Demonica - Entfesselt - Larissa Ione - E-Book

Demonica - Entfesselt E-Book

Larissa Ione

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Beschreibung

Der attraktive Dämon Shade hat Runa Wagner das Herz gebrochen. Seither sinnt sie auf Rache. Da werden Shade und Runa von Unbekannten entführt und gemeinsam in eine Zelle gesperrt. Die unerwartete Nähe lässt die Gefühle zwischen den beiden wieder auflodern. Doch wie einst wagt Shade es nicht, sich Runa ganz hinzugeben. Er fürchtet, dadurch einen alten Fluch auszulösen, der auf ihm lastet. Können sich Shade und Runa aus dem Gefängnis befreien und den Fluch aufheben?

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Seitenzahl: 575

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Inhalt

Titel

Widmung

Prolog

1

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4

5

6

7

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9

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Danksagung

Begriffserläuterungen

Impressum

Roman

Ins Deutsche übertragen von Bettina Oder

Für Karen Ross, die stets bereitwillig alles stehen und liegen lässt, um für mich zu lesen, mit mir ein Brainstorming abzuhalten oder mich aufzuheitern. Du bist jahrelang immer für mich da gewesen, und ich weiß nicht, was ich ohne dich tun würde.

Für meine Schwiegermutter, Lynn Estell, die seit der Lektüre meines allerersten Manuskripts (das niemals das Licht der Welt erblicken wird) meine Cheerleaderin ist.

Für Karen, Warren und Lauren Allen, die seit Jahren ein wichtiger Bestandteil meines Lebens sind. Karen, du bist einer der stärksten Menschen, die ich je kennengelernt habe. Warren: Hey, wenigstens hab ich dich in diesem Buch nicht umgebracht. Lauren, tut mir leid wegen des mit Schokolade überzogenen Knoblauchs.

Für Robyn Thompson … wir sehen einander nicht annähernd oft genug, aber du bist immer in meinen Gedanken.

Für Ann Martin und Michelle Willingham, deren Verabredungen zum Mittag- oder Abendessen Oasen des gesunden Menschenverstands in einer irrsinnigen Welt waren.

Für die wunderbare Writeminded-Readers-Yahoo-Gruppe; für euren beständigen Enthusiasmus, den Spaß und die Unterstützung. Ihr rockt!

Und wie immer: für meine Familie, die mein ständiges Tastengeklapper, den ewigen Eintopf in der Zeit vor Abgabeterminen und meinen vollgepackten Zeitplan erträgt. Ich liebe euch.

Prolog

Vor drei Jahren …

»Er ist hinüber. Hören wir auf.«

Shade ignorierte seine Partnerin und presste den Brustkorb des Gestaltwandlers weiter in regelmäßigen Abständen zusammen. Jedes Mal knirschten gebrochene Rippen unter seinen Handflächen.

Eins-eintausend, pressen, zwei-eintausend, pressen. Shades eigenes Herz klopfte wild und schien genug Blut durch seine Adern zu pumpen, um den lavabetriebenen thermalen Generator des Underworld General anzutreiben, doch auf das Herz des Patienten sprang kein Funke über. Drei-eintausend, pressen. Nachdem er jetzt schon Gott weiß wie lange in der Blutlache neben seinem Patienten kniete, schmerzte Shades Oberschenkelmuskulatur höllisch. Vier-eintausend, pressen.

Ein Prickeln breitete sich über dem Dermoire aus, das seinen Arm von der rechten Schulter bis zur Hand überzog, während er seine besondere Gabe dazu einsetzte, das Herz des Patienten wieder zum Schlagen zu bringen.

»Hör schon auf, Shade.« Skulk, Shades Halbschwester, Sanitäterin und seine Partnerin im Rettungswagen, legte ihm die zierliche graue Hand auf den Arm. »Wir haben getan, was wir konnten.«

Das Wissen, dass Skulk recht hatte, machte es auch nicht leichter aufzugeben, und Shade hatte nicht einmal mehr genug Atem in den Lungen, um darüber zu fluchen. Keuchend stellte er seine Wiederbelebungsversuche ein und hockte sich auf dem mit Dreck übersäten Boden der verlassenen Brauerei auf die Fersen. Von der Anstrengung zitterten ihm die Arme, und das Stethoskop fühlte sich wie ein Mühlstein um seinen Hals an.

Mit knirschenden Zähnen blickte er in die glasigen Augen des verstorbenen Patienten. Das Opfer war praktisch noch ein Kind. Höchstens vierzehn. Er hatte vermutlich gerade erst gelernt, wie er sich aus seiner menschlichen Gestalt in die Spezies verwandelte, der seine Familie angehörte. Das verräterische Geburtsmal eines wahren Wandlers, ein rotes, sternförmiges Mal hinter dem linken Ohr, schien noch nicht einmal vollständig ausgeformt zu sein.

»Das ist doch Scheiße«, murmelte Shade. Er stand auf. Neben ihnen standen die beiden Falschen Engel, die das Krankenhaus informiert hatten; ihr liebreizendes, jungfräuliches Erscheinungsbild stand in seltsamem Kontrast zu dem unheilvollen Glitzern in ihren Augen.

»Ihr habt nicht gesehen, wer ihn hier abgeladen hat?«, fragte er.

Einer der Hochstapler-Engel schüttelte den Kopf, sodass ihr goldenes Haar wispernd über den Stoff ihres weißen Gewands strich. »Er lag einfach nur da. Friedlich.«

»Auf dich macht er also einen friedlichen Eindruck? Wo ihm die Hälfte seiner Organe fehlt?«

Der andere Falsche Engel lächelte. »Was sind wir heute wieder empfindlich.« Ihr Finger glitt aufreizend über den tiefen Ausschnitt ihres Gewands, das kein wahrer Engel tragen würde. »Wie wäre es, wenn wir dir helfen, dich ein bisschen zu entspannen, Inkubus?«

»Ja«, schnurrte die andere. »Männer in Uniform haben mir schon immer gefallen.«

Der erste Falsche Engel nickte. »Veragoth treibt sich einfach zu gern auf Polizeirevieren herum.«

»Mmm …« Der Engel mit dem Namen Veragoth wickelte sich eine Haarsträhne um den Finger und ließ einen gierigen Blick über Shade gleiten, vom Gesicht bis zu seinen Füßen. »Aber so langsam glaube ich, dass ich mich vielleicht doch lieber an euch Sanitäter halten sollte.«

O ja, seine schwarze Uniform im Stil eines Kampfanzugs machte alle Frauen heiß, sogar wenn er gerade mal nicht die Fick-mich-Pheromone ausströmte, die zur Standardausrüstung eines Seminus-Dämons gehörten. Ausnahmsweise verspürte Shade allerdings nicht die geringste Lust, sich in Gegenwart zweier bezaubernder Frauen auszuziehen. Er war erschöpft, wütend und hatte die Nase gestrichen voll von dieser neuen Welle von Verstümmelungen an Dämonen. Das Schlimmste daran war, dass es so ziemlich allen am Arsch vorbeiging, dass irgendjemand Dämonen wegen ihrer Organe ausschlachtete, die dann auf dem Schwarzmarkt der Unterwelt verhökert wurden. So was hatte es schon immer gegeben, doch das interessierte kaum jemanden.

Shade schon.

Er war der Idiot, der dann an den Tatort gerufen wurde, auch wenn es ihm nur in den seltensten Fällen gelang, den Tod des Opfers zu verhindern. Die meisten waren zu schwer verletzt. Oder bereits tot.

Skulk steckte ihr Funkgerät wieder ins Holster und durchwühlte die Notfalltasche auf der Suche nach einem neuen Paar Handschuhe. »Da sich Wandler über der Erde nicht zersetzen, will Doc E die Leiche haben. Dann lass uns mal zusammenpacken. Hier sind wir fertig.«

Hier sind wir fertig. In letzter Zeit endeten einfach zu viele Notrufe mit diesem Satz.

Laut fluchend half Shade Skulk dabei, die Leiche des Jungen auf die Bahre zu laden und zum Krankenwagen zu rollen. Ihr schwarzer Rettungswagen – einer von zweien, über die das Underworld General Hospital verfügte – wurde von einem Zauber geschützt, der ihn für menschliche Augen unsichtbar machte, aber hier war dieser Deckmantel überflüssig. Sie befanden sich in einem ruhigen Teil von New York City, einem ehemaligen Industriegebiet, das zur Zeit der Prohibition aufgegeben worden war und sich erst langsam zu einem Wohngebiet entwickelte.

»Auf geht’s«, sagte Shade und knallte die Hecktüren des Wagens zu.

Da Skulk mit Fahren dran war, schwang sich Shade auf den Beifahrersitz, steckte sich ein Kaugummi in den Mund und konzentrierte sich darauf, das benötigte Formular auszufüllen.

Hauptbeschwerde des Patienten? Tod infolge von Organentfernung.

Reaktion des Patienten auf die Behandlung? Ist immer noch tot, verdammte Scheiße.

»So ein Mist!« Shade schleuderte den Stift gegen das Armaturenbrett. »Das geht mir so was von auf den –« Er verstummte, als ihn plötzlich ein Grummeln tief in seinem Inneren erschütterte, ein Erdbeben mitten in seiner Seele. Vom Epizentrum ausgehend, verbreitete es sich durch seinen ganzen Körper, bis ihn ein Tsunami grauenhafter Qualen gegen die Rückenlehne seines Sitzes warf.

»Shade? Was ist los? Shade?« Skulk rüttelte an seinen Schultern, was er allerdings kaum mitbekam. Er riss die Tür auf, dankbar, dass sie noch nicht losgefahren waren, und stürzte aus dem Fahrzeug.

Seine Knie trafen mit einem Krachen auf das Pflaster, das er sogar durch das Rauschen des Bluts in seinen Ohren hörte. Tief vornübergebeugt, hielt er sich die Arme vor den Leib. Ihm wurde schwarz vor Augen. Dann verschlang die Schwärze auch sein Gehirn. Einer seiner Brüder war tot. Wer? O ihr Götter, wer?

Er sandte seine Gedanken aus, um mit Wraith Verbindung aufzunehmen, dem Bruder, der gar nicht unterschiedlicher hätte sein können, mit dem ihn aber eine einzigartige Beziehung verband. Nichts. Er konnte Wraith nicht fühlen. Noch während er um jeden Atemzug kämpfte, suchte er nach der schwächeren Verbindung zu Eidolon. Wieder nichts. Auch Roag konnte er nicht spüren.

Im Hintergrund hörte er Skulk per Handy mit Solice sprechen, der diensthabenden Triageschwester im Krankenhaus. »Wo sind Shades Brüder? Ich muss es wissen. Sofort!«

»Skulk«, keuchte er.

Sie kniete sich neben ihn. »Halt durch.« Dann lauschte sie einen Augenblick auf die Stimme im Telefon. »Okay, Solice sagt, Roag ist ins Brimstone gegangen. Sie ist ziemlich sauer, weil er sie nicht mitnehmen wollte, aber sie macht sich gerade fertig, um auch hinzugehen. Sie weiß nicht, wo E und Wraith sind. Sie wollten Roag jedenfalls nicht begleiten.«

Kein Wunder. Kein Seminus, der halbwegs bei Verstand war, würde einen Dämonenpub betreten, in dem ihn die Lust der weiblichen Gäste tagelang gefangen halten konnte – schlimmer noch: Der Tod konnte ihn ereilen, zum Beispiel durch die Klauen eines eifersüchtigen männlichen Dämons.

Shade stöhnte und schluckte aufsteigende Galle. Nach und nach durchdrang ein Funken Licht die Dunkelheit. Wraith. Er spürte Wraiths Lebenskraft. Den Göttern sei Dank. Vor Erleichterung entspannten sich seine verkrampften Schultern, wenn auch nur eine Sekunde lang. Er konnte Eidolon nicht fühlen. Blindlings streckte er die Hand aus, als könnte er seinen Bruder berühren. Skulk ergriff seinen Arm und verschränkte ihre Finger mit den seinen.

»Atme, Schattenbleich«, flüsterte sie seinen Kosenamen aus Kindheitstagen, den sie ihm vor über achtzig Jahren gegeben hatte. »Wir stehen das durch.«

Nicht, wenn E tot war. Scheiße, er war der Bruder, der sich um sie alle kümmerte, der dafür sorgte, dass Roag nicht aus der Reihe tanzte, der Wraith am Leben erhielt.

Ein Bewusstsein durchdrang ihn. Eidolon. Er war in Sicherheit.

Langsam ließen die höllischen Qualen nach; doch eine nagende, schmerzliche Leere bohrte ein weiteres Loch in Shades Seele. Seminus-Dämonen waren mit all ihren Brüdern verbunden, und wenn einer von ihnen starb, nahm er einen Teil seiner überlebenden Brüder mit sich. Siebenunddreißig Tode später fühlte sich Skulk wie ein Sieb.

»Wer war es?«, fragte Skulk leise.

»Roag.« Zitternd atmete er tief ein. »Es war Roag.«

»Es tut mir so leid.«

»Mir auch«, sagte er automatisch. So ungern er es zugab: Die Welt war jetzt besser.

1

Wenn du das »Tal der Schatten« durchschreitest, denk immer daran: Wo ein Schatten ist, ist auch ein Licht.

Austin O’Malley

Es war wenigstens zwei Jahrzehnte her, seit Shade zuletzt auf einem fremden Fußboden aufgewacht war, verkatert und ohne die geringste Ahnung, wo er war. Das Gewicht der Handschellen um seine Handgelenke und das Rasseln von Ketten ließen ihn lächeln. Es war sogar noch länger her, dass er sich in dieser Lage befunden hatte und gefesselt gewesen war.

Cool.

Sicher, eigentlich hatte er es lieber, wenn die Frauen gefesselt waren, nicht er, aber das war schon in Ordnung.

»Shade.«

Die weibliche Stimme klang vertraut, obwohl er sie nicht einordnen konnte, so wie ihm die Ohren sausten. Auch seine Augen schien er nicht öffnen zu können.

»Shade, wach auf!« Eine Hand rüttelte ihn an der Schulter, aber nicht zärtlich, wie er es von einer Frau erwartet hätte, die die Nacht mit ihm verbracht hatte. Zum Teufel, eigentlich hätte sie ihn damit aufwecken sollen, ihren Mund auf seinem – »Shade, verdammt, wach endlich auf!«

Mit einem lauten Stöhnen wälzte er sich auf den Rücken, wobei er angesichts des dumpfen Schmerzes, der gegen die Rückwand seines Schädels hämmerte, zusammenzuckte. »Ich bin wach, Baby. Ich bin wach. Schwing dich ruhig schon mal auf mich, ich mach gleich mit.«

»Verzichte, vielen Dank. Aber wenn du mich noch einmal Baby nennst, reiß ich dir die Lippen ab.«

Mühsam öffnete Shade die Augen, sah blinzelnd in das verschwommene Gesicht, das auf ihn hinabäugte. Blinzelte noch einmal.

»Runa?«

»Du weißt meinen Namen noch? Entschuldige mich bitte kurz, aber ich falle vor Schreck mal eben in Ohnmacht.«

Der Sarkasmus war vollkommen überflüssig, aber ja, er erinnerte sich an ihren Namen. Sie war die heißeste menschliche Frau gewesen, mit der er je im Bett gewesen war. Langes, karamellbraunes Haar, das sich auf Brust, Bauch und Schenkeln wie die allerweichste Seide anfühlte, wenn sie seinen Körper von oben bis unten mit Küssen bedeckte. Volle, sinnliche Lippen, die sich zu einem verruchten Lächeln verzogen, das seiner wildesten Träume würdig war. Augen von der Farbe hellen Champagners, die einen wunderbaren Kontrast zu ihrer glatten, goldenen Haut bildeten, die unter seiner Zunge dahingeschmolzen war wie brauner Zucker.

Allerdings hatte er sie fast ein Jahr nicht mehr gesehen. Nicht seit der Nacht, in der sie fortlief und vom Angesicht der Erde verschwand.

»Warum bist du hier? Warum bin ich hier?« Er kniff die Augen zusammen, um das matte Dämmerlicht zu durchdringen. »Wo ist hier?« Sein erster Gedanke war, dass ihn womöglich die Aegis gefangen genommen hatte, aber dieser Ort war sogar für diese Dämonen mordenden Mistkerle zu gruselig.

»Kannst du dich aufsetzen?« Runa half ihm, sich aufzurichten, allerdings zu schnell, sodass alles vor seinen Augen verschwamm. Mit mehr Kraft, als er erwartet hatte, drückte sie ihn gegen eine Wand, aber er leistete keine Gegenwehr, war im Gegenteil einfach nur für den kühlen, feuchten Stein in seinem Rücken dankbar, der seine Übelkeit minderte.

»Beantworte meine Fragen.« Inzwischen hegte er den Verdacht, dass sein Kater keine sexuellen Gründe hatte – was wiederum bedeutete, dass es keinen guten Grund dafür gab, mit Ketten gefesselt zu sein und sich in Gegenwart einer Frau, die ihm vermutlich nichts Gutes wollte, wie der letzte Dreck zu fühlen.

Runa schnaubte. »Immer noch so ein arrogantes Arschloch.«

»Überrascht, was?«

»Eigentlich nicht.« Er spürte ihre Hand auf seiner Stirn, als wollte sie prüfen, ob er Fieber hatte. Aber als Mensch hatte sie keine Ahnung davon, dass seine Körpertemperatur grundsätzlich höher lag als ihre, darum schob er sie weg. Außerdem ließ ihre Berührung seine Temperatur noch weiter in die Höhe schießen, was er im Moment definitiv nicht gebrauchen konnte.

»Und? Wo sind wir?«

Sie schienen sich in einer Art Zelle innerhalb einer größeren Anlage, vielleicht einem Kerker, zu befinden. Irgendwo tropfte es unaufhörlich. Der Boden war mit Stroh bedeckt, und in eisernen Halterungen an den Mauern brannten Kerzen.

Heilige Scheiße, er war in einem billigen Horrorfilm gelandet.

»Ich weiß nicht, wo wir sind. Allerdings scheint es vier verschiedene Kidnapper zu geben. Zumindest waren vier verschiedene Dämonen hier unten, um uns was zu essen zu bringen. Sie bezeichnen sich selbst als Wärter.«

Das klang eindeutig übel. »Uns?«

»Ich bin schon seit einer Woche hier. Und in den anderen Zellen sitzen noch mehr von uns. Die Wärter holen ab und zu welche von uns raus und bringen andere rein.«

Zum ersten Mal blickte Shade an sich hinab und sah die schweren Ketten, die sein linkes Hand- und Fußgelenk umschlossen. Runa war mit einer Fessel um den rechten Knöchel an die gegenüberliegende Wand gefesselt. Sie trug Jeans und einen engen, ärmellosen Pulli, den er durchaus zu schätzen gewusst hätte, wenn er nicht gerade festgesessen hätte. Sie sah anders aus als früher. Als sie zusammen gewesen waren – falls man es so nennen konnte, wenn man es miteinander trieb wie die Karnickel –, war sie schüchtern, anhänglich und leicht zu kontrollieren gewesen, was seinem Drang zu dominieren durchaus entgegengekommen war, sich am Ende aber als langweilig erwiesen hatte.

Unter den konservativen Kleidern und Hosenanzügen, die sie getragen hatte, war sie sogar ein wenig rundlich gewesen, weich. Aber jetzt …verdammt heiß. Sie hatte sich Muskeln zugelegt, und er hätte schwören können, dass sie gewachsen war. Ihre abgetragene Jeans saß wie angegossen, und der schwarze Pulli spannte über Brüsten, die eindeutig kleiner waren als früher. Perfekt für seine Hände. Seinen Mund.

Aber solche Gedankengänge führten letztlich nur zu einem: Er bekam in einer extrem unpassenden Situation einen Steifen.

»Wann haben sie mich gebracht?«

»Letzte Nacht.«

Er schüttelte den Kopf, versuchte, die Verstopfung aufzulösen, die seine Gedanken und Erinnerungen blockierte. Letzte Nacht … letzte Nacht … was hatte er denn da gemacht? Augenblick … er trug seine Sanitäteruniform. Er erinnerte sich daran, dass er zur Arbeit gegangen war, sich kurz bei Eidolon gemeldet hatte und dann in ein Handgemenge mit Wraith geraten war. Ihr neuester Arzt, ein Mensch namens Kynan, hatte sie auseinandergebracht, indem er einen Beutel Kochsalzlösung über ihnen ausgeleert hatte.

Immer dasselbe in der einzigen und unvergleichlichen medizinischen Einrichtung für Dämonen.

Shade und Skulk waren zu einem verletzten Vampir in einem fleischverarbeitenden Betrieb gerufen worden. Sie hatten das Gebäude betreten, so viel wusste er noch, aber ab dann verabschiedete sich sein Erinnerungsvermögen.

»Haben sie noch jemand anders mit mir zusammen hergebracht? Eine Frau?«

»Die Umbra-Dämonin?«

Sein Herz begann zu donnern wie ein ganzes Hammerwerk. »Eine Umbra-Dämonin ist zusammen mit mir hergekommen?« Runa nickte, und er hielt sich nicht damit auf, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wieso sie überhaupt wusste, was ein Umbra-Dämon war. »Wo ist sie?«

»Schläfst du mit ihr?« Ihr scharfer Ton zerschnitt die dumpfe Luft wie ein Peitschenhieb.

»Sie ist meine Schwester, und ich habe keine Zeit für deine Eifersucht.«

»Mir kommt’s vor, als ob Zeit das Einzige wäre, was du hast«, sagte Runa, doch ihr Ton war milder geworden. »Tut mir leid, aber ich weiß nicht, was sie mit deiner Schwester gemacht haben. Sie haben sie gerade erst weggebracht.« Als sie sich ein Stück von ihm fortbewegte, wurde ihm klar, dass sie ihre Kette so weit wie möglich gespannt hatte. »Du siehst ihr überhaupt nicht ähnlich.«

Er versuchte gar nicht erst, ihr zu erklären, wieso seine Schwester und er verschiedenen Spezies angehörten, und sie fragte nicht weiter. Stattdessen sah sie ihn nur an, während er die Gitter an der Tür zu ihrer Zelle begutachtete und sich fragte, wie stabil sie wohl sein mochten. Allerdings hätten sie auch genauso gut aus Pappe bestehen können, solange er nicht die Ketten lösen konnte, die ihn an die Mauer fesselten.

»Unsere beste Chance auf Flucht ist wohl der Moment, in dem sie zu uns kommen«, unterbrach sie seine Gedanken.

»Du sagtest, sie bringen dir zu essen?«

»Ja, allerdings schieben sie Nahrung und Wasser mit einem Stock herein. Sie hüten sich, uns zu nahe zu kommen.«

»Wer sind sie?«

»Ich glaube … also, ich glaube, es handelt sich bei ihnen um das, was ihr Dämonen als Ghule bezeichnet.«

Shades Herz setzte aus. »Was? Woher weißt du das denn?«

»So hat sie jemand aus einer anderen Zelle genannt.«

Ghule. Nicht die Art, die die Menschen fürchteten; diese leichenfleddernden Wesen, wie sie in schauerlichen Erzählungen beschrieben wurden. Nein, Ghule waren das, was Dämonen am meisten fürchteten. Na ja, jedenfalls gleich nach den Jägern der Aegis. Mit Ghul wurde jeder bezeichnet – Dämon oder Mensch –, der Vampire, Wandler und Dämonen entführte, um ihnen Körperteile für den Verkauf auf dem Schwarzmarkt der Unterwelt zu entnehmen. Die Ghule waren immer schon böse und gewissenlos gewesen, aber in den letzten Jahren war ihre Vorgehensweise noch teuflischer geworden. Anstatt ihren Opfern bloß die Körperteile zu entnehmen, taten sie es jetzt, während diese noch am Leben waren.

Im letzten Jahr hatten Shade und seine Brüder der Bande einen ziemlichen Schlag versetzt. Eidolons Gefährtin, eine Halbdämonin namens Tayla, hatte dabei geholfen, eine Gruppe von Menschen aufzuspüren, die insgeheim mit den Dämonen zusammengearbeitet hatte. Diese wiederum standen an der Spitze des Organhändlerrings.

Danach hatte die Dämonenwelt eine Weile Ruhe gehabt, bis dann vor ein paar Monaten die Entführungen und Verstümmelungen wieder angefangen hatten, so blutig wie immer.

Eine Tür am Ende des dunklen Korridors flog auf, und das Geräusch von Schritten hallte durch den Kerker. Shade bereitete sich innerlich auf einen Kampf vor, aber die Eindringlinge blieben stehen, ehe sie die Zelle erreicht hatten, in der Runa und er still saßen. Warteten.

Erst als die Schreie einsetzten, begriff Shade, wie tief er tatsächlich in der Patsche saß.

Runa Wagner saß auf ihrem kleinen Haufen Stroh und lauschte gezwungenermaßen den Schreien einer Frau, die von den Wärtern fortgezerrt wurde und der vermutlich ein grauenhafter Tod bevorstand.

Shades raue, maskuline Gesichtszüge verrieten nicht, wie er sich angesichts dessen, was um sie herum vorging, fühlte, also sah sie zu, dass sie ihre eigene Miene seiner anpasste. Nur dass sie keine Möglichkeit hatte, ihre Augen so ausdruckslos und kalt erscheinen zu lassen wie die seinen, die beinahe tiefschwarz waren. Sie schaffte es auch nicht, ihre Kiefer derart knirschend mahlen zu lassen, sodass der Eindruck entstand, er schärfte seine Zähne an Knochen.

Er strahlte etwas Bedrohliches aus, so spürbar wie die Gefahr, die sie umgab. Während er an seinen Ketten zerrte, musste er wie sie feststellen, dass sie ausgesprochen stabil waren und viel aushielten.

Auch wenn der prüfende Blick, mit dem er sie von Kopf bis Fuß musterte, alles andere als anzüglich war, regte sich etwas an Orten, die sie längst für tot gehalten hatte – tot, weil sie diejenige gewesen war, die sie abgetötet hatte.

»Haben sie dir etwas angetan?«

»Nicht seitdem sie mich herbrachten.« Vermutlich hatte sie ein Veilchen von dem Schlag ins Gesicht davongetragen, aber abgesehen von ein paar Kratzern und blauen Flecken ging es ihr gut.

»Bist du sicher?« Er ging auf die Knie und legte seine freie Hand auf ihre Wade.

Runa zuckte zurück, doch er hielt sie mit Leichtigkeit fest. »Fass mich nicht an!«

»Nur die Ruhe, Süße. Ich will dich nur kurz durchchecken.« Seine Stimme war rau, aber wohlklingend; sinnlich, ohne dass er sich dafür anstrengen musste. »Früher hat es dir gefallen, von mir berührt zu werden.«

»O ja, aber das war, bevor ich dich mit zwei Vampiren im Bett erwischt habe. Ach ja, und bevor ich herausgefunden habe, dass du ein Dämon bist.«

»Nur eine war eine Vampirin.«

Sie sog wütend die Luft ein. »Ist das alles, was du zu deiner Verteidigung zu sagen hast?«

»Ich bin nicht der redselige Typ.«

»Das ist echt unglaublich«, murmelte sie. »Du hast mich hintergangen, hast mich betrogen, und jetzt ist es dir schon zu viel, ein Mal ›Tut mir leid‹ zu sagen?«

Er zog die Hand zurück und setzte sich seitwärts hin, ein Bein an den Körper gezogen, das andere am Knie abgeknickt und aufgestellt. Sein schwarzes, schulterlanges Haar fiel ihm ins Gesicht und verbarg seine Miene, während er an die Wand starrte. »Tut mir leid, dass du dachtest, ich wäre ein Mensch. Aber ich habe nie behauptet, einer zu sein.«

»Von mir aus nenn mich verrückt, aber ist das wirklich etwas, das ich hätte erfragen müssen?«, fuhr sie ihn an. »Vermutlich schon, weil ich dann vielleicht nicht ganz so entsetzt gewesen wäre, eine leibhaftige Vampirin und eine … was auch immer das war, in deinem Bett vorzufinden.«

»Eigentlich wolltest du in dieser Nacht doch gar nicht zu mir kommen. Du hattest gesagt, du wärst beschäftigt.«

»Ich wollte dich überraschen.«

Das war ihr in der Tat gelungen. Sie war in seine Wohnung marschiert, den Arm voller Zutaten für ein romantisches Mahl.

Sobald sie das Apartment betreten hatte, hatte sie den Lärm aus seinem Schlafzimmer gehört. Und während schon düstere Vorahnungen ihren Magen in Aufruhr versetzt hatten, war sie durch den Flur zur offenen Tür geschlichen.

Shade hatte auf dem Rücken gelegen, quer übers Bett ausgestreckt, sodass seine Beine über den Rand gebaumelt hatten. Eine nackte Frau saß rittlings auf ihm und ritt ihn genüsslich, während ihr Gesicht an seiner Kehle vergraben war. Runa musste wohl ein Geräusch gemacht haben, denn plötzlich hatte er den Kopf gedreht und sie mit golden glühenden Augen angesehen. Verrückterweise war das Erste, was ihr in den Sinn kam, dass sie noch nie seine Augen gesehen hatte, wenn sie sich liebten. Er hielt sie stets geschlossen, vergrub das Gesicht an ihrem Hals oder nahm sie von hinten.

»Hast du Lust mitzumachen?«, hatte er gefragt.

Erst in diesem Moment hatte Runa die zweite Frau bemerkt, die auf dem Boden kniete, das Gesicht zwischen seinen Beinen.

Die Frau auf ihm hob den Kopf. Blut rann ihr übers Kinn, und als sie lächelte, blitzten Fangzähne auf. Um den Hals trug sie ein nietenbesetztes Lederhalsband, an dem eine Kette befestigt war, dessen Ende sich in Shades Faust befand.

Während Runa entsetzt und abgestoßen dort gestanden hatte, hatte sich die Frau hinabgebeugt, seine Brustwarze abgeschleckt und das Tempo erhöht. Shade stöhnte, packte die Frau bei den Hüften und wölbte sich ihr entgegen.

Runa war geflüchtet. Schluchzend war sie davongelaufen – von einem Albtraum in den nächsten.

»Du hattest gesagt, du wärst beschäftigt«, wiederholte Shade und fixierte sie mit einem durchdringenden Blick. »Ich hatte dich nicht erwartet.«

»Ach, und das heißt, es war okay? Wie lange hattest du da schon hinter meinem Rücken rumgevögelt?«

Er stützte den Ellbogen auf das Knie, und es gelang ihm sogar, ziemlich lässig zu wirken – als würde er ständig von Ghulen gefangen genommen und hätte mittlerweile sogar Geschmack daran gefunden. »Stell lieber keine Fragen, deren Antwort du nicht hören willst.«

»Aber ich will sie hören.«

»Das glaube ich eher nicht.«

»Du bist ein Arsch.«

»Erzähl mir was Neues.«

»Ich war in dich verliebt.«

Stille senkte sich auf sie herab wie das Beil eines Scharfrichters. O Gott. Hatte sie das tatsächlich gesagt? Laut? Wenn die Geschwindigkeit, mit der ihr das Blut ins Gesicht strömte, etwas zu sagen hatte, dann ja – dann hatte sie ihre große Klappe geöffnet und sich komplett zum Narren gemacht. »Nur keine Sorge«, fügte sie rasch hinzu. »Ich bin darüber hinweg. Über dich.«

Er beugte sich vor. »Gut. Weißt du, was ich bin? Was ich wirklich bin?«

»Du bist ein Seminus-Dämon.« Sie warf einen Blick auf die schwarzen Zeichnungen, die von den Fingern seiner rechten Hand bis zum Hals hinaufreichten. Tätowierungen. Das hatte sie zumindest angenommen. Aber inzwischen hatte sie erfahren, dass er damit bereits auf die Welt gekommen war und dass sie eine Geschichte seiner Vorfahren väterlicherseits darstellten, die Dutzende Generationen zurückreichte. Das oberste Symbol, ein nicht sehendes Auge, gleich unter seinem Unterkiefer, war sein persönliches Zeichen, das nach seinem ersten Reifezyklus im Alter von ungefähr zwanzig Jahren erschienen sein musste.

»Und?«

Sie lächelte angespannt. »Nach dieser Nacht habe ich Monate damit verbracht, mehr über deine Spezies zu erfahren.« Nicht, dass sie allzu viele Informationen zu diesem Thema gefunden hätte. Sicher, das Thema Inkubi an sich war gut dokumentiert, aber seine spezielle Rasse, Seminus, war so selten, dass sie nur einige dürftige Einzelheiten herausbekommen hatte.

»Dann weißt du also über meine Natur Besch–«

»Deine Natur?« Wut überkam sie; ein Zorn, den sie längst begraben geglaubt hatte. »Ich habe kapiert, dass du mehr oder weniger in einem Zustand ständiger sexueller Erregung lebst. Ich habe kapiert, dass dein Verlangen nach Sex nahezu unkontrollierbar ist. Aber weißt du was? Das ist mir scheißegal. Du hast mich mit einem Trick dazu gebracht, mit dir ins Bett zu gehen. Hast deine Inkubus-Listen und -pheromone dazu ausgenutzt. Du hast mich angelogen, mir vorgemacht, du wärst ein Mensch.« Sie hätte noch stundenlang weiterreden können, darüber, wie verletzt und krank sie sich gefühlt hatte, als sie die Wahrheit herausbekommen hatte, aber am Ende war das Einzige, was zählte, das, was nach ihrer Flucht aus seiner Wohnung passiert war. »Du hast mein Leben ruiniert!«, fuhr sie ihn an.

Na ja, eigentlich war ihr das schon selbst gelungen, lange bevor Shade zum ersten Mal den Fuß in ihren Coffeeshop gesetzt hatte, aber er hatte es eindeutig verschlimmert.

»Scheiße«, murmelte er. »Weißt du, das ist der Grund, wieso ich normalerweise nie öfter als ein Mal mit einem Menschen schlafe. Ihr seid so anhänglich.«

Sie starrte ihn an, wäre vor Wut beinahe geplatzt. »Soll das ein Witz sein? Ja, meinst du denn, mein Leben wäre ruiniert, weil du mich verführt und mir dann das Herz gebrochen hast?«

»Ähm, ja.« Er hob eine seiner breiten Schultern.

Was. Für. Ein. Arsch!

Zähnefletschend sprang sie so blitzschnell in die Hocke, dass er zurückzuckte. Ihre Ketten rasselten, da sie vor lauter Wut am ganzen Leib bebte. Ihre Haut prickelte, zog sich zusammen, ihr Zahnfleisch schmerzte, und sie wusste, dass sie gefährlich nahe davorstand, ihre innere Bestie loszulassen. »Du arroganter Mistkerl.« Sie boxte ihm gegen die Brust und registrierte mit Wohlgefallen das Grunzen, das er ausstieß. »Ich war in dieser Nacht schrecklich durcheinander, aber darüber wäre ich schon hinweggekommen. Schade nur, dass ich keine Chance dazu hatte. Denn weißt du was – nachdem ich dein Apartment verlassen hatte, wurde ich angegriffen, zerfleischt und mehr tot als lebendig liegen gelassen. Was du hättest wissen können, wenn du nicht zu sehr mit irgendeiner widerlichen Vampirschlampe beschäftigt gewesen wärst, die deinen Namen kreischte. Dann hättest du mich vielleicht schreien hören.«

Shades Blick klebte an ihr, schwarz wie ein Kiesel um Mitternacht. »Jemand hat dich verletzt?«

»Soll ich jetzt vielleicht glauben, dass dich das interessiert?«

Seine Hand legte sich um ihre. »Glaube es oder nicht, aber ich bin kein Ungeheuer.«

Sie lachte, ein harscher, bitterer Laut. »Nein, aber ich.« Sie näherte sich seinem Gesicht bis auf wenige Zentimeter. »Deinetwegen bin ich ein Ungeheuer, Shade. Ich bin ein gottverdammter Werwolf.«

2

Ein Werwolf? Nicht gut.

Shade schloss die Augen, in der Hoffnung, in seinem eigenen Bett aufzuwachen, wenn er sie wieder öffnete – und Runa wäre verschwunden.

»Und?«

So viel dazu. Dieser Albtraum löste sich nicht auf. Er öffnete die Augen und wünschte sich, er hätte es nicht getan. Runa starrte ihn finster an; ihre bleichen Augen funkelten. Bei den Göttern, er würde jede Wette eingehen, dass sie in ihrer tierischen Gestalt wunderschön war … glänzendes, toffeefarbenes Fell, leuchtende, champagnerfarbene Augen. Und groß würde sie sein, vermutlich sogar größer als er. Jetzt ergab es auch Sinn, dass sie ihm größer und schmaler vorgekommen war. Wer von einem Werwolf – oder Warg, wie sie sich für gewöhnlich selbst nannten – gebissen wurde, legte an Muskelmasse zu, und sein menschlicher Körper wuchs um einige Zentimeter.

Jetzt, wo sein Kopf wieder etwas klarer war, konnte er sie auch riechen. Ihr Duft war nicht mehr blumig und süß. Nein, sie roch erdig, wie ein Spätsommerregen im Wald. Oh, und außerdem roch sie noch sauer – stinksauer.

»Haben wir nicht in zwei Tagen Vollmond?«

Ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. »Wieso? Meinst du vielleicht, ich leide unter einem ausgeprägten Fall von PMS?«

»Der Gedanke ist mir gekommen.« Wergeschöpfe mochten ihre Witze über das Prä-Mond-Syndrom machen, aber alle anderen fanden ihre Wutanfälle, Stimmungsschwankungen und den völlig außer Kontrolle geratenden Sextrieb alles andere als komisch.

»Na klar doch. Meine Wut kann ja auch nichts damit zu tun haben, dass ich zusammen mit einer der beiden Personen, die ich auf der ganzen Welt am meisten hasse, angekettet in einer Zelle festsitze. Und damit, dass ich in zwei Tagen, wenn ich mich verwandle, vermutlich bei lebendigem Leib gehäutet werde, weil mein Pelz auf dem Schwarzmarkt der Unterwelt offenbar ein kleines Vermögen wert ist.« Mit einem Knurren zog sie ihre Hand aus der seinen. »Also, entschuldige bitte, dass ich möglicherweise ein bisschen sauer bin.«

»Ein bisschen?«

Sie zerrte an ihrer Kette, als hoffte sie, sie würde reißen, damit sie sich auf ihn stürzen konnte. »Ich sollte dich beißen.«

»Dämonen sind gegen die lykanthropische Infektion immun.«

»Aber es wird auf jeden Fall wehtun.« Sie fletschte die Zähne, und er hegte nicht den geringsten Zweifel daran, dass sie sie in ihn geschlagen hätte, wenn sie nur gekonnt hätte. »Ich wollte dich aufspüren und dir richtige Schmerzen zufügen, weißt du. Unglücklicherweise haben mich vorher die Ghule erwischt.«

»Wie haben sie dich gefangen?«

Sie zog die Knie an die Brust und legte die Arme darum. »Ich bin zu dem Ort zurückgegangen, an dem der Werwolf mich angegriffen hatte. Es war natürlich reine Spekulation, aber ich hatte gehofft, wenigstens ein paar Hinweise zu finden. Weil es in der Nähe deiner Wohnung war, bin ich später noch dorthin gegangen. Als ich wieder ging, hat mich ein Mann angesprochen. Er fragte, ob ich dich kenne. Stellte zu viele Fragen. Ich wurde misstrauisch und wollte weg, aber er hat mir eine Spritze reingejagt. Und dann bin ich hier wieder aufgewacht.«

Shade runzelte die Stirn. »Woher wussten sie, dass du ein Warg bist?«

»Das wussten sie erst, als ein anderer Warg kam, um mich zu befragen«, sagte sie.

Das klang plausibel. Normalerweise konnte nur ein Wergeschöpf oder ein Gestaltwandler einen anderen erkennen.

»Worüber haben sie dich befragt?«

»Über dich, Shade. Sie haben immer wieder gefragt, was ich in deiner Wohnung zu suchen hatte und woher ich dich kenne.«

Oh, verdammter Mist! Sie war nicht wegen ihres Fells gefangen genommen worden. Sie hatten sie sich geschnappt, weil sie ihn kannte. Aber wieso?

Runa starrte ihn immer noch böse an, die zarten Brauen zu einer harten Linie zusammengezogen. Er sog ihren Duft noch einmal tief ein; das scharfe Aroma ihrer Wut und den weicheren, femininen Duft, der an seine männlichen Beschützerinstinkte appellierte. Sie gehörte nicht hierher, zusammen mit Dämonen in einem Kerker eingesperrt, der nach Schimmel, Urin und Schicht um Schicht Verzweiflung stank.

Genauso wenig wie seine Schwester. Die Erkenntnis, dass sowohl Skulk als auch Runa nur seinetwegen hier waren, traf ihn wie ein Tritt in die Magengrube.

Was den Schutz von Frauen betraf, war seine Erfolgsgeschichte wohl eher der Stoff, aus dem Albträume gemacht wurden.

Ein harsches Knarren und ein kalter Luftzug signalisierten das Öffnen der Eisentür ihrer Zelle. Runa drängte sich so nahe wie möglich an Shade. Ein männlicher Nachtstreich-Dämon trat ein, sein humanoides Erscheinungsbild nur von klauenbewehrten Füßen und scharfen Zähnen beeinträchtigt. Ihm folgten zwei Gnome, ein männlicher und ein weiblicher, deren Augen und Münder für die kleinen, runden Schädel überproportional groß wirkten. Sie trugen Ketten, eine Keule und einen Rohrstock.

»Ergreift ihn«, sagte der Nachtstreich.

Shade stürzte sich auf die Gnome. Der Dämon legte einen von zwei Hebeln um, die sich an der Wand befanden. Augenblicklich ließ das Mahlen aneinanderreibender Räder die ganze Zelle erzittern, und Shades Ketten wurden immer kürzer, bis er an die Mauer gedrückt seitwärts dahing.

Er biss die Zähne zusammen, um den Schmerz zu ertragen, der Schulter und Hüfte durchzuckte. Einer der Gnome befestigte ein Metallband um seinen Hals, während der andere ihm Beineisen anlegte. Seine Flüche hallten von den feuchten Mauern wider, doch er hörte trotzdem, dass Runa den Nachtstreich anflehte, ihn in Ruhe zu lassen. Überrascht sah Shade sie an, als die Gnome ihn zu Boden ließen.

Wut blitzte aus ihren Augen, und vielleicht hasste sie ihn doch nicht so sehr, wie sie gesagt hatte. Andererseits wollte sie vielleicht auch nur deshalb, dass die Wärter ihn in Ruhe ließen, damit sie ihn in aller Ruhe selbst abmurksen konnte.

»Wo bringt ihr mich hin?« Shade wehrte sich nach Kräften gegen seine Fesseln, was ihm von einem der Gnome einen Schlag mit der Keule auf den Hinterkopf einbrachte.

Der Nachtstreich würdigte ihn keiner Antwort, sondern verzog lediglich die Lippen zu seinem grausamen Lächeln, wickelte die Kette, die an dem Halsband befestigt war, um seine Hand und zerrte Shade damit auf die Füße. Die Gnome rissen ihm die Arme auf den Rücken und fesselten seine Handgelenke.

Sie zerrten ihn in Richtung Tür. Als er an der Schwelle begann, sich zu widersetzen, ließ ein kräftiger Stockhieb in die Kniekehlen ihn zusammensacken. Eine kühle Brise umwehte seine Beine – der Stock hatte die Hose zerfetzt. Als Nächstes war seine Haut dran.

Hinter ihm stieß Runa Flüche und Drohungen aus, so kreativ wie wirkungslos. Er konnte sich kaum vorstellen, dass die Runa, mit der er im Bett gewesen war, solche Dinge sagte – nicht dieses schüchterne Wesen. Anscheinend waren dem kleinen Menschen wahrhaftig Klauen und Zähne gewachsen.

Verdammt sexy.

Das wäre es jedenfalls gewesen, wenn sie ihn nicht gerade auf eine von drei Geißelsäulen zuzerren würden. Sicher, Shade wusste eine gute Auspeitschung zu schätzen, aber ihn befiel der leise Verdacht, dass er in naher Zukunft nicht gerade viel Spaß haben würde. Na ja, immer noch besser als das Wasserrad, die Streckbank dort drüben in der Ecke oder die Fleischhaken, die von der Decke hingen. Und das waren noch die harmloseren Foltergegenstände, die über den ganzen höhlenartigen Raum verstreut waren.

Am Ende des Kerkers gab eine bogenförmige Öffnung den Blick auf eine kleinere Kammer frei, der ihm Klingen aus Eis direkt in die Wirbelsäule jagte. Der ganze Raum war mit medizinischen Gerätschaften gefüllt – Schneidewerkzeuge, ein Autopsietisch, eine Knochensäge und ein Brustkorb-Spreizer. Der Boden war von Flecken sowohl frischen als auch getrockneten Blutes übersät.

Ihr Götter, das war ja wohl vollkommen krank.

Die Dämonen hängten ihn an den Pfeiler, das Gesicht nach vorn gewandt, die Hände zusammengedrückt und über dem Kopf, die Beine mithilfe eines Balkens weit gespreizt und an den Knöcheln festgebunden. Der weibliche Gnom streichelte ihm über den Oberschenkel und arbeitete sich langsam nach oben vor. Sofort begann er einen Plan auszuhecken, wie er sie verführen könnte, damit sie ihn freiließ … bis der Nachtstreich ihr einen Kopfstüber versetzte. Trotzdem konnte es nicht schaden, im Hinterkopf zu behalten, dass einige der Wärter weiblich waren.

»Wo ist die Umbra-Dämonin?«, fragte er.

»Kooperiere, und du wirst sie sehen.«

Da Shade nicht mit einer Antwort gerechnet hatte, erschreckte ihn die tiefe, knurrige Stimme. Er glaubte, einen Hauch von Akzent zu entdecken … irisch vielleicht, aber er war nicht sicher. Eine schwerfällige Gestalt in schwarzen Gewändern trat aus den Schatten; ihr leises Lachen war so kalt wie die Luft.

»Und was muss ich tun, um zu kooperieren?«

»Leiden.«

Ein eisiges Zittern überzog Shades Haut. »Vielleicht könntest du ein wenig spezifischer werden.«

Aus den Augenwinkeln erspähte er eine blitzartige Bewegung. Etwas traf ihn in die Brust, und Blut spritzte auf den hölzernen Pfosten neben ihm. Vor ihm stand der Nachtstreich mit einer Dornengeißel in der Hand und wirkte mächtig stolz auf sich.

»War das spezifisch genug?«

»Absolut okay für mich«, erwiderte Shade flinkzüngig, wenn auch durch zusammengebissene Zähne. »Wäre aber effektiver, wenn du mir erst mal das Hemd ausziehst.«

»Und da heißt es immer, Wraith wäre der Klugscheißer der Familie.«

Shades Gedanken wirbelten durcheinander. Woher kannte dieser Mistkerl Wraith?

»Ein häufiger Irrtum. Schwachkopf.«

Diese Beleidigung brachte ihm weitere Leiden ein, bis ihm das Blut nur so über die Brust strömte und die kläglichen Reste seines Krankenhaushemds tränkten. Sein einziger Trost bestand in dem Wissen, dass sie Runa in Ruhe ließen, solange sie damit beschäftigt waren, ihn zu misshandeln.

»Zieht ihn aus«, sagte der Schwachkopf, »und holt die Flufferin.«

Flufferin?

Einer der Gnome wieselte davon, während der Nachtstreich Shade die Uniform vorm Leib schnitt und die Stiefel auszog.

»Wisst ihr was? Das ist echt nicht fair, dass ich nackt sein muss und du dich hinter diesem Drama-Queen-Fummel versteckst.«

Der Fummel-Typ trat vor, nur ein kleines Stück, aber doch weit genug, dass Shade die Ausstrahlung dieses Mannes auf seiner Haut spürte. Es kam ihm vertraut vor, wie ein Duft, der einem eine Erinnerung ins Gedächtnis zurückruft, die man nicht recht einordnen kann. Die Schwingungen waren zugleich aber auch seltsam dünn, oder möglicherweise maskiert. Vielleicht hatte er sie mithilfe von Magie verschleiert. Aber warum? Damit er nicht erkannt wurde?

»Du stehst kurz vor der S’genesis«, sagte der Fummel-Typ. »Dem Wandel. Ich kann es spüren. Bist du bereit? Oder willst du dagegen ankämpfen, wie Eidolon?«

Zur Hölle, nein, er hatte nicht vor, den abschließenden Reifungsprozess hinauszuzögern, der ihm – neben anderen, weniger erfreulichen Dingen – ermöglichen würde, seine Gestalt zu verändern und weibliche Wesen zu schwängern. Aber woher wusste dieses Arschloch, was E getan hatte, um den Wandel abzuwenden?

»Wenn du mich dazu bringen willst, dich zu fragen, woher du das alles über meine Brüder und meine Spezies weißt, dann funktioniert das nicht, Arschloch. Also, wenn du was zu sagen hast, dann rück endlich raus damit.«

»Noch nicht.« Fummel-Typ umkreiste ihn, das Gesicht unter einer Art Kapuze verborgen, aber die Art, wie er sich bewegte … wieder überaus vertraut. Er blieb hinter Shade stehen, und dann zog ein Finger eine kitzelnde Spur seine Wirbelsäule hinab. Shade bemühte sich, ein Schaudern zu unterdrücken. »Und? Wirst du dagegen kämpfen? Oder eine Gefährtin nehmen? Oh, stimmt ja, du kannst keinen Bund mit einer Gefährtin eingehen, weil du dich verlieben könntest und sich dein Fluch erfüllen könnte.« Als sich die Kreatur näher heranbeugte, wärmte heißer, fauliger Atem Shades Ohr. »Jugendliche Fehltritte kommen immer zurück, um einen in den Arsch zu beißen, nicht wahr?«

Dieser Scheißkerl wusste über den Maluncoeur Bescheid, einen Fluch, der besagte, dass er, sollte er sich verlieben, langsam verblassen würde, bis er für jedermann unsichtbar war. Er würde bis in alle Ewigkeit am Leben bleiben, gequält von unstillbarem Hunger, lähmendem Durst und unerträglichen sexuellen Gelüsten.

Shade schloss die Augen und bemühte sich herauszubekommen, wer solche privaten Details über sein Leben wissen könnte. Die Liste war kurz, und wer auf ihr stand, würde den Mund sicher nicht aufmachen.

Es sei denn, er wäre gefoltert worden.

Skulk.

»Noch einmal«, sagte Fummel-Typ. »Innerer Oberschenkel.«

Shade blieb kaum Zeit, sich zu wappnen, ehe die Geißel des Nachtstreichs sein Fleisch zerriss.

Fummel-Typ lachte. »Erscheint es dir nicht auch, als wäre hier das Schicksal am Werk – angesichts der Tatsache, wie vielen Frauen du eine ähnliche Behandlung hast zukommen lassen?«

Shade machte sich nicht die Mühe, ihn darauf hinzuweisen, dass das etwas ganz anderes war, weil die Grenze zwischen Lust und Schmerz für Shades Geschmack manchmal zu sehr verschwamm.

»Mehr.«

Die Geißel biss in Shades anderen Schenkel. Auf seiner Stirn erschienen Schweißperlen, er sah alles nur noch verschwommen, und dieser ganze Scheiß tat verdammt weh! Wie konnte E das bloß Monat für Monat ertragen, wenn er für Wraiths Sünden büßte?

»Du fragst dich, wie Eidolon damit fertigwird, wenn Wraith wieder einmal sein Limit an Toten überschreitet.«

Shades Kopf fuhr hoch und zur Seite, aber Fummel-Typ hatte sich in die Schatten zurückgezogen. »Jetzt hab ich aber genug von deinem Mist!«, brüllte er. »Wer zur Hölle bist du?«

Ein Unheil verkündendes Kichern hallte durch den Kerker. »Ich bin der Dämon, der dich dazu bringen wird, um den Tod zu betteln. Und zwar gleich.«

»Hallo, Shade.« Die weibliche Stimme, die Shade wohlbekannt war, ließ ihn wieder nach vorne blicken.

»Solice?« Er starrte die brünette Vampirkrankenschwester an, die seit Jahren im UG arbeitete, und auf einmal ergab alles einen Sinn. Es war nicht Skulk, die geredet hatte – es war Solice. »Du widerliches Weibsstück.«

Ihr sexy Lächeln entblößte lange Fangzähne, während sie sich vorbeugte und warm und nass über seine Brust leckte. Ihre raue Zunge kratzte über zerfetztes Fleisch. Schmerz durchzuckte ihn, aber er hatte schon weitaus Schlimmeres erlebt, wenn er mit einigen seiner wilderen Bettgenossinnen gespielt hatte.

»Ich sehne mich schon so lange danach, dich zu schmecken«, murmelte sie gegen seine Brustwarze gedrückt. »Aber du hast mich ja nicht mal angesehen.«

»Das liegt daran, dass du beschädigte Ware bist, nachdem du jahrelang meinen Bruder gefickt hast«, knurrte er.

Sie fuhr damit fort, über seine Brust zu lecken, saugte sogar an seinem Caduceus-Anhänger. Er fragte sich, wann sie wohl mit der Folter anfangen würden, weil das Einzige, was sie bisher erreicht hatten, war, ihn anzutörnen. Ja, schon klar, es war ziemlich krank, aber er war ein Inkubus und bekam ihn auch unter den schlimmsten Umständen hoch, und die Frau da vor ihm strahlte sexuelle Erregung aus, als wäre sie eine läufige Hündin.

»Dann lass uns mal sehen, wer hier die beschädigte Ware ist.« Sie ließ sich auf die Knie nieder und beäugte das Blut auf seinem Schenkel.

Und da wusste er es. O Scheiße, er wusste genau, wie seine Folter ablaufen würde.

Jeder Laut, der durch die Tür aus Holz und Eisen an ihr Ohr drang, ließ Runa zusammenzucken. Sie könnte sich darüber freuen, dass Shade gefoltert wurde. Ja, sie sollte ihnen ihre Hilfe anbieten. Aber im Grunde ihres verdammten Herzens wollte sie ihn einfach nur retten.

Damit sie ihn selbst umbringen konnte.

Nur, dass sie nicht nach New York zurückgekehrt war, um Shade zu töten. Sie war mit dem Befehl in ihre Heimatstadt zurückgekehrt, Informationen über ein Dämonenkrankenhaus zu sammeln und einen Exsoldaten und Jäger der Aegis ausfindig zu machen, von dem man nichts mehr gehört hatte, seit er von der Existenz dieses Krankenhauses berichtet hatte. Das Militär fürchtete, er sei zum Verräter geworden, nicht nur an den Vereinigten Staaten, sondern an der gesamten menschlichen Rasse. Und wenn das Raider-X-Regiment der U.S. Army einen Befehl erteilte, befolgte man ihn. Und das nicht nur, weil sie dir einen Mikro-Sprengsatz in dein Gehirn eingepflanzt hatten. Nein, diese supergeheime Militäreinheit verdiente absolute Loyalität, weil sie »speziellen Menschen« ein Ziel und ein Zugehörigkeitsgefühl gab, in einer Welt, die sie zurückgewiesen hatte.

Sie war nicht zurückgewiesen worden, aber ohne Hilfe von außen hätte ihre Lage garantiert dazu geführt. Die Aegis hätte sie umgebracht, höchstwahrscheinlich allerdings nicht, ehe sie unzählige unschuldige Menschen abgeschlachtet hätte. Zum Glück hatte ihr Bruder, ein hochrangiger Offizier des R-XR, genau gewusst, was zu tun war, als er sie in jener Nacht blutend und dem Tode nah in der Gasse gefunden hatte, in der sie angegriffen worden war. Die Armee hatte ihr das Leben gerettet, hatte sogar versucht zu verhindern, dass sich das lykanthropische Virus in ihr festsetzte. Dabei hatten sie versagt, aber die Nebenwirkungen ihrer experimentellen Behandlung hatten sich als nützlich erwiesen.

Sie verwandelte sich nach wie vor jeden Monat drei Tage lang in eine riesige, geifernde Bestie; eine Bestie, die keinerlei Kontrolle über ihre Handlungen und nur sehr beschränkte Erinnerungen an das hatte, was sich zutrug, während sie ihre tierische Gestalt angenommen hatte. Sie hatte es der Armee zu verdanken, dass sie in der Lage war, jederzeit ganz nach Belieben ihre tierische Gestalt anzunehmen. Und besser noch: Wenn sie sich absichtlich verwandelte, behielt sie ihre Menschlichkeit bei, hatte die volle Kontrolle über ihre Handlungen und erinnerte sich auch dann noch an alles, wenn sie wieder ihre menschliche Gestalt angenommen hatte.

Irgendwo perlte Lachen auf, das Lachen einer Frau, gefolgt von einem lang gezogenen Laut, einem erotischen Knurren. Shades erotischem Knurren. Den Klang würde sie überall wiedererkennen. Was sollte das denn? Folterten sie ihn etwa mit Sex?

Dieser Mistkerl. Sie hasste ihn. Aber sie war sich ziemlich sicher, dass er kurz vor der Werwolfattacke ihrem Bruder das Leben gerettet hatte. Und, um der Wahrheit die Ehre zu geben, vermutlich auch ihr.

Runa war ihm begegnet, als sie sich auf dem Tiefpunkt ihres Lebens befand. Mit nur fünfundzwanzig Jahren fühlte sie sich doppelt so alt. Sie hatte immer noch nicht den Tod ihrer Mutter vor vier Jahren verwunden; wie auch, wo ihre Mutter doch völlig einsam und elend gestorben war, und das nur Runas wegen?

Aber in genau dieser Zeit war ihre beste Freundin mit ihrem neuen Ehemann nach Australien umgezogen, Runas Coffeeshop stand kurz vor der Schließung, und ihr Bruder lag im Sterben. Tatsächlich lag Arik bei ihr zu Hause im Sterben, und sie war nur nicht bei ihm, weil er darauf bestanden hatte, dass sie sich um ihr Geschäft und ihre Angestellten kümmern sollte, die bald arbeitslos sein würden.

Eine ihrer Angestellten, ein gepierctes, grünhaariges Mädchen, das sich selbst Aspic nannte, hatte Runa mit dem Vorwurf genervt, niemals ein Risiko einzugehen – was vermutlich der Grund dafür war, dass ihr Geschäft überhaupt gescheitert war.

Kein Risiko in der Liebe, im Geschäftsleben oder generell im Leben. Und wohin hatte sie das gebracht?

Arik hatte im Sterben gelegen, aber er hatte überlebt. Sollte sie je mit einer geheimnisvollen Krankheit geschlagen werden, die sie nach und nach umbringen würde, würde sie die Genugtuung spüren, ihr Leben jedenfalls voll ausgekostet zu haben?

Die Antwort auf diese Frage war nur zu offensichtlich, vor allem, nachdem ihre Schuldgefühle sie so sicher dahinrafften wie das, was Arik niedergestreckt hatte. Mit der Radikalität eines religiösen Eiferers hatte sie sich alles versagt, was auch nur im Entferntesten an Vergnügen erinnerte. Wie hätte sie denn auch zulassen können, das zu erleben, was sie ihrer Mutter versagt hatte?

Nicht ein Tag war vergangen, an dem sie nicht daran dachte, dass sie die Ehe ihrer Eltern ruiniert und ihre Mutter auf eine Abwärtsspirale der Depression geschickt hatte. Ganz gleich, wie oft Arik versuchte, ihr klarzumachen, dass sie sich vergeben sollte, ihrer Mutter erzählt zu haben, dass sie ihren Vater mit einer anderen Frau gesehen hatte – sie konnte sich einfach nicht dazu überwinden. Denn Arik wusste nichts von ihrem Geheimnis: dass Runa tief in ihrem Inneren fürchtete, sie habe es nicht aus Sorge um ihre Mutter getan.

Sie hatte es getan, um ihren Vater zu verletzen.

Der Tag, an dem Shade in ihr Leben getreten war, war der Tag gewesen, an dem sie sich zum ersten Mal gefragt hatte, ob es für sie irgendeinen Grund gäbe weiterzuleben, wenn Arik von ihr gegangen war.

Und dann kam er in den Coffeeshop geschlendert, groß und so unglaublich hinreißend. Seine schwarzen Motorradstiefel trafen mit einem dumpfen Knallen auf dem Fußboden auf, seine Lederhose und -jacke gaben bei jeder Bewegung dieses typische Knarzen von sich, und der Piratenohrring in seinem linken Ohrläppchen funkelte im Licht. Seine rechte Hand war tätowiert, genau wie die rechte Seite seiner Kehle, und sie hatte sich gefragt, ob er wohl auf dem Arm Tattoos hatte, die diese beiden miteinander verbanden.

Die Augen sämtlicher weiblicher Wesen hatten sich auf ihn geheftet. Die Augen sämtlicher Männer hatten sich abgewendet.

»Oh, fick mich!«, flüsterte Aspic. »Die. Ganze. Nacht.«

Es war unmöglich, den Blick von ihm abzuwenden, als er auf die Theke zuschritt, die Augen fest auf Runas gerichtet.

Aspic begann zu japsen, wirklich und wahrhaftig zu japsen. »Da kommt dein Risiko, Runa. Mach was draus. Mach ihn an, oder ich schwöre, dass ich es tue.«

Er blieb genau vor Runa stehen. »Kaffee.« Das Wort rollte über seine Zunge, als ob er »Ich würde dir gern auf der Stelle einen Orgasmus schenken« gesagt hätte.

»Ja«, hauchte sie. Sollte er es doch … oh, stimmt ja. Kaffee. Sie räusperte sich. Zwei Mal. »Normal, groß oder extragroß?«

»Was auch immer Ihre größte Größe ist.«

»Wie hätten Sie Ihren Kaffee denn gern?«

»Stark und heiß.«

»Milch? Sojamilch oder normale? Sahne?«

»Heilige Scheiße.« Er legte die Handflächen auf den Tresen und beugte sich vor. »Einfach. Nur. Kaffee.« Sein brennender Blick wanderte so offensichtlich taxierend über ihren Körper, dass sie eigentlich hätte wütend werden sollen, stattdessen schlug ihr Herz nur noch schneller. »Wenn ich auch beinahe versucht bin, es mal mit etwas Süßerem zu versuchen.«

Aspic stieß ihr den Ellbogen in die Seite und machte einen Schritt nach vorn. »Runa ist ein bisschen schüchtern. Haben Sie ein Motorrad? Sie liebt nämlich Motorräder. Ich wette, sie würde furchtbar gern mal einen Blick daraufwerfen.«

»Aspic!« Runas Wangen waren vor Scham knallrot.

»Runa«, sagte der Ledermann sanft, als ob er fühlen wollte, wie ihm der Name über die Zunge glitt. »Würdest du gern eine kleine Tour mit mir machen?«

»Schrecklich gern«, sagte Aspic und stellte seinen Kaffee mit einem lauten Knall auf den Tresen.

Runa schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht –«

»Gut.« Er warf einen Zehn-Dollar-Schein auf den Tresen. »Der Rest ist Trinkgeld. Lass uns gehen.«

Ehe sie auch nur ein Wort des Protests von sich geben konnte, kam er hinter den Tresen, nahm ihre Hand und führte sie zur Hintertür. An der Schwelle angekommen, blieb sie abrupt stehen. »Sehen Sie, Mr …«

»Shade.«

Komischer Name. Aber schließlich arbeitete sie selbst mit einem Mädchen zusammen, das sich Aspic nannte. »Mr Shade.«

»Nur Shade.«

»Also gut, Shade. Ich fürchte, ich kann nirgendwohin mit Ihnen gehen.«

Er hob eine schwarze Augenbraue und stieß die Tür auf. »Wer hat denn etwas von gehen gesagt?«

»Aber Sie haben doch was von einer Tour gesagt.«

Ihr weiter Rock wirbelte um ihre Waden, als er sie in die Nebenstraße auf eine kleine Seitengasse zuzog. »Jepp.«

Panik flackerte auf. Dieser Mann könnte ein Serienkiller sein oder ein Vergewaltiger, und sie, gerade mal halb so groß wie er, scharwenzelte mit ihm durch irgendwelche abgelegenen Gassen. »Ich kann nicht –«

Ohne jede Vorwarnung drückte er sie gegen eine Hauswand. Sein Körper gegen den ihren gedrückt, sein Mund an ihrem Ohr. Beide Hände lagen auf ihren Schultern … was hatte er bloß mit dem Kaffee gemacht?

»Ich kann dein Verlangen riechen, Runa«, murmelte er mit schmeichelnder, verführerischer Stimme. »Du erblühst für mich wie eine Blume.«

Er stieß seine Hüften gegen sie. Die Erektion hinter dem Reißverschluss seiner Jeans massierte ihren Bauch und versprach eine Erfahrung, die sie nie vergessen würde. Der Mann war fleischgewordener Sex, eine überwältigende Masse aus Muskeln, Testosteron und Sinnlichkeit, gegen die sie sich nicht zur Wehr setzen konnte. Nichts hatte sie auf so etwas vorbereitet. Sie bezweifelte, dass irgendeine Frau auf Shade vorbereitet sein könnte. Zumindest nicht psychisch. Ihr Körper bereitete sich vor, ohne dass sie ihn dazu hätte auffordern müssen.

Ihre Brüste prickelten und spannten sich, ihr Herz hämmerte wie wild gegen ihren Brustkorb, und ihr Höschen wurde feucht. Sie drückte die Oberschenkel fest zusammen, um sich ein wenig Erleichterung zu verschaffen, aber das machte die Sache nur noch schlimmer.

Die Situation drohte außer Kontrolle zu geraten, aber als seine Zunge über ihren Hals fuhr und seine Hände ihre Hüften streichelten, musste sie feststellen, dass ihr das vollkommen egal war.

Er packte ihren Rock und zog ihn bis zu ihren Hüftenhoch. »Willst du es?« Er presste sein Gesicht an ihren Hals und einen muskelbepackten Schenkel zwischen ihre Beine, mit dem er dort einen köstlichen Druck ausübte. »Sag nur ein Wort, und ich werde aufhören.«

Das war ihre Chance. Ihre Chance, ihm zu entkommen. In ihren bankrotten Laden zurückzukehren und dann nach Hause zu ihrem sterbenden Bruder. Auf dem Heimweg könnte sie ausgeraubt und erschossen werden. Von einem Taxi überfahren. In einer U-Bahn-Station erstochen.

Und sie würde in dem Bewusstsein sterben, dass sie ein Mal in ihrem Leben ein Risiko hätte eingehen sollen.

Shades Finger glitten zwischen ihre Körper und liebkosten ihr Innerstes durch den nassen Stoff ihres Slips. »Nun?«

»Hör nicht auf. Bitte hör bloß nicht auf.«

Als er sie küsste, stieg ein tiefes, sinnliches Grummeln aus den Tiefen seiner Kehle empor. Es war kein richtiger Kuss; erst leckte er über ihre Lippen, und dann vereinigten sich ihre Zungen in einem so heißen, innigen Tanz, dass sie keuchte und sich an seine Jacke klammerte, als wollte sie ihn nie wieder loslassen.

Sie bekam vage mit, dass Stoff riss, so wie sie auch das Brummen vorbeifahrender Wagen und das Lachen eines Fußgängers auf dem Bürgersteig hörte. Nichts davon spielte eine Rolle, nicht einmal das Flattern ihres Höschens an ihren Beinen, als es zu Boden sank.

O Gott, das war doch verrückt. Sex mit einem Fremden, mitten auf der Straße. Mitten am Tag.

Ein Moment der Klarheit durchzuckte den sexuellen Schleier, der sie umgab, als er den Reißverschluss seiner Hose öffnete. Sie hielt ihn auf, indem sie ihn mit festem Griff am Handgelenk packte. »Warum ich?«, stieß sie mit rauer Stimme hervor. »Da drinnen waren doch noch andere Frauen, hübscher, sexyer –«

»Ich habe dein Bedürfnis gespürt.«

Eine seltsame Antwort, aber im nächsten Moment stieß er trotz ihrer Hand, die ihn festhielt, gegen sie, und ihr war völlig gleichgültig, wieso dieser Wirbelsturm über sie gekommen war. Der Instinkt übernahm das Ruder, und sie schlang die Beine um seine Taille und stöhnte, als er die Spitze seiner Erektion in sie einführte.

»O Mann«, flüsterte er. »Du bist so eng.« Er zog sich ein wenig zurück, um gleich darauf wieder hineinzudrängen, aber nur mit der Eichel. Die sanfte Dehnung verwandelte sich in pure, schimmernde Lust, als die Spitze seines Penis den Nervenring an ihrem Eingang stimulierte.

»Wow.« Sie wölbte den Rücken, und er ließ den Arm hinter sie gleiten, sodass er ihre Wirbelsäule stützte. »Mehr. Ich will mehr.«

Als hätte er nur auf die Erlaubnis gewartet, stieß er tief in sie hinein und zerstörte ihre Lust mit einer Welle des Schmerzes. Er erstarrte, die Miene angespannt. »Alles okay?«

»Bestens«, brachte sie heraus, als der Schmerz nachließ. »Es ist nur schon ein Weilchen her.« Genau genommen ein paar Jahre. Ihre Jungfräulichkeit hatte sie im letzten Jahr an der Highschool verloren; an einen Jungen, der schwor, sie zu lieben, und zwei Tage später eine andere genauso liebte.

»Das hättest du mir sagen sollen«, knurrte er. »Dann wäre ich behutsamer gewesen.«

»Mach einfach weiter«, sagte sie, und mit einem herben Fluch begann er sich in ihr zu bewegen.

Es gab keine sanfte Steigerung der Erregung, wie sie erwartet hatte. Keine vage angenehmen Gefühlsregungen. Kein allmähliches Aufwärmen.

Stattdessen eine augenblickliche Explosion, eine Erschütterung, die sie hätte laut aufschreien lassen, wenn er ihr nicht die Hand auf den Mund gedrückt hätte. Seine kräftigen Stöße ließen sie immer wieder gegen das Gebäude prallen, aber das war ihr egal, es musste ihr egal sein, weil sie schon wieder kam und er erschauerte, stöhnte und in einer mächtigen Entladung zuckte.

Als sie beide halbwegs wieder zu Atem gekommen waren, stellte sie sich wieder hin, und er zog sich aus ihr zurück und verstaute ihn rasch wieder in seiner Hose. Warme, prickelnde Flüssigkeit lief ihr die Beine hinunter und ließ sie mit einem Knall wieder in der Realität landen.

»O mein Gott, du hast kein Kondom benutzt!«

»Ich bin steril, und irgendwelche Krankheiten übertrage ich auch nicht.«

»Trotzdem –«

Mit einem Kuss brachte er sie zum Schweigen. Als er sich zurückzog, fühlte sie sich benommen. Er nahm ihre Hand und führte sie zum Hintereingang ihres Ladens. Kurz bevor sie die Tür erreichte, zischte ein Blitz durch ihre Adern.

»Oh!« Es verschlug ihr den Atem, als ein weiterer Orgasmus ihren Körper beben ließ. Shade hielt sie währenddessen die ganze Zeit fest; sein massiver Körper fing die Auswirkungen ihrer Zuckungen ab.

»Das wird noch ein paarmal passieren. Vielleicht möchtest du dich lieber ein paar Minuten in irgendeinem Büro oder Pausenraum verstecken.« Er wartete ab, bis sie wieder zur Ruhe gekommen war, dann schlenderte er davon. An der Ecke angekommen, warf er noch einen Blick über die Schulter zurück. »Übrigens, ich fahre eine Harley.«

Mit gerunzelter Stirn betrat sie das Gebäude. Aspic grinste. »Und? Was für ein Motorrad hatte er?«

Runa lachte. »Eine Harley. Er hat ’ne Harley.«

Später hatte Shade Kontakt mit ihr aufgenommen, und sie waren ein paar Wochen lang zusammen gewesen. Dann hatte sich die Krankheit ihres Bruders verschlimmert. Shade war zu ihr nach Hause gekommen, hatte ein paar Minuten bei ihrem Bruder verbracht, und innerhalb weniger Tage war Arik vollständig genesen.

Nur einige Tage danach war sie von dem Werwolf angegriffen worden, und Arik hatte sie zur lebensrettenden medizinischen Versorgung zum R-XR gebracht.

Diese geheime militärische Einrichtung war ein Schock für sie gewesen. Sie hatte ihren Bruder für einen Angehörigen der regulären Armee gehalten, für einen ganz normalen Soldaten. Dabei hatte er zu dieser Zeit schon jahrelang für das R-XR gearbeitet, zusammen mit einer Gruppe von ungefähr hundert anderen Auserwählten, von denen sich einige im aktiven Dienst befanden und einige Zivilisten waren. Eine Handvoll waren sogar Warge – Angehörige des Militärs, die Angriffe überlebt hatten und von ihren regulären Einheiten abgezogen worden waren, um für das R-XR zu arbeiten.

Aufgrund ihrer Lykanthropie hatten sie sich von ihren Kameraden isoliert gefühlt und eine Art Rudel gebildet, wie es ihre neuen Instinkte forderten. Sie hatten sie in ihren Kreis aufgenommen, allerdings fühlte sie sich ohne militärischen Hintergrund immer noch wie eine Außenseiterin, ganz gleich, wie oft sie sie zu ihren Barbecue-Abenden einluden oder sie aufforderten, sie in die Bar auf der Basis zu begleiten.

Arik war darüber nicht glücklich gewesen. Er war überzeugt gewesen, dass der Alpha-Warg, ein Chauvi namens Brendan, der besser aussah, als ihm guttat, es sich in den Kopf gesetzt hatte, sie zu seinem Alpha-Weibchen zu machen – aber schließlich hatte sich Arik schon immer Sorgen um sie gemacht. Seit der Kindheit war er ihr Wachhund gewesen, hatte sie vor den Fäusten ihres Vaters bewahrt. Später dann, als Arik ihre Vormundschaft übertragen worden war, hatte er dafür gesorgt, dass jeder ihrer Highschoolfreunde die Konsequenzen kannte, die es nach sich ziehen würde, wenn er ihr wehtat.

Ein Knirschen riss Runa aus ihren Gedanken. Die Tür zur Zelle schwang auf, und der Nachtstreich zerrte zusammen mit den beiden Gnomen Shade herein. Er war nackt, an Armen und Beinen gefesselt, seine Brust und die Beine mit getrocknetem Blut bedeckt.