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Lyrik von Volker Friebel. Dieser zweite von drei Bänden enthält, leicht überarbeitet, die Original-Bücher „Zonen der Kampfjets“ (2010), „Die 7 Töne des Waldes“ (2011), „Gejagt von Wolkenschatten“ (2013), „Oberleitungsschaden“ (2013) sowie „Spatzengeplauder“ (2018) mit zusammen 324 Seiten Lyrik und Haiku.
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Edition Blaue Felder, Tübingen
Alle Rechte: Volker Friebel,
Denzenbergstraße 29, 72074 Tübingen (Deutschland)
www.Volker-Friebel.de
Edition Blaue Felder, Tübingen
Text, Bild, Satz und Gestaltung: Volker Friebel
Veröffentlicht: Samstag, 1. Oktober 2022
Inhalt
Drittes Buch
Zonen der Kampfjets
Am Quell der Donau
Haiku 1
Elfenfäden, treibend
Haiku 2
Aus Fugen
Haiku 3
Feldweg bei Meßkirch
Haiku 4
Kornbühl
Haiku 5
Durch Glas
Haiku 6
Ritter vor einem Windkraftwerk
Haiku 7
Das Land erlösen
Haiku 8
Stufen zur Quelle
Viertes Buch
Die sieben Töne des Waldes
Auge Mensch
Haiku 1
Die Schwanenflöte
Haiku 2
Ströme des Himmels
Haiku 3
Geöffnetes Buchenauge
Haiku 4
Vom Reich des Herzens
Der Elfenwall
Das Licht
Nacht der Lichter
Stufen am Himmel
Vom Himmelshaus
Das Schiff
Dichtung und Neuropsychologie
Fünftes Buch
Gejagt von Wolkenschatten
Sechstes Buch
Oberleitungsschaden
Klippe im Grasland
Eisvogel
Haselnussblätter
Weiß geblieben
Nachhall
Baustromkasten
Junge Birken
Jemand
Widersteht
Der Abend
Keiner
Lichteinfall
Orte 1
Rutschenhof-Brünnele
Runder Berg bei Urach
Apfelplantage
Bodensee, Anlegestelle Hagnau
Immenstaad, Landesteg
Nonnenhorn
Friedenslinde Bronnweiler
Mörike-Ruhe bei Bebenhausen
Ohnastetten
Alter Friedhof in Stuttgart
Apolloquelle Bad Niedernau
Hof in Reinsberg
Nebelfahrt
In jede Richtung davon
Auch in mir
An der Rose
Morgenlicht
Wintermorgen
Vergessen
Atemzüge
Kaminfeuer
Hinausgelehnt
So still
Gewollt
Grüner denn je
Gestreift
Fegefeuer
Verwundet
Mit Morgenlicht
Alte Bäume
Verwundet
Am Weiher
Ringsum
Ein Tag vor dem Ende der Welt
Gesprenkelt mit Laub
Mückenspiel
Ins Tal
Wieder erlischt
Orte 2
Der Blautopf
Kloster Blaubeuren
Weilerburg
Das Liederbuch
Seifertbrunnen
Hummelshalde
Lauterquelle
Nehren
Ulmer Münster
Alte Oper Stuttgart
Herbstabend in Nürtingen
Hüttwilen
Im Abseits Gesichter
Irren wir nicht
In den Staub
Diesel und Sägespäne
Blatt und Spiegelbild
Ende der Welt
Abendstimmung im Februar
Vom Bleiben
Andere und andere
Bahnhofplakat
Geschlossen
Momente
Mein Atem
Wasser zurück
Siebtes Buch
Spatzengeplauder
Vorwort
Spatzengeplauder
Zu Werk und Autor
Lyrik und Haiku
1
Zum Rund gefügte Quader,
ein Geländer aus Eisen ...
Durch Kot und Verwesung,
zermalmtes Gebein,
durch all die Jahresringe der Erde,
sprudelt die Quelle ans Licht:
Ihr Wasser ist rein.
2
An der Mauer Tafeln der Länder,
die um den Strom liegen,
Stadtlärm dröhnt drüber weg,
sickert durch die Wände der Kirche,
wo auf der knarrenden Holzbank du träumst,
um die Leben der Menschen,
Blasen, die zwischen Münzen
im Quelltopf aufsteigen.
Warum die Erinnerung
nicht die „besten“ Jahre uns zeigt,
sondern die Kindheit.
Warum gerade Unschuld und Reinheit
den Blick tief
und wehmütig machen.
3
Die Geschwister, im Ochsenwagen
nach Osten, den Stromlauf entlang.
Hütten bauten sie, Kirchen, steinerne Häuser,
nahmen das Land untern Pflug, Handel trieben sie,
errichteten Schulen.
Mein Vater: Barfuß kam er heim in die Fremde.
Meine Großmutter: Soldaten vertrieben sie vom Feld.
Unrecht will auf Unrecht sich häufen, die Tränen
trocknet es nicht. Die Tränen trocknet
das Unrecht
der Zeit.
4
Wie viel Wasser der Quelle
von Tränen stammt? Wie viel Wasser der Quelle
einen Leib schon durchlaufen hat?
Wir zahlen an die Erde zurück, was wir empfingen.
Aber der Himmel möchte noch mehr.
Woher nimmst du die Liebe,
was tust du zum Begleichen der Schuld deines Leben?
5
Es ist die Liebe, die über dem Wasser schwebt.
Hörst du, wie sie singt, mit verbundenen Augen?
Aus der Bewegung deines Herzens
schaut sie in den Himmel hinein.
Um sie strömen die zu erlösenden Ufer.
6
Schlägt dein Herz, weil auch die Quelle sprudelt,
weil das Wasser im Fließen erst die Reinheit zeigt,
die es ist, die es sein wird?
Schlägt dein Herz, weil jede Strophe
mit dem Einsatz beginnt, weil du dein Leben
mit jedem Ton neu beginnen musst?
Schlägt dein Herz, weil es den Takt zum Tanz geben will,
und du suchst nach der Geige noch
und wartest den rechten Einsatz ein Leben lang ab?
7
Die Steine haben nicht versagt, jetzt, wo sie rieseln,
von der Festung zurück als Sand in die Welt.
Nur die Menschen versagen.
Immerhin, du bist nicht unter jenen,
die die Ufer befestigen, immer noch rollst du Steine
ins Wasser zurück.
Immerhin, du hast für keinen neuen Rekord gesorgt,
auf der Hamster-Rennbahn,
dein Versagen bemäntelst du nicht.
8
Festungen brechen. Die Herrscher planen
ein festeres Reich. Und da sich mit Wasser
nicht bauen lässt, aus Ersatzmaterialien,
aus Schaumstoff etwa, aus Gummi.
Tob nur. Es tröstet. Doch
die Hand, die sich um das Schwert schließt,
ist nicht die Hand, die um einen Knüppel fasst,
der ein virtuelles Schwert kontrolliert,
das Lied, das du singst, ist nicht das Lied
aus den Lautsprechern,
du bist nicht du.
Was die Herrscher berühren, wird zu Geld,
doch du siehst an der Quelle, dass es von Anfang an
Schuldscheine waren.
Die Quelle ist rein.
9
Wo kommt dein Leben her, in jedem Moment?
Antworten sagen es nicht.
Es ist das Staunen,
das dich wach hält und offen.
Es ist die Demut,
die dem Himmel ermöglicht, dich zu durchwehen.
Es ist das Lied, das dich ins Strömen bringt,
das du bist und sein sollst.
10
Imperien zerfallen.
Da bleiben Kiefer, Sand und Fluss.
Wenn du leben willst,
dann musst du singen und immerzu sterben,
dann musst du am Wasser dich aufhalten
und wo ein Trepplein hinabgeht zum Wasser,
dann musst du dich durchströmen lassen
vom Himmel.
11
Alles Mühen der Ahnen, ihr Scheitern,
erneutes Mühen – zurückgenommen sind ihre Falten
und glatt gestrichen im Gesicht dieses Neugeborenen,
das seine Augen nun öffnet
und schaut. Bald wird es lächeln,
ins Unbekannte.
Die Frau blickt es an
und wiegt es, summt ihm ein Lied.
Am Quell der Donau.
12
Alle Ströme entspringen im Himmel,
in dem sie enden.
Läuten vom Dorf.
Im Schnee den Himmel
berühren.
Dämmern.
Über den Schnee verstreut
tote Bienen.
Kehrwoche.
Im plötzlichen Schneefall stehen,
warten.
Tauwind.
Der Briefkastendeckel
steht offen.
Steigendes Licht.
Am Zweig hängen Kätzchen
ins Vogelzwitschern.
Wohin?
Im Winterwind knarrt
eine Kiefer.
An der Bushaltestelle
lachende Mädchen
um einen Liebesbrief.
Kinder schließen die Zollschranke.
Im Gras
ein Holzschwert.
Tauben, fliegend
verschwinden in einer Wand
aus fallendem Schnee.
Schneemorgen.
Das Funkeln erlischt,
als ich es fasse.
Frische Gräber.
In den Schnee getreten
ein Herz.
Märzabend.
Ein Liebespaar, Hand in Hand
in das Schweigen.
1
Nachgesonnen über das Leben,
das aber einfach nur ist. Eine Kuckucksuhr.
Zwei Boxer im Ring. Das Lächeln einer jungen Frau,
über ihrem Buch versunken im Stadtpark.
Ein altes Paar, das sich im Zug gegenübersitzt.
Herzen überall, Herzen, doch etwas verdunkelt sie,
etwas wirft Schatten.
Nur im Waldbach siehst du unvermindert
das Gleißen.
Steine, bunt im strömenden Wasser.
Sobald du einen herausnimmst und trocknest,
verblasst seine Farbe.
Wir sind erleuchtet, heißt es,
aber wir wissen es nicht.
Woher kommen die Schatten,
wenn nicht von uns?
2
Im Museumspark auf dem Hügel bei Cannstatt
der Säulengang, Springbrunnenplätschern ...
Dieser Statue fehlt der Kopf. Aber die Brüste sind da.
Rosen blühen ringsum.
Vielleicht entsteht das Helle in uns,
wenn wir zusammen sind.
3
Es sind unsere Augen,
die dem kreisenden Vogel am Himmel
die Schönheit geben. Seine Augen
spähen nach Mord. Vielleicht heißt erkennen
unser Verlangen im anderen finden
und dort heimisch werden,
weil wir überall sind.
4
Findest du dich im Verlangen der Kiefer?
Enganliegende Borke, jede Woche
ein neues Kleid, einen Wechselrahmen mit Fotos
aus anderen Wäldern, Spechtgetrommel
was wo passiert in der Welt, Wahlen
zur Königin ihres Forstes, Mineralien
aus der fruchtbaren Ebene, während
die hiesigen eben dort hin transportiert werden,
in Kästchen mit der Aufschrift „Die Kraft
des Bergwalds“, Schönheitsoperationen
für ihre Zapfen, die in die Schule sollen,
hinter die sieben Berge ins Hexenhaus.
„Der Verzicht nimmt nicht. Der Verzicht gibt“,
schrieb ein Mensch. „Er gibt
die unerschöpfliche Kraft des Einfachen.“
Die Kiefer verzichtet nicht. Immer
ist sie ganz, was sie ist.
5
Brunnenrauschen in Bebenhausen.
Zwischen zwei Mörsern im Garten des Jagdschlösschens
lehnt ein Stückchen Beliebigkeit, halbherzig
ist es mal dies und mal jenes, halbherzig
lebt es Aspekte, gelegentlich schwingt es
Reden vom Aufstand, verstummt dann mitten im Wort.
Zu Hause warten Posteingang, Postausgang,
kleine Geschäfte, ansonsten will die Welt
nichts von ihm, außer,
irgendwann einmal,
etwas Erde zurück.
6
Es sind die vielen kleinen
Bequemlichkeiten, Zerstreuungen, der Sand ist es,
nicht der Felsen im Meer, die Waschmaschine,
nicht der Liebesschwur,
die Vielfalt der Düfte in der Parfümerie,
die langen Reihen der Filme
in deinem langen Regal.
Reiß aus dem Buch eine Seite heraus:
Es wird Schicksal. Und wertvoll die Seite,
die fehlt.
Häng diese Bilder ab, stell deine Möbel
an die Straße, streich alles weiß und setz dich
auf das leere Parkett.
7
Geben könnte man schon,
wie der Brunnen gibt. Was du hast,
will allerdings niemand.
Der Brunnen gibt trotzdem, gibt alles –
ob das Kind sein Wasser verspritzt oder trinkt.
Doch du sitzt verstockt zwischen zwei Mörsern
und schweigst.
8
Der Himmel mag offen sein, das Wasser
immer ins Offene strömen – doch das Land ist besetzt.
Fahnen wehen am Münsterplatz. Das Parteiformular
willst du nicht lesen. Was du hast, ist die Leere
zwischen den Reihen im Vortragssaal.
Überm Portal schmirgelt der Wind
die Statuen der Heiligen. Elfenfäden
fliegen vorbei.
9
Von der Kiefer lerne,
ein Mensch zu sein. Vom Wasser,
dass auch dein Leben strömt.
Vom Atem, dass die Welt tief ist
und, im Vielen erst,
eins.
10
Wahrheit ist, wenn der Falke
die Taube schlägt, wenn die Knospe
zur Blüte sich öffnet, wenn Steine
im Waldbach aufschimmern, wenn Sonne zwischen
Baumstämmen blinkt.
Nicht richtig, nicht falsch,
doch wenn sich etwas eröffnet,
jenseits von Ja und von Nein.
Weißt du, dass nichts wahr ist
in der befestigten Welt?
Weißt du, dass der Mann für die Öffentlichkeitsarbeit
ein Leben lang lügt?
Weißt du, dass kein Wort im Buch
je wahr werden kann, nur du selbst, der es liest?
Weißt du, dass du dann
alle Bücher vergisst?
11
Was du hast, ist der Augenblick.
Am Meer. Du beugst dich, greifst Sand,
lässt ihn fallen.
Wind durch das Rieseln,
er nimmt die Körner verschieden weit mit,
den Staub bis ins Meer.
Wolken bilden sich über dem Wasser,
treiben dem Festland zu.
12
Du hast einen Turm aus Klötzen gebaut,
nun siehst du atemlos zu, wie er schwankt.
Im Sand liegen Schaufel und Eimer.
Bald wird es regnen.
Um den Baum spähen:
ich
und das Eichhörnchen.
Waldabend.
Goldfische leuchten
am Weihergrund.
Blütenmorgen.
Zwei Schulmädchen repetieren
Euthanasieformen.
Im Baum
um einen Drachen aufgebrochene
Knospen.
Abendsonne.
Mein Schatten am Felshang,
über Erdzeitaltern.
Alter Geißbock,
die Nüstern reckt er
in Apfelblüten.
Heimgarten.
Ein Alter köpft Löwenzahn
mit seinem Krückstock.
Am Ring festgebunden
ein Kahn,
voll Blütenblätter.
Bärlauch pflücken –
der Schal hängt in den Regen
von gestern.
Abend am See.
Mit den Zweigen der Weide
ins Gleißen hängen.
Kastanienkerzen.
Das Mädchen schlägt schnell
die Augen nieder.
Maimorgen –
im Ohrgehänge des Mädchens
ein Glanz.
1
Gegen Ende des Bahnsteigs immer mehr Halme,
aus Plattenfugen stehen sie in den Himmel.
Die Sonne steigt, streift die Kante des Hauptgebäudes.
Noch höher, überm Drähtegewirr,
ziehen Wolken, während wir unten
noch warten, auf Signale
der verwalteten Welt.
Ein erster Zug fährt.
Funken sprühen zwischen Stromabnehmer
und Oberleitung.
2
Fort, einfach nur fort!
Und wenn du nicht weißt, wohin, berausch dich
an der Geschwindigkeit.
Der Weg ist gesäumt mit Fernsehschirmen.
Die Pappeln sind gefällt.
Schau nach vorn, geradeaus,
über dir herrschen Sonne und Mond,
über dir klirren Sterne,
schreien dich an,
unter dir dreht sich die Erde
weg.
3
Geschwisternschaft zwischen den Gräsern
und dir und den Schmetterlingen –
demselben Samen sind wir entsprungen,
so können wir den andern erkennen,
denn etwas von ihm ist in uns.
Doch während du kniest,
vor dem Wunder des Lebens, stempelt das Amt
alle Bäume.
Während du im Widerhall die Stimmen
des Waldes hörst, hört es das Klingeln
möglichen Geldes.
Während du im Widerhall dich selbst erkennst,
lehrt es, dass man mit Fliegen Fische fängt,
mit Kreditkarten Menschen.
4
Alles verwandelt das Amt in Geld:
Liebe, Sorge, Freude, Tanz, um es besteuern zu können,
und dann zu reden von „Gerechtigkeit“.
Weil die Welt gerecht ist,
wenn auch dein Atemzug vorgeschrieben wird,
verwaltet, maßgeregelt,
abgestempelt und steuerlich veranlagt,
sein „Mehrwert“ aufgeteilt,
vergossen über die Menge.
5
Die Liebe will nicht kämpfen, sie will sich entziehen.
Sie ist ausgewandert
und wohnt nun im Staate Owdnegrin,
hinter den sieben Bergen,
weit hinter dem Regenbogen jener Gerechtigkeit,
den das Amt an seinen Himmel malt.
6
Auch der Ekel kämpft nicht, er wendet,
wie die Liebe, sich ab.
Ein Pfad am Fluss durch die Ebene.
Ein Pfad den Hang hoch, wo im Gebirge
ein eiskalter See liegt.
7
Was kämpfen könnte,
ist alleine der Zorn,
ist alleine der Blick,
der in den Wolken geruht hat
und nun heimkehrt,
in ein schwer befestigtes Land.
8
Auch heute fünf neue Sender
mit Werbeclips, was ich kaufen soll,
was ich denken soll, was ich,
sogar was ich fühlen soll, wohin meine Augen
sich wenden sollen. Die Nachrichtensprecherin
schaut mir ins Herz. Ich bin
unzuverlässig. Mein Geld reicht ihr
schon lange nicht mehr, sie will mein Herz,
sie will, dass ich will, während ich einfach
nur sein will.