Demonica - Razr - Larissa Ione - E-Book

Demonica - Razr E-Book

Larissa Ione

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Beschreibung

So unendlich heiß wie die Hölle, verführerischer als der Himmel!


Ein gefallener Engel mit einen Geheimnis. Eine Elfe aus einer anderen Welt, getrieben von einem unstillbaren Hunger nach etwas Unbekanntem. Razr und Jedda sind Todfeinde, beide auf der Jagd nach einem Diamanten, dessen Macht sie unfreiwillig zusammenschweißt.


"150 Seiten pure Magie" I Smell Sheep Book Blog


Eine neue Novella aus der Welt von Demonica


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Seitenzahl: 233

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Inhalt

TitelZu diesem BuchBegriffserläuterungen12345678910111213141516DanksagungenDie AutorinDie Romane von Larissa Ione bei LYXImpressum

LARISSA IONE

Demonica

Razr

Ins Deutsche übertragen von Bettina Oder

Zu diesem Buch

Ein gefallener Engel mit einen Geheimnis. Eine Elfe aus einer anderen Welt, getrieben von einem unstillbaren Hunger nach etwas Unbekanntem. Razr und Jedda sind Todfeinde, beide auf der Jagd nach einem Diamanten, dessen Macht sie unfreiwillig zusammenschweißt.

Begriffserläuterungen

Das Allerheiligste – Ein Reich innerhalb von Sheoul-gra, das aus fünf Ringen besteht, von denen ein jeder Seelen von Dämonen enthält, und zwar gestaffelt nach ihrem Grad an Bösartigkeit, wie er durch die Ufelskala definiert wird. Das Allerheiligste wird von dem gefallenen Engel Hades und seinen Wächtern – allesamt gefallene Engel – geführt. Der Zugang zum Allerheiligsten ist streng begrenzt, da die Dämonen, die darin verwahrt werden, jegliches Objekt und jegliche lebende Person aus der Außenwelt ausnutzen können, um die Flucht zu ergreifen.

Feenfurt – Mystischer »Hotspot« im Reich der Menschen, durch den Elfen in ihr Heimatreich und wieder zurück reisen können.

Gefallener Engel – Die meisten Menschen halten gefallene Engel grundsätzlich für böse; allerdings kann man sie in zwei Kategorien unterteilen: wahre Gefallene und Ausgestoßene. Ausgestoßene Engel wurden aus dem Himmel verbannt und leben, an die Erde gefesselt, ein Leben, das weder wahrhaftig gut noch wahrhaftig böse ist. In diesem Zustand ist es ihnen möglich, wenn dies auch nur äußerst selten geschieht, sich die Wiederaufnahme in den Himmel zu verdienen. Oder aber sie wählen das Dämonenreich, Sheoul. Indem sie Sheoul betreten, vervollständigen sie ihren Fall und werden zu wahren Gefallenen, die ihren Platz als Dämonen an Satans Seite einnehmen.

Höllentore – Vertikale Portale, die für Menschen unsichtbar sind und die Dämonen dazu benutzen, um zwischen Orten auf der Erde und Sheoul hin und her zu reisen.

Memitim – An die Erde gebundene Engel, die ausschließlich von Azagoth gezeugt wurden und deren Aufgabe es ist, wichtige Menschen zu beschützen, die man Primori nennt. Memitim bleiben so lange an die Erde gefesselt, bis sie ihre Pflichten vollständig erfüllt haben. Damit haben sie sich ihre Flügel verdient und steigen in den Himmel auf.

Primori – Menschen und Dämonen, deren Leben durch das Schicksal dazu bestimmt ist, die ganze Welt auf fundamentale Art und Weise zu beeinflussen.

Sheoul – Dämonenreich, das von einigen auch Hölle genannt wird; tief in den Eingeweiden der Erde gelegen; nur durch ein Höllentor oder einen Höllenschlund zu erreichen.

Sheoul-gra – Ein Reich, das unabhängig von Sheoul existiert und von Azagoth überwacht wird, der auch unter dem Namen Sensenmann bekannt ist. Innerhalb von Sheoul-gra befindet sich das Allerheiligste, in dem sich Dämonenseelen in einem qualvollen Schwebezustand befinden, bis sie wiedergeboren werden.

Ufelskala – Ein Bewertungssystem für Dämonen, das auf deren Grad von Bösartigkeit basiert. Sämtliche übernatürliche Kreaturen und schlechte Menschen können in einen der fünf Ränge eingestuft werden, wobei die fünfte Stufe die Schlimmsten der Schlimmen enthält.

1

Razr, der sich im Büro seines Chefs befand, war von Dämonen umgeben, die durch die Luft wirbelten. Die kreischenden, gequälten Seelen flehten um Gnade oder schrien Bösartigkeiten und Drohungen heraus.

Razr klopfte mit dem Ring an seinem rechten Zeigefinger gegen seinen Oberschenkel, während Azagoth, ein uraltes Wesen, das auch als der Sensenmann bekannt war, die Dämonenseelen mit winzigen Energiestößen bombardierte, die diese vor Schmerz aufheulen ließen.

Azagoth spielte mit ihnen, wie eine Katze mit einer Maus spielt. Sein luxuriöses Büro, das tief in dem Unterweltreich namens Sheoul-gra lag, hatte sich in einen makaberen Spielplatz des Schmerzes verwandelt.

Schmerz war etwas, mit dem Razr klarkam. Unterwürfigkeit hingegen nicht, und nachdem er Hunderte von Jahren als Kampfengel und damit als Teil der Elite gelebt hatte, empfand er es als verdammt erniedrigend, dazu verurteilt zu sein, Azagoth zu dienen. Doch das war Razrs eigene Schuld, und im Grunde genommen hatte er sogar noch Glück gehabt. Auch wenn man ihn aus dem Himmel hinausgeworfen hatte, hatte er immerhin nicht seine Flügel verloren.

Nein, seine Engelsschwingen und deren Schicksal hingen davon ab, ob er den Schaden würde wiedergutmachen können, den er vor einem Jahrhundert angerichtet hatte.

Nun ja, es war vielleicht nicht besonders toll, mit Azagoth und seinen abartigen Helferlein, den sogenannten Senslingen, abzuhängen, aber es könnte schlimmer sein. Allerdings hätte Razr in diesem speziellen Moment, als er Azagoth gegenüberstand – der in einer schwarzen Robe mit Kapuze, aus deren Tiefen seine grünen Augen hervorglommen, ganz besonders nach Gevatter Tod aussah –, beim besten Willen nicht sagen können, was genau noch schlimmer sein könnte.

Auf eine einzige gebieterische Geste Azagoths hin schwärmte eine Welle von Senslingen wie Ameisen in das Zimmer. Ihre schwarzen Miniaturumhänge schleiften über den Fußboden, und ihre Gesichter waren unter den Kapuzen verborgen. Sie sammelten die Dämonenseelen ein und huschten davon, verschwanden in einem Tunnel in der Mauer, auf dem Weg in das Höllenloch, in das sie gehörten. Als Azagoth seine Aufmerksamkeit nun Razr zuwandte, drang diesem die Eiseskälte, die er bisher nur auf seiner Haut gespürt hatte, sofort bis ins Mark.

»Ich will wissen, warum du jeden verdammten Tag einen verdammten Jutesack und Flipflops trägst. Du hast Zugriff auf alles, was du nur willst, und dennoch kleidest du dich wie ein mittelalterlicher Mönch, es sei denn, du verlässt Sheoul-gra.« Azagoth neigte den Kopf und intensivierte seinen Blick, bis sich Razr wie ein Bazillus unter einem Mikroskop fühlte. »Ist diese Kleidung Teil deiner Strafe?«

Razr zuckte zusammen. Seit über einem Jahr lebte er nun schon in Sheoul-gra und arbeitete für Azagoth, und dies war das erste Mal, dass sein Boss ihm eine Frage gestellt hatte, die nichts mit der Arbeit zu tun hatte.

»Ja«, erwiderte Razr; doch das war eine einfache Antwort auf eine Frage zu einer komplexen Angelegenheit.

»Deine Lage ist einzigartig. Du bist kein gefallener, aber auch kein himmlischer Engel. Du bist nicht einmal ein Ausgestoßener.« Damit bezog sich Azagoth auf den ungewissen Status eines Engels, der seine Flügel verloren hatte, aber Sheoul, das Reich der Dämonen, nicht betreten hatte; ein Schritt, mit dem er seinen Sturz unwiderruflich gemacht hätte. Er trat an die Bar und goss Rum in zwei Gläser ein, was nicht ohne Spritzer abging. »Der Himmel hat nur für dich eine neue Bezeichnung für Engel erschaffen.«

»Jaaa«, erwiderte Razr gedehnt, »ich bin schon etwas ganz Besonderes.« Aber das war er nicht. Es gab noch jemanden, der seinen Status teilte: seine frühere Geliebte Darlah, die man für tot hielt, da sie von ihrer letzten Mission nicht zurückgekehrt war.

Eine Mission, die Razr jetzt allein erfüllte.

Als Azagoth ihm eines der Gläser reichte, fiel es Razr schwer, seine Überraschung zu verbergen. Und seinen Argwohn. Azagoth hatte sich bisher nur selten dazu herabgelassen, seine Existenz zur Kenntnis zu nehmen, geschweige denn, ihn wie einen Ebenbürtigen zu behandeln. »Aus irgendeinem Grund bist du etwas Besonderes.«

Langsam wurde das Ganze wirklich seltsam. Azagoth hatte niemals auch nur das geringste Interesse an ihm bekundet, aber ehrlich gesagt konnte Razr es nicht fassen, dass der Kerl nicht mehr über ihn und seine Geschichte wusste. Er war davon ausgegangen, dass der Himmel Azagoth die ganze tragische Geschichte mitgeteilt hatte, was aber offensichtlich nicht der Fall war.

»Was ich nicht verstehe«, fuhr Azagoth fort, »ist, warum du es nicht geschafft hast, dich um deine Angelegenheiten zu kümmern und in den Himmel zurückzukehren.«

Unfähig, sich unter dem prüfenden Blick seines Vorgesetzten still zu verhalten, ließ Razr den Rum in seinem Glas herumwirbeln. »Es ist ja nicht so, als ob du mir allzu viel Freizeit lässt.«

»Dann ist es also meine Schuld?« Azagoths Stimme war weich wie Samt und gerade dunkel genug, dass sich die Haare auf Razrs Kopf aufrichteten. Niemand beschuldigte den Sensenmann, für Fehler verantwortlich zu sein, die auf das eigene Konto gingen. Nicht, wenn einem etwas an seiner Haut lag.

»Ganz und gar nicht«, antwortete Razr bedächtig, da seine Haut an dem Ort, an dem sie sich befand, verdammt nützlich war. »Es ist nur so, dass ich hier in Sheoul-gra lediglich über beschränkte Mittel verfüge. Ich brauche mehr Zeit in den Reichen der Menschen und der Dämonen.«

Stattdessen saß er hier fest und bildete Azagoths Armee aus Memitim und den Ausgestoßenen aus, die hier Zuflucht gefunden hatten. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, war es allerdings gar nicht mal der ätzendste Job, Engel in Kampftaktik zu unterrichten, wenn er schon für Azagoth arbeiten musste. Es war eine Herausforderung, die er angesichts der Tatsache genoss, dass Engel bekannt für ihren Unwillen zur Zusammenarbeit waren, denn Teamwork war Razrs Spezialgebiet.

Er würde einfach nur lieber Engel im Himmel als in der Hölle trainieren.

Die Tür öffnete sich, und Zhubaal, Azagoths rechte Hand und Razrs direkter Vorgesetzter, begleitete einen breitschultrigen Mann herein, der den Geruch von Sonnenschein verbreitete. Der Engel, ein groß gewachsener Mistkerl, der den Decknamen Jim Bob trug, schritt an Azagoth vorbei und blieb vor Razr stehen, was ziemlich merkwürdig war, da der Engel es für gewöhnlich vorzog, sich ausschließlich mit Azagoth zu unterhalten.

Was vermutlich bedeutete, dass er seinen Engelskumpels gegenüber nicht ganz ehrlich war, was seine Geschäfte hier betraf. Im Himmel war Razr dem Kerl nie begegnet, daher hatte er keine Ahnung, wie Jim Bobs wirklicher Name war oder was er im Schilde führte, aber sollte Razr jemals seinen Status als vollständiger Engel wiedererlangen, würde er einige Nachforschungen anstellen müssen.

»Was ist mit deinem Kopf passiert?«

Razr fuhr sich mit den Fingern durch sein kurzes, dunkles Haar. »Was denn, hat dir die Glatze besser gefallen?«

»Ja. Das hier ist für dich.« Jim Bob hielt ihm eine goldene Visitenkarte aus festem Papier hin, auf der in silbernen Lettern »Die Treuhänder« stand.

»Was ist das?«

»Dort wirst du finden, wonach du suchst.«

Razr verschlug es den Atem, während sein Herzschlag durch eine plötzliche Infusion von durch Hoffnung befeuerten Adrenalins auf Touren gebracht wurde. Er starrte die silbernen Buchstaben an, als ob sie eine Rettungsleine wären und er kurz vor dem Ertrinken stünde. »Bist du … bist du sicher?«

»Ich weiß es aus zuverlässiger Quelle.«

Razrs Hand zitterte so heftig, dass er die Karte beinahe hätte fallen lassen. Das war’s. Seine Chance, einen Teil, wenn nicht sogar den gesamten Schaden wiedergutzumachen, den seine Teamgefährten und er verursacht hatten, als sie drei der wertvollsten Waffen verloren hatten, die der Himmel besessen hatte, die Edelsteine des Enoch, und sie zugelassen hatten, dass deren menschliche Träger ermordet wurden. Eine der Gemmen, den Erdamethyst, hatten sie zurückbekommen, aber zwei blieben verschwunden: Darlahs Feuergranat und Razrs Eisdiamant.

Wenn er einen oder gar beide finden könnte, würde Razr seinen Status als vollwertiger Engel wiedererlangen. Und der Schandfleck auf seinem Ruf – und seiner Seele – wäre abgewaschen.

Azagoth, der offensichtlich wusste, was in diesem Moment in Razrs Kopf vor sich ging, nickte. »Geh«, sagte er. »Nimm dir so viel Zeit, wie du brauchst.«

Razr sog verblüfft den Atem ein, aber eigentlich durfte er nicht überrascht sein. Azagoth mochte für seine Grausamkeit bekannt sein, aber denen gegenüber, die ihm treu ergeben waren, verhielt er sich großzügig. Razr wollte sich gerade bei ihm bedanken, als die Engelsflügelglyphe auf seinem Handrücken, die für gewöhnlich unsichtbar war, aufleuchtete. Mist. Seit dem letzten Mal waren weniger als vierundzwanzig Stunden vergangen. Normalerweise blieben ihm sechsunddreißig, plus minus zwei Stunden, um sich zu erholen. Obwohl es ein anderes Mal wiederum kaum acht gewesen waren. Die Willkür dieser speziellen Engelsbestrafung ging ihm echt auf den Sack.

»Das war wirklich beschissenes Timing.« Azagoth, König der Dämonenseelen und Untertreibungen, zog eine ziemlich abgenutzte neunschwänzige Katze aus seiner Schreibtischschublade. Denn selbstverständlich musste man stets auf eine spontane kleine Folterung vorbereitet sein. Er hielt die Waffe mit einer Spur zu viel Enthusiasmus in die Höhe. »Meine oder deine?«

Razrs persönliche Peitsche befand sich in seiner Tasche, und er hätte schwören können, dass er sie durch seine Robe hindurch brennen fühlte. »Deine«, murmelte er. Immer noch besser, wenn sich jemand anders seine Sachen mit Blut befleckte, dachte er bei sich.

Azagoth hielt die Peitsche Jim Bob hin. »Möchtest du ihm vielleicht die Ehre erweisen?«

Razr unterdrückte ein Stöhnen, als der Engel die Waffe entgegennahm und sie wie eine altvertraute Geliebte streichelte. »Das ist schon lange her.«

»Wirklich?«, fragte Razr. »Du kommst mir nämlich eher wie jemand vor, den Folter aufgeilt.« Es war ziemlich dämlich, so etwas zu jemandem zu sagen, der nicht nur weitaus mächtiger war, sondern dazu noch kurz davor stand, Razrs Rücken in Gehacktes zu verwandeln, aber er war noch nie für sein Fingerspitzengefühl bekannt gewesen.

Jim Bob, der selten auch nur lächelte, lachte. Offensichtlich besaß der Kerl Galgenhumor. Was Razr respektieren würde, wenn er nicht derjenige wäre, der am Ende des Seils baumelte. »Willst du stehen oder knien?«

»Nun ja«, erwiderte Razr nachdenklich, während er seine Robe zu Boden sinken ließ, sodass er nackt vor Azagoth, Jim Bob und Zhubaal stand, »ich schätze, ich fange mal stehend an und beende das Ganze auf den Knien. So läuft es jedenfalls normalerweise ab.«

Jim Bob bedeutete ihm mit einer Geste, er möge sich umdrehen, und nachdem er einen tiefen, beruhigenden Atemzug getan hatte, nahm Razr die übliche Stellung ein und stützte sich mit den Händen an der Wand ab. »Wie viele?«

»Sechs«, sagte Azagoth, ehe Razr antworten konnte. »Ich weiß nicht, warum.«

»Ich schon.« Jim Bobs leise Antwort hing in der Luft und wirbelte durch Razrs Kopf. Woher wusste Jim Bob das? Sicher, vermutlich wusste jeder im Himmel darüber Bescheid, dass Razr die Sache mit den Enoch-Edelsteinen vermasselt hatte, aber nur wenige waren in die Einzelheiten seiner Bestrafung eingeweiht. Der Kerl musste über gute Verbindungen im Himmel verfügen, was seine Geschäfte mit Azagoth nur noch geheimnisvoller machte.

Razrs Gedanken wurden vom Pfeifen der neun Lederstreifen – ihre Enden waren mit scharfen Knochenstückchen versehen – unterbrochen, die durch die Luft pfiffen. Der Schmerz, der auf seinen Schulterblättern explodierte, entrang ihm ein Ächzen. Aber keinen Schrei. Er schrie nie.

Der zweite Hieb war schlimmer, der dritte so heftig, dass er auf die Knie sackte. Normalerweise schaffte er es, bis zum fünften Schlag auf den Beinen zu bleiben, aber Jim Bob war stark und hielt sich nicht zurück. Das war das Problem bei Züchtigungen in den Welten der Engel und Dämonen im Vergleich mit der Menschenwelt: Wenn ein Mensch zuschlug, konnte Razr Hunderte von Hieben ertragen. Ach, zur Hölle, er konnte Tausende hinnehmen, ohne zu sterben.

Aber wenn jemand von außergewöhnlicher Kraft und mit mystischen Fähigkeiten die Peitsche schwang, erhöhte sich der Schaden glatt um den Faktor heilige Scheiße.

Der vierte Schlag trieb ihm die Luft aus den Lungen, und beim fünften sah er Sterne.

Der sechste, der ihn tief auf den Hüften traf, ließ ihn auf dem kalten Boden zusammenbrechen, wo er in einem Teich seines eigenen Blutes liegen blieb.

Vielleicht war dies ja das letzte Mal. Bitte lass es das letzte Mal sein, dachte er, kurz bevor er das Bewusstsein verlor.

2

»Verzeihen Sie mir meine Ausdrucksweise, Ma’am, aber Sie labern nur Scheiße. Hier gibt es keine verdammten Bodenschätze. Auf Madagaskar wurde noch nie Taaffeit gefunden. Das hier ist nichts als die reine Verschwendung von Zeit und verdammt viel Geld. Ihre Qualifikationen sind mir scheißegal. Wie ich schon sagte, Sie labern nur Scheiße.«

Jedda Brighton widerstand nur mit Mühe dem Drang, dem Mann in sein unrasiertes, schlaffes Gesicht zu schlagen, was sie eigentlich schon seit zwei Wochen tun wollte. Zwei Wochen lang ertrug sie nun schon die vulgäre Ausdrucksweise und den beiläufigen Sexismus, die durch den Alkoholkonsum des Bergbauingenieurs noch angefacht wurden. Und wenn sie ihn darauf ansprach, stellte er sie als überempfindliche Mimose hin. Zwei Wochen lang sah sie dabei zu, wie er die einheimischen Arbeiter wie Sklaven behandelte. Zwei Wochen hörte sie ihm dabei zu, wie er über seine »Hure von Exfrau« und den »unverschämten« Kindesunterhalt schwafelte. Er war der Typ Arschloch, der, sollte eine Frau es wagen, ihm eine Abfuhr zu erteilen, diese sofort beschuldigte, eine Lesbe zu sein.

Denn selbstverständlich mussten sämtliche Frauen einen übergewichtigen, primitiven Fiesling lieben, der wie der leibhaftige Katzenjammer aussah und roch und sich dabei für ein Gottesgeschenk hielt. Wenn sein nicht unbeträchtlicher Reichtum nicht wäre, würde ihm keine Frau auch nur einen zweiten Blick schenken, aber entweder war ihm das nicht bewusst oder es war ihm gleichgültig, was darauf hinauslief, dass er entweder dämlich oder Abschaum oder auch beides war.

Jedda entschied sich für Letzteres. Verdammt, sie würde es ja nicht mal für die Zeit mit ihm aushalten, die dieser Job dauerte, wenn sie ihn nicht dafür brauchen würde, nach Edelsteinen zu schürfen, die sie auf sich allein gestellt nicht erreichen konnte.

»Zuerst einmal«, erwiderte sie so hochnäsig, wie es ihr nur möglich war, »ist Ihre Ausdrucksweise absolut unverzeihlich. Zweitens bin ich die beste Gemmologin und Mineralogin auf der ganzen Welt, und wenn ich sage, dass hier ein verficktes Vermögen in Taaffeit liegt, können Sie sicher sein, dass es so ist.« Sie schenkte ihm ein liebliches Lächeln. »Und wenn Sie es endlich gefunden haben, können Sie es sich in Ihren hässlichen Arsch schieben.«

Er wackelte mit beinahe farblosen Augenbrauen, die von dem Schweiß glänzten, den die drückende Hitze in diesem gottverlassenen Dschungel ihnen allen aus sämtlichen Poren trieb. »Wie wär’s, wenn Sie das für mich erledigen?«

Bei Satie Ein-Auge – dieser Kerl war echt widerwärtig, und dem würde selbst Satie zustimmen, ein Elfenheld längst vergangener Zeiten, der gegen riesige Dämonenmaden gekämpft hatte. Der Typ war eine gelungene Mischung aus Säufer und Schlappschwanz. Jedda schob ihren Helm zurecht, trat um ihn herum und machte sich auf den Weg in die Mine. »Reizen Sie mich lieber nicht.«

»Aber Sie sind doch nun mal so reizend.«

Buäh! Eklig. Hatte dieser Idiot in den letzten zwei Wochen denn nicht mitgekriegt, dass sie mit anderen gar nicht gut klarkam? Vor allem nicht, wenn es sich dabei um Menschen handelte? Vermutlich sollte sie wenigstens dankbar sein, dass er keine Ahnung hatte, dass sie kein Mensch war; andererseits würde er sie vielleicht endlich in Ruhe lassen, wenn er wüsste, dass sie ein unsterbliches Wesen war.

Womöglich würde sie ihr Geheimnis lüften müssen, nur um ihm einen gehörigen Schock zu versetzen.

Er folgte ihr durch den relativ kühlen Schacht hinab, an Arbeitern vorbei, die damit beschäftigt waren, Edelsteine zu gewinnen, die Toms Bergbauunternehmen einen netten Profit einbringen würden, wenn sie auch längst nicht so wertvoll waren wie Taaffeit. Trotzdem tat er immer noch so, als ob ihm wer weiß was für ein Schaden entstanden sei, und behauptete beharrlich, dieses Unternehmen sei eine Vergeudung von Zeit und Ressourcen.

Sie wusste es besser. Als Edelstein-Elfe war sie imstande, Mineralien zu spüren, die eine Energie ausstrahlten, die für Menschen nicht wahrnehmbar war; eine Energie, die sie zum Überleben brauchte. Verwunschene Steine, Edelsteine, die gesegnet oder verflucht oder bei mächtigen Ritualen verwendet worden waren, steigerten ihre Lebenskraft am stärksten, vor allem, wenn sie vom Körper einer Edelstein-Elfe absorbiert wurden. Allerdings war es immer ein Risiko, sie zu benutzen, wie sie sehr wohl wusste.

Ihre Schritte knirschten auf dem unebenen Boden, aber sie verlor nie den Halt, da ihre besseren Reflexe und ihre Nachtsichtigkeit ihr einen entscheidenden Vorteil gegenüber Menschen und den meisten Dämonen verliehen. Tom folgte ihr wesentlich langsamer; hin und wieder stieß er einen Fluch aus, oder er schimpfte vor sich hin, weil er von einer Frau ausgestochen wurde. Zweifellos war er in Situationen wie dieser im Allgemeinen ganz kompetent, solange er eine für Menschen sichere Geschwindigkeit einhielt, aber seine Macho-Attitüde gestattete es ihm nicht, zurückzubleiben, und er hatte keine Ahnung, dass sie für genau diese Situation genetisch bestens ausgerüstet war.

Sie lachte, als sie ihn stolpern und fallen hörte. »Alles okay?«, rief sie zurück. »Ich kann auch langsamer gehen, wenn Ihnen das lieber ist.«

»Mir geht’s gut«, blaffte er. Als gleich darauf eine ganze Flut von Schimpfwörtern folgte, musste sie erneut lachen. Was für ein Arschloch.

Sie setzte ihren Weg fort, erforschte die dunklen Tunnel, durch die sie sich bewegte, mit ihren Sinnen. Sie konnte fühlen, wie sich die elementaren Vibrationen veränderten, während sie an immer neuen Mineralien vorbeiging; einige hinterließen kaum einen größeren Eindruck als gewöhnlicher Schotter, andere sprachen mit Flüsterstimmen zu ihr wie potenzielle Geliebte. Allerdings besaß keines von ihnen die spezielle Signatur von Taaffeit. Doch sie war ihm nahe. Sie konnte das Vorkommen noch nicht richtig fühlen, aber sie konnte es riechen – ein schwacher Duft nach Anis und Beeren in der modrigen Erde, bei dem ihr das Wasser im Mund zusammenlief. Jeder Edelstein besaß einen einzigartigen Duft; einige rochen würzig, andere süß, und Taaffeit war eine köstliche Kombination von beidem.

Eine kühle Brise, die aus einem bisher unerforschten Tunnel zu ihrer Rechten wehte, kitzelte ihre Haut. Er war eng, und aus den Seitenwänden ragten schartige Steine heraus, wie bei einer riesigen Käsereibe. Vorsichtig begab sie sich auf Hände und Knie und begann zu kriechen.

»He, Süße, das lassen Sie mal lieber bleiben«, rief Tom. »Den haben meine Männer noch nicht verstärkt, und ich hab nicht vor –«

»Halten Sie die Klappe!« Sie hielt inne, atmete tief ein, schmeckte den scharfen, stechenden Geschmack von Beryllium und Aluminium auf dem hinteren Teil ihrer Zunge. »Es ist hier«, flüsterte sie aufgeregt.

Schwindelig vor Vorfreude drehte sie ihre Helmlampe weiter auf, und dort, direkt vor ihr in einer Öffnung, die gerade groß genug war, um sich aufzurichten, schimmerte ein Hauch von Violett aus dem langweilig grauen und braunen Gestein heraus.

Mit einem breiten Grinsen im Gesicht krabbelte sie die restliche Strecke durch den Tunnel, und als sie endlich aufstehen konnte, bewunderte sie den Anblick einer dicken Ader eines der seltensten Edelsteine der Welt. Unter der Decke gab es eine weitere Ader, und sie konnte noch mehr davon tief in den Wänden spüren. Auch wenn sie bezweifelte, dass sich hier mehr als siebenhundert Karat von Taaffeit befanden, würde dieser Fund bei einem Preis von drei- bis viertausend Dollar je Karat auf dem menschlichen Markt – und dem Doppelten auf dem dämonischen – einen respektablen Gewinn einbringen. Und gerade weil dieser Stein so selten war, würde es den Wert und die Nachfrage sogar noch weiter steigern, wenn sie auch nur einhundert Karat auf den Markt brachten, weil zurzeit nur so wenige überhaupt Kenntnis von ihm besaßen und diejenigen Sammler waren.

Überaus vorsichtig zog sie einen Meißel aus ihrem Werkzeuggürtel und löste einen schartigen Brocken aus dem Fels. Der violette Edelstein glitzerte unter dem Schein ihrer Lampe, obwohl er noch von grobem Gestein umschlossen war. Seine Aura leuchtete mit atemberaubender Intensität; etwas, das dieser widerliche Mensch, der hinter ihr her kroch, nicht würde sehen können.

Sie schloss die Faust um den Stein und atmete ein, ließ ihren Körper seine Vibrationen absorbieren. Energie schoss durch ihren Körper, ließ ihr Fleisch pulsieren und ihr Blut aufbrausen. Dies war ein natürlicher Stein, den noch niemandes Hand berührt hatte, daher war seine Energie rein, neutral und von normaler Stärke. Er würde ihr zusätzliche Kraft und Durchhaltevermögen einbringen, ihre besonderen Fähigkeiten aber weder vergrößern noch mindern.

Es handelte sich, ganz einfach gesagt, um Leben.

Tom kroch aus dem Tunnel wie ein missmutiger Bär, der gerade aus dem Winterschlaf erwacht war. »Was machen Sie denn da?« Als er aufstand, löste er eine erstickende Staubwolke aus.

Sie öffnete die Faust. Der Edelstein war verschwunden; Erde und Fels, die ihn eingeschlossen hatten, bildeten Krümel in ihrer Hand. »Ich bewundere meinen Fund.« Sie ließ die Überreste auf den Boden der Höhle fallen.

Während er eine Taaffeit-Ader musterte, legte sie eine weitere, die ungefähr die Größe ihres Daumens hatte, in einer nahe gelegenen Spalte frei.

»Gute Arbeit, Süße«, sagte er an ihre Brüste gerichtet. »Bin beeindruckt. Alle sagen, Sie wär’n die Beste. Ich hätte auf die hören sollen.«

»Ja, das hätten Sie tun sollen.« Als sie sich dem Tunnel zuwandte, um diesem Schwachkopf zu entkommen, gab er ihr einen Klaps auf den Hintern. Augenblicklich loderte glühende Wut in ihr auf. Verdammte Scheiße, jetzt reichte es ihr aber wirklich mit diesem Mist. Ihre Wut zerstörte die Selbstbeherrschung, die sie sich auferlegt hatte, und plötzlich wurde die Höhle von dem sanften, irisierenden Leuchten ihrer Haut erhellt. Sie wusste, dass ihre normalerweise eisblauen Augen ebenfalls leuchteten; immer noch blau, nur weitaus intensiver.

»Was soll der Scheiß?« Tom machte vor Schreck einen Satz zurück, doch der Schreck verwandelte sich in Todesangst, als sie lächelte und den Stein in die Höhe hielt, den sie eben aus dem Fels geholt hatte.

»Erinnern Sie sich noch, was ich gesagt habe? Was Sie mit dem Taaffeit tun könnten, wenn wir es gefunden haben?«

Später fragte sie sich, ob die anderen Bergarbeiter seine Hilfeschreie gehört hatten. Sie fragte sich auch, wie lange es wohl gedauert haben mochte, bis sich dieser Stein wieder aus seinem Arsch gelöst hatte – und ob er wohl in seiner Scheiße danach gewühlt hatte.

3

Razr hatte Schottland immer gemocht. Das Wetter war launisch, die Landschaft könnte man fast als arrogant beschreiben, und die Leute waren hart wie Stahl. Diesen Ort zu lieben bedeutete für ihn einen verrückten Gegensatz, da er sowohl die Menschen beneidete, die hier lebten, als auch dankbar war, dass er nicht hier leben musste. Von wegen netter Urlaubsort und so was.

Doch bei seinem heutigen Besuch ging es nicht darum, sich die Sehenswürdigkeiten anzuschauen, den Whisky zu trinken oder Haggis zu essen. Nur vierundzwanzig Stunden, nachdem Jim Bob ihm die goldene Karte gegeben hatte, holte sich Razr zurück, was ihm gehörte, und stellte seine Würde und seinen Ruf wieder her.

Da er seine Fähigkeit, sich von einem Ort zum anderen zu blitzen, verloren hatte, als seine Flügel gefesselt worden waren, hatte er ein Höllentor benutzt, ein Transportsystem, das Dämonen verwendeten, um durch die Reiche der Menschen und der Dämonen zu reisen, um an den Rand eines von einer Mauer umfriedeten Dorfes zu gelangen, das von Dhampiren bewohnt wurde. Nur wenige hatten Kenntnis von der Existenz dieser Wesen, die halb Vampir, halb Werwolf waren; und sogar noch weniger wussten von deren schottischen Dörfern. Menschen waren besonders ahnungslos; ihre Augen mochten die Städtchen und die Leute sehen, aber ihr primitiver Verstand registrierte nichts davon, und Abwehrzauber, die rund um diese Orte platziert wurden, schreckten Menschen auf unterbewusster Ebene ab.

Seine Stiefel hinterließen tiefe Abdrücke in der durchweichten Erde, und Nebel befeuchtete seine Jeans und bildete winzige Tröpfchen auf seiner Jacke, als er auf den ummauerten Osteingang des Dorfes zuschritt. Er konnte den Regen riechen, der hier kürzlich gefallen war, und das Salz des Ozeans in der Luft schmecken, aber er ließ sich durch nichts davon von der Tatsache ablenken, dass er mehr als ein Augenpaar spürte, das ihn verfolgte. Dhampire waren vorsichtige Leute, verschlossen, und sie neigten zur Paranoia; außerdem waren sie so bösartig wie Vampire und so unberechenbar wie Werwölfe. Sie hatten von beiden Spezies das Beste und das Schlechteste mitbekommen, und nur ein Narr würde in ihrer Nähe in seiner Achtsamkeit nachlassen.

Innerhalb der Mauer traf er auf strohgedeckte Häuser und eine stattliche Frau mit kurzem, dunklem Haar und rasiermesserscharfen Fängen, die eine Armbrust über der Schulter trug. Sie war von ungewöhnlichen Energiewellen umgeben; ungewöhnlich insofern, als Dhampire zwar eine durchaus eindrucksvolle Spezies bildeten, sie aber im Allgemeinen nicht mit speziellen Fähigkeiten in Zusammenhang gebracht wurden. Diese Dhampir hingegen sah aus, als ob sie ihre speziellen Fähigkeiten nicht nur auf täglicher Basis demonstrierte, sondern damit auch noch gerne prahlte.

Als Kampfengel wusste er das durchaus zu schätzen.

Sie stemmte die Fäuste in die Hüften und stellte sich ihm in den Weg. Das hingegen wusste er nicht zu schätzen. »Wer bist du, wie heißt du und was willst du hier?«, fragte sie mit starkem schottischen Akzent. »Und zwar flott. Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit.« Sie schnippte mit den Fingern, zum Zeichen ihrer Ungeduld.

Mann, er wünschte, er hätte noch Engelstatus und mehr Kräfte als die paar jämmerlichen Verteidigungsfähigkeiten, die man ihm gelassen hatte. Niemand redete derartig respektlos mit einem Engel. Also entschied er sich, sich mit ihr anzulegen, anstelle einer Machtdemonstration mit Engelsschwingen und allem Drum und Dran.

»Vielleicht bin ich ein Mensch auf der Durchreise namens George, der hier nur kurz anhalten möchte, um etwas zu essen.«