Demonica - Verführt - Larissa Ione - E-Book

Demonica - Verführt E-Book

Larissa Ione

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Beschreibung

Als Dämonenjägerin führt Tayla Mancuso ein Leben voller Gefahren. Eines Tages wird sie verletzt in ein Krankenhaus eingeliefert, das von Dämonen in Menschengestalt geleitet wird. Der Chefarzt der Klinik, der attraktive Eidolon, rettet Tayla das Leben und weckt eine tiefe Leidenschaft in ihr. Doch als Inkubus ist er eigentlich ihr Erzfeind. Auch Eidolon fühlt sich zu der heißblütigen und gefährlichen Jägerin hingezogen. Er glaubt, in ihr seine Seelengefährtin gefunden zu haben. Da werden einige Dämonen ermordet aufgefunden, deren Leichen grausam verstümmelt wurden. Eidolon und Tayla machen sich auf die Suche nach dem Mörder.

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Seitenzahl: 572

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Inhalt

Widmung

Begriffserläuterungen

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Über die Autorin

Liebe Leser…

Nachwort

Impressum

 

Roman

Ins Deutsche übertragen von Bettina Oder

 

Dieses Buch ist jedem einzelnen Menschen gewidmet, der meiner Familie nach dem Hurrikan Katrina zu Hilfe gekommen ist … Ich habe es vor allem auch euch zu verdanken, dass ich wieder auf die Beine gekommen bin und das Schreiben nicht aufgegeben habe. Ohne euch wäre dieses Buch nicht möglich gewesen. Ich kann euch gar nicht oft genug danken, und ihr sollt wissen, dass ich euch das niemals vergessen werde.

Für meine Eltern, die meinen Traum von Anfang an unterstützt haben. Ich liebe euch so sehr.

Für meinen Mann Bryan und meinen Sohn Brennan, die sich an zahllosen Abenden klaglos damit abfanden, von mir zu hören: »Um euer Abendessen müsst ihr euch selbst kümmern«, wenn sich ein Abgabetermin näherte. Ihr bedeutet mir alles.

Für Roberta Brown, weil sie eine unglaubliche Agentin ist und an mein schriftstellerisches Talent glaubt, und für Melanie Murray, die dieses Projekt so geduldig, hilfreich und enthusiastisch unterstützt hat.

Für HelenKay Dimon, Alison Kent, Lynn Viehl … ihr wisst schon, warum.

Für meine lieben Gnippers, die mich schon viele Jahre lang immer wieder anfeuern. (Anmerkung der Übersetzerin: Gnip ist eine Yahoo-Gruppe von Freunden, die sich alle für Tiere interessieren)

Und zu guter Letzt für Karen Boss und Dee Knight, die sich trotz voller Terminkalender die Zeit genommen haben, meinen Text gegenzulesen und mir den besten Ratschlag aller Zeiten zu geben. Und für Stephanie Tyler, Jaci Burton und Lara Adrian, aus mehr Gründen, als ich an dieser Stelle auflisten könnte.

Begriffserläuterungen

Die Aegis – Eine Gruppe menschlicher Krieger, die ihr Leben der Aufgabe gewidmet haben, die Welt vor dem Bösen zu schützen. Das «g« in Aegis wird gesprochen wie in Pager. Siehe: Wächter, Regent, Siegel.

Dresdiin – Das dämonische Äquivalent der Engel.

FCC – Federal Communications Commission, Zulassungsbehörde für Kommunikationsmittel in den USA, die Strafen für das Senden obszöner Worte erteilt.

Höllentore – Vertikale Portale, die für Menschen unsichtbar sind und die Dämonen dazu benutzen, um zwischen Orten auf der Erde und Sheoul hin und her zu reisen.

Infadre – Ein weiblicher Dämon, der von einem Seminus-Dämon geschwängert wurde.

Maleconcieo – Höchste Ebene der Dämonenregierungen, in der der Rat jeder Spezies von einem Repräsentanten vertreten wird. Die UN der Dämonenwelt.

Orgesu – Ein dämonischer Sexsklave; entstammt häufig einer Rasse, die eigens zu dem Zweck gezüchtet wurde, Sex anzubieten.

Rat – Sämtliche Spezies und Rassen von Dämonen werden von einem Rat regiert, der Gesetze erlässt und individuelle Mitglieder seiner Spezies und Rasse bestraft.

Regent – Der Leiter einer regionalen Aegis-Zelle.

S’genesis – Abschließender Reifezyklus, den ein Seminus-Dämon im Alter von einhundert Jahren durchläuft. Ein männlicher Seminus-Dämon, der dieses Stadium durchlaufen hat, ist zur Fortpflanzung fähig und besitzt die Fähigkeit zur Gestaltwandlung, sodass er das Aussehen eines Angehörigen jeder beliebigen Dämonenspezies annehmen kann.

Sheoul – Dämonenreich, tief in den Eingeweiden der Erde gelegen; nur durch Höllentore zu erreichen.

Siegel – Gremium von zwölf Menschen, die Älteste genannt werden und als oberste Leitung der Aegis fungieren. Ihr Hauptsitz liegt in Berlin, doch sie beaufsichtigen sämtliche Aegis-Zellen auf der ganzen Welt.

Ter’taceo – Dämonen, die sich als Menschen ausgeben können, entweder weil ihre Spezies von Natur aus dem Menschen ähnelt oder weil sie menschliche Gestalt annehmen können.

Wächter – Krieger der Aegis, die in Kampftechniken, Waffenkunde und Magie ausgebildet werden. Bei ihrem Eintritt in die Aegis erhalten alle Wächter ein magisches Schmuckstück mit dem Wappenschild der Aegis, das ihnen unter anderem ermöglicht, bei Nacht so gut wie am Tag zu sehen und den dämonischen Unsichtbarkeitszauber zu durchschauen.

Dämonenklassifizierung nach Baradoc, Umbra-Dämon, anhand der Dämonenrasse Seminus:

Reich: Animalia

Klasse: Dämon

Familie: Sex-Dämon

Gattung: Terrestrisch

Spezies: Inkubus

Rasse: Seminus

1

Der Dämon ist ein Prinz der Luft und kann sich in verschiedene Gestalten verwandeln, unsere Sinne für eine gewisse Zeit ­verwirren; doch seiner Macht sind Grenzen gesetzt – er vermag uns in Schrecken zu versetzen, aber verletzen kann er uns nicht.

– Robert Burton, Die Anatomie der Schwermut

Wäre Eidolon nicht ausgerechnet im Krankenhaus gewesen, hätte er den Kerl, der um sein Leben bettelte, getötet.

So aber musste er den Schweinehund retten.

»Manchmal ist es echt das Letzte, Arzt zu sein«, murmelte er und jagte dem Dämon im menschlichen Anzug eine Spritze Hämoxacin in den Leib.

Als die Nadel das zerfetzte Gewebe seines Oberschenkels durchstieß und das Medikament zur Blutsterilisierung in die Wunde gepresst wurde, schrie der Patient auf.

»Hast du ihn denn nicht betäubt?«

Eidolon schnaubte lediglich, als er die Frage seines jüngeren Bruders vernahm. »Der Zufluchtzauber hält mich davon ab, ihn umzubringen, erlaubt aber durchaus, während der Behandlung für ein bisschen Gerechtigkeit zu sorgen.«

»Du kannst deinen alten Job einfach nicht vergessen, was?« Shade schob den Vorhang beiseite, der zwei der drei Kabinen der Notaufnahme voneinander trennte, und trat ein. »Dieser verdammte Scheißkerl frisst Babys. Komm schon, lass mich ihn mal kurz rausschieben, damit ich ihm seinen erbärmlichen Arsch aufreißen kann.«

»Wraith hat sich schon freiwillig gemeldet.«

»Wraith meldet sich grundsätzlich freiwillig, um sämtliche Patienten um die Ecke zu bringen.«

Eidolon grunzte. »Vermutlich ist es ganz gut, dass sich unser kleiner Bruder nicht in den Kopf gesetzt hat, Karriere als Arzt zu machen.«

»Ich doch auch nicht.«

»Aber du hattest andere Gründe.«

Shade hatte keine Lust gehabt, so viel Zeit für ein Studium zu verschwenden, vor allem, weil sich seine Heilergabe viel besser für das Gebiet eignete, das er sich letztlich ausgesucht hatte: die Paramedizin. Dabei ging es vor allem darum, die Patienten von der Straße zu kratzen und so lange am Leben zu erhalten, bis die Belegschaft des Underworld General sie wieder zusammenflicken konnte.

Als Eidolon die schwerwiegendste Verletzung des Patienten untersuchte, tropfte Blut auf den Fußboden aus Obsidian. Eine Umbra-Dämonin – dieselbe Spezies, der Shades Mutter angehörte – hatte den Patienten dabei erwischt, wie er sich in ihr Kinderzimmer schleichen wollte, und hatte es irgendwie geschafft, ihn zu durchbohren. Mehrmals. Mit einer Klobürste.

Aber schließlich waren Umbra-Dämonen für ihre zierliche Gestalt außergewöhnlich kräftig. Vor allem die Frauen. Eidolon hatte den Einsatz dieser Kraft schon verschiedentlich im Bett genießen dürfen. Er hatte sogar vor, eine Umbra-Frau zu seiner ersten Infadre zu machen, wenn er dem abschließenden Reifungszyklus, in den sein Körper eingetreten war, nicht länger standhalten konnte. Umbras waren gute Mütter und töteten nur selten den ungewollten Nachwuchs eines Seminus-Dämons.

Er verdrängte die Gedanken, die ihn in letzter Zeit immer öfter plagten, während die Wandlung fortschritt, und warf einen Blick auf das Gesicht des Patienten. Die Haut, die eigentlich eine dunkle, rötlich braune Färbung hätte aufweisen sollen, war bleich vor Schmerz und Blutverlust.

»Wie heißt du?«

Der Patient stöhnte. »Derc.«

»Hör mal gut zu, Derc. Ich werde dieses unansehnliche Loch reparieren, aber das wird wehtun. Und zwar ordentlich. Versuch einfach, dich nicht zu bewegen. Oder wie ein jämmerlicher kleiner Kobold zu kreischen.«

»Gib mir was gegen die Schmerzen, du Scheißparasit«, stieß Derc zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

»Doktor Parasit.« Eidolon nickte in Richtung Instrumententablett, und Paige, eine der wenigen menschlichen Krankenschwestern, reichte ihm die Klammern.

»Derc, mein Freund, hast du vielleicht zufällig eines der Jungen der Umbra-Dämonin verspeist, bevor sie dich erwischt hat?«

Als Derc den Kopf schüttelte, die scharfen Zähne gefletscht, die Augen orange glühend, war Shade sein Hass deutlich anzumerken.

»DannistheutewohlnichtdeinGlückstag.Essenhastdukeinsbekommen,undgegendieSchmerzenbekommstduauchnichts.«

Eidolon gestattete sich ein grimmiges Lächeln, während er die beschädigte Arterie an zwei Stellen klammerte. Derc stieß widerwärtige Flüche aus und kämpfte gegen die Fixierungen an, die ihn auf dem Metalltisch festhielten.

»Skalpell.«

Paige reichte ihm das gewünschte Instrument, und er setzte einen fachmännischen Einschnitt zwischen den Klammern. Shade trat näher heran, um zuzusehen, wie sein Bruder das zerfetzte Arteriengewebe wegnahm und dann die frisch gesäuberten Enden zusammenhielt. Ein warmes Kribbeln lief Eidolons rechten Arm entlang und an seinen Dermalmarkierungen hinunter, bis in die Spitzen seiner behandschuhten Finger. Die Enden verschmolzen miteinander. Der Babyfresser würde keine Angst haben müssen zu verbluten. Wenn es hingegen nach dem Ausdruck auf Shades Gesicht ging, war Angst durchaus die angemessene Reaktion bei der Frage, ob er es überleben würde, das Krankenhaus zu verlassen.

Es wäre nicht das erste Mal, dass er ein Leben gerettet hatte, nur damit es gleich darauf wieder genommen wurde, kaum dass der Patient entlassen war.

»Der Blutdruck fällt.« Shades Blick war auf den Monitor neben dem Operationstisch gerichtet. »Könnte der Schock sein.«

»Irgendwo muss es noch eine weitere Blutung geben. Sieh zu, dass du seinen Blutdruck stabilisierst.«

Widerwillig legte Shade seine große Hand auf Dercs Stirn, die von Knochenrillen zerfurcht war. Die Zahlen auf dem Monitor fielen kurz ab, um gleich darauf wieder anzusteigen und stabilisierten sich dann, aber dieser Zustand war nur vorübergehend.

Shades Kräfte vermochten kein Leben zu erhalten, das nicht mehr vorhanden war, und wenn Eidolon das Problem nicht fand, würde nichts, was Shade tat, helfen.

Eine eilige Überprüfung der anderen Wunden ließ nichts erkennen, das den Rückgang der Vitalfunktionen erklärt hätte. Doch dann fand Eidolon gleich unter der zwölften Rippe des Patienten eine frische Narbe. Unter der schnurgeraden Linie schien es zu brodeln.

»Shade.«

»Bei den Feuern der Hölle«, flüsterte Shade. Mit einem Ruck hob er den Kopf und fuhr sich durch das nahezu pechschwarze Haar, das schulterlang und damit länger als das seines Bruders war, aber dieselbe Farbe hatte. »Es ist vielleicht gar nichts. Vielleicht sind es keine Ghule.«

Ghule. Nicht die kannibalischen Ungeheuer aus den Erzählungen der Menschen, sondern der Begriff für solche, die Dämonen zerstückelten, um die Einzelteile auf dem Schwarzmarkt der Unterwelt zu verkaufen.

Einerseits hoffte Eidolon, dass sein Bruder recht hatte; andererseits war er schließlich auch nicht erst gestern aus dem Mutterleib gerissen worden. Sanft drückte er auf die Narbe. »Derc, was ist hier passiert?«

»Hab mich geschnitten.«

»Das ist eine Operationsnarbe.«

Das UG war die einzige medizinische Einrichtung der Welt, die Operationen an ihrer Art vornahm, und Derc war nie zuvor hier behandelt worden.

Eidolon nahm den beißenden Gestank der Angst wahr.

»Nein. Es war ein Unfall.« Derc ballte die Hände zu Fäusten. Seine lidlosen Augen rollten wild in ihren Höhlen. »Ihr müsst mir glauben.«

»Derc, beruhige dich. Derc?«

Wildes Piepen ertönte – die Überwachungsgeräte schlugen Alarm, und der Babyfresser begann zu zucken.

»Paige, schnapp dir sofort den Notfallwagen. Shade, du sorgst dafür, dass er am Leben bleibt.«

Ein unheimliches Wimmern schien jetzt aus jeder Pore in Dercs Haut zu quellen, und ein Gestank nach verfaulendem Speck und Lakritz breitete sich in dem beengten Raum aus. Paige erbrach ihr Mittagessen in den Abfalleimer.

Auf dem Herzmonitor erschien eine gerade Linie. Shade nahm seine Hand von der Stirn des Patienten.

»Ich hasse es, wenn sie das tun.« Eidolon fragte sich, was Derc so sehr in Angst versetzt haben mochte, dass er seine eigenen Vitalfunktionen zum Stillstand kommen ließ. Er öffnete die Narbe mit einem glatten Skalpellschnitt; wohl wissend, was er finden würde – aber er musste es mit eigenen Augen sehen.

Shade wühlte in der Tasche seines Uniformhemds, bis er sein stets präsentes Päckchen Kaugummi gefunden hatte. »Was fehlt?«

»Der Pan-Tai-Sack. Er verarbeitet die Abfallprodukte der Verdauung und führt sie dem Körper wieder zu, sodass seine Spezies weder urinieren muss noch Stuhlgang hat.«

»Praktisch«, murmelte Shade. »Was will man denn damit anstellen?«

Paige reinigte sich den Mund mit einem Tupfer. Ihre Hautfarbe wirkte immer noch grünlich, obwohl der Todesgestank des Patienten inzwischen fast verflogen war. »Der Inhalt wird bei einigen Voodoo-Flüchen verwendet, die die Verdauung betreffen.«

Shade schüttelte den Kopf und reichte der Krankenschwester ein Kaugummi. »Ist denn heutzutage überhaupt nichts mehr heilig?« Er wandte sich an Eidolon. »Warum haben sie ihn nicht umgebracht? Die anderen haben sie umgebracht.«

»Lebend war er mehr wert. Seiner Spezies wächst innerhalb einiger Wochen ein neues Organ.«

»Das sie dann wieder ernten könnten.« Shade stieß eine ganze Reihe Flüche aus, und einige davon waren Eidolon in den hundert Jahren, die sein Leben nun schon währte, noch nie zu Ohren gekommen. »Es muss die Aegis sein. Diese kranken Mistkerle.«

Wer auch immer diese Mistkerle waren, sie waren fleißig gewesen. Im Verlauf der beiden vergangenen Wochen hatten die Sanitäter zwölf verstümmelte Leichen ins Krankenhaus gebracht, und der Grad der Gewalt hatte stetig zugenommen. Einige der Opfer wiesen Anzeichen dafür auf, dass sie bei lebendigem Leib aufgeschlitzt worden waren – und bei vollem Bewusstsein.

Aberwasnochschlimmerwar:DenDämonenselbstwardasGanzevollkommengleichgültig,unddiewenigen,denendieTodesfälleSorgemachten,weigertensich,mitdenRätenandererSpezieszusammenzuarbeiten,umeineUntersuchungindieWegezuleiten.Eidolonwareinervonihnen,nichtnur,weiljemandmitmedizinischemWissendarinverwickeltseinmusste,sondernweilesnureineFragederZeitwar,bevordieSchlächterjemandenerwischten,denerkannte.

»Paige, sag in der Pathologie Bescheid, dass sie die Leiche abholen, und sag ihnen auch, dass ich eine Kopie des Autopsieberichts haben will. Ich werde herausfinden, wer diese Arschlöcher sind.«

»Doc E!«

Eidolon war kaum ein Dutzend Schritte weit gekommen, als Nancy ihn von ihrem Platz hinter dem Schwesterntresen aus rief. Nancy war ein Vampir und schon vor ihrer Wandlung vor dreißig Jahren Krankenschwester gewesen. »Skulk hat gerade angerufen, sie bringt einen Cruentus. Voraussichtliche Ankunft in zwei Minuten.«

Eidolon hätte fast aufgestöhnt. Cruenti lebten, um zu töten. Ihr Verlangen zu morden war so unkontrollierbar, dass sie sich manchmal sogar in Stücke rissen, während sie sich paarten. Ihr letzter Cruentus-Patient hatte sich losgerissen und das halbe Krankenhaus verwüstet, bevor sie es geschafft hatten, ihn zu sedieren.

»Bereite Raum zwei mit den goldenen Haltegurten vor und pieps Dr. Yuri an. Er mag Cruenti.«

»Außerdem sagte sie, dass sie einen Überraschungspatienten mitbringt.«

DiesesMalstöhnteertatsächlich.SkulksletzteÜberraschungwareinHundgewesen,dervoneinemAutoangefahrenwordenwar.EinHund,denermitnachHausehattenehmenmüssen,weilihnvorderNotaufnahmeauszusetzeneinefrischeMahlzeitfüreineunbestimmteAnzahlKrankenhausangestellterbedeutethätte.InzwischenhattederverdammteKöterdreiPaarSchuheaufgefressenunddieHerrschaftüberdieWohnungübernommen.

Shade schien hin- und hergerissen zu sein. Einerseits wollte er auf Skulk, seine Umbra-Schwester, wütend sein, andererseits wollte er mit Nancy flirten, mit der er schon zweimal im Bett war, zumindest soweit Eidolon wusste.

»Ich werde sie umbringen.« Offensichtlich hatte seine Wut gewonnen.

»Nicht, wenn ich zuerst bei ihr bin.«

»Sie ist für dich tabu.«

»Du hast nie gesagt, dass ich sie nicht umbringen darf«, entgegnete Eidolon. »Nur, dass ich nicht mit ihr schlafen darf.«

»Stimmt.« Shade zuckte die Achseln. »Dann bring sie von mir aus um. Meine Mom würde mir das eh nie vergeben.«

Damit hatte Shade wohl recht. Eidolon, Wraith und Shade waren reinrassige Seminus-Dämonen mit demselben, vor langer Zeit dahingeschiedenen Erzeuger, aber ihre Mütter gehörten alle verschiedenen Spezies an, und Shades Mutter war von ihnen die mütterlichste und fürsorglichste.

Rote Halogenleuchten begannen in ihren Fassungen an der Decke zu rotieren und verkündeten so die Ankunft der Ambulanz. Das Licht färbte den Raum blutrot, sodass die Schrift an den grauen Wänden noch hervorgehoben wurde. Diese trostlose Farbe war nicht Eidolons erste Wahl gewesen, aber auf ihr hafteten Zaubersprüche besser als auf jeder anderen, und in einem Krankenhaus, in dem jeder irgendjemandes Todfeind war, musste man jeden noch so kleinen Vorteil nutzen. Deshalb waren die Symbole und Beschwörungen modifiziert worden, um ihre beschützenden Kräfte zu steigern.

Statt mit Farbe waren sie mit Blut geschrieben worden.

Der Krankenwagen fuhr in die unterirdische Parkbucht der Notaufnahme, und Adrenalin schoss in Eidolons Adern. Er liebte diese Arbeit. Er liebte es, sein eigenes kleines Stück Hölle zu managen, dem Himmel so nah, wie er ihm überhaupt nur kommen würde.

Das Krankenhaus, das unter den geschäftigen Straßen von New York City und mithilfe von Zauberei direkt vor den Augen der ahnungslosen Menschen versteckt lag, war sein Ein und Alles. Mehr noch – es war sein Versprechen an alle Dämonen, ob sie nun in den Eingeweiden der Erde oder gemeinsam mit den Menschen auf ihr lebten. Sein Versprechen, dass sie ohne Diskriminierung behandelt werden würden, dass ihre Rasse nicht von allen aufgegeben worden war.

Die Schiebetüren der Notaufnahme glitten mit leisem Zischen auseinander, und Skulks Kollege, ein Werwolf, der alle und alles hasste, schob eine Trage herein, auf der ein mit Blut bedeckter und mit Gurten festgebundener Cruentus-Dämon lag. Eidolon und Shade schlossen sich Luc an, und obwohl sie beide weit über einen Meter neunzig groß waren, ließen die acht Zentimeter, die der Werwolf sie überragte, und sein kräftiger Körperbau sie klein wie Zwerge erscheinen.

»Cruentus«, knurrte Luc. Eine andere Tonlage bekam man von ihm nicht zu hören, selbst wenn er menschliche Gestalt angenommen hatte wie jetzt. »Wurde bewusstlos aufgefunden. ­Offene Fraktur von Tibia und Fibula des rechten Beins. Verletzung am Hinterkopf, vermutlich Schlag mit einem stumpfen Gegenstand. Beide Wunden schließen sich allmählich. Tiefe Schnittwunden an Abdomen und Kehle, die sich nicht schließen.«

Eidolon hob eine Augenbraue. Nur Gold oder durch Magie verstärkte Waffen konnten Wunden verursachen, die nicht heilten. Sämtliche anderen Verletzungen schlossen sich von selbst, sobald der Cruentus begann, sich zu regenerieren.

»Wer hat Hilfe gerufen?«

»Irgend so ein Vampir hat ihn gefunden. Der Cruentus und«, er zeigte mit einem mit langem Fingernagel versehenen Daumen zurück zum Krankenwagen, aus dem Skulk gerade eine zweite Trage holte, »das da.«

Eidolon blieb abrupt stehen, genau wie Shade. Einen Moment lang starrten beide auf die bewusstlose humanoide Frau. Einer der Sanitäter hatte ihre rote Lederkleidung aufgeschnitten, die wie zerfetztes, blutiges Fleisch unter ihr lag. Sie trug jetzt nur noch die Gurte, einen schwarzen Slip, einen dazu passenden BH und eine ganze Reihe von Waffenfutteralen um Knöchel und Unterarme.

Ein eisiger Schauer kroch sein überaus gelenkiges Rückgrat hinauf. Verdammte Scheiße, nein. »Ihr habt eine Jägerin der Aegis in meine Notaufnahme gebracht? Was bei allem, was unheilig ist, habt ihr euch dabei bloß gedacht?«

Skulk schnaubte und sah mit blitzenden, metallgrauen Augen, die zu ihrer aschfarbenen Haut und dem aschfarbenen Haar passten, zu ihm auf. »Was hätte ich denn wohl sonst mit ihr machen sollen? Ihre Partnerin ist Rattenfutter.«

»Der Cruentus hat einen Aegi erledigt?«, erkundigte sich Shade, und als seine Schwester nickte, strich sein Blick über den verletzten Menschen. Ein Durchschnittsmensch stellte für Dämonen kaum eine Gefahr dar, aber diejenigen, die zur Aegis gehörten, einer Kriegergilde, die sich verpflichtet hatte, sie zu jagen und auszulöschen, waren kein Durchschnitt. »Ich hätte nie gedacht, dass ich einem Cruentus noch mal dankbar sein würde. Ihr hättet die hier auch gleich als Rattenfutter liegen lassen sollen.«

»Den Job können uns ihre Verletzungen immer noch abnehmen.« Skulk ratterte eine ganze Liste von Wunden herunter, die allesamt schwerwiegend waren, aber die schlimmste – eine durchbohrte Lunge – würde sie vermutlich am schnellsten umbringen. Skulk hatte die Lunge punktiert und so den Druck vermindert, und vorläufig war die Jägerin stabil und ihre Farbe gut. »Außerdem«, fügte sie hinzu, »ist ihre Aura schwach, dünn. Ihr geht’s schon eine ganze Weile nicht gut.«

Paige näherte sich ihnen behutsam. In ihren haselnussfarbenen Augen schimmerte so etwas wie Ehrfurcht. »Ich habe noch nie eine Buffy gesehen. Zumindest keine lebende.«

»Ich schon. Etliche.« Wraiths raue Stimme erklang irgendwo hinter Eidolon. »Aber die sind nicht lange am Leben geblieben.« Wraith, der seinen Brüdern fast bis aufs Haar glich, nur dass er blaue Augen und schulterlange, blond gebleichte Haare hatte, übernahm die Trage. »Ich bring sie raus und entsorge sie.«

Sie entsorgen. Das war genau das Richtige. Schließlich war es genau das, was die Aegis ihrem Bruder Roag angetan hatte; ein Verlust, der Eidolon immer noch wie ein Loch in der Seele schmerzte. »Nein«, sagte er, zähneknirschend angesichts seiner eigenen Entscheidung. »Warte.«

So verlockend es auch sein mochte, Wraith einfach gewähren zu lassen, durften nur drei Arten von Lebewesen im UG abgewiesen werden, gemäß der Gründungsurkunde, die er höchstpersönlich aufgesetzt hatte. Und die Schlächter der Aegis gehörten nicht dazu. Ein Versehen, das er zu korrigieren beabsichtigte. Zugegeben, als Pendant zum Chefarzt an einem menschlichen Krankenhaus hatte er das letzte Wort und könnte die Frau in den Tod schicken, aber hier bot sich ihnen eine seltene Gelegenheit. Seine persönlichen Gefühle würden zurückstehen müssen.

»Bringt sie in Raum eins.«

»E«, sagte Shade mit tiefer Stimme, der man die Missbilligung anhören konnte. »In diesem Fall ist es eine schlechte Idee, den gefangenen Fisch wieder freizulassen. Was, wenn es eine Falle ist? Was, wenn sie einen Peilsender trägt?«

Wraith blickte sich um, als würde er damit rechnen, dass auf der Stelle Jäger der Aegis – sie selbst nannten sich «Wächter« – aus dem Nichts auftauchen würden.

»Wir werden vom Zufluchtzauber beschützt.«

»Nur, wenn sie von innen angreifen. Wenn sie herausfinden, wo wir sind, können sie mit dem Gebäude einen Bin Laden abziehen.«

»Jetzt flicken wir sie erst mal zusammen, und über alles andere zerbrechen wir uns später den Kopf.« Eidolon schob den Menschen in den vorbereiteten Raum. Seine paranoiden Brüder und Paige folgten ihm. »Wir haben jetzt Gelegenheit, mehr über sie herauszufinden. Das Wissen, das wir so gewinnen könnten, überwiegt die Gefahren bei Weitem.«

Er löste die Gurte und hob ihre linke Hand an. Der Ring in Schwarz und Silber an ihrem kleinen Finger wirkte völlig harmlos, aber als er ihn abnahm, bestätigte das Aegis-Wappen, das auf die Innenseite eingraviert war, ihre Identität, was einen eisigen Schauer durch sein Herz schickte. Wenn man den Gerüchten Glauben schenkte, waren sämtliche Schmuckstücke, die mit dem Wappen versehen waren, mit Kräften bestückt, die den Jägern Nachtsicht, Widerstandsfähigkeit gegen gewisse Zaubersprüche, die Fähigkeit, durch Tarnumhänge hindurchzusehen, und Gott weiß was noch verlieh.

»Ich hoffe nur, du weißt, was du tust, E.« Wraith zog den Vorhang mit einem Ruck zu, um die Gaffer auszuschließen.

Ihrer Anzahl zufolge waren sie vermutlich angepiepst worden. Kommt alle her und seht euch Buffy an, den Albtraum, der unter euren Betten lauert.

»Jetzt bist du gar nicht mehr so gruselig, was, du kleine Mörderin?«, murmelte Eidolon, während er sich Handschuhe überzog.

Ihre Oberlippe verzog sich, als ob sie ihn gehört hätte, und da wusste er mit einem Mal, dass er diese Patientin nicht verlieren würde. Der Tod hasste Stärke und Hartnäckigkeit – Eigenschaften, die sie fast spürbar ausstrahlte. Unsicher, ob ihr Überleben gut oder schlecht wäre, schnitt er ihren BH auf und untersuchte die Brustverletzungen. Shade, der bis zum Beginn seiner Schicht bei ihnen herumlungerte, kümmerte sich um ihre Vitalfunktionen. Seinen begnadeten Händen gelang es bald, ihr die mühsamen, gurgelnden Atemzüge zu erleichtern.

»Paige, ich brauche ihre Blutgruppe, und besorg mir menschliches Blut der Gruppe null, während wir warten.«

Die Krankenschwester machte sich an die Arbeit, und Eidolon erweiterte die schlimmste Wunde der Jägerin mit einem Skalpell. Blut und Luft stiegen in feinen Bläschen durch das beschädigte Gewebe von Lunge und Brustkorb auf, als er seine Finger hineinschob und die zerfetzten Wundränder zusammenhielt, um sie wieder zu verbinden.

Wraith verschränkte die dicken Arme vor der Brust. Sein Bizeps zuckte, als ob er am liebsten das Kommando übernehmen und die Jägerin einfach umbringen würde. »Das werden wir ganz sicher noch bereuen, und ihr beide seid zu dumm und zu arrogant, um das zu erkennen.«

»Ist das nicht perfekte Ironie«, befand Eidolon ausdruckslos, »dass ausgerechnet du uns einen Vortrag über Arroganz und Dummheit hältst?«

Wraith zeigte ihm den Mittelfinger, und Shade lachte. »Da ist wohl jemand auf der falschen Seite der Krypta aufgestanden. Du lechzt wohl nach dem nächsten Schuss, Bruder. Ich hab oben gerade einen schmackhaft aussehenden Junkie gesehen. Mach dich auf die Socken und genehmige ihn dir.«

»Leck mich.«

»Haltet die Klappe!«, fuhr Eidolon sie an. »Alle beide. Hier stimmt was nicht. Shade, sieh dir das mal an.« Er stellte die Lampe über ihnen neu ein. »Es mag ja schon ein paar Jahrzehnte her sein, dass ich auf der Uni war, aber ich habe genug Menschen behandelt, um zu wissen, dass das nicht normal ist.«

Shade starrte auf die Organe der Frau, die wirre Masse aus Venen und Arterien, auf die seltsamen Nervenstränge, die in Muskeln und schwammiges Lungengewebe hinein- und wieder hinausführten. »Sieht aus, als ob da drin ’ne Bombe hochgegangen wäre. Was ist das alles?«

»Keine Ahnung.« Er hatte noch nie so etwas wie dieses wüste Durcheinander gesehen, das im Inneren der Jägerin herrschte. »Guck dir das mal an.« Er zeigte auf einen schwärzlichen Klumpen, der einem Blutgerinnsel glich. Ein pulsierender, die Gestalt ändernder Klumpen, der vor ihren Augen gesundes Gewebe verschlang. »Sieht so aus, als ob das da die Macht übernimmt.«

Behutsam schob Eidolon die geleeartige Masse zurück. Ihm stockte der Atem, er zuckte zurück.

»Bei den Ringen der Hölle«, hauchte Shade. »Sie ist ein verfluchter Dämon.«

»Wir sind Dämonen, verdammt noch mal. Sie gehört zu irgendeiner anderen Spezies.«

ZumerstenMalgestattetesichEidoloneinenfreimütigen,ausgedehntenBlickaufdiefastnackteFrau,vonihrenschwarzlackiertenZehennägelnbiszudenverfilztenHaaren,diedieFarbevonRotweinhatten.GlatteHautspanntesichüberKurvenundMuskeln,diesogarinihrerBewusstlosigkeitahnenließen,welchetödlicheKraftinihnenschlummerte.SiewarvermutlichMittezwanzig,undwäresiekeinblutrünstigerUnholdgewesen,hätteersiesexygefunden.ErberührteihrezerfetzteKleidung.ErhatteschonimmereineSchwächefürFraueninLedergehabt.VorzugsweiseMiniröcke,aberzurNottatesaucheineLederhose.

Wraith stupste das Kinn der Frau an und musterte ihr Gesicht. »Ich dachte, Aegi wären Menschen. Sie sieht wie ein Mensch aus. Riecht wie ein Mensch.« Seine Fangzähne blitzten auf, als seine Zunge über die blutigen Löcher in ihrer Kehle glitt. »Schmeckt auch so.«

Eidolon untersuchte eine eigenartige Klappe, die das Quer­kolon zweiteilte. »Was hab ich dir zum Thema Patientenprobieren gesagt?«

»Was denn?«, fragte Wraith unschuldig. »Wir mussten doch wissen, ob sie ein Mensch ist.«

»Das ist sie. Aegi sind menschlich.« Shade schüttelte den Kopf, sodass sein Ohrring im Licht der Deckenbeleuchtung glitzerte. »Hier stimmt etwas nicht. Es scheint so, als wäre sie mit einer dämonischen Mutation infiziert. Vielleicht ein Virus.«

»Nein, sie ist schon so auf die Welt gekommen. Einer ihrer Eltern war ein Dämon. Sieh nur.« Eidolon zeigte seinem Bruder den genetischen Beweis, die Organe, die eine menschlich-dämonische Union eingegangen waren – etwas, das sehr viel häufiger passierte, als allgemein bekannt war, und das menschliche Ärzte als gewisse «Syndrome« diagnostizierten. »Ihre physischen Abnormalitäten könnten ein Geburtsdefekt sein. Oder diese beiden Spezies sind genetisch einfach nicht kompatibel. Vermutlich wurde sie mit einigen ungewöhnlichen Charakteristika geboren, die sie später geheim hielt oder die vielleicht nicht besonders auffällig waren. Wie überdurchschnittliche Sehkraft. Oder Telepathie. Aber ich würde mein Stethoskop verwetten, dass genau das jetzt Probleme verursacht.«

»Zum Beispiel?«

»Das könnte alles sein. Vielleicht verliert sie ihr Gehör, oder sie bepinkelt sich in aller Öffentlichkeit.« Außer sich vor Aufregung – denn so etwas machte seine spezielle Ecke der Hölle interessant – blickte er zu Shade auf, der ihr seine Hand auf die Stirn legte und die Augen schloss.

»Ich kann es fühlen«, sagte er. Seine Stimme war rau von der Anstrengung, die es ihn kostete, auf zellularer Ebene tief in ihren Körper einzudringen. »Ein Teil ihrer DNA fühlt sich fragmentarisiert an. Wir könnten sie verschmelzen. Wir könnten –«

Wraith stieß ein angewidertes Grunzen aus. »Denk nicht mal dran. Wenn du sie gesund machst, könntest du sie in eine Art Superjägerin verwandeln. Und so was hätte uns gerade noch gefehlt.«

»Er hat recht«, stimmte Shade zu. Das leuchtende Schwarz seiner Augen wurde matt. »Je nach Spezies wäre es möglich, dass wir sie nahezu unsterblich machen.«

Wegen der nicht identifizierten Dämonen-DNA würde es auch problematisch werden, ihr die richtige Menge an Beruhigungsmitteln und Medikamenten zu verabreichen. Etwas dem Anschein nach vollkommen Harmloses wie Aspirin könnte sie umbringen.

Eidolon starrte sie einen Augenblick an und dachte nach. »Wir werden erst mal ihre akuten Verletzungen versorgen, um den Rest kümmern wir uns später. Sie sollte die Wahl haben, ob sie ihre dämonische Hälfte integriert haben möchte oder nicht.«

»Wahl?«, fragte Wraith höhnisch. »Meinst du, sie lässt ihren Opfern eine Wahl? Glaubst du vielleicht, Roag hatte eine Wahl?«

Auch wenn Eidolon oft über ihren gefallenen Bruder nachdachte, empfand er es doch wie einen Hieb in den Magen, seinen Namen ausgesprochen zu hören. »Lässt du deinen Opfern eine Wahl?«, fragte er leise.

»Ich muss essen.«

»Du musst Blut trinken. Töten musst du nicht.«

Wraith stieß sich von der Wand ab. »Du bist ein Arschloch.« Er streckte den Arm aus, fegte ein Tablett voller chirurgischer Instrumente herunter und stolzierte aus dem Raum.

Shade hockte sich hin, um Paige dabei zu helfen, das Durcheinander wieder aufzusammeln. »Du solltest ihn nicht provozieren.«

»Du hast doch mit dem Junkie angefangen.«

»Er weiß, dass ich ihn bloß ein bisschen ärgern wollte. Er ist jetzt schon seit Monaten clean.«

Eidolon wünschte, er könnte Shades Gewissheit teilen. Wraith liebte es, seinem Leben von Zeit zu Zeit zu entfliehen. Allerdings war ihre Spezies immun gegen Drogen und Alkohol – es sei denn, die Substanzen waren durch einen menschlichen Blutkreislauf verarbeitet worden. Und so war Wraiths einzige Möglichkeit, high zu werden, einen menschlichen Junkie zu verspeisen.

»Ich hab’s dermaßen satt, ihn mit Samthandschuhen anzufassen«, sagte Eidolon und zog ein anderes Instrumententablett zu sich heran. »Geschweige denn, ihm immer wieder den Arsch zu retten, wenn er in der Patsche sitzt.«

»Er braucht mehr Zeit.«

»Achtundneunzig Jahre sind also nicht genug Zeit? Shade, in zwei Jahren wird er den Wandel durchmachen. Er ist noch nicht bereit. Er wird uns am Ende noch alle umbringen.«

Shade sagte nichts, vermutlich, weil es nichts zu sagen gab. Ihr Bruder war außer Kontrolle, und als der einzige Seminus-Dämon der Geschichte, der je von einem weiblichen Vampir geboren worden war, stand er ganz allein da und hatte keine Ahnung, wie er mit seinen Trieben und Instinkten umgehen sollte. Als ein Mann, der auf die abartigste Art von den Vampiren gequält worden war, die ihn aufgezogen hatten, hatte er im Grunde überhaupt keine Ahnung, wie er sein Leben leben sollte.

Nicht dass Eidolon in der Lage gewesen wäre, ihn zu verurteilen. Er hatte die vergangenen fünfzig Jahre damit verbracht, sich ausschließlich auf die Medizin zu konzentrieren, aber wenn er nicht in den nächsten paar Monaten eine Gefährtin fand, würden sich seine Interessen radikal ändern, einengen, bis er sich in ein hirnloses Ungeheuer verwandelt hatte, das lediglich seinen Instinkten folgte.

Vielleicht sollte er einfach zulassen, dass Buffy ihn hier und jetzt umbrachte, damit das Ganze ein für alle Mal ein Ende hatte. Er blickte auf sie hinab, auf das trügerisch unschuldige Gesicht, und dachte daran, wie sie ihn, ohne weiter nachzudenken, gnadenlos auslöschen würde.

Doch ehe sie das tun konnte, musste er sie erst einmal gesund machen.

»Paige, Skalpell.«

Das Bewusstsein kehrte langsam zurück, in einem Dunstschleier aus schwarzen Flecken, der von einzelnen Lichtpunkten durchbrochen wurde. Warme, weiche Dunkelheit zerrte an Tayla, wollte sie in den Schlaf locken, aber der Schmerz trieb sie dem Bewusstsein entgegen. Jeder Zentimeter ihres Körpers schmerzte, und ihr Kopf fühlte sich schwer an, viel zu groß, als dass ihr Hals ihn tragen konnte. Stöhnend öffnete sie die Augen.

Verschwommene, schemenhafte Bilder tanzten und wirbelten vor ihr herum. Nach und nach begann sie wieder klarer zu sehen, und o Mann! Sie musste sich wohl in einer anderen Welt befinden, denn der dunkelhaarige Mann, der auf sie hinunterstarrte, war ein Gott. Seine Lippen, die sinnlich glänzten, als ob er sie eben erst befeuchtet hätte, bewegten sich, aber das Dröhnen in ihren Ohren übertönte seine Worte.

Sie kniff die Augen zusammen und konzentrierte sich auf seinen Mund. Name. Er wollte ihren Namen wissen. Sie musste eine Sekunde darüber nachdenken, ehe sie sich daran erinnerte. Na toll. Sie musste sich wohl den Kopf gestoßen haben. Was auch die Kopfschmerzen erklärte. Wirklich scharfsinnig.

»Tayla«, krächzte sie. Sie fragte sich, warum ihr der Hals so furchtbar wehtat. »Tayla Mancuso. Glaube ich. Kann das sein?«

Er lächelte, und wenn sie nicht dem Tode nahe auf irgendeinem Tisch läge, hätte sie die sexy Wölbung seines Mundes und das Aufblitzen sehr weißer Zähne zu würdigen gewusst. Der Kerl musste ja einen tollen Zahnarzt haben.

»Tayla? Können Sie mich hören?«

Das konnte sie, aber das Summen in ihren Ohren hörte einfach nicht auf. »Mh-mmh.«

»Gut.« Er legte ihr eine Hand auf die Stirn, was ihr erlaubte, einen Blick auf seinen muskulösen Arm zu werfen, der von komplizierten, durcheinanderwirbelnden Tribal-Tattoos geschmückt wurde. »Sie sind im Krankenhaus. Gibt es irgendetwas, das ich wissen muss? Allergien? Beschwerden? Abstammung?«

Sieblinzelte.Hatteergerade«Abstammung«gesagt?UndkonnteneinemdieWimpernwehtun?Denn ihre taten weh.

»Das ist doch reine Zeitvergeudung.« Der zweite Sprecher, ein exotisch aussehender Mann, vielleicht aus dem Mittleren Osten, starrte auf sie hinab.

»Geh und kümmer dich um deine Patienten, Yuri.« Der heiße Doktor mit den Espresso-Augen schob Yuri beiseite. »Können Sie mir meine Fragen beantworten, Tayla?«

Also gut. Allergien, Abstammung, Beschwerden. »Ähm, nein. Keine Allergien.« Und keine Eltern. Und ihre Beschwerden waren nichts, worüber sie mit anderen reden konnte.

»Na gut. Ich werde Ihnen jetzt etwas geben, damit Sie besser schlafen können, und wenn es Sie nicht umbringt, dann werden Sie sich besser fühlen, sobald Sie aufwachen.«

Besser wäre gut. Denn wenn sie sich nur ein bisschen weniger so fühlen würde, als ob sie ein Lkw überfahren hätte, würde sie sich auf Dr. Hottie stürzen.

Allein die Tatsache, dass sie sich wünschte, sich auf Dr. Hottie stürzen zu können, sagte ihr mehr über den Zustand ihres Kopftraumas als alles andere, aber zum Teufel damit.

DiesehübscheKrankenschwesterhatteihrgeradeirgendetwastotalGeilesinjiziert,undwennsiedavonträumenwollte,einenbraungebrannten,tätowierten,unglaublichgutaussehendenArztzuvögeln,derfürsiesounerreichbarwar,dasssieschoneinTeleskopbrauchenwürde,umihnzuerkennen–warumnicht?

Ihn vögeln. Wieder und immer wieder.

»Ich wette, Sie könnten eine Frau dazu bringen, ihr ganzes Spielzeug wegzuschmeißen.« Hatte sie das gerade laut gesagt? Das freche Grinsen in seinem Gesicht bestätigte ihre Vermutung, dass sie ihre außer Kontrolle geratenen Gedanken verbalisiert hatte. »Das müssen wohl die Medikamente sein. Bilden Sie sich bloß nichts ein.«

»Paige, geben Sie ihr noch ein Milligramm«, sagte er mit seiner wohlklingenden, weichen Arztstimme.

Ein warmes, brennendes Gefühl breitete sich vom Infusionsschlauch in ihrem Handrücken aus. »Mhm, Sie wollen mich wohl unbedingt loswerden, was?«

»Darüber haben wir jedenfalls in der Tat schon gesprochen.«

Verdammt, dieser Typ laberte echt komisches Zeug. Nicht dass das eine Rolle spielte. Ihre Augen weigerten sich, sich zu öffnen, und ihr Körper reagierte nicht mehr auf ihre Befehle. Nur ihre Ohren schienen noch zu funktionieren, und während sie in den Schlaf hinüberdämmerte, hörte sie noch eine letzte Sache.

»Wraith, ich hab’s dir doch schon gesagt. Du kannst sie nicht umbringen.«

Oohhh. Ihr heißer Doktor beschützte sie.

Sie hätte gelächelt, wenn ihr Gesicht nicht wie erstarrt gewesen wäre. Offensichtlich ließ sie jetzt auch noch ihr Gehör im Stich, denn er konnte auf gar keinen Fall erwidern, was sie sich einbildete, gehört zu haben.

»Noch nicht.«

2

Irgendjemand hatte ganz in der Nähe Sex. Eidolon konnte es fühlen. Riechen. Diese Fähigkeit gehörte zur Gabe seiner Rasse. Jeder Seminus-Dämon innerhalb von dreißig Metern würde genau dasselbe spüren. Der Duft der Erregung wurde immer stärker, je weiter er ging, und sein ganzer Körper spannte sich an. Seine Eier pochten. Natürlich gab es zu so ziemlich jeder Zeit irgendjemanden im Krankenhaus, der Sex hatte – für gewöhnlich Wraith –, aber dieses Mal witterte er nur eine Frau.

Normalerweise war eine derartige Erregung wie ein Leuchtfeuer für jeden Inkubus, aber Eidolon hatte den Drang, diese erregte Frau aufzuspüren und die Gunst der Stunde – beziehungsweise ihre Lust – auszunutzen, immer bekämpft. Zumindest hatte er dem Drang bis vor einigen Monaten widerstanden, als er in sein hundertstes Lebensjahr eingetreten war und die Wandlung begonnen hatte. Seitdem hatte sich der Widerstand als zunehmend hart und schmerzvoll erwiesen. Und genauso fühlte sich gerade auch sein Schwanz an.

Verdammter Mist, hoffentlich würden Wraith oder Shade diese Frau bald aufspüren und ihr Verlangen stillen, bevor sie sich für ihn als zu große Ablenkung – oder Versuchung – erwies.

Er bewegte sich rasch durch die düsteren Korridore, nickte immer wieder ihm entgegenkommenden Mitarbeitern zu, und als er das Zimmer der Jägerin erreichte, wurde der Duft der Erregung fast überwältigend. Ein leises, lang gezogenes Stöhnen zwang ihn, einen Laut zu unterdrücken, der sein eigenes Verlangen zum Ausdruck gebracht hätte.

Leise vor sich hinfluchend eilte er an den beiden Gnomen vorbei, die vor ihrem Zimmer Wache standen – mit ausreichend Sedativa bewaffnet, um einen Gargantua-Dämon zur Strecke zu bringen –, und trat ein.

Tayla lag mit geballten Fäusten auf dem Krankenhausbett, ihr Brustkorb hob und senkte sich heftig unter ihren keuchenden Atemzügen. Ihm blieb die Luft weg, als sie laut aufschrie und ihre Hüften sich aufbäumten, als wollten sie ihren imaginären Liebhaber tief in sich aufnehmen.

Am Fuß ihres Bettes stand sein Bruder und feixte. Eidolon hätte es wissen müssen.

»Raus aus ihrem Kopf, Wraith.«

»Du bist doch bloß eifersüchtig, weil du diese Fähigkeit nicht hast.«

Eidolon holte tief Luft und betete zu den Zwei Göttern um Geduld. Wraiths Launenhaftigkeit machte es sowieso schon schwierig genug, mit ihm fertig zu werden, auch unter normalen Umständen. Aber sobald sich noch einer seiner Urinstinkte – Sex, Gewalt, Blutgier – zu der Mischung gesellte, wurde es geradezu unmöglich.

»Wraith …«

»Reg dich ab, ältestes männliches Geschwister. Sie bringt uns um. Da wollte ich nur mal sehen, wie es ihr gefiele, einen von uns zu ficken.« Er warf Eidolon einen Seitenblick zu. »Beziehungsweise dich zu ficken. Ich bin ein klein bisschen wählerischer, was meine Partnerwahl angeht, darum habe ich ihr Bilder von dir vorgegaukelt.«

Eidolon hätte beinahe gelacht. Die Wörter «Wraith« und «wählerisch« schlossen einander praktisch aus. Sowohl Shade als auch Eidolon zogen humanoide Sexpartner vor, auch wenn sich seine Vorlieben bald ändern würden. Aber mit der Ausnahme von Menschen und Vampiren würde Wraith so ziemlich alles nageln, was atmete. Und selbst das schien eher eine Option als unbedingte Voraussetzung zu sein.

Tayla warf den Kopf wild hin und her, und auf einmal stellte er sich vor, wie es wäre, wenn sie unter ihm läge und genau das täte, während er in sie stieß. Er würde mit beiden Händen in ihr feuerrotes Haar greifen und sie ficken, bis sie einen so heftigen Orgasmus hätte, dass sie ihn anflehte aufzuhören. Und dann würde er sie dazu bringen, noch einmal zu kommen, nur um ihr zu zeigen, dass er es konnte.

Sein Schwanz zuckte, und er biss die Zähne fest aufeinander, denn diese Gedanken konnten zu nichts Gutem führen.

»Hör endlich auf damit«, knurrte er seinen Bruder an, in dem Bewusstsein, dass der den Duft seiner eigenen Erregung aufschnappen würde, wenn das nicht sofort aufhörte. »Sonst reißen ihre Wundnähte am Ende noch auf.«

Schwaches Argument; es war vierundzwanzig Stunden her, dass Eidolon sie zusammengeflickt hatte, und abgesehen von seiner heilenden Berührung war sie in regenerativen Wassern gebadet und zudem von Spezialisten aus seinem Team mit heilenden Tränken und Zaubersprüchen behandelt worden. Sobald die Wirkung der Sedativa nachließ, würde sie wieder auf den Beinen sein und könnte munter damit fortfahren, Dämonen umzubringen. Was ihn daran erinnerte, dass sie sie auf der Stelle mit Gurten fixieren sollten. Der Zufluchtzauber würde sie daran hindern, jemandem etwas anzutun, aber sie könnte immer noch das Krankenhaus in Schutt und Asche legen.

»Weißt du was – ich dachte, die S’genesis würde dich ein bisschen lockerer machen. Stattdessen hat sie dir den Stock nur noch tiefer in den Arsch getrieben.« Wraith schubste Eidolon auf dem Weg zur Tür mit dem Ellbogen zur Seite und blieb dann mit einem wissenden Grinsen stehen. »Oder vielleicht auch nicht. Mann, E, du riechst ja wie eine männliche Jungfrau in einem Bordell, die sich nicht entscheiden kann, welche Hure sie zuerst besteigen soll.« Er verzog das Gesicht. »Hey Alter, is’ mir schlecht – sie ist eine Buffy. Da würde ich meinen Schwanz ja eher in eine vier Wochen alte Leiche schieben.«

»Hast du vermutlich schon getan.«

Wraith schnaubte. »Immerhin fällt dann das obligatorische Kuscheln hinterher flach.« Er griff nach der Klinke, zog die Hand aber gleich wieder zurück. »Oh, Gemella hat angerufen. Du sollst dich mal bei ihr melden. Du hast echt verdammtes Glück, du Mistkerl.«

»So ist das nicht.«

Gem, eine Dämonin, die als Mensch maskiert in einem Menschenkrankenhaus als Assistenzärztin arbeitete, meldete sich regelmäßig bei Eidolon, vor allem, um ihm Informationen über die Dämonenaktivität an ihrem Arbeitsplatz zu berichten. Er hatte versucht, sie zu überreden, für ihn zu arbeiten, aber sie hielt es für ihre Pflicht, in die Fußstapfen ihrer Eltern zu treten und ihre Fähigkeiten dazu zu nutzen, dämonisch-menschliche Probleme rechtzeitig aufzuspüren. Vor allem solche, die zu unbequemen Fragen führen würden, wenn sie von menschlichen Ärzten aufgedeckt würden.

»Von mir aus. Aber du solltest dafür sorgen, dass sich das bald mal ändert. Sie ist heiß.«

Wraith spazierte aus dem Zimmer, und Eidolon widmete sich wieder der Jägerin. Obwohl Wraith fort war, wand sich Tayla immer noch. Das Laken war zu Boden gefallen, und ihr Krankenhaushemd war ihr bis zur Taille hochgerutscht, sodass ihr seidiger schwarzer Slip zu sehen war. Er musste sie gar nicht erst berühren, um zu wissen, dass der Fummel vollkommen durchnässt war. Ihr Duft, ihr sexuelles Parfüm, lag so dicht und schwer in der Luft, dass es nur eine Frage der Zeit war, ehe es ihn überwältigte.

»Verdammt sollst du sein, Wraith«, murmelte er, als er an das Bett trat.

Bleib unvoreingenommen. Professionell.

Na klar doch, die Erektion, die vorne ein kleines Zelt in seinem Arztkittel errichtet hatte, war ja auch vollkommen professionell.

Nachdem es ihm kraft seines Willens gelungen war, seinen Puls zu beruhigen, hob er ihr Hemd hoch und überprüfte methodisch ihre schwersten Verletzungen. Alles sah gut aus, schon fast verheilt. Nur eine der Wunden hatte genäht werden müssen, aber ihr Hin- und Herwerfen hatte der Naht nichts ausgemacht.

»Ja«, flüsterte sie und ergriff seine Hand, die auf ihrem Rippenbogen lag. Ihre Bedürfnisse überfielen ihn in einer raschen Abfolge von Visionen – jede Menge ineinander verschlungener Glieder und schweißnasse Haut. Er flehte die Götter um Beistand an, als eine Welle der Erregung sein ganzes Reproduktionssystem überflutete.

Krieg dich mal wieder ein, E.

Er versuchte, ihre Finger mit seiner anderen Hand zu lösen, aber ihr eiserner Griff zog ihn zu ihrer Brust hoch. Ihre Haut fühlte sich unter seiner Handfläche gespannt und heiß, ja fieberhaft an, auf eine Art, die kein Thermometer messen könnte. Ihr Brustwarzenhof zog sich unter seiner Berührung zusammen, und sein eigener Körper reagierte sofort darauf. Er hätte nicht härter sein können, selbst wenn er aus Stein gemacht wäre.

Eidolon atmete langsam aus und bemühte sich, seine innere Kraft zu sammeln, um sich wieder unter Kontrolle zu bekommen. Er war den Judicia geboren worden, Dämonen, die für ihre kühle, überlegte Logik bekannt waren – etwas, das ihm von Natur aus ganz und gar nicht leichtfiel, das er sich im Laufe der Jahre aber angeeignet hatte – sowohl in der Zeit, in der er aufgewachsen war, als auch später, als er wie alle Judicia als Rechtsprecher diente.

Doch als er jetzt Tayla ansah, fielen all diese Jahre von ihm ab. Selbst im Halbschlaf strömte verführerische, tödliche Macht aus ihren Poren. Sie könnte ihn zwischen ihren Schenkeln zermalmen, und er würde sie noch anflehen, ihn möglichst lange leiden zu lassen. Idiot. Seine Brüder mochten ja Vergnügen daran finden, sich mit Frauen ihrer Sorte abzugeben, aber Eidolon zog etwas zivilisiertere Bettgenossinnen vor.

»Tayla.« Als er seine Hand zurückzog, kämpfte er gleichzeitig gegen ihre Kraft und sein eigenes Verlangen an. Sie war eine Mörderin seines Volkes. Eine Schlächterin. »Jägerin. Wach auf.«

Sie schüttelte den Kopf und streckte blindlings die Hände aus. Er legte seine zu beiden Seiten um ihr Gesicht und hielt sie fest. Mithilfe seiner Daumen schob er ihre Lider hoch. Ihre Pupillen waren gleich groß und reagierten auf das Licht, als er ihren Kopf drehte, auch wenn sie ihn nicht zu sehen schien.

Verdammt noch mal, hatte sie schöne Augen. Grün mit einem goldenen Rand, und so ausdrucksvoll, dass er bezweifelte, dass sie ihre Gedanken vor irgendjemandem verbergen könnte. Blasse Sommersprossen schimmerten gleich unter der Oberfläche ihrer zarten Haut. Hohe Wangenknochen verliehen ihrem eher rundlichen Gesicht, das von der Verfärbung eines abheilenden Hämatoms verunstaltet wurde, mehr Definition. Er ließ den Blick zu ihrem Mund wandern, ihren schmollenden Lippen, die sie leicht geöffnet hatte, um die Klänge lüsterner Verzweiflung herauszulassen.

Er sehnte sich danach, diesen Mund zu erobern. Sehnte sich danach zu fühlen, wie er ihn eroberte.

Ethik war ein zentraler Bestandteil menschlicher Medizin. Hier, im Underworld General, wäre es den meisten völlig egal, wenn er oder irgendein anderer Arzt jeden ficken würden, der eingeliefert wurde.

Zufällig gehörte Eidolon nicht zu dieser Mehrheit.

Dabei ging es ihm allerdings weniger um moralische Richtlinien; in seinem Krankenhaus fickten Ärzte die Patienten nicht deshalb nicht, weil es «falsch« war, sondern weil sich das Krankenhaus in einer ziemlich heiklen Lage befand. Vertrauen gehörte nicht gerade zu den stärksten Eigenschaften der Dämonen. Jeder, der über Macht verfügte, wurde von ihnen mit Misstrauen oder sogar Verachtung betrachtet. Ärzte mit Skalpellen besaßen die Macht zu töten. Wenn bekannt wurde, dass die Ärzte ihre Patienten vergewaltigten, würden noch weniger Dämonen den Dienstleistungen des Krankenhauses vertrauen.

Folglich hatte die Mehrzahl der Angestellten zugestimmt, ihre Pfoten, Klauen und Zähne von den Patienten zu lassen. Selbstverständlich hatte es Ausnahmen und den ein oder anderen Akt der Unbesonnenheit gegeben.

Zum Teufel damit! Er wäre ja durchaus bereit, bei der richtigen Frau eine Ausnahme zu machen, aber eine Aegi-Mörderin war ganz sicher nicht die richtige Frau, ganz gleich, wie vehement sein pulsierender Schwanz auch auf dem Gegenteil bestand.

»Doktor.«

Tayla sah ihn an. Ihre Augen funkelten in einer derart mächtigen Mischung aus Entschlossenheit und Lust, dass er überrascht Luft holte. Sie hob die Hand, krallte sie in das Haar in seinem Nacken und zog seinen Kopf mit solcher Gewalt herunter, dass ihm kaum noch Zeit blieb, sich zu beiden Seiten ihres Gesichts aufzustützen, bevor sein Mund heftig auf ihren traf.

Ihre Zunge schob sich zwischen seinen Lippen hindurch und wickelte sich um seine. Er knurrte, als er ihren Geschmack wahrnahm, kühn und verrucht zugleich, genau wie der Duft ihrer Lust, doch darunter verborgen lauerte eine leichte Süße wie vergrabene Unschuld.

Höchstwahrscheinlich begraben unter all den Leichen seiner Brüder, die sie getötet hatte.

Mit einem Mal schien ein Speer aus Eis seine Brust zu durchbohren – es war, als ob seine Selbstbeherrschung auf der Schneide eines Skalpells balancierte. Das war seine größte Angst: der Verlust aller Hemmungen, wenn der Wandel die Herrschaft über ihn übernahm. Die S’genesis musste der Grund dafür sein, dass er kurz davorstand, seinen Feind zu besteigen wie ein brünstiges Tier.

Aber als ihre Hand seinen Schaft streifte, war es diesem Tier plötzlich vollkommen egal, wer sie war oder was sie getan hatte. Schließlich war er ein Seminus-Dämon und gehörte damit einer Rasse von Inkubi an, deren Lebensinhalt Sex war, deren einziger Lebenszweck darin bestand, mithilfe von Intimität zu täuschen und Kummer und Leid zu verursachen, sobald sich die S’genesis vollständig vollzogen hatte. Vielleicht war das einfach nicht der richtige Zeitpunkt, um gegen seine Natur anzukämpfen. Vielleicht war seine Natur seine Waffe gegen einen jahrhundertealten Feind.

Ihre Finger schlossen sich um sein Geschlecht hinter der OP-Hose. Verdammte Scheiße, er hatte es so satt, seinen Körper, seine Gefühle und Instinkte zu analysieren. Es war an der Zeit, einfach nur zu fühlen.

Er stieß mit den Hüften nach vorne, in ihre Hand hinein, während Verlangen seinen restlichen Körper durchzuckte.

»Bitte«, flehte sie an seine Lippen gepresst. »Bitte berühre mich.«

Laut aufstöhnend packte er ihre Hüfte und hob ihren Körper an, sodass seine Erektion jetzt ihre andere Hüfte berührte.

So viel zu seinem Vorsatz, professionell zu bleiben.

Nie zuvor hatte Tayla etwas Vergleichbares geträumt. Es musste ein Traum sein, denn im wahren Leben war sie noch nie dermaßen erregt gewesen. Und ganz sicher hatte sie sich niemals gewünscht, es mit einem Arzt zu treiben. Vor allem nicht mit einem Arzt, der einem praktisch das Wasser im Munde zusammenlaufen ließ, der sie küsste, bis ihr die Sinne zu schwinden drohten, und ihre Hüfte so sachkundig liebkoste, dass manche Frauen schon allein dadurch ein Dutzend Mal gekommen wären.

Sie hob ihre Knie an und legte ein Bein um seine Taille. Diese Bewegung brachte ihn aus dem Gleichgewicht, und er ächzte, als er sein Bein auf das Bett wuchtete, um sich abzustützen.

»Scheiße.« Dr. Hottie löste seinen Mund von ihrem. »Tayla, sind Sie wach?«

»Halten Sie die Klappe und machen Sie einfach weiter«, murmelte sie und zog an der Schleife seiner Hose.

Er zischte, als ihre Hand seine Erektion umfasste. Meine Güte! Mit ihren Fingern vermaß sie seine Länge und Breite, und einen Augenblick lang fragte sie sich, ob es wohl wehtun würde, wenn er in sie eindrang. Aber dann fiel ihr wieder ein, dass das ein Traum war, und im Traum gab es keine Schmerzen.

»Tayla«, flüsterte er an ihren Hals gepresst. »Sie sind verletzt. Wir müssen vorsichtig –«

Er verstummte abrupt, als sie seinen Schaft zusammendrückte. Sie begann ihn langsam zu streicheln, rieb mit der Handfläche über seinen samtigen Kopf und umschloss ihn dann wieder mit ihrer Faust. Seine abgehackten, heftigen Atemstöße strichen wie Federn über ihre Haut, während sie ihn weiter bearbeitete, und als ihre Fingerspitze durch den Tropfen glitt, der an der Eichel ausgetreten war, schien etwas in ihm zu zerbrechen. Die Mauer, die ihn bislang zurückgehalten hatte, zerbröckelte, und mit einem Mal waren seine Hände überall gleichzeitig, und sein Mund verschlang ihren Wangenknochen, ihren Kiefer und ihre Kehle.

Heftiger Hunger, als ob sie Jahre der Hungersnot durchlitten hätte, jagte durch ihre Adern, als sie spürte, wie seine Hände ihre Haut liebkosten. Sie glitten über Stellen, von denen sie erwartet hatte, dass es schmerzen würde, aber die Erinnerung daran tänzelte am Rande ihres Geistes entlang, um schließlich ganz und gar zu verblassen, als die Zunge des Doktors einen feuchten Kreis auf ihrem Hals beschrieb.

Seine Berührung wanderte weiter ihren Körper hinunter, über ihren Oberschenkel hinweg, zwischen ihre Beine, wo er aufreizend langsam die zarten Hautfalten ihres Geschlechts streichelte und sie damit schier in den Wahnsinn trieb. Sie bäumte sich gegen seine Hand auf, verzehrte sich nach seiner Berührung an den richtigen Stellen, aber er kam ihren Wünschen nicht nach. Seine Folter war wohlüberlegt. Hinterhältig. Köstlich.

Sie wünschte sich, seine Augen zu sehen, doch er hatte das Gesicht an ihrer Kehle vergraben, eng an ihre Haut geschmiegt, arbeitete sich zu ihrem Schulterblatt vor, an dem er zärtlich knabberte. Ihre Hände gruben sich in sein dunkles Haar und hielten ihn an sich gedrückt. Sie schwelgte in seiner Berührung, in der Gewissheit, dass ein Mann ihren Körper anbetete, wenn auch nur im Traum.

Hier, in einer schlafenden Welt der Fantasie, würde sie möglicherweise jene Wonnen finden, die sich ihr im wahren Leben immer entzogen. Aber hier spielte ihre Vergangenheit keine Rolle. Ihre Ängste besaßen keinerlei Macht.

In ihrem Traum war ihre ganze Welt auf die geschickten Berührungen des Mannes über ihr zusammengeschrumpft, und als sich seine Finger bewegten, um die Hügel und Täler ihres angeschwollenen Geschlechts durch ihr Höschen hindurch nachzufahren, begrüßte sie das heiße Prickeln der Erregung, das sie durchfuhr.

»Ja, o ja.«

Sie warf den Kopf zurück und spreizte die Beine noch weiter. Seine Finger glitten unter den dünnen Baumwollstoff, und sie erbebte, als sie einmal, dann noch ein zweites Mal das Portal zu ihrem Innersten umrundeten, wobei ihre schlüpfrigen Säfte die erotische Massage noch verstärkten. Es war gut, so gut, dass sie fast vom Bett gefallen wäre, als er einen Finger in sie hineingleiten ließ. Er tauchte tief ein, zog ihn langsam wieder heraus, um gleich darauf wieder in sie hineinzustoßen. Sein Finger verschaffte ihr größere Wonnen, als es je ein Mann mit seinem Schwanz vermocht hatte.

»Du bist so nass.« Seine rumpelnde Stimme schoss durch sie hindurch wie elektrischer Strom. »Dein Duft verrät mir, dass du so weit bist, bereit bist.«

O Gott, und ob sie das war. »Jetzt.« Sie reckte ihm die Hüften entgegen, lud ihn ohne jede Scham dazu ein, in sie einzudringen. »Bitte.«

Als sie das Geräusch zerreißenden Stoffes vernahm, begann ihr Herz erwartungsvoll zu pochen. Er veränderte seine Position über ihr, steuerte seine Erektion zwischen ihre Beine. Das ganze Bett bebte, genau wie ihre Sinne, als er nach vorne stieß und seinen Schaft zwischen ihre Schamlippen gleiten ließ. Jede Bewegung liebkoste ihre schmerzende Knospe mit genau dem rechten Maß an Druck und schlüpfriger, geschmeidiger Reibung.

Als ein Wimmern aus ihrem Mund drang, erstickte er den Laut mit seinen Lippen und drang endlich in sie ein. Die Wände ihrer Scheide schlossen sich erwartungsvoll um seinen Schwanz, der sie dehnte, sie erfüllte, bis aus ihr eine einzige, bebende Kugel purer Lust geworden zu sein schien. Noch nie hatte sich etwas so wunderbar angefühlt.

In ihrer Gier, den ultimativen Gipfel zu erreichen, schlang sie ihre Beine eng um seine Taille und grub die Fersen tief in die Rückseite seiner Oberschenkel. Seine Reaktion bestand aus einem Knurren. Dann stützte er sich mit dem Ellbogen neben ihrem Kopf ab und begann sich schneller in ihr zu bewegen. Sie ließ die Hände unter seinen Arztkittel gleiten und streichelte die harten Furchen seiner Wirbelsäule, die zuckenden Muskeln auf seinem Rücken, die strammen Pobacken, die sich unter ihren Fingern noch fester zusammenzogen.

»Härter. Mehr.«

Er löste seinen Mund von ihrem. »Mehr?« Mit einem einzigen mächtigen Stoß ließ er das Bett durch das Zimmer rollen. »Sag mir nur, wie viel mehr.«

Als er ihre Hüften an sich zog und noch härter und tiefer als zuvor zustieß – und damit das Feuer in ihrem Blut schürte –, schien es ihr nahezu unmöglich zu sprechen. »Genau so«, brachte sie zwischen keuchenden Atemzügen hervor. »Mach es ganz genau so.«

Er hob den Kopf. Obwohl seine Augen geschlossen waren, hatte er die Zähne gefletscht; seine Miene erschien ihr wie eine wilde Maske der Ekstase. Der Anblick seiner Lust in all ihrer Schönheit nahm sie dermaßen gefangen, dass sie es kaum merkte, als etwas gegen ihre Kehle stieß. Ein Anhänger. Eine Kette war aus dem Ausschnitt seines Kittels gerutscht, und der von Schlangen umrandete silberne Dolch baumelte gegen ihre Haut, eine kühle, spitze Liebkosung.

Und dann stand er auf einmal auf den Beinen, immer noch tief in ihr vergraben, und sie schlang die Glieder um seinen Leib, während er sie quer durchs Zimmer trug. Ihr Rücken prallte gegen eine Wand. Die Wucht seines Entschlossenheit ließ die medizinischen Geräte klappern und klirren.

Dieser Arzt verstand es wirklich, mit seinen Patienten umzugehen.

Immer wieder stieß er in sie hinein, zog sich manchmal vollkommen zurück, bevor er wieder in sie eindrang, manchmal so tief, dass die kurzen, harten Stöße bis an ihren Uterus vordrangen. Sie durchzuckte eine Lust, deren Intensität sie erschreckte. Seine Finger gruben sich in ihren Hintern, wo er sie festhielt, und seine Zähne versenkten sich in ihre Schulter, womit er ihren Oberkörper bewegungsunfähig machte.

Es war das Erotischste, was sie je erlebt hatte.

Sein Schwanz streichelte und rieb sie, bis Hitze ihr gesamtes Becken erfasst hatte, und wenn das kein Traum wäre, würde sie nicht glauben, wie sehr sein Schaft in ihr pulsierte.

Immer mehr Druck baute sich auf, presste ihre Organe zusammen und ließ ihre Muskeln verkrampfen. Kein Mann konnte sich so gut anfühlen.

Sie packte sein Haar und zog seinen Kopf nach oben, zwang ihn, sie anzusehen. Doch dann verschlug es ihr den Atem. In seinen Augen lauerten Leidenschaft und unverbrämte Gier und noch etwas weitaus Dunkleres, aber was ihren Atem stocken ließ, war die Farbe. Vorher waren sie braun gewesen, ein ausgeprägtes, tiefes Kaffeebraun.

Jetzt waren sie golden. Hypnotisch, dekadent. Vierundzwanzigkarätiger Sex.

Oh, sie liebte diesen Traum. Den Traum, in dem ihr Liebhaber der reine Sex war, von seinem magischen Penis und den hypnotischen Augen bis hin zu seinen geschickten Lippen und Fingern. Sogar sein Duft, der an dunkle Schokolade erinnerte, schien einzig und allein dazu geschaffen, Frauen anzuziehen.

»Na los, Jägerin«, knurrte er. »Reite mich. Mach mich nass.«

Er verdrehte die Hüften, tauchte tief ein, und sie schrie auf. Sie stand so kurz vor dem Höhepunkt, dass sie am ganzen Leib zitterte. Weiter, weiter … ja! O ja, sie war fast so weit.

Er begann zu zucken, und das Brüllen, das er bei seiner Erlösung ausstieß, gellte in ihren Ohren und katapultierte ihr Verlangen in ungeahnte Höhen. Samenflüssigkeit spritzte heiß und pulsierend heraus und traf auf ihr sensibles inneres Gewebe, bis es sich anfühlte, als ob Millionen winziger Finger sie mit so viel Genuss liebkosten, dass sie nur noch zittern und keuchen konnte.

Und doch kam sie immer noch nicht zum Höhepunkt.

Da stimmte doch etwas nicht. Traum hin oder her, dieser Mann hatte etwas mit ihr angestellt, dem keine Frau hätte widerstehen können.

Immer weiter stieß er in sie hinein, obwohl seine Muskeln zitterten und seine gebräunte Haut vor Schweiß glänzte. Das Tattoo, das seine rechte Hand und den rechten Arm bedeckte, bis hin zu seiner Kehle, kräuselte sich wie etwas Lebendiges; wütend, weil es nicht bekam, wonach es sich verzehrte.

»Du kannst jetzt aufhören.« Vor Enttäuschung hätte sie am liebsten geschrien. Sie hätte es besser wissen sollen. Und jetzt fühlte sich ihr Körper zerschlagen und fremd an, und dermaßen angespannt, dass sie unbedingt auf etwas einschlagen musste, um irgendeine Art Erleichterung zu finden.

»Du bist nicht gekommen«, sagte er und tauchte noch einmal in sie ein. Erbarmungslos.

»Das tu ich nie.«

»Es ist unmöglich, bei mir keinen Orgasmus zu haben.« Er verdoppelte seine Anstrengungen. »Muss an deinen Verletzungen liegen …«

»Na und … Dann bin ich eben nicht gekommen. Pack dein Ego wieder in die Hose und werd damit fertig.«

So ein Mist. Sogar im Traum waren Männer die reinsten Heulsusen, wenn es um ihre sexuelle Leistungsfähigkeit ging. Im Traum … ihre Gedanken schweiften ab, als ihr Verstand endlich registrierte, was er gesagt hatte.

Verletzungen? Ihre Hand glitt zwischen ihre beiden Körper, und sie zuckte zusammen, als sie eine empfindliche Stelle über ihren Rippen berührte. Was war denn bloß passiert?

»Doc?« Er antwortete nicht, war zu tief in sie versunken, liebkoste sie und drohte damit, sie zu dem Ort zurückzubringen, der an der grauenhaften Grenze zwischen Orgasmus und Enttäuschung lag. »Hör auf. Bitte. Was ist mit mir passiert?«

Seine dunklen Augen blickten auf sie hinab. Was war aus dem Gold geworden? Wohin war ihr Traum entschwunden?

»Cruentus-Dämon.«

Die Antwort beförderte sie mit einem Fußtritt in die Wirklichkeit zurück, und als ihr diesmal der Atem in den Lungen stecken blieb, tat es höllisch weh. Bilder blitzten vor ihrem geistigen Auge auf. Der Abwasserkanal. Blut. Schmerzen. Janet.

Nein. O nein! Das war Wirklichkeit.

Ihr Herz hämmerte gegen ihre schmerzenden Rippen, als sie nun das dämmerige Zimmer und die medizinische Ausrüstung musterte. Das seltsame Muster auf den Wänden. Nein, kein Muster – dort stand etwas geschrieben. Keine Sprache, die sie wiedererkannte. Merkwürdige, uralt aussehende Gegenstände schmückten Regale in verschlossenen Glasvitrinen. Und war dieses Ding, das dort drüben an der Wand hing, etwa ein …Schädel?

Wo war sie?

Ihr Geschlecht verkrampfte sich um den Penis, der immer noch in ihr steckte. Und wer war dieser Mann, der sie so gründlich durchgefickt hatte?

Kurze, abgehackte Atemzüge versengten ihre Kehle, als sie versuchte, genug Sauerstoff aufzunehmen, um einen klaren Kopf zu behalten. Er musste gemerkt haben, wie kurz sie vor einer Panikattacke stand, denn jetzt zog er sich zurück und stellte sie behutsam auf die Beine. Ihre bloßen Füße trafen auf den kalten Steinfußboden – was für ein Krankenhaus hatte denn steinerne Fußböden? – und ihr Krankenhausnachthemd glitt an ihrem Körper herab und verhüllte sie.

»Wo bin ich?«, krächzte sie.

»Du bist in einem Krankenhaus.« Der Traumdoktor, der ihr gerade die angenehmste Injektion ihres Lebens verpasst hatte, packte sie am Ellbogen und führte sie mit festem Griff zum Bett. Im Gehen lief ihr der unbestreitbare Beweis ihrer Vereinigung die Oberschenkel hinab. Warum kribbelte das so? Es sensibilisierte ihre Haut, sodass sie sich am liebsten von oben bis unten damit eingerieben hätte. »Du wurdest während eines Kampfes gegen einen Cruentus-Dämon verletzt.«

Sie riss sich von ihm los. »Wieso wissen Sie über Dämonen Bescheid? Was für ein Krankenhaus ist das überhaupt? Und wer sind Sie?«

»Setz dich erst mal, dann erkläre ich dir alles.«

»O nein, kommen Sie mir bloß nicht mit diesem abgefuckten Ärztescheiß von wegen ›Jetzt beruhigen Sie sich erst mal‹.« Als er auf sie zukam und versuchte, sie in Richtung Bett zu treiben, wich sie zurück. Er ragte hoch über ihr auf und verdunkelte die karmesinrot gefärbte Deckenbeleuchtung. »Bleiben Sie ja weg von mir.«