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Raze ist ein Seminus-Dämon, der Sex mit Frauen haben muss, um nicht qualvoll zu sterben. Doch Frauen interessieren ihn eigentlich gar nicht. Um zu überleben, hat er ein nüchternes Arrangement mit seiner Freundin Fayle getroffen, ist jedoch zutiefst unglücklich über seine ausweglose Situation. Als er den sexy Dämonenkrieger Slake trifft, springt sofort der Funke über, und Raze ist bereit, sich auf ein ungewisses Abenteuer einzulassen. Es gibt nur ein Problem: Slake hat den Auftrag, Fayle zu töten ... (ca. 150 Seiten)
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Seitenzahl: 228
Larissa Ione
Demonica
Ungestillte Leidenschaft
Ins Deutsche übertragen von Bettina Oder
Raze ist ein Seminus-Dämon, der Sex mit Frauen haben muss, um nicht qualvoll zu sterben. Doch Frauen interessieren ihn eigentlich gar nicht. Um zu überleben, hat er ein nüchternes Arrangement mit seiner Freundin Fayle getroffen, ist jedoch zutiefst unglücklich über seine ausweglose Situation. Als er den sexy Dämonenkrieger Slake trifft, springt sofort der Funke über und Raze ist bereit, sich auf ein ungewisses Abenteuer einzulassen. Es gibt nur ein Problem: Slake hat den Auftrag, Fayle zu töten …
Für alle Rebellen. Das Leben hat keine Grenzen, genauso wenig wie die Vorstellungskraft; also findet die Schlupflöcher und schreibt eure Geschichte so, wie ihr wollt.
Die Aegis – Eine Gruppe menschlicher Krieger, die ihr Leben der Aufgabe gewidmet haben, die Welt vor dem Bösen zu schützen. Zwietracht innerhalb ihrer Reihen führte vor Kurzem dazu, dass sich ihre Mitgliederzahl reduziert und ihr Ziel drastisch verändert hat.
Gefallener Engel – Die meisten Menschen halten gefallene Engel grundsätzlich für böse; allerdings kann man sie in zwei Kategorien unterteilen: wahre gefallene und ausgestoßene. Ausgestoßene Engel wurden aus dem Himmel verbannt und leben, an die Erde gefesselt, ein Leben, das weder wahrhaftig gut noch wahrhaftig böse ist. In diesem Zustand ist es ihnen möglich, wenn dies auch nur äußerst selten geschieht, sich die Wiederaufnahme in den Himmel zu verdienen. Oder sie wählen das Dämonenreich, Sheoul. Indem sie Sheoul betreten, vervollständigen sie ihren Fall und werden zu wahren Gefallenen, die ihren Platz als Dämonen an Satans Seite einnehmen.
Höllentore – Vertikale Portale, die für Menschen unsichtbar sind und die Dämonen dazu benutzen, um zwischen Orten auf der Erde und Sheoul hin und her zu reisen. Einige wenige Wesen sind in der Lage, ihre eigenen, persönlichen Höllentore zu erschaffen.
S’genesis – Abschließender Reifezyklus, den ein Seminus-Dämon im Alter von einhundert Jahren durchläuft. Ein männlicher Seminus-Dämon, der dieses Stadium durchlaufen hat, ist zur Fortpflanzung fähig und besitzt die Fähigkeit zur Gestaltwandlung, sodass er das Aussehen eines Angehörigen jeder beliebigen Dämonenspezies annehmen kann.
Sheoul – Dämonenreich, tief in den Eingeweiden der Erde gelegen; nur durch Höllentore und Höllenschlünde zu erreichen.
Sheoulisch – Universelle Dämonensprache, die alle Dämonen beherrschen, auch wenn die meisten Spezies darüber hinaus ihre eigene Sprache besitzen.
Ter’taceo – Dämonen, die sich als Menschen ausgeben können, entweder weil ihre Spezies von Natur aus dem Menschen ähnelt, oder weil sie menschliche Gestalt annehmen können.
Ufelskala – Ein Bewertungssystem für Dämonen, das auf deren Grad von Bösartigkeit basiert. Sämtliche übernatürlichen Kreaturen und schlechten Menschen können in einen der fünf Ränge eingestuft werden, wobei die fünfte Stufe die Schlimmsten der Schlimmen enthält.
Dämonenklassifizierung nach Baradoc, Umbra-Dämon, anhand der Dämonenrasse Seminus:
Reich: Animalia
Klasse: Dämon
Familie: Sex-Dämon
Gattung: Terrestrisch
Spezies: Inkubus
Rasse: Seminus
Den Nachrichten zufolge war das Wetter, das auf Damon Slake zusteuerte, ein ausgewiesener Killer.
Aber schließlich war Slake ebenfalls ein Killer, und er war garantiert tödlicher als jedes Unwetter.
Regen und Hagel prasselten auf ihn nieder, als er vor einem von mehreren geheimen Eingängen zum Thirst stand, einem Vampir-Nachtclub, der in den Schatten eines Treffs für menschliche Anhänger der Gothic-Szene namens The Velvet Chain operierte. Wie die meisten gehobenen Vampirclubs stand auch dieser sämtlichen andersweltlichen Geschöpfen offen und außerdem Menschen, die bereit waren, sich solchen Wesen als Zwischenmahlzeit anzubieten. Und als eines der bestbesuchten Spitzenetablissements besaß dieser Club sogar eine eigene Praxis. Schließlich hatte man einen Ruf zu verlieren, und kein Clubbesitzer wollte sich mit einem Haufen Toter herumschlagen müssen, seien es nun Menschen, nur weil der ein oder andere Vampir den Hals nicht voll bekam, oder Dämonen, die immer wieder Schlägereien anzettelten, wenn sie zu viel getrunken hatten.
Was ziemlich schlau war, vor allem jetzt, da die erst kürzlich überstandene Beinahe-Apokalypse den Menschen die Dämonenwelt offengelegt hatte, was zu Anspannung, Angst und Chaos geführt hatte. Als Folge davon schien sich die Menschheit inzwischen vorgenommen zu haben, die gesamte Dämonenwelt auszurotten, während die Dämonen ihrerseits noch mit einer Art politischer Umwälzung in Sheoul zu kämpfen hatten, dem Reich, das von vielen auch Hölle genannt wurde. Slake hatte keine Ahnung, was in Sheoul los war, und offen gesagt war es ihm auch egal. Er hatte einen Job zu erledigen, und er führte seine Aufträge immer aus.
Sein neuestes Opfer hatte sich als überaus listig erwiesen, war vielleicht sogar sein cleverster Gegner überhaupt, aber es war ihm endlich gelungen, es bis hierher zu verfolgen. Der gerissene Sukkubus hatte seine Spuren gut verwischt, aber Slake hatte ein Talent dafür, Geheimnisse aufzuspüren, und so gut Fayle auch darin sein mochte, sich zu verstecken, Slake war im Aufspüren sogar noch besser.
Es blitzte, als er den spärlich erleuchteten Club durch eine Tür betrat, die nur für übernatürliche Kreaturen sichtbar war, genau wie in einem Horrorfilm, wenn der Zuschauer darauf hingewiesen wird, dass gleich etwas Grauenhaftes passieren wird. Augenblicklich wurde er vom Dröhnen der Rockmusik, dem Gestank schwitzender, tanzender Leute und der elektrischen, sinnlichen Energie der Sünde bombardiert. Wenn er nicht gerade beruflich unterwegs gewesen wäre, hätte er sich den Feiernden angeschlossen und sich auf die Suche nach potenziellen Partnern gemacht, die er mit nach Hause hätte nehmen können.
Partner wie dieser höllisch sexy aussehende Sanitäter, der neben der Erste-Hilfe-Station an die Wand gelehnt stand und dessen Blick die Menge mit der knallharten Intensität eines kampferprobten Soldaten in feindlichem Territorium musterte. Sogar von der anderen Seite des Raums aus konnte Slake an der fast unmerklichen Anspannung seines Körpers erkennen, dass er zu allem bereit war.
Und was für ein Körper das war. Seine schwarze Uniform spannte über Schultern und Bauchmuskeln, und die aufgekrempelten Ärmel zeigten muskulöse Arme, die wie dazu geschaffen schienen, seine Partner auf eine Matratze zu drücken.
Slake hatte keine Ahnung, ob der Kerl auf Männer oder Frauen oder beides stand, aber der Typ strotzte nur so vor Selbstbewusstsein und Sex. Als der Sani die Arme vor dem breiten Brustkorb verschränkte, gewährte er Slake eine erstklassige Aussicht auf seine Tattoos, die sich wie ein Ärmel von seinen Fingern bis zum Bizeps zogen, wo sie unter der Uniform verschwanden, bis sie über seinem Kragen wieder auftauchten. Das Kunstwerk endete kurz unter seinem Unterkiefer, und Slake beschloss, dass er es sich unbedingt einmal aus der Nähe ansehen müsste. Er liebte Tattoos.
Und vielleicht würde er aus der Nähe auch erkennen können, welcher Spezies – oder Rasse – dieser Dämon angehörte, denn er war definitiv ein Dämon. Slakes Fähigkeit, eine blaue, menschliche Aura von der orangeroten eines Dämons zu unterscheiden, ließ keinen Zweifel zu. Nicht dass Slake wählerisch gewesen wäre, was seine Bettgenossen anging, aber einen Dämon zu ficken, der auf der Ufelskala des Bösen als Fünf eingeschätzt wurde, war selbst ihm zu riskant. Vier war schon schlimm genug, aber bei einer Fünf wusste man nie, ob der Kerl einen nicht abmurksen würde, sobald man gekommen war.
Oder auch vorher.
In der Nähe der Toiletten kam es zu einem Handgemenge, das seine Aufmerksamkeit von dem Sanitäter ablenkte, doch ein paar Rausschmeißer beendeten es, ehe allzu viel Blut geflossen war. Zweifellos war dieser Kampf nur der erste von vielen heute Nacht, aber das ging Slake nichts an. Er schlenderte durch den Club, auf der Suche nach seiner Zielperson. Es waren schätzungsweise anderthalb Millionen Frauen da, aber nicht eine von ihnen ähnelte der zierlichen, schwarzhaarigen Asiatin auf dem Foto, dass ihm sein Boss bei Dire & Dyre vor zwei Monaten gegeben hatte, der Anwaltskanzlei, bei der er als Beschaffer angestellt war. Jepp, wenn ein Klient irgendetwas oder irgendjemanden unbedingt haben wollte, schickten sie Slake, um es zu beschaffen.
Nur dass dieser Job anders war. Dieser Job würde über den Rest von Slakes Leben bestimmen.
Und den Rest seines Lebens nach dem Tod.
Aber, hey, wie schon sein Boss festgestellt hatte, es ging hier ja nur um seine Seele.
Dieses Arschloch.
Als er eine leere Sitzecke in der Nähe eines Ausgangs zu den Abwasserkanälen erspähte, eilte er auf der Stelle dorthin und knurrte einen stämmigen Dämon mit grüner Haut an, der versuchte, vor ihm auf die Sitzbank zu schlüpfen. Der Dämon stieß einen Fluch aus, doch nach einem kurzen Blick auf das Waffenarsenal, das unter Slakes Jacke hervorblitzte, überlegte er es sich offensichtlich anders.
Nachdem ein Kellner Slake einen doppelten Whiskey – pur – gebracht hatte, machte er es sich gemütlich, in der Hoffnung, seine Zielperson würde sich noch blicken lassen. Doch in der Zwischenzeit konnte es sicher nicht schaden, den Sani im hinteren Teil des Clubs etwas näher zu betrachten.
Der Mann war wirklich etwas Besonderes. Sogar seine Hautfarbe war perfekt: nicht zu stark gebräunt, aber auch nicht blass. Und angesichts seines rötlichen Haars, das er hinten kürzer als vorne trug, würde Slake jede Wette eingehen, dass er aus der Nähe einige Sommersprossen erspähen würde, die nur darauf warteten, von einer Zunge liebkost zu werden.
Bei dem Gedanken lief Slake das Wasser im Munde zusammen, und er musste sein Gewicht ein wenig verlagern, um mehr Raum in seiner Lederhose zu schaffen. Trotzdem ließ er sich durch seine Lust keineswegs von seiner Mission ablenken. Nicht, wenn Erfolg auch Freiheit bedeutete … und Versagen hieß, dass er sich für immer von seiner Seele verabschieden konnte.
Er kippte die Hälfte seines Drinks auf einmal hinunter und griff nach seinem Handy, als das Ding auch schon in seiner Manteltasche vibrierte. Der Name, der zusammen mit einem kurz angebundenen Bist du da? auf dem Display auftauchte, war genau der, den er schon seit Tagen hatte sehen wollten. In der Hoffnung auf ein paar gute Nachrichten von seinem Lieblingsunterweltspion tippte er eine Nachricht.
Hey, Atrox, das wurde aber auch Zeit. Sag mir, dass du Neuigkeiten für mich hast.
Auf die Antwort musste er unerträglich lange warten; Atrox’ fette Finger und lange Klauen eigneten sich nun mal nicht für das Tastenfeld eines Touchscreens. Der reptilienartige Dämon musste mit seinen Knöcheln tippen, was Slake ziemlich belustigt hatte … bis der Eidechsenjunge Slake mit diesen Knöcheln umgehauen hatte.
Endlich gab das Handy einen Piepton von sich. Hab einen Hinweis. Einer der Kerle, die ich letzte Nacht in die Mangel genommen hab, ist Stammgast im Thirst. Er sagt, er hätte den Sukkubus ein paarmal in Gesellschaft eines Mannes mit roten Haaren und jeder Menge Tattoos auf dem rechten Arm gesehen.
Rote Haare und Tattoos. Slake sah zu dem heißen Sanitäter und grinste.
Dieser Auftrag war soeben interessant geworden.
Das Blut floss heute Nacht in Strömen.
Sicher, das galt im Grunde für jede Nacht im Thirst, aber Raze hatte heute besonders viel zu tun: Da waren zum einen die Vampire, die sich von den Menschen nährten, und zum anderen die Streitigkeiten, die immer wieder zwischen Angehörigen sämtlicher Spezies ausbrachen, da der Vollmond unmittelbar bevorstand … und das hieß, dass Raze sehr beschäftigt und inzwischen ziemlich erschöpft war. Sein Dienst dauerte schon neun Stunden, und er hatte nur ein Mal kurz verschnaufen können. Als er jetzt einen weiteren hitzigen Streit an der Bar ausbrechen sah, wusste er, dass es an der Zeit war, sich seine Ausrüstung zu schnappen, um die nächsten Opfer zusammenzuflicken.
Was wirklich schade war, da ihn dieser dunkelhaarige Mann, der ganz allein in der gegenüberliegenden Ecke saß, wirklich faszinierte. Ihn so sehr faszinierte, dass Raze zum ersten Mal seit Jahren versucht war, einem Verlangen nachzugeben, das er sonst stets verleugnete.
Der Streit eskalierte, es kam zu körperlicher Gewalt, an der bald nicht nur die ursprünglichen drei Aufwiegler, sondern acht, nein, zehn Kerle beteiligt waren. Eine der Barkeeperinnen, eine Löwengestaltwandlerin namens Lexi, rief nach den Rausschmeißern, die sich bereits auf den Weg gemacht hatten. Sie begannen sogleich damit, die Leute zu trennen, aber erst als sich der Clubbesitzer Nate und der Manager Marsden, beide Vampire, einmischten und die Kämpfenden beiseiteschleuderten wie Lumpenpuppen, gelang es, die Prügelei zu beenden.
Während sich Raze auf die Behandlung der Wunden vorbereitete und Handschuhe überzog, schlichen die meisten Beteiligten wie geprügelte Hunde davon, um sich die Wunden zu lecken; nur ein haariger Kerl mit Hörnern wurde mit einem Fußtritt durch die Seitentür nach draußen befördert. Ein weiterer, der seine Hand auf eine sprudelnde Wunde an seinem Oberschenkel drückte, wurde fluchend und knurrend in den Behandlungsraum gezerrt und auf den Untersuchungstisch fallen gelassen.
Nach einem mitfühlenden Blick auf Raze sahen Marsden und Lexi zu, dass sie schleunigst wegkamen, ehe Raze sie um Hilfe bitten konnte.
»Vielen Dank auch, Leute«, rief Raze ihnen hinterher. »Aber kommt ja nicht zu mir und heult, wenn ihr euch das nächste Mal beim Limonenzerteilen schneidet.«
Lexi warf ihm über die Schulter ein freches Grinsen zu, während sie ihm den frisch verbundenen Mittelfinger entgegenreckte. Mars tat dasselbe, abgesehen von dem frechen Grinsen und dem Verband.
Lachend drehte er sich zu dem Patienten um, der seiner höhnischen Miene zufolge nicht über denselben Sinn für Humor verfügte wie Mars und Lexi.
Ach verdammt, Raze hätte heute Morgen einfach nicht ans Telefon gehen sollen, als die Nummer des Thirst auf dem Display erschienen war. Das hätte eigentlich sein freier Tag sein sollen, sowohl im Club als auch im Underworld General. Nicht dass er irgendwelche aufregenden Pläne gehabt hätte. Es liefen ja nicht mal ein paar gute neue Filme.
Der Patient blickte Raze mit gefletschten Zähnen an; seine langen Fangzähne wiesen darauf hin, dass der Kerl kein Mensch war. Aufgrund des moschusartigen Gestanks, der von ihm ausging, würde Raze auf eine Art Tiergestaltwandler oder Wergeschöpf tippen, aber angesichts des nahenden Vollmonds und dessen Auswirkungen auf Wergeschöpfe war wohl Letzteres wahrscheinlich.
»Wie heißt du?«, fragte Raze, während er das Tablett mit der Erste-Hilfe-Ausrüstung zu sich heranzog.
»Beiß mich!«
Oh ja, mit dem würde er noch Spaß kriegen. »Okay, Beißmich, welcher Spezies gehörst du an?«
Beißmich kniff die Augen zusammen. »Scheiße, was spielt das denn für eine Rolle? Behandelst du mich anders, wenn ich etwas bin, das du nicht leiden kannst?«
Offenbar war Beißmich nicht nur schlecht gelaunt, wenn er betrunken war, sondern gehörte auch noch zu jenen amüsanten Leuten, die dachten, es ginge bei allem nur um sie und ihre persönlichen Ansichten. »Das ist wichtig, weil jede Spezies und jede Rasse einzigartig ist. Jede hat verschiedene medizinische Bedürfnisse und reagiert anders auf eine Behandlung.« Beißmich schien noch nicht überzeugt zu sein, also fuhr Raze fort. »Hunde können Aspirin vertragen, aber für Katzen ist es giftig. Oni-Dämonen gehen in Flammen auf, wenn sie Wasserstoffperoxid ausgesetzt werden, aber auf Sora-Dämonen hat das Zeug dieselbe Auswirkung wie Alkohol auf Menschen.« Er wies auf das Nahtmaterial auf dem Tablett. »Einige Spezies vertragen meine heilenden Kräfte nicht und benötigen traditionellere Methoden für das Verschließen ihrer Wunden. Also hör schon damit auf, dich wie der letzte Arsch anzustellen, und sag mir, was du bist.«
Beißmichs Körper strahlte eine Welle des Hasses aus, während er Raze provozierend anstarrte. »Rate mal.«
»Na ja«, sagte Raze gedehnt, »angesichts deiner überentwickelten Eckzähne, des widerlichen Gestanks und der überschäumenden Persönlichkeit würde ich sagen, du bist ein Werwolf.«
»Es heißt Warg, du Seminus-Abschaum«, knurrte der Kerl.
Raze’ Hand zuckte vor Überraschung. Nicht wegen des Worts »Warg«, wie sich die Werwölfe vorzugsweise nannten, sondern weil der Kerl wusste, was ein Seminus-Dämon war. Er behielt einen neutralen Gesichtsausdruck bei, da er diesen Dämlack mit Monobraue nicht wissen lassen wollte, dass er einen Nerv getroffen hatte.
»Gratuliere«, sagte er ausdruckslos. »Du hast eine extrem seltene Rasse von Sexdämonen korrekt identifiziert.«
Die Oberlippe des Kerls kräuselte sich. »Das liegt daran, dass ich schon zwei von euch Scheißkerlen umgelegt hab.«
Raze holte tief Luft, um Ruhe zu bewahren. Es kam viel zu oft vor, dass Leute Seminus-Dämonen umbrachten, und leider viel zu häufig verdientermaßen. Raze wollte nicht mal darüber nachdenken, wie er den zweiten von zwei Reifungsprozessen durchstehen sollte, sollte es ihm nicht gelingen, eine Gefährtin zu finden, bis er hundert war. Dann würde Folgendes passieren: Er würde zeugungsfähig werden, eine Markierung im Gesicht erhalten und von einem unheiligen, unkontrollierbaren Verlangen nach Sex überkommen werden. In nur fünfzig kurzen Jahren würde er sich zu einer Bestie entwickeln, deren hauptsächlicher Instinkt es war, sich zu vermehren. Und jede Frau, die sich in Reichweite seines Schwanzes befand, würde zu seiner Beute werden, willentlich oder nicht.
Männer sämtlicher Spezies töteten ausgewachsene Sems, sobald sie ihrer ansichtig wurden, was Raze durchaus verständlich fand. Vor allem im Hinblick auf die Tatsache, dass sämtlicher Nachwuchs, der einer Seminus-Paarung entsprang, wiederum als männlicher Seminus-Dämon auf die Welt kam, ganz egal, welcher Rasse die Mutter angehörte. Raze’ eigene Mutter hatte irgendeiner Art von Höhlen bewohnenden Dämonen angehört, aber selbst die DNA-Tests, die am Underworld General durchgeführt worden waren, hatten die genaue Spezies nicht identifizieren können, geschweige denn die Rasse.
»Schön für dich«, sagte Raze, als er die Hand wenig zartfühlend auf die Wunde des Werwolfs klatschen ließ und seine Heilungskräfte aktivierte. Brennende Energie strömte durch die Markierungen auf seinem Arm und ließ sie aufleuchten wie geschmolzenes Metall. Vor seinem geistigen Auge sah er, wie zerrissene Gefäße, Adern und Gewebe in der Wunde zusammenzuwachsen begannen. »Nicht jeder, der es mit einem Sem aufnimmt, überlebt diese Erfahrung. Also, willst du mir deinen Namen verraten? Oder soll ich dich lieber weiterhin Beißmich nennen? Mir ist das egal.«
»Ich bin Heath, du Dämonenparasit.«
»Parasit? Das finde ich doch ein wenig hart. Und unoriginell.« Raze entsandte eine weitere Energiewelle in Heaths Bein – aber nicht, um zu heilen. Diesmal bestand sie aus Schmerz. Als Heath aufschrie, lächelte Raze. »Leg dich niemals mit dem Kerl an, der dich gerade zusammenflickt, Arschloch. Ich kann dich genauso gut töten wie heilen, und mein Boss ist verdammt gut darin, Leichen verschwinden zu lassen. Vergiss das nicht.«
Heath beugte sich mit gefletschten Zähnen vor, während seine Eckzähne länger wurden. »Ich würde lieber sterben, als mich von einem dreckigen Dämon heilen lassen.«
»Vor mir a–«
In einem plötzlichen Wutanfall packte der Mistkerl Raze bei der Kehle und riss ihn von den Füßen. Der Kerl war stark, aber schließlich waren Werwölfe für ihre Kraft bekannt. Und für ihren schlechten Atem.
Der Werwolf stand auf und hob Raze mit sich in die Höhe; seine Finger drückten Raze’ Luftröhre mit tödlichem Griff zusammen. »Einer von euch Wichsern hat mir meine Frau gestohlen.«
Gab es etwas Abgedroscheneres als einen dickschädeligen Werwolf, der sich geschworen hatte, an einer ganzen Spezies Rache zu nehmen, nur weil er einmal erniedrigt worden war?
Raze hätte sich dahingehend geäußert, aber es war schon mühsam genug, nur zu atmen – sprechen kam gar nicht infrage. Als er über Heaths Schulter hinwegblickte, sah er, dass Marsden ihm zu Hilfe kam; seine breite, hochgewachsene Gestalt bewegte sich wie ein Bulldozer durch die Menge. Raze sah ihm in die Augen und blinzelte ihm zu, um ihm zu verstehen zu geben: Halt dich raus, ich werd allein damit fertig. Er fuhr seine Heilungskräfte mit einem Schlag hoch und presste die Finger auf Heaths Schläfe. Augenblicklich zerfetzte die Energie, mit der Raze normalerweise heilte, auf zellulärer Ebene Haut und Fleisch.
Der Werwolf schrie vor Schmerz auf und ließ Raze fallen. Der wirbelte herum, packte Heath im Nacken und zwang den Idioten, vor ihm her durch den hinteren Teil des Clubs bis zur Hintertür zu marschieren. Marsden folgte ihnen wie ein Schatten und überließ es Raze nur zu gern, mit seinen Problemen selbst fertigzuwerden, aber als Mars ins Sicherheitsbüro schlüpfte, wusste Raze, dass er alles über das hochmoderne Überwachungssystem im Auge behalten würde.
Raze schob die Tür auf und grinste spöttisch in die Kamera über ihm, während er Heath nach draußen schubste. Als sie in den strömenden Regen traten, startete der Idiot einen jämmerlichen Versuch, ihm eine zu verpassen. Raze war jetzt mit seiner Geduld am Ende. Mit einem harten Stoß ließ er den Kerl durch die Pfützen auf die Gasse hinausstolpern.
»Du hast hier ab sofort Hausverbot, Arschloch«, knurrte Raze.
»Fick dich.« Mit der einen Hand hielt sich Heath den Kopf, während er herumfuhr und Raze mit der anderen einen Kinnhaken verpasste.
Raze wurde so heftig gegen die geschlossene Tür geschleudert, dass es ihm das Rückgrat zu zerschmettern schien. Verdammt, das tat echt weh! Der Schmerz schoss mit solcher Wucht durch seinen Rücken und Brustkorb, dass ihm sogar das Atmen schwerfiel. Es blitzte, als der Werwolf erneut auf ihn zukam, aber Raze duckte sich und fuhr herum, sodass er gerade noch einem Hieb auswich, der eine ganze Reihe Knochen in seinem Gesicht zerschmettert hätte.
Dieser verfickte Dreckskerl! Den sollte man einschläfern wie einen tollwütigen Köter. Raze hatte Werwölfe noch nie gemocht, aber dieser dämliche, bockige Riesendämlack hier war schon ein besonderes Prachtexemplar.
Mit lautem Gebrüll stürmte Raze auf den Kerl zu und rammte ihm die Schulter in den Leib. Heath taumelte mit einem Uuuff rückwärts, wobei es ihm aber noch gelang, seine Faust wie einen Hammer auf Raze’ Nacken niederfahren zu lassen. Raze traf mit krachenden Kniescheiben auf dem Asphalt auf; in seinen Ohren klingelte es, und vor seinen Augen verschwamm alles. Er glaubte, ein schrilles Winseln zu hören, gefolgt von einem weiteren saftigen Uuuff, und als er endlich wieder klar sehen konnte, erblickte er als Erstes Heath, den Oberarsch, dessen Mund nur noch eine einzige blutende Wunde war, aus der er Blut, Zähne und … eine Murmel spuckte.
Noch ehe sich der Kerl von dem Angriff erholen konnte, der ihm die Visage zermanscht hatte, fuhr Raze seine Kraft hoch und sprang auf die Füße. Donner ließ die Luft erbeben, als er seinem Gegner einen rechten Haken verpasste, der den Werwolf umhaute, sodass er mit dem Gesicht nach unten regungslos auf dem Pflaster liegen blieb.
Er schüttelte die Faust, wohl wissend, dass er diesen Schlag später noch in seinen Knöcheln spüren würde. Dann nahm er im Augenwinkel eine Bewegung war. Langsam drehte er sich um, bis er im Schatten diesen in Leder gekleideten Mann erblickte, der ihn drinnen beobachtet hatte und der nun ganz zwanglos gegen die Mauer des auf der anderen Seite der Gasse stehenden Gebäudes gelehnt dastand.
In seiner Hand befand sich eine kleine, schimmernde Kugel von der Größe einer Murmel, die er auf der Handfläche springen ließ … genau wie die, die der Werwolf eben ausgespuckt hatte. Was auch immer das war, es handelte sich um eine verflucht mächtige Waffe. Aber als Raze den Fremden musterte, dessen Augen in einem unheimlichen, silbrigen Licht leuchteten, richteten sich die Härchen in seinem Nacken auf. So gefährlich dieses kleine, schimmernde Projektil auch war, sein Besitzer war noch weitaus tödlicher.
Wenn Slake zuvor noch nicht angeturnt gewesen wäre, hätte er spätestens jetzt einen Steifen bekommen, nachdem er beobachtet hatte, wie der Sanitäter diesen Werwolf umgenietet hatte. Welcher Spezies dieser Mann auch immer angehörte, er besaß tödliche Kraft in seinem rechten Arm, und selbst jetzt noch leuchteten seine Tattoos, die die restliche Energie pulsieren ließ.
Slake drehte die glatte, eiskalte Sinisphäre zwischen den Fingern, ehe er sie in die Tasche steckte und sich von der Mauer abstieß. »Nicht übel, Mann. Du hast diesen Kerl richtig fertiggemacht.«
Der Sanitäter wies auf den bewusstlosen Werwolf. »Aber ich hab ihn nicht dazu gebracht, seine Beißerchen auszuspucken.«
Slake zuckte mit den Achseln. »Ich hab ein paar echt coole Spielzeuge.«
Der Sanitäter murmelte etwas, das sich anhörte wie »Da wette ich drauf«.
Slake grinste. Er besaß tatsächlich ein paar großartige Spielzeuge, und einige davon eigneten sich weder zum Töten noch zum Verstümmeln. »Ich bin Slake.«
»Raze.« Raze beugte sich über den Werwolf, was Slake einen verlockenden Ausblick auf seinen Hintern erlaubte, der sich, verpackt in diese perfekt sitzende schwarze Hose im Militärstil, wie ein Geschenk präsentierte. Slake sah zu, wie er den bewusstlosen Idioten bei den Knöcheln packte und auf das Höllentor zuzerrte, durch das Slake hergekommen war. Das Tor, das für menschliche Augen unsichtbar war, war in die Mauer eingelassen; der Torbogen schimmerte einladend. Raze verschwand mit dem Werwolf darin, um gleich darauf wieder hinauszuspringen, als sich das Tor schloss.
»Wohin hast du ihn geschickt?«
»Ins Underworld General. Sollen die sich um den Arsch kümmern.«
Slake schnaubte. »Dann bist du netter als ich. Ich hätte ihn hier liegen und den Geiern zum Fraß gelassen.«
»Die Geierpopulation New Yorks ist nicht gerade sehr umfangreich.« Raze zog etwas aus der Tasche, wickelte es aus und steckte es sich in den Mund. »Allerdings haben wir ein ziemliches Problem mit Werwölfen.«
Soweit es Slake betraf, hatte die ganze Welt ein ziemliches Problem mit Werwölfen. Dumme Köter. Die vertrugen sich ja nicht mal mit Angehörigen ihrer eigenen Spezies. »Das verstehe ich gut. Da haben wir etwas gemeinsam.«
Raze’ Schultern versteiften sich kaum merklich für eine Sekunde, ehe er sich auf den Weg zur Tür in den Club machte. »Ich hatte ja keine Ahnung, dass du auf der Suche nach neuen Freunden bist.«
So lief das also – der Junge zierte sich. Das Spiel konnte Slake mitspielen. Zumindest für eine Weile. Der Sanitäter hatte ihm genug Blicke zugeworfen, dass Slake sicher war, dass er Männer bevorzugte. Aber wenn Raze tatsächlich der Typ war, der mit Fayle rumgehangen hatte, von dem Atrox erzählt hatte, könnte das die Sache ein wenig verkomplizieren.
Oder aber alles würde verdammt einfach werden: den Kerl ficken, das Mädchen mitnehmen, eine Seele retten.
Seine Seele.
»Ich habe nichts von Freundschaft gesagt.« Slake bewegte sich auf Raze zu. Langsam. Entschlossen. »Aber ich hätte nichts dagegen, dich ein bisschen besser kennenzulernen. Hast du eine Freundin?«
Raze blieb ein, zwei Meter vor dem Eingang stehen. »Nein.«
»Einen Freund?«
Raze fuhr herum, seine grünen Augen verdüsterten sich. »Du hast keine Ahnung, was ich bin, oder?«
»Sollte ich?« Slake näherte sich ihm weiter. Er genoss es, wie sich Raze’ Körper anspannte und er schneller atmete. »Bist du … gefährlich? Abgesehen von diesem ausgeflippten Scheiß, den du mit deinen Tattoos anstellst.«
Einer von Raze’ Mundwinkeln verzog sich zu einem halben Lächeln. »Ich bin nur dann gefährlich, wenn du mich wütend machst.«
»Und was, wenn ich dich glücklich mache?«
Raze stieß ein raues Lachen aus. »Mann, was willst du eigentlich von mir?«
Slake stand inzwischen direkt vor ihm, ein Stückchen zu nah. Entweder würde der Kerl die Stellung halten oder zurückweichen, aber was er auch tat, es würde Bände sprechen.
Die schmale Lücke zwischen ihnen war von Anspannung erfüllt, pulsierte wie ein Herzschlag. Raze überragte den gut ein Meter neunzig großen Slake noch um ein, zwei Zentimeter, aber Slake war sicher gut zehn Kilo schwerer. Wie sie so dastanden und einander musterten, musste Slake Raze schon dafür bewundern, dass er nicht einen Millimeter zurückwich. Die meisten Kerle, die ihn so nah heranließen, taten es aus reiner Macho-Arroganz, aber die Berechnung und Intelligenz in Raze’ Augen verrieten, dass er es aus einem anderen Grund tat.
Raze fühlte sich zu ihm hingezogen.
Aber er war misstrauisch. Was schlau war.
»Was ich von dir will?« Slake streckte die Hand aus und fuhr mit dem Finger über Raze’ Halsschlagader. Wieder beobachtete er. Wägte er ab. Und hoffte. »Ich würde dir gern einen Drink spendieren. Ist das zu viel verlangt?«
»Ich trinke nicht.«
»Warum nicht?« Für einige Spezies war Alkohol das reinste Gift, während er auf andere überhaupt keine Wirkung zeigte, ganz gleich, wie viel sie davon zu sich nahmen. Jeder andere, der nicht trank, war Slakes Meinung nach einfach nur seltsam.
Raze’ Hand fuhr hoch und packte Slakes Handgelenk mit einem Griff, der irgendwo zwischen Schmerz und … na ja, Nicht-Schmerz lag. Aber es fühlte sich gut an, berührt zu werden. Zu gut.
»Ich werde von Alkohol nicht betrunken, aber er bringt mich dazu, mir das zu wünschen, was ich nicht haben kann.«
»Und was ist das?«, fragte Slake leise.