veränderungen des Erbguts ziehen sich Missbildungen durch Generationen. Die Menschen wollen nichts davon wissen. Sie wollen ein Moped. 

 

 

Saigon-Fluss –

ein Boot bringt den Duft

des Mekong-Deltas.

 

Saigon, Busfahrt in das Mekong-Delta

 

 

Ausfahrt Saigon.

Ein Hausboot legt

am Himmel an.

 

Saigon, Busfahrt in das Mekong-Delta

 

 

Hähne krähen.

Mit dem Ruderboot an einem Grabstein

vorbei.

 

Ruderbootfahrt Mekong-Delta bei Cai Be

 

 

Musikhaus

am Mekong. Das Summen

der Ventilatoren.

 

Rast Bootsfahrt Mekong-Delta bei Cai Be

 

 

Steigender Rauch.

Ein Kind sitzt im Kahn,

lässt sich schaukeln.

 

Bootsfahrt Mekong-Delta bei Cai Be

 

 

Ein Pfahlbau im Mekong, vom Wasser umspült. Vögel pfeifen. Ein Mann putzt Plastikstühle im Fluss. Eine Kokosnuss treibt an ihm vorbei.

Blüten dümpeln. Der Schrei eines Vogels. Am Ufer festgebunden ein Kahn, rote Früchte liegen in ihm. Vor der einfachen Hütte hängen Kleider, sind Chrysanthemen gepflanzt.

Die eine Frau auf dem Pfahlbau putzt einen Krug, die andere wäscht. Die Treppe des Hauses endet im Fluss.

Ein Schiffer auf seinem Kahn winkt uns zu, lächelt. Im braunen Kielwasser dümpeln Hyazinthen.

Auf dem Pfad hüpft ein Junge. Rosenäpfel liegen am Ufer im Gras. Ein Beet Zwiebeln. Palmblätter biegen das Licht in die Form eines Fächers.

 

 

An den Bug des Lastkahns

gemalte Augen. Die Hängematte

schwankt leer.

 

Can Tho, Bootsfahrt zum Schwimmenden Markt

 

 

An der Werft

treiben Blumen. Die Augen des Kahns:

geradeaus.

 

Can Tho, Bootsfahrt zum Schwimmenden Markt

 

 

Der ehemalige Kaiser-Palast von Hue wurde nach dem Vorbild der Verbotenen Stadt in Beijing angelegt, ist allerdings wesentlich kleiner.

Er liegt an der Zitadelle von Hue, um die es im Vietnam-Krieg im Jahr 1968 während der kommunistischen Tet-Offensive äußerst harte Kämpfe gab. Es berührt seltsam zu wissen, dass dieser Boden mit Blut buchstäblich getränkt ist.

Die Gräser haben es aufgenommen. Die Verlierer des Kampfes haben den Krieg gewonnen. Bevor sie getötet wurden, haben sie Tausende Bewohner der Stadt getötet, wegen Kollaboration mit dem Feind.

Vielleicht ist jeder ein Verbrecher, der eine Waffe benutzt. Vielleicht geht es in manchen Zeiten gar nicht anders, als ein Verbrecher oder ein Grashalm zu sein. Oder ein Mönch. Getötet wurden allerdings auch die.

 

 

In den Laut einer Klangschale

Kamera

klicken.

 

Hue, Tempel an der Thien-Mu-Pagode

 

 

Hinter dem Tempel

flattert Wäsche,

kräht ein Hahn.

 

Hue, an der Thien-Mu-Pagode

 

 

Morgenfahrt.

Eine Frau wäscht ihr Haar

im Parfüm-Fluss.

 

Hue, Fahrt mit dem Drachenboot

 

 

Wellen des Flusses –

Küken, aufgeregt im Tuckern

des Diesels.

 

Hue, Rückfahrt mit dem Drachenboot

 

 

Geflutetes Reisfeld.

Ein Reiher schreitet durch 

gespiegeltes Weiß.

 

Busfahrt Hue – Da Nang

 

 

Schrein am Straßenrand.

Die Treppe führt weiter,

hinein ins Wuchern.

 

Busfahrt Hue – Da Nang, Abfahrt vom Wolkenpass

 

 

Von der Laterne:

Zwei Spatzen

regeln den Autoverkehr.

 

Da Nang, am Cham-Museum

 

 

Bananen verkauft sie,

vom Nackenjoch. Die glücklichen Augen

der Alten.

 

Hoi An

 

 

Zwischen zwei Enkel

quetscht sich die Großmutter:

Moped-Spazierfahrt.

 

Hoi An

 

 

Der Morgenstern ...

Ein schwarzer Vogel löst sich

vom Horizont.

 

Hoi An, Hoian Hotel, Innenhof

 

 

Skulpturen-Verkauf.

Eine Kundin grüßt

den sterbenden Buddha.

 

Busfahrt Hanoi – Halong-Bucht, Halt Raststation

 

 

Zwischen zwei Inseln

erscheint ein Boot,

verschwindet wieder.

 

Halong-Bucht, Dschunkenfahrt, im Speisesaal

 

 

Halong-Bucht heißt „Bucht des herabsteigenden Drachens“. Einer Legende nach (es gibt mehrere) soll eine Drachenmutter mit ihren Kindern den von Feinden bedrohten Vietnamesen zu Hilfe geeilt sein. Sie spuckte 3.000 Perlen ins Wasser, die zu Felsinseln wuchsen und den Angreifern den Weg versperrten.

Wer das nicht glaubt, darf die Theorien der Geologen lesen. Ablagerung von Muschelkalk kommt darin vor und tektonische Bewegung. 1.969 Kalkinseln werden auf dem 1.500 Quadratkilometer großen Gebiet offiziell angegeben.

Schöneres als die Bucht mit ihren bewaldeten Inseln, Höhlen und Binnenseen dürfte es kaum geben. Schwärme von Dschunken durchpflügen das Meer. Die Einheimischen wohnen in schwimmenden Dörfern. Sie fischen, züchten Austern und handeln. Auch wer einen genaueren Blick auf das wirft, was alles im Wasser dümpelt, wird die Bucht trotzdem lieben.

 

 

Morgendämmern.

Auf dem Weg ins Licht

hupen Mopeds.

 

Hanoi, Hotel Moonview

 

Laos

Februar 2014

 

 

Busfahrt Luang Prabang - Vang Vieng
 

 

Dharma-Vortrag.

Vorbei an der Klostertür flattert

ein Schmetterling.

 

Luang Prabang, Wat Mai

 

 

Wir folgen dem bunten Falter und steigen auf den Phou Si, den Hausberg der Stadt. Als ich mich auf den Treppen umwende, sehe ich einen Mönch auf einer wackligen Holzbrücke über den Nam Khan schreiten, einen der beiden Flüsse der Stadt.

Unmerklich hat der Abend begonnen. Auf dem Hügel versammeln sich mehr und mehr Menschen, um den  Sonnenuntergang zu betrachten. Als er sich wirklich ereignet, nach grandiosen Vorspielen zwischen den Wolken klar und einfach ereignet, spüre ich: Ein Gleichklang von Natur und Kultur ist möglich, unglaublicherweise, auf dem Hügel dieser schönen Stadt, in diesem Moment.

 

Ein Mann hat einen kleinen Vogel gekauft. Er öffnet die Käfigtür und lässt ihn fliegen, in die Abendröte hinein. Die Umstehenden klatschen.

Der Händler wird von seinem Zulieferer nun einen neuen Vogel ordern.

Die Kinder des Zulieferers werden Leimruten auslegen.

Der Verdienst des Mannes, vielleicht liegt er in der Schaffung von Arbeitsplätzen für eine Familie und nicht in der Freiheit des Vogels.

Die Buddhas haben dazu keine Meinung, auch der Vogel freut sich sicher nur über seine Freiheit.

 

 

Strähnen der Erde.

Die Frau blickt ihr Kind an –

ein Wasserfall.

 

bei Luang Prabang, am Kuang Si Wasserfall

 

 

Ocker-Gewänder,

Almosengang. Über dem Wat

der Morgenstern.

 

Luang Prabang, Hauptstraße, am Denkmal der Erdgöttin

 

 

Mekong flussauf –

unser Langboot teilt die braunen Haare

der Göttin.

 

Mekong, Bootsfahrt Luang Prabang – Höhlen von Pak Ou

 

 

Mitten im Mekong

ein Grenzstein. Die Fische

lachen.

 

Mekong, Bootsfahrt Luang Prabang – Höhlen von Pak Ou

 

 

Buddha-Grotten.

Mit jedem Pilgerschritt

hebt sich Staub.

 

an den Höhlen von Pak Ou, gelegen am Mekong

 

 

Kettenklirren.

Der junge Elefant versucht

einen Tanz.

 

Dorf am Mekong bei den Höhlen von Pak Ou

 

 

Laue Nacht.

Palmen, im Tanz erstarrt,

unter der Mondschale.

 

Luang Prabang, Restaurant, beim Abendessen

 

 

Die Säge schärfen.

In der Hütte läuft ein Programm

aus dem All.

---ENDE DER LESEPROBE---