Demonica - Versuchung der Nacht - Larissa Ione - E-Book

Demonica - Versuchung der Nacht E-Book

Larissa Ione

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Beschreibung

Der Dämon Lore ist Auftragsmörder wider Willen. Um seine Freiheit zurückzuerlangen, muss er einen letzten Mord begehen. Allerdings stellt sich ihm die schöne Idess, in deren Adern das Blut eines Engels fließt, in den Weg - denn ihre Aufgabe ist es, den Menschen zu beschützen, den Lore töten soll. Doch obwohl sie eigentlich Feinde sind, erwacht zwischen Engel und Dämon eine unbezähmbare Leidenschaft.

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Seitenzahl: 598

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LARISSA IONE

DEMONICA

VERSUCHUNG DER NACHT

Roman

Ins Deutsche übertragen von

Bettina Oder

Für meine Mom, die mich lehrte, stark zu sein und daran zu glauben, dass ich alles sein kann, was ich will. Ich liebe dich.

Und für all meine Leidensgenossinnen und -genossen da draußen, die mit einem Angehörigen des Militärs verheiratet sind: Ihr kümmert euch um so vieles, während eure bessere Hälfte fort ist. Ihr werdet mit den ständigen Umzügen fertig, den Veranstaltungen und sämtlichen Veränderungen, die Druck auf eure Familien ausüben. Eure Opfer verdienen Anerkennung und Dank.

Für alle Mitglieder von LIST – Ihr LISTEEZ seid einfach wunderbar! Ein Riesendank gilt insbesondere den Frauen, die dies möglich machten: Lo, Cin, Ada, Olivia, Natasja und Luna. Ihr seid die Größten!

Vielen Dank auch an Ayla und Ilona Fenton, Fatin Soufan, Valerie Tibbs, Kristin Manter, Charlotte Johnson, Maureen Klatte, Leah Franczak, Ing Cruz, Greta Wheeler, Joy Harris, Melissa Bradley, Hilda Oquendo, Lillie Applegarth … eure Unterstützung und Freundschaft waren einfach unglaublich.

Und für Mho, das Dämonenschaf, weil ich mich über dich immer wieder totlachen könnte …

1

Wer die Engel und Teufel nicht in der Schönheit und der Abscheulichkeit des Lebens gesehen hat, befindet sich fern jeden Wissens, und sein Geist wird der Liebe nicht teilhaftig sein.

Khalil Gibran

Wenn es um Sex ging, war Lore immer der Auffassung gewesen, je mehr, desto besser. Nur schade für ihn, dass bei diesem »mehr« seine Partnerinnen dazu neigten, den Löffel abzugeben.

Also was zum Teufel machte er im Bett mit einer kurvigen Verkäuferin aus dem Spirituosenladen, bei der er sich seine dritte Tequilaflasche in ebenso vielen Tagen besorgt hatte?

Sicher, genau genommen befand er sich nicht im Bett. Er stand am Fußende und stieß von hinten in die Frau, die auf der Matratze vor ihm kniete und ihrem Stöhnen zufolge gerade auf den vierten Orgasmus zusteuerte.

In seinen Eiern baute sich unerträglicher Druck auf, und sein Schaft pulsierte wie wahnsinnig, voll Verlangen, sich endlich zu entleeren. Aber egal, was er auch tat, es kam einfach nicht zur Zündung. Er packte die Hüften des menschlich aussehenden Dämons noch fester, stieß tiefer in sie hinein. Schneller.

Nichts.

Er hob sie an, damit sich ihre Knie vom Bett lösten und er vollkommene Kontrolle über sie gewann, während sich seine Hüften in fieberhaften Kreisbewegungen an ihr rieben.

Immer noch nichts.

Schweiß strömte ihm übers Gesicht, und seine Lungen brannten unter der Gewalt seiner keuchenden Atemzüge.

»Komm schon, Baby«, rief die Frau, die, wenn er sich recht erinnerte, April hieß … oder May … oder vielleicht auch June. Sie bäumte sich auf, bereits vom nächsten Höhepunkt überwältigt. Dann ließ sie erschöpft den Kopf sinken, sodass sich ihr weißblondes Haar auf den schwarzen Satinlaken ausbreitete.

Sie war hübsch. Nicht so hübsch wie Gem, aber das war schließlich kaum eine Frau. Lore schüttelte das Bild der Ärztin mit einer Vorliebe für den Grufti-Look ab. Sie war zur Hälfte ein Seelenschänder-Dämon, und vor allem war sie in einen dämlichen Menschen namens Kynan verknallt, weshalb Lore bei ihr sowieso keine Chance hatte.

Dass er nicht zum Höhepunkt kam, weil er sich Sorgen machte, er könne diese Tussi, die einer ihm unbekannten Spezies angehörte, versehentlich abmurksen, war echt zum Totlachen. Vor allem, wenn man bedachte, dass er für Geld tötete – ohne Skrupel, ohne Reue. Und außerdem gab es wirklich schlimmere Arten abzutreten als Tod durch Orgasmus.

Aber Gem schien eine Ader in ihm geöffnet zu haben, eine, in der irgendwelche schlappschwänzigen Weicheigefühle statt Blut flossen. Und in Wahrheit gab es einen Grund, warum er seit Jahrzehnten keinen Sex mehr gehabt hatte, auch wenn er dank seiner Seminus-Herkunft eigentlich ständig das überwältigende Verlangen spürte, jede Frau zu ficken, die seinen Weg kreuzte. Zu seinem Glück erlaubte seine menschliche Hälfte es ihm, diesem Verlangen mit eigener Hand abzuhelfen, im Gegensatz zu reinrassigen Seminus-Dämonen, die auf eine Partnerin angewiesen waren, wenn sie nicht sterben wollten.

Wenn Lore eine Partnerin hatte, starb sie.

Mit einem frustrierten Schrei zog er sich aus AprilMayJune zurück und nahm seinen Schwanz in die behandschuhte Hand. Er kam schnell und heftig … und, wie erwartet, kein bisschen befriedigender, als wenn er allein gewesen wäre. Und jetzt, nachdem es nichts mehr gab, was ihn hätte ablenken können, konnte er auch die handförmige Narbe nicht mehr ignorieren, die auf seiner Brust brannte.

Lore musste gehen. Er durfte nicht länger zögern. Nachdem er es drei Wochen lang vor sich hergeschoben hatte – in erster Linie, um seinen Boss zu verärgern –, war es an der Zeit, seine Strafe wie ein Mann auf sich zu nehmen. Genauer gesagt, wie ein Wesen, das zur Hälfte Mann und zur Hälfte Inkubus war.

Die Frau wälzte sich auf die Seite und musterte ihn mit schläfrigen Augen. Er war immer noch unsicher, warum er ausgerechnet ihretwegen die enthaltsame Periode unterbrochen hatte. Sie war wohl einfach nur zur rechten Zeit am rechten Ort gewesen, als er mal wieder eine SMS von Dr. Eidolon erhalten hatte. Der Kerl musste seinen Doktortitel doch tatsächlich noch in seiner Unterschrift unterbringen – als wüsste nicht sowieso die gesamte Unterwelt, was er war.

Die Erinnerung daran, dass sein Bruder ein angesehener Arzt war, der Leben rettete, während Lore nichts weiter blieb als eine eher zwielichtige Erscheinung, ein Mörder und dazu noch ein Halbblut, hatte ihn auf direktem Weg in eine zerstörerische Abwärtsspirale befördert. Und die hatte jede Menge Alkohol und ein unsittliches Angebot an AprilMayJune beinhaltet.

Trotzdem würde er Eidolon und seinen anderen Brüdern irgendwann einmal wieder entgegentreten müssen, ganz gleich, was Lore seiner Schwester versprochen hatte. Er konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass seine neu entdeckten Brüder ihn auf jeden Fall aufstöbern würden, wenn sie nur wollten. Und sie erschienen ihm nicht gerade wie Typen mit großem Respekt vor Privatsphäre und Zurückgezogenheit.

»Ich hab dir doch gesagt, dass ich nicht läufig bin«, sagte AprilMayJune. Ihre Stimme klang zutiefst befriedigt und schläfrig. »Ich kann nicht schwanger werden.«

»Is mir egal.« Er stopfte seinen Schwanz zurück in die Lederhose. »Ich bin zeugungsunfähig.« Zumindest hatte ihm das sein anderer Bruder, Shade, gesagt. Lore war nicht sicher, wie er sich deswegen fühlte, aber es war jedenfalls eindeutig besser so.

Sie seufzte und ließ sich in die Kissen zurücksinken. »Und warum hast du dann mit deiner Sahne den ganzen Boden vollgespritzt? Und warum hast du immer noch diesen Handschuh an?«

»Um die Wahrscheinlichkeit zu verringern, dass ich dich umbringe.«

Jeder, der mit der bloßen Haut seines rechten Armes oder seiner rechten Hand in Berührung kam, bedeckt von blassen Glyphen, die Dermoire genannt wurden und sich von seiner Schulter bis zu den Fingernägeln erstreckten, fiel auf der Stelle tot um. Seit Jahrzehnten trug er in der Gegenwart anderer – abgesehen von seiner Schwester – immer Jacke und Handschuhe. Aber wenn er zum Höhepunkt kam oder seine »Gabe« heraufbeschwor, konnte er sogar durch das schützende Leder hindurch töten. Darum bemühte er sich, seine Partnerin beim Sex nicht anzufassen, wenn er sich dem Orgasmus näherte. Ja, er bemühte sich, denn mit einigen wenigen Ausnahmen war immer irgendetwas schiefgegangen.

Die Frau fletschte die Zähne; sie waren in den letzten Sekunden schärfer geworden. Und länger. »Glaubst du etwa, du könntest es mit mir aufnehmen?«

Das hab ich doch gerade, Süße. »Ich weiß, dass ich es kann.« Er klopfte auf seine Tasche, um sicherzugehen, dass sie ihm nicht die Brieftasche geklaut hatte, und überprüfte auch seinen Waffenharnisch. Wenn sie seinen Dolch aus Gargantua-Knochen stibitzt hatte, würde er sie umbringen müssen.

Sie sprang mit anmutigen Bewegungen auf die Füße, an denen ihr inzwischen gekrümmte Klauen gewachsen waren, genau wie an ihren Händen. Was für ein Dämon war sie bloß? »Arrogantes Arschloch.« Ihre Aussprache war undeutlich, da die Worte eine zusätzliche Zahnreihe zu überwinden hatten, die eben noch nicht da gewesen waren.

»Du legst dich mit dem falschen arroganten Arschloch an, Kleine.« Lore bewegte sich auf die Tür zu. »Danke für den Spaß. Bis dann.«

»Kleine?« Sie warf sich auf ihn, prallte gegen seinen Rücken und rammte ihn gegen die Wand. Während er versuchte, sich mit einer raschen Drehung aus ihrer Reichweite zu bewegen, zog sie ihre Klauen über seine Brust, riss sein T-Shirt in Fetzen und hinterließ eine blutige Spur tiefer Kratzer.

Als sie auf ihn zuschlich wie eine Katze, bereit, sich auf ihre Beute zu stürzen, glomm Hunger in ihren schwarzen Augen auf. »Ich werde mir gleich dein Gehirn roh zu Gemüte führen.«

Lores Hand zuckte auf die brennenden Kratzer. »O mein Gott. Du bist eine verdammte Gottesanbeterin!« War ja klar, dass die erste Partnerin, die er sich nach sechzig Jahren Enthaltsamkeit aussuchte, eine war, die sich von den Köpfen männlicher Dämonen ernährte.

»Wenn es ein Trost für dich ist«, schnurrte sie, »das war der beste Sex, den ich je hatte.«

»Na toll.«

Sie leckte sich über die Lippen, als könnte sie bereits sein Hirn schmecken.

»Ich kann nicht fassen, dass ich mir Sorgen gemacht habe, ich könnte dich töten.«

Sie stürzte sich auf ihn. Er wich ihr aus. Er könnte ihr miteinerBewegung das Genick brechen, aber die Bisse der Gottesanbeterin lähmten auf der Stelle, und er wollte lieber nichtriskieren, auch nur in die Nähe dieses Mundes zu kommen.

Wieder kam sie mit knirschenden Zähnen auf ihn zu. Als sie die Arme nach ihm ausstreckte, drehte er sich zur Seite und packte ihren Unterarm. Tödliche Energie fuhr knisternd wie ein Blitz von seiner Schulter bis in seine Finger, und im nächsten Augenblick fiel sie zu Boden, wo ihr lebloser Körper mit einem dumpfen Aufschlag landete. Er zuckte noch ein paarmal, ehe er endgültig zur Ruhe kam.

Die meisten reinrassigen Dämonen, die auf der Erde zu Tode kamen, lösten sich innerhalb von Sekunden auf, aber er blieb nicht lange genug vor Ort, um sich das anzusehen. Nicht, dass es ihn interessiert hätte. Er marschierte aus dem Schlafzimmer und aus dem Haus, ohne auch nur einen Blick zurückzuwerfen. Schließlich war er ein Killer. In den drei Wochen, seit er um ein Haar Zeuge des Weltuntergangs geworden wäre, seine Brüder kennengelernt und einen Menschen ins Leben zurückgebracht hatte, den er lieber tot gesehen hätte, hatte er nichts getan, als seine Sorgen im Alkohol zu ertränken. Aber damit war jetzt Schluss. Sich selbst und seinen Schneid zu verlieren, hätte ihn in AprilMayJunes Schlafzimmer beinahe das Leben gekostet.

Diesen Fehler würde er nicht noch einmal begehen.

»Nenn mir einen Grund, warum ich dich nicht auf der Stelle umbringen sollte.«

Lore klickte mit seinem Zungenpiercing gegen die Zähne, während er vor seinem Herrn-und-Meister-Schrägstrich-Arschloch-Boss stand und über eine mögliche Antwort nachsann. Zuhälter wäre eine weitere treffende Bezeichnung für diesen Dämon, angesichts der Tatsache, dass Deth seinen Assassinen erlaubte, freiberuflich tätig zu werden … solange er nur sechzig Prozent des Geldes erhielt, das sie verdienten. Dazu kam, dass die Morde, die er nebenbei ausführte, nicht von Lores Verpflichtung gegenüber Deth abgezogen wurden, obwohl der Dämon von seinen Assassinen verlangte, drei Fremdaufträge im Jahr anzunehmen. Arschloch.

Lore blickte Deth direkt in die Augen; mehr, um den Kontakt mit der Realität nicht zu verlieren, als um zu beweisen, dass er nicht nervös war. Er war von der Wohnung der Gottesanbeterin auf direktem Wege hierher gekommen, aber das war schon gestern gewesen. Zwölf Stunden war er unter der Hauptkammer eingesperrt gewesen – in den Stock gespannt und auf Glasscherben kniend.

Was bedeutete, dass er nicht in der Lage gewesen war, seine sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen. Jetzt spürte er die daraus erwachsende Anspannung, die steigende Wut. Sie drohte ihn in eine Bestie zu verwandeln, die ihre Klauen von innen in seine Haut schlug. Der Rest seines Körpers fühlte sich nicht viel besser. Seine Gelenke schmerzten, die Hoden waren extrem druckempfindlich, und jeder Quadratzentimeter seiner Haut brannte.

Aber all seine Schmerzen waren nichts im Vergleich zu der Folter, die er im Stock erlitten hatte – eine Strafe, die er sich verdient hatte, als er seine Gabe genutzt hatte, um einen Menschen ins Leben zurückzuholen. Früher, bevor Lore seine Seele Deth überlassen hatte, hatte er oft mehr als einen ganzen Tag mit unerträglichen Schmerzen verbracht, nachdem er jemanden von den Toten zurückgebracht hatte. Aber jetzt war es aufgrund der Leibeigenschaft sein Herr und Meister, Detharu, der den grausamen Preis zahlte, den Lore schuldig war, wenn er ein Wesen ins Leben zurückholte. Und Deth sorgte unweigerlich dafür, dass Lore ausreichend für sein Leiden bezahlte.

Komisch, dass seine beiden besonderen Fähigkeiten – Leben zu geben und zu nehmen – so gegensätzlich waren, aber ausschließlich die »gute« mit Schmerzen verbunden war. Vermutlich ergab das schon irgendwie einen Sinn – das Leben war nun mal verdammt schmerzhaft.

»Tja«, sagte er schließlich gedehnt und mit einer Ruhe, die er nicht wirklich fühlte. »Ich bin dein bestaussehender Assassine, und ohne mich müsstest du den lieben langen Tag nur Hadrian Madengesicht und seinesgleichen anstarren.«

Detharu, ein Dämon, dessen Spezies Lore nie herausbekommen hatte, weil er jedem, der ihn sah, in einer anderen Gestalt erschien, lächelte. Zumindest kam die Bewegung, die seine schwarzen, verkrusteten Lippen ausführten, bei diesem Kerl einem Lächeln am nächsten. Aber was es auch war – es trug nicht dazu bei, das ungute Gefühl zu vertreiben, das Lore gerade den Magen umdrehte: ein Unbehagen, noch erdrückender als gewöhnlich.

»Das ist ein gutes Argument. Aber nicht gut genug.« Detharu setzte sich auf seinem Thron zurecht, der aus den Knochen mehrerer Dämonenspezies und wenigstens eines Menschen erbaut war, und fuchtelte mit der Hand, die in einem Stahlhandschuh steckte.

Zwei seiner Wachen – riesige Widderkopf-Dämonen mit geschwungenen Hörnern und einer unheiligen Liebe zu Macheten – lösten sich von den rauen Steinwänden. Ihre schweinsähnlichen Äuglein funkelten in mörderischer Vorfreude, während sie sich Lore von zwei Seiten näherten.

Vier weitere Widderköpfe beobachteten das Geschehen vom Eingang der Kammer aus; Sabber troff von ihren Schnauzen, als hätte Pawlow persönlich zum Essen geläutet. Und in den Schatten hinter Detharu stand ein weiterer Mann mit undurchdringlicher Miene. Doch Lore spürte eine gewisse … Vorfreude an ihm. Seltsam. Lore hatte den Kerl schon mal gesehen, als er mit seinem durchgeknallten Bruder Roag und Byzamoth rumgehangen hatte, einem ebenso durchgeknallten gefallenen Engel, der versuchte hatte, das Ende der Welt in Gang zu setzen.

Aber diese beiden Bekloppten existierten inzwischen nicht mehr, und es ergab auch gar keinen Sinn, sich zu fragen, warum der Dämon hier war. Das größte Mysterium, über das er sich in diesem Augenblick den Kopf zerbrechen sollte, war, ob er wohl seinen Kopf behalten würde.

Lore lockerte die Schultern und tat sein Bestes, um wie ein Mann zu wirken, der sich keine Sorgen darum machte, dass sein nächster Atemzug sein letzter sein könnte. »Hör mal, Deth, mach dir bloß nicht gleich ins Hemd. Ich werd’s wiedergutmachen –«

»Du hast jemandem das Leben zurückgegeben, sodass ich zwei Sonnenuntergänge lang Todesqualen erlitten habe!«

Nur Deth konnte auf die Idee kommen, dass Kynans Wiederauferstehung allein um seinetwillen geschehen war. »Ja, sicher, aber –«

»Wir sind Assassinen, du Schwachkopf! Wir schenken kein Leben! Du hast aus mir eine Witzfigur gemacht.« Mit einem wilden Knurren sprang Detharu auf die Füße; das Feuer in der riesigen Feuerstelle, die sich in der Mitte der Kammer befand, warf flackernde Schatten in die Täler zwischen seinen Rippen – die sich außerhalb seines Körpers befanden. »Schlimmer noch – du und Zaw, ihr habt versagt und die Seminus-Dämonen nicht getötet, wozu ihr vertraglich verpflichtet wart!«

Lore ballte die Hände zu Fäusten, damit er nicht am Ende noch irgendeine Dummheit anstellte, wie zum Beispiel seinen Boss zu erwürgen. »Ich kann dir das Geld beschaffen.«

Was eine große, fette Lüge war. Es bestand nicht die geringste Chance, die zwanzig Millionen aufzutreiben. Er hätte sie von Roags Nachlassverwalter erhalten, sobald er ihm den Beweis vorlegte, dass Wraith, Eidolon und Shade tot waren. Die Hälfte konnte er vielleicht zusammenkriegen, aber nicht den vollen Betrag.

»Aber du kannst mir nicht den Respekt verschaffen, den ich in den Augen der Assassinengilde verloren habe!«, brüllte Deth.

»Es muss doch eine Möglichkeit geben.«

»Die gibt es.« Detharu ließ sich wieder auf den Thron sinken, als wäre sein Wutausbruch nie geschehen. »Dein Kopf auf einem Spieß, der in der Halle der Gilde zur Schau gestellt wird.«

»Also, die Idee find ich jetzt nicht so gut.« Lore fuhr sich mit der behandschuhten Hand durchs Haar, was allerdings nicht dazu beitrug, die Anspannung aus seinem Schädel zu vertreiben. »Jetzt sei nicht so streng mit mir. Immerhin ging es um meine Brüder.«

Zum Glück war es Lore nicht gelungen, sie zu töten. Nach dem missglückten Versuch und der anschließenden Offenlegung ihrer Blutsbande war Lore nur so lange in der Nähe seiner Brüder geblieben, bis er ein wenig über die Geschichte der Seminus-Rasse erfahren und mitbekommen hatte, was aus Wraiths Gefährtin geworden war. Dann hatte er sich in einem Tempo aus dem Dämonenkrankenhaus verzogen, als stünde das Gebäude in Flammen.

Seitdem hatte er seine Brüder weder gesehen noch mit ihnen gesprochen, auch wenn Eidolons ständige SMS so nervtötend waren wie Klauen, die über eine Tafel kratzen.

»Familie?« Detharu beugte sich vor. »Und warum hast du dann zugestimmt, sie zu töten?«

»Als mir der Job angeboten wurde, wusste ich noch nicht, dass sie meine Brüder sind.« Nein, dieses kleine Geheimnis war genauso abartig gewesen wie Roag selbst.

Als sich Detharu zurücklehnte und das spitze Kinn rieb, knarrte der Stuhl. »Ich habe auch Geschwister. Zwei davon habe ich getötet. Es hat mir Spaß gemacht.«

Das sah gar nicht gut aus. »Zweifellos hatten sie es verdient.« O ja, Lore war ein ausgezeichneter Arschkriecher.

Detharu zuckte mit den Schultern. Einen Augenblick lang war das einzige Geräusch im Raum das Knistern des Feuers. Hin und wieder gab es ein dumpfes Platschen, wenn Widderkopfsabber am Boden auftraf.

Lore beäugte den Ausgang, während er hastig einen Fluchtplan zusammenstoppelte. Er könnte den Dämon ausschalten, der ihm am nächsten stand, sich dessen Machete schnappen und dann hoffen, dass es ihm gelang, die anderen niederzumähen, ehe Detharu ihn erwischte. Wenn er es schaffte, sich in die vordere Kammer durchzuschlagen, würden Detharus andere Assassinensklaven ihm bei der Flucht helfen.

Nicht, dass er sich für längere Zeit auf freiem Fuß befinden würde. Das Sklavenmal – der Handabdruck, der in das Fleisch über seinem Herzen eingebrannt war – würde ihn über kurz oder lang zwingen, hierher zurückzukehren oder aber unvorstellbare Leiden auf sich zu nehmen, wenn das Mal ihm erst die Haut versengte und sich dann bis zu seinen Muskeln und Organen vorarbeitete. Entweder kehrte man in die Höhle zurück, oder man wurde gegrillt. Und zwar langsam.

Schließlich schüttelte Detharu den Kopf. »Ich werde dich nicht dafür exekutieren, dass du deine Brüder nicht getötet hast.«

»Wie großzügig von dir«, murmelte Lore.

Ein warnendes Knurren ertönte aus Deths skelettartiger Brust. »Was hast du gesagt?«

»Ich sagte vielen Dank.« Lore warf den Widderköpfen einen finsteren Blick zu. »Ihr habt ihn gehört. Verzieht euch. Heute gibt’s für euch nichts zu morden.« Die Widderköpfe dienten eher als Wachen denn als Henker, aber im Grunde machten sie so ziemlich alles, was Deth von ihnen verlangte. Und je blutiger die Aufgabe, desto glücklicher waren sie.

Detharus orangefarben glühende Augen verengten sich. »Aber das hat natürlich seinen Preis.«

»Natürlich.«

»Ich habe einen Job für dich.«

Was bedeutete, dass Deth trotz all seiner Drohungen und dem Getue niemals vorgehabt hatte, Lores Kopf aufzuspießen. »Was soll ich tun?«, fragte Lore durch zusammengebissene Zähne. »Eine weitere Schuld eintreiben? Jemandem eine blutige Warnung überbringen? Soll ich dir eine Pizza holen? Denn du weißt ja, wie gern ich den Lieferjungen spiele.«

Er hasste es, Pizzataxi spielen zu müssen.

»Du kannst mir eine aus purem Fleisch bringen, garniert mit dem Kopf eines gewissen Menschen. Ich schenke dir deinen hundertsten Auftrag.«

Lores Atmung setzte aus, während sein Puls in ungeahnte Höhen schoss. Darauf hatte er nun dreißig Jahre lang gewartet. Wenn er erst seinen hundertsten Mord begangen hatte, würde Deth keinerlei Macht mehr über ihn haben. Er wäre ein freier Mann. Aber nicht so hastig … da stimmte doch etwas nicht. Detharu vermied es schon seit Jahren, ihm einen weiteren Mordauftrag zu erteilen, da er gar nicht vorhatte, ihm jene letzte Aufgabe zu stellen, die sowohl Lore als auch seine Schwester Sin für alle Zeit befreien würde.

Lore studierte Deths unbewegtes Gesicht; er suchte nach irgendeinem Hinweis darauf, was dieser dachte, entdeckte aber nichts. »Wo ist der Haken?«

Deths knochige Finger pochten mit aufreizendem Klicken auf die Armlehne. »Du hast die Bedingungen unserer Abmachung missachtet, als du den Nebenauftrag mit Roag gebrochen und die Seminusbrüder nicht getötet hast. Ich habe dadurch den mir zustehenden Anteil verloren und stehe überdies wie ein Narr da. Darum ändere ich hiermit unsere Abmachung.«

Mist. Er hatte es doch gewusst. »Und was sind deine neuen Bedingungen?«, brachte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

»In der Vergangenheit war es dir gestattet, Aufträge abzulehnen.«

»Und ich habe den Preis dafür in Blut bezahlt.« Jede Menge Blut.

»Diesen Auftrag wirst du nicht ablehnen.«

Oh-oh. Eine Gänsehaut kroch Lores Rückgrat empor. Deth ging also davon aus, dass er sich weigern würde, was bedeutete, dass das Ziel ein Kind oder eine schwangere Frau oder etwas Ähnliches sein musste. »Und wenn doch?«

»Wenn du dich weigerst oder versagst, werde ich mir Sins Kopf anstelle von deinem holen, zum Ausgleich für dein Versagen, deine Brüder zu töten.«

Ein roter Vorhang senkte sich vor seine Augen. Bleib ja ruhig. Bleib … ruhig. Es funktionierte nicht. Wut stieg in Lore auf und schwappte augenblicklich über, ohne die übliche Übergangsphase. Er stürzte sich auf den Dämon. »Du verdammtes Arschloch!«

Die Wachen hielten ihn zurück, einer an jedem Arm. Instinkt vermengte sich mit Wut, und ohne nachzudenken, aktivierte er seine Gabe. Dem Widderkopf, der Lores rechten Bizeps gepackt hatte, blieb nicht einmal Zeit zu schreien. Er fiel zu Boden, mit größeren Augen, als er je im Leben gehabt hatte.

Sofort zuckte der andere zurück und zog seine Machete, die er Lore zwischen die Rippen stieß.

Detharu erhob sich, und gleich darauf fühlte Lore Deths mit einem stählernen Handschuh bekleidete Faust in seinem Gesicht. Lores Kopf fuhr zurück, Schmerz explodierte in seinem Schädel. Detharus Miene war wutverzerrt, seine Lippen zogen sich von seinen scharfen, geschwärzten Zähnen zurück.

»Das war dumm, Lore. Selbst nach all dieser Zeit hast du immer noch nicht gelernt, dein Temperament zu zügeln.«

Es wurmte ihn, es zuzugeben, aber in beiden Punkten hatte Detharu recht. Lores Wutanfälle waren ein Problem, seit er zwanzig war und diese seltsame Transformation durchgemacht hatte. Hinterher war sein Arm mit Tattoos bedeckt gewesen. Aber das war nur der Anfang. Damals hatte er auch die »Gabe« erhalten, alles zu töten, was er mit dem tätowierten Arm berührte, und dazu die Fähigkeit, Tote wieder ins Leben zurückzurufen oder zu »fühlen«, wie jemand gestorben war. Zudem besaß er eine ausufernde Libido, die mehrmals am Tag befriedigt werden musste, wenn er sich nicht in einen Wutanfall hineinsteigern wollte, der erst endete, wenn er jemanden getötet oder Sex gehabt hatte – Sex, der mit dem Tod seiner Partnerin endete.

Doch sexuelle Befriedigung war noch keine Garantie gegen diese Wutanfälle. Schmerz oder Zorn vermochten sie jederzeit auszulösen, ganz gleich, wie oft er sich Erleichterung verschafft hatte oder wie lange das letzte Mal zurücklag.

Er atmete tief aus und ein, um sich wieder abzuregen, ehe er am Ende den Punkt erreichte, von dem aus es kein Zurück mehr gab. Oder ehe er noch eine Dummheit machte. Auf einen Angriff auf Detharu stand die Todesstrafe.

Dabei hätte Lore Detharu überhaupt nichts antun können. Die Magie ihres Bundes unterband jegliche Gewalt gegen seinen Herrn. Lore wäre nicht einmal imstande, Detharu zu berühren, es sei denn, dieser wollte berührt werden.

Gott sei Dank hatte Deth vor langer Zeit beschlossen, dass es Lore nicht erlaubt war, ihn zu berühren. Nur wenige von Deths Assassinen hatten so viel Glück.

Lore biss die Zähne aufeinander, fest entschlossen, nicht alles noch durch eine dumme Bemerkung zu verschlimmern; allerdings hatte er genauso wenig vor, um Verzeihung zu bitten.

Stattdessen fragte er: »Wer ist das Ziel? Wer ist mein hundertstes Opfer?«

Lore hatte den Mann in den Schatten schon ganz vergessen, doch als er sich jetzt bewegte, schien sein schwarzes, taillenlanges Haar sämtliches Licht im Raum zu absorbieren. Es war, als trüge der Kerl seinen Schatten wie einen Umhang. Das war echt so was von schräg.

Ein düsteres Lächeln teilte Deths Gesicht. »Das Ziel«, sagte er, »ist Kynan Morgan. Derselbe Mensch, den du ins Leben zurückgebracht hast.«

Der Boden unter Lores Füßen schien zu beben. O du heilige Hölle. Obwohl Lore Kynan das Leben gerettet hatte, hasste er ihn und hätte im Grunde genommen gar nichts dagegen, ihn unter die Erde zu befördern. Allerdings … wenn er den Menschen umbrachte, würde Lore den Rest seines traurigen Lebens damit verbringen, immer wieder über die Schulter zurückzublicken. Denn jeder Aegis-Wächter auf diesem Planeten würde hinter ihm her sein und versuchen, ihm mit seinem S’teng den Bauch aufzuschlitzen – was allerdings noch angenehm sein dürfte, verglichen mit dem, was Gem und seine Brüder ihm antun würden.

Deth beugte sich vor, so nahe, dass Lore die abstoßende Hitze des Dämons im Gesicht spüren konnte. »Jetzt kennst du deinen Auftrag. Du wirst Morgan töten, indem du deine tödliche Berührung einsetzt, und sein Amulett an dich bringen. Und alles innerhalb von sechsundneunzig Stunden. Wenn du dich weigerst oder versagst, wird Sin sterben.«

Sin, deren Lieblingsspruch jetzt ironische Realität zu werden drohte.

Keine gute Tat bleibt ungestraft.

Wenn das nicht die verdammte Wahrheit war.

Indem er seine Brüder verschont hatte, hatte Lore möglicherweise seine Schwester zum Tode verurteilt.

Rariel konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als er Lore hinterhersah, während dieser Detharus Kammer verließ. Er hatte so lange darauf gewartet, seinen Plan in Gang zu setzen, und jetzt, wo der Ball im Spiel war, konnte ihn nichts mehr aufhalten.

»Warum hast du ausdrücklich nach Lore verlangt, um diesen Job zu erledigen?« Detharu stand neben dem Kamin, sodass seine normalerweise weiße Haut die orange Färbung der Flammen annahm, wie bei einem Chamäleon. Im Gegensatz zu den meisten anderen war Rariel in der Lage, die wahre Gestalt des Molegra-Dämons zu sehen, auch wenn er sich wünschte, es wäre nicht so. Diese augenlose Kreatur von der Gestalt eines Menschen war einer der abstoßendsten Dämonen, denen Rariel je begegnet war.

»Ihm eilt der Ruf voraus, einer der Besten zu sein«, log Rariel.

Lore hatte sich in der Tat den Ruf erworben, ausgezeichnete Arbeit abzuliefern, aber das war nicht der Grund, wieso Rariel ihn auserwählt hatte. Rariel hatte ihn erwählt, weil Lore, indem er Kynan, einem gezeichneten Hüter, das Leben zurückgegeben hatte, der Einzige war, der es ihm wieder nehmen konnte. Abgesehen von einem Engel.

Detharu, der immer noch ins Feuer starrte, nickte. »Es tut mir leid, ihn zu verlieren. Und Sin.«

Ja, Rariel verspürte eine gewisse Neugier, was diese mysteriöse Sin betraf, mit der Detharu Lore erpresst hatte. »Ist sie seine Gefährtin?«

»Schwester.«

Rariel stockte der Atem. Schwester … »Ist sie eine Assassine?«

Detharu wandte sich um, wobei sein wurstartiger Körper groteskerweise in wellenförmige Bewegungen geriet. »Das ist sie. Gnadenlos und schlau, genau wie ihr Bruder.«

Oh, das war perfekt. Ja, sogar poetisch. »Dann möchte ich, dass Sin die andere Zielperson übernimmt.«

»Derselbe Zeitrahmen?«, fragte Deth.

»Ja.«

Der Assassinenmeister schlurfte zu seinem Thron. »Da du es so eilig hast, wird dich das den vierfachen Preis kosten, genau wie bei Lore.«

»Ich bezahle das Vierfache, weil du Lore als Sklaven verlierst, indem ich darauf bestehe, dass er den Job übernimmt.«

»Dann das Doppelte. Akzeptiere oder lass es bleiben.«

Rariel könnte darauf verzichten und irgendeinen anderen Assassinen benutzen, aber diese Bruder-Schwester-Sache ließ ganze Wellen angenehmer Schauer über seinen Körper laufen. »Abgemacht.«

Detharu lächelte; seine bleichen, formlosen Lippen bildeten einen tiefen Riss, der winzige, spitze Zähne entblößte. »Sag mir eins: Warum ist dir Morgans Amulett so wichtig?«

»Es ist vollkommen unwichtig. Einen gewissen Wert hat es nur als Trophäe.« Die Wahrheit war nichts, was er mit irgendjemandem teilen würde, vor allem nicht mit Assassinenabschaum. Denn in Wirklichkeit war das Amulett ein unbezahlbares Druckmittel, das Rariel alles verschaffen würde, wonach es ihn verlangte.

Der Dämon schien ihm die Lüge abzukaufen. »Dann komm«, sagte er und wies auf die Tür. »Wir werden uns am süßen Fleisch eines frisch geschlüpften Holderfuchses ergötzen, während wir die Verträge aufsetzen.«

Pelzige kleine Holderfuchsküken waren nicht billig, aber bei dem Preis, den Rariel zahlte, konnte sich der Bastard so ein Festmahl leisten. Ja, wenn er wollte, könnte er jeden Tag die Jungen einer anderen Spezies verzehren. Trotzdem verspürte Rariel keine Bitterkeit. Nicht, wenn Jahrhunderte sorgfältiger Planung kurz davorstanden, endlich Resultate zu zeitigen.

O ja, er konnte Idess’ kummervolle Schreie schon fast hören.

Eine eisige Hand schien seinen Arm sanft zu streifen und erinnerte ihn an die Schuld, die Rariel noch zu bezahlen hatte. Denn Rariel war nicht der Einzige in diesem Raum, der auf Rache aus war.

Und nach allem, was Roags Brüder ihm angetan hatten, konnte Rariel es dem Dämon nicht verdenken.

2

Idess war dem Ende nah. Sie konnte es fühlen. Konnte es praktisch schmecken, und wie sie da auf dem Gipfel des Mount Everest stand und in den Himmel emporblickte, konnte sie es sich in allen Einzelheiten ausmalen.

Ein eisiger Sturm wirbelte den Schnee um sie herum auf, aber sie bemerkte es nicht einmal, obwohl sie lediglich mit einer tief sitzenden Tarnhose mit abgeschnittenen Beinen, einem bauchfreien Tanktop und Wanderstiefeln bekleidet war. Als eine Memitim – die einzige Klasse von Engeln, die als solche geboren und nicht durch die Hand Gottes dazu gemacht wurden – war sie den Elementen gegenüber unempfindlich. Genauer gesagt war sie den meisten Dingen gegenüber unempfindlich, die anderen Schaden zufügen konnten. Und schon bald würden selbst diese wenigen Dinge, die sie jetzt noch verletzen oder töten konnten, keine Bedrohung mehr sein. Schon bald würde sie aufsteigen, würde sich ihre Flügel verdienen und sich zu ihrer Engelmutter, ihren Brüdern und Schwestern im Himmel, die die Aszension bereits hinter sich hatten, gesellen.

Nicht, dass sie sich unbedingt nach ihnen sehnte. Mit Ausnahme ihres Bruders Rami kannte sie nur wenige ihrer Geschwister gut, die meisten allerdings gar nicht. Aber sie konnte es kaum erwarten, Rami zu sehen, nachdem sie die letzten fünfhundert Jahre, seit er aszendiert war, einsam und allein verbracht hatte.

Die einzigen Gelegenheiten, bei denen sie Kontakt mit anderen hatte, war, wenn sie einkaufen ging – eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen – und wenn sie sich nährte – ein notwendiges Übel, das sie verabscheute. »Uns nähren zu müssen, ist der Fluch unseres Vaters«, hatte Rami gesagt. »Es erinnert uns daran, dass niemand perfekt ist und dass wir den Versuchungen des Fleisches widerstehen müssen, um jeglicher Verderbtheit Einhalt zu gebieten, die unsere Seelen besudeln würde.«

Rami hatte gefürchtet, dass sie den körperlichen Kontakt genießen könnte, zu dem es notwendigerweise kam, wenn sie sich von den Primori nährte. Und dass sie allmählich der Sünde erliegen würde.

Er war zu Recht besorgt gewesen. Blut zu trinken, bedeutete weitaus mehr als nur die kurze Infusion von Energie, die Memitim benötigten, um ihre Fähigkeit, sich zu blitzen, aufrechtzuerhalten. Es bewirkte außerdem eine zeitweise psychische Verbindung zu ihrem Wirt, der die Memitim dazu zwang, über Stunden zu fühlen, was die Primori fühlten – sei es Wut, Trauer oder Lust.

Oh, Idess konnte den Tag ihrer Aszension kaum noch erwarten. Dann wären derartige Intimitäten nicht mehr nötig. Unter den gegebenen Umständen verabscheute sie es dermaßen, sich nähren zu müssen, dass sie dazu neigte, es bis zum letztmöglichen Zeitpunkt aufzuschieben.

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