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Limos ist eine Reiterin der Apokalypse und mit Satan persönlich verlobt. In einem schwachen Moment gibt sie ihren wahren Gefühlen nach und küsst den menschlichen Soldaten Arik. Satans Zorn wegen ihrer Untreue droht die ganze Welt zu vernichten, und Limos muss einen gefährlichen Pakt eingehen, um das Schlimmste zu verhindern.
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Seitenzahl: 613
LARISSA IONE
ETERNAL RIDERS
LIMOS
Roman
Ins Deutsche übertragen von
Bettina Oder
Für alle Freunde des Liebesromans – Leser, Autoren und Mitarbeiter in Verlagen –, die sich unlängst zusammengetan haben, um einem Mitglied ihrer Gemeinschaft zu helfen, und die auch weiterhin Veranstaltungen auf die Beine stellen, von denen Einzelpersonen, Gruppierungen und sogar ganze Länder profitieren. Ihr seid wirklich toll, und dieser Reiter ist euch gewidmet!
1
Eins musste Arik Wagner den vier Reitern der Apokalypse lassen: Sie verstanden es wirklich, eine Party zu schmeißen.
Na ja, zumindest drei von ihnen. Der vierte, dessen Name Reseph gelautet hatte, ehe sein Siegel brach und er als Pestilence bekannt wurde, hielt sich seit seiner Niederlage im Kampf gegen seine Geschwister – Ares, Limos und Thanatos – vor einem Monat versteckt. Zweifellos waren dieses Arschloch und seine Dämonenarmee gerade damit beschäftigt, sich neu zu formieren, aber zumindest für den Augenblick konnten alle erleichtert aufatmen.
Das war auch der Grund für diese Party, die zum Teil Siegesfeier und zum Teil Verlobungsparty für Ares und seine Cara war. Sämtliche Überlebende der Schlacht waren in Ares’ griechische Villa eingeladen worden und dazu noch die Belegschaft des Underworld General, die Cara geholfen hatte, als sie im Sterben lag. Und das hieß, dass es dort von Dämonen nur so wimmelte.
Sogar ein paar Engel hatten sich unter die Feiernden gemischt. Reaver – ein Angeber und Schwachkopf, wie Arik gleich erkannt hatte – trieb sich drüben beim Schokoladenbrunnen herum und unterhielt sich mit einem strahlenden weiblichen Engel namens Gethel, der früher einmal die gute Wache der Reiter gewesen war, ehe Reaver diesen Job übernommen hatte. Daneben besaßen die Reiter auch noch eine böse Wache, die Harvester hieß und nicht eingeladen worden war. Das musste wohl damit zu tun haben, dass sie ein durch und durch böses Frauenzimmer war, dem durchaus zuzutrauen war, sich an den Gästen gütlich zu tun, wenn der Hunger sie überkam.
Thanatos, der vierte Reiter, stieß bei dem Versuch, einen Football zu fangen, den jemand quer durch das riesige Zimmer geschleudert hatte, gegen Arik.
»Pass doch auf, du Trottel«, murmelte Arik.
»Was ist los, Mensch?« Thanatos stieß ihm den Ball mit solcher Wucht gegen die Schulter, dass Arik taumelnd zurückwich. »Pingpong ist wohl eher dein Fall.«
Arik warf Kynan Morgan, einem alten Army-Kumpel, einen Blick zu. Kynan war inzwischen ein ganz hohes Tier in der Aegis, einer steinalten Organisation, die gegen Dämonen kämpfte. Der Blick besagte: Können wir jetzt endlich abhauen, oder was?, und Ky, der in eine Unterhaltung mit Ares vertieft war, hob einen Finger. Arik und er hatten vorgehabt, sich nach spätestens zehn Minuten wieder zu verabschieden, da Ky möglichst schnell nach Hause zu seiner Frau Gem und ihrem neuen Baby kommen wollte. Was Arik mehr als recht war.
Wenn Arik noch eine einzige Minute mit all diesen übernatürlichen, eingebildeten Scheißern verbringen müsste, würde er sich eigenhändig die Kehle aufschlitzen. Allerdings … Falls Limos, der umwerfende weibliche Reiter, ihn noch ein einziges Mal dabei erwischte, wie er sie anglotzte, würde sie ihm diese Arbeit vermutlich abnehmen.
Obwohl sie rein äußerlich wie ein Party-Girl wirkte, war sie doch unter den Röcken, dem Nagellack und den Blüten im Haar mindestens ebenso gefährlich wie ihre Brüder.
Da niemand auf ihn zu achten schien, schlenderte Arik aus dem Haus in die kühle Novembernacht hinaus. Er hatte Griechenland immer gemocht, war auch ein paar Mal als Soldat hier gewesen. Das Essen war gut, das Wetter perfekt, und die Leute benahmen sich Amerikanern gegenüber nicht wie Arschlöcher. Sicher, die griechische Bevölkerung wies einen hohen Prozentsatz an Dämonen auf, aber das war bei einigen der alten Länder der Fall. Dämonen waren extrem langlebig, wenn nicht sogar unsterblich, und sie neigten dazu, sich an Orten niederzulassen, die sie gut kannten.
Also, besonders abenteuerlustig waren sie nicht, diese Luschen.
Er ließ sich auf einer Steinbank nieder, von der aus er den Blick übers Meer genießen konnte. Er spürte die Schweinsäuglein der Widderköpfe auf sich – der Dämonenwachen, die Ares einsetzte –, ignorierte sie aber und sah in den Himmel hinauf. Die Sterne leuchteten heute Abend besonders hell, ihr Licht glitzerte am pechschwarzen Himmel. Er hatte ein paar Minuten mit Cara sprechen können, als sie einen ungebetenen Gast – einen ihrer Höllenhunde – hatte vor die Tür setzen müssen, und war beeindruckt gewesen, wie leicht es ihr, einem Menschen, gefallen war, sich in die übernatürliche Welt zu integrieren. Oh, sicher, zuerst hatte es jede Menge Probleme gegeben, und sie hatte ihm von einigen wirklich abgefahrenen Sachen erzählt – Ares hatte ihre Erinnerungen manipuliert? Dafür würde Arik jeden töten. Aber jetzt war sie glücklich – die Königin der Höllenhunde, die mit einer verdammten Legende verlobt war.
Apropos Legende – er roch Limos, noch ehe er sie hörte: Das Aroma von Kokosnüssen trieb auf einer Brise zu ihm heran und ließ sein Herz schneller schlagen. Kokosnüsse hatten ihn noch nie angemacht, aber schließlich hatte er diesen Duft bisher auch nicht mit einer unglaublich heißen Frau verbunden, deren Haare die Farbe des mitternächtlichen Himmels hatten.
»Was machst du?«
Ihre samtige, feminine Stimme stand in so krassem Gegensatz zu der Kriegerin, die sie eigentlich war, dass er sich unwillkürlich fragte, wie sie sich wohl im Bett anhörte. Ob sie an ihrer weiblichen Seite festhielt oder ob sie da eher die harte, dominante Tour bevorzugte und der Kämpferin in sich das Ruder überließ? »Ich wollte nur ein bisschen frische Luft schnappen.«
»Warum?«
Weil du mich ganz verrückt machst. »Einfach so.«
»Lust auf einen Kampf?«
Er blinzelte. »Was?«
Sie baute sich vor ihm auf. Ihre Knie berührten die seinen, und ihr mit Blumen bedrucktes hawaiianisches Kleid, das von einem intensiven Violett war, passend zu ihren Augen, wehte um ihre wohlgeformten Knöchel und schlug gegen seine Stiefel. »Ich spüre Unruhe in dir. Vielleicht möchtest du ja mal alles rauslassen? Du weißt schon, ein kleines Handgemenge wirkt manchmal Wunder.«
O Gott. Okay, okay, konnte schon sein, dass sie die Anspannung in ihm fühlte, aber das lag bestimmt nicht daran, dass er Sehnsucht nach einer Prügelei hatte. Er hätte sich am liebsten auf der Stelle nackt ausgezogen, und das Seltsame war, dass er sich vorstellte, sie wäre ebenfalls nackt. Sie faszinierte ihn mit ihren Widersprüchen, machte ihn mit ihrem Körper an, und als er zufällig beobachtet hatte, wie sie Ares’ Dienern dabei half, Verschüttetes in der Küche aufzuwischen, hatte er sie bewundert. Sie hatte sich einfach auf alle viere begeben und den Boden geschrubbt und das Ganze mit einem verdammten Lächeln im Gesicht.
Natürlich hatte er ebenfalls gelächelt, denn bei dem Anblick, den sie ihm auf Händen und Knien bot, hatte er auf der Stelle einen Ständer bekommen.
Jetzt, als Limos vor ihm stand und er sich vorstellte, dass er nur ihr Kleid packen und es ihr über die Hüften hochschieben müsste, um sich auf Augenhöhe mit ihrer intimsten Stelle zu befinden, wurde er schon wieder hart. Würde sie sich wohl von ihm lecken lassen? Wie würde sie schmecken? Durchdrang dieser Kokosduft alles? Er liebte Kokosnüsse.
Irgendwie gelang es ihm, sich so weit zusammenzureißen, um ihr die Hände um die Taille zu legen und sie beiseitezuschieben, damit er aufstehen konnte. »Ich möchte gar nichts rauslassen.« Abgesehen von meinem Schwanz. Vermutlich würde sie ihn umbringen, wenn sie wüsste, was er gerade dachte.
Er machte Anstalten, zum Haus zurückzukehren, um Kynan mit Gewalt rauszuzerren, wenn es sein musste. Aber natürlich wollte Limos davon nichts wissen. Diese Reiter waren anscheinend davon überzeugt, sich alles leisten zu können.
»Stopp!« Sie packte ihn am Ellbogen und riss ihn herum. »Du darfst auch als Erster zuschlagen«, bettelte sie, während sie die rabenschwarzen Brauen tanzen ließ.
Er beugte sich hinab und starrte ihr in die Augen. »Ich schlage keine Mädchen.«
Das hätte er wohl besser nicht sagen sollen. Eine halbe Sekunde später fand er sich flach auf dem Rücken liegend wieder, während sie ihren beflipflopten Fuß auf seinen Hals stemmte.
»Siehst du«, sagte sie strahlend, »darum hab ich dir angeboten, als Erster zuzuschlagen. Wenigstens hab ich dir diesmal nicht die Rippen gebrochen.«
»Wow«, krächzte er. »Machst du alle Männer zur Schnecke, oder bin ich was Besonderes?«
Ihre sinnlichen Lippen verzogen sich zu einem amüsierten Lächeln. »Oh, du bist etwas Besonderes, aber das würde ich nicht als Kompliment auffassen.«
»Ich kann dir unters Kleid sehen.« Das war gelogen, aber es machte ihm einen Heidenspaß, wie sie die Augen aufriss und anfing zu stottern. Er hob die Hand und packte ihren Knöchel, um ihren Fuß anzuheben, damit er endlich wieder Luft bekam. Aber ihre Haut war so zart, dass er einfach so verharrte.
»Was machst du denn da?«, stieß sie keuchend hervor.
»Nichts.« Sanft ließ er den Daumen über ihr Bein hinauf- und hinuntergleiten, an jener hochempfindlichen Stelle, wo der Knöchel in die Wade überging. Ihre Muskeln waren fest, ihre Haut seidig. O Mann, nichts täte er lieber, als seine Hand weiter nach oben gleiten zu lassen. Aber immerhin hatte er sie jetzt da, wo er sie haben wollte – vollkommen unvorbereitet. Und jetzt würde er noch einen Schritt weiter gehen …
»Du«, sagte er mit einschmeichelnder Stimme, »bist ein HILF.«
»Ein was?«
»Horseman I’d like to fuck.«
Mit einem Ruck zog er ihr das Bein weg, während er sich gleichzeitig herumwarf, sodass sie nicht auf der harten Erde, sondern auf ihm landete. Sie wirkte dermaßen fassungslos, so völlig ungläubig, dass sie auf seinem Brustkorb liegen blieb und ihn mit offenem Mund anstarrte.
Gott, wie wunderschön sie war. Und dieser Mund … dazu geschaffen, einen Mann so weit zu treiben, um Gnade zu flehen. Also küsste er sie – ohne überhaupt zu merken, dass er es tat, ehe seine Lippen auf ihren lagen. Er hätte nicht gedacht, dass irgendetwas in der Lage wäre, ihr Entsetzen noch zu vergrößern, aber jetzt schossen ihre Augenbrauen so weit in die Höhe, dass es schon komisch gewesen wäre, wenn er nicht gerade seinen Kopf angehoben hätte, um den Kuss zu vertiefen. Das war ganz typisch für ihn: keine halben Sachen. Auch wenn er nicht gleich mitbekommen hatte, dass er sie küsste – wenn er erst einmal kapiert hatte, was los war, ging er auch so weit wie möglich.
Befehle und herrsche.
Einen kurzen, süßen Moment lang erwiderte sie seinen Kuss. Ihre Lippen wurden weich, und ihre Zunge kam seiner entgegen, zögernd, als wäre sie nicht sicher, was sie da tat.
Und dann stand seine Welt auf einmal Kopf.
Limos richtete sich auf und knallte ihm mit aller Kraft die Faust gegen die Wange. Schmerz breitete sich spinnwebartig über sein ganzes Gesicht aus, über jeden Knochen, jeden Zahn. Erst hatte er sie geschmeckt, und jetzt schmeckte er nur noch sein eigenes Blut.
»Was zur Hölle …!«, schrie er oder versuchte zumindest zu schreien. Dank seiner zerschlagenen Lippen, gespaltenen Zunge und vermutlich schrecklich zertrümmerten Kiefers und Wangenknochen klangen seine Worte ziemlich zermanscht. Was er hörte, klang eher so: »Bas fur Öje …!«
»Du hast mich geküsst!« Mit wildem Blick wich sie so rasch vor ihm zurück, dass sie ihre Flipflops verlor. »Weißt du eigentlich, was du da getan hast, du Trottel? Für den Kuss wirst du bezahlen.«
Was für eine Scheiße war –
Überall um ihn herum begann die Erde zu beben, und eine Sekunde später streckten sich riesige, dornige Arme aus dem Boden. Hände packten ihn, vielleicht ein Dutzend, zerrten an seinen Gliedmaßen, verdrehten sie, zerfetzten ihm die Haut, bis der Schmerz unerträglich wurde.
Sein Bewusstsein schien ihn zu fliehen, wurde unerreichbar. Ihm wurde schwarz vor Augen, doch seine Ohren funktionierten noch, und ehe er ganz und gar dichtmachte, hörte er noch Limos’ panische Stimme. Doch was sie sagte, ergab gar keinen Sinn.
»Sprich meinen Namen nicht aus, Arik! Ganz gleich, was sie dir auch antun, sprich ja nicht meinen Namen aus!«
Limos war vollkommen gelähmt, gelähmt von einer grauenhaften Angst, wie sie sie noch nie zuvor empfunden hatte. Und das wollte schon etwas heißen, angesichts der Tatsache, dass sie fünftausend Jahre alt war.
Ihre Brüder und Ares’ Gäste kamen mit gezückten Waffen aus dem Haus gestürzt, um gleich darauf schlitternd zum Stehen zu kommen.
»O Gott!«, schrie Kynan. »Arik!«
»Limos, nein!« Thanatos zog sie an sich, um sie daran zu hindern, sich auf die Behemoths zu stürzen, die Arik gepackt hatten und unter die Erde zogen.
»Er hat mich geküsst.« Diese Worte wiederholte sie immer wieder. Ihre Stimme war kaum mehr als ein schrilles, panisches Heulen.
Ohne ein Wort zu sagen, zog Ares ein Messer und schleuderte es. Limos’ Instinkt riet ihr, ihn aufzuhalten, doch da flog das Messer bereits durch die Luft, mit direktem Kurs auf Ariks Herz.
Das Pfeifen eines Pfeils zerriss die Nacht, und Ares’ Dolch zersprang in tausend Stücke. Pestilence stand nahe der Klippe, seinen Bogen in der Hand und ein zufriedenes Lächeln im Gesicht. Seine eisblauen Augen leuchteten im Licht des Mondes. »Dafür wirst du mir noch einmal danken, Schwesterherz.«
Thanatos machte Anstalten, sich auf ihn zu stürzen, und ein schwarzer, pelziger Schatten flog an ihnen beiden vorbei. Doch ehe Hal – ein Höllenhund und Caras Beschützer – Pestilence erreichte, hatte dieser ein bewegliches Höllentor geöffnet und war hindurchgetreten.
Er war verschwunden, und als sich Limos wieder Arik zuwandte, war auch dieser verschwunden. Das einzige Zeichen, das darauf hindeutete, dass er je dort gewesen war, war eine Blutspur im Sand.
»Was zur Hölle ist da gerade passiert?« Kynan fuhr zu Ares herum. »Warum hast du versucht, ihn umzubringen, du Schwanzlutscher?«
Limos brachte kein Wort heraus. Komisch, noch vor wenigen Momenten hatte sie gar nicht aufhören können, unzusammenhängendes Zeug zu schreien, und jetzt bekam sie kein einziges Wort heraus. Ares hingegen blieb vollkommen ruhig, obwohl Kynan ihn Schwanzlutscher genannt und die Faust in sein Hemd vergraben hatte und sein wütendes Gesicht sich nur wenige Zentimeter vor Ares’ befand.
»Er hat Limos geküsst.« Ares’ Stimme war rau wie Sandpapier. Vielleicht war er doch nicht so ruhig, wie sie gedacht hatte. »Es ist ihr nicht gestattet, einem Mann auf irgendeine Art ihre Zuneigung zu zeigen.«
Kynan ließ Ares los und richtete den mörderischen Blick stattdessen auf Limos. »Erklär mir das.«
Sie fand immer noch keine Worte. Gar keine. Die Nacht, die sie schon immer gehasst hatte, weil sie sie so sehr an Sheoul erinnerte, schloss sich um sie. Wie konnte Arik das nur tun? Wie konnte er es wagen zu denken, dass es in Ordnung war, sie zu küssen, einen der vier Reiter der Apokalypse?
»Gottverdammt!«, blaffte Kynan. »Kann mir vielleicht mal jemand antworten!«
»Wir haben dir doch gesagt, dass Limos dazu bestimmt ist, einst Satans Braut zu werden«, sagte Thanatos. »Allerdings erst, wenn ihr Siegel bricht, sie in Sheoul gefangen genommen wird oder sie etwas tut, das ihn eifersüchtig macht.«
»Okay«, sagte Kynan. »Der Alte ist also eifersüchtig. Warum ist sie dann immer noch hier, und Arik ist fort?«
»Weil es nicht so einfach ist. Der Dunkle Herrscher kann sie nicht haben, ehe der Mann, der seine Eifersucht herausgefordert hat, ihren Namen sagt, während er Todesqualen erleidet.«
Kynan schluckte laut genug, dass sie es hören konnte. »Dann ist er also noch am Leben? Wo?«
»Hölle«, brachte Limos mit heiserer Stimme heraus. »Arik ist in der Hölle.«
2
Einen Monat später …
Arik wusste nicht, wie lange er schon in der Hölle war. Die Zeit wurde zu einem einzigen, niemals endenden beschissenen Kampf, wenn man sich unter ständigen Schmerzen im Dunkeln befand. Und diese verdammten Dämonen ließen ihn einfach nicht sterben. Er hatte es versucht, aber sie heilten ihn immer wieder.
Wenigstens hatte er jetzt ein wenig Ruhe – einige wenige gestohlene Momente, in denen er schlafen konnte. Schlafen und Träumen waren seine einzigen Vergnügen … sogar die Träume, in denen es um die Frau ging, der er es verdankte, dass er überhaupt in diesem Dreckloch festsaß.
Limos.
Er schloss die Augen und lehnte sich gegen den kalten Stein – eine Erholung für seine nackte, von unzähligen Prellungen und Striemen übersäte Haut. Mit ein wenig Mühe gelang es ihm, das Knurren seines Magens und das unaufhörliche Tröpfeln von Wasser vor seiner Zelle auszublenden, das ihn vor Verlangen in den Wahnsinn treiben sollte, da die Dämonen sein Wasser rationierten und das wenige, das er bekam, für gewöhnlich muffig und widerwärtig war.
Er versuchte, an seine Schwester Runa und seine Neffen zu denken. Versuchte, seine Gedanken auf seinen Job bei der paranormalen Einheit der U. S. Army zu richten, dem R-XR, sowie auf die ihm aufgezwungene Beteiligung an der zivilen Organisation Aegis, die Dämonen bekämpfte. Versuchte, an seinen Fluchtplan zu denken … an alles Mögliche, außer an Limos, aber immer wieder wanderten seine Gedanken zu der wunderschönen Frau mit dem pechschwarzen Haar und den veilchenblauen Augen. Als er ihr zum ersten Mal begegnet war, hatte sie ihm ganz und gar nicht gefallen – in erster Linie, weil sie ihm den Hintern versohlt, die Rippen gebrochen und damit gedroht hatte, seine Organe zu Mus zu zerquetschen.
Mus … Gott, er war so hungrig.
Also nein, er war nicht allzu scharf auf den dritten apokalyptischen Reiter gewesen.
Und war es immer noch nicht. Nur ihretwegen hatten sie ihn nach Sheoul gezerrt, das Dämonenreich tief in der Erde, ihn ausgezogen und so lange gefoltert, bis er dem Tode nahe war. Immer wieder. Und das Komische dabei war, dass die Dämonen, die ihn gefangen hielten, nur eins von ihm wollten: Er sollte ihren Namen sagen. Ihren verdammten Namen.
Was sollte der Scheiß?
Bislang hatten sie ihn nicht gebrochen. Na ja, genau genommen hatten sie ihm so einiges gebrochen, aber diese gruseligen Dämonen unbekannter Spezies hatten einen Seminus-Dämon, der ihn immer wieder heilte, damit er nicht etwa abkratzte und sie um das Vergnügen brachte, ihm weiterhin die Knochen zu brechen und die Haut abzuziehen. Sie hatten es auch mit Schlafentzug und Hungern probiert, hatten versucht, sich in seinen Kopf zu schleichen, um ihm vorzumachen, er befände sich an einem weitaus angenehmeren Ort. Alles, um ihn dazu zu bringen, ihren Namen zu sagen. Sie hatten ihn jeder Folter und jeder Gewalttat unterzogen, die der Menschheit bekannt waren. Und dazu noch einigen anderen, denn Dämonen waren verdammt kreativ.
Aber sie verrieten ihm einfach nicht, warum sie wollten, dass er ihren Namen sagte. Und auch wenn es so einfach wäre, ihn nur ein einziges Mal auszusprechen, um der Marter endlich ein Ende zu setzen – er brachte es einfach nicht fertig. Etwas, das diesen bösartigen Mistkerlen derartig wichtig war, konnte nichts Gutes für die Menschheit bedeuten. Und Limos hatte sich unmissverständlich dazu geäußert, als sie ihn hier hinuntergezerrt und ihm die Haut zerschunden hatten, als ob er über eine Käsereibe gezerrt würde. Sprich meinen Namen nicht aus, Arik! Ganz gleich, was sie dir auch antun, sprich ja nicht meinen Namen aus!
Genau. Was, wenn ihr Name ein weltweites Erdbeben auslöste oder einen Riss in der Erde verursachte, durch den sämtliche Dämonen aus Sheoul entkommen konnten? Die Sache war die: Arik war sich nicht sicher, wie spezifisch er sein musste, darum hatte er keinen von Limos’ Namen genannt; weder Li, ihren Spitznamen, noch Famine, den Namen, den sie tragen würde, falls – beziehungsweise wenn – ihr Siegel brach.
Wie passend, dass ihr Name Famine, also Hunger, sein würde, weil er nämlich drauf und dran war, zu verhungern.
Als sein Magen prompt wieder ein lautes Knurren von sich gab, legte er sich die Hand auf den Bauch, während er über Limos nachdachte. Er hoffte nur, dass ihr Siegel in Sicherheit war. Offenbar drehte es sich bei ihrem Siegel darum, eine uralte, winzige Schale zu finden, auf der eine Waage eingraviert war. Und wenn sie sie gefunden hatten, musste einer der Reiter daraus trinken. Trinken … Er würde sein rechtes Ei für etwas zu trinken geben …
Geistesabwesend fuhr seine Hand über seinen eingesunkenen Bauch. Er wusste, dass Durst und Hunger die geringsten seiner Sorgen waren, denn – verdammt, sollte ihr Siegel brechen, würden die Menschen wahrhaftig erleben, was es mit der Redensart die Hölle auf Erden auf sich hatte. Die Reiter waren nicht böse. Im Grunde waren sie halb Engel, halb Dämon und bewegten sich ständig auf einem sehr schmalen Grat. Aber sollten ihre Siegel vor dem in der Bibel prophezeiten Zeitpunkt brechen, würden sie dem Bösen verfallen und Armageddon einleiten.
Arik hatte auch schon einen Vorgeschmack darauf erhalten, wie sich das auswirken würde: Pestilence, der erste apokalyptische Reiter, hatte überall Tod und Zerstörung verbreitet, ehe ihm seine Brüder und seine Schwester in einer dramatischen Schlacht kräftig den Hintern versohlt hatten. Ariks Kidnapper hatten ihm gegenüber angedeutet, dass Pestilence inzwischen seine Streitkräfte wieder um sich gesammelt und gruppiert hatte, um aufs Neue zu versuchen, den Bruch der Siegel seiner Geschwister herbeizuführen. Damit das Ende aller Tage endlich beginnen konnte.
Was für ein Arschloch.
Ein Stein bohrte sich in Ariks Hintern, und er rutschte zur Seite, nur um gleich darauf von etwas anderem gepiekt zu werden … vermutlich von dem Knochen irgendeines glücklosen früheren Zelleninsassen. Jedenfalls hatte er nicht vor, sich hinzulegen. Stachelige Höllenratten hatten die charmante Angewohnheit, einem im Schlaf das Gesicht wegzufressen. Solange er aufrecht saß, konnte er sie immerhin packen und von sich schleudern.
Vielen Dank auch, Limos.
Wie zur Hölle war es nur möglich, dass ein einziger Kuss ihn in diese Scheiße geritten hatte? Es war ja nicht so, als ob er sich ihr aufgedrängt hätte. Ja, okay, er hatte sie geküsst, und einen unvergänglichen, heißen Augenblick lang hatte sie seinen Kuss erwidert. Und dann war sie komplett ausgerastet, und auf einmal war die Hölle los gewesen.
Auch wenn er nicht sicher war, warum sie ausgeflippt war, wusste er doch, dass Limos für jeden Tropfen seines vergossenen Bluts verantwortlich war. Sie hatte gesagt, er würde dafür bezahlen, dass er sie geküsst hatte, und seine Folterknechte hatten dies bestätigt, hatten es genossen, ihm zu erzählen, wie der Mangel an Selbstbeherrschung »seiner Geliebten« sein Untergang gewesen sei. Dass allein ihre Selbstsucht daran schuld sei, dass er jetzt gefoltert werde.
Sie hatten ihm sogar einen Ausweg geboten: Er müsse nur in ein Aufnahmegerät sprechen und Limos anflehen, ihm zu helfen, und wenn sie dann käme, um ihm den Arsch zu retten, würden sie sie schnappen und ihn gehen lassen.
»Dein wertloses menschliches Leben für ihres. Sie wird deinen Platz in den Ketten einnehmen. Und du kannst in dem Wissen Zufriedenheit finden, dass sie bekommt, was sie verdient. Du musst dich doch nach Rache sehnen.«
Mann, diese Dämonen konnten in ihm lesen wie in einem Handbuch für Gewehrbesitzer. Er wollte Rache, aber nicht so. Niemals würde er zulassen, dass eine Frau, selbst eine Frau wie Limos, diesen Mistkerlen in die Hände fiel.
Und so hatte er das Angebot abgelehnt, das vermutlich sowieso eine Lüge war. Was zum Einsatz eines Vorschlaghammers an beiden Fußknöcheln geführt hatte. Als er sich erneut weigerte, war der Vorschlaghammer nach oben gewandert, zu seinen Knien. Seine nächste Weigerung hatte ihm ein gebrochenes Becken eingebracht, aber zum Glück hatte er dann das Bewusstsein verloren und musste sich nicht weiter weigern.
»Du bist ein Narr«, hatte sein Folterknecht, der mit dem täuschend erstklassigen englischen Akzent, später zu ihm gesagt. »Du wirst hier unten sterben, und es wird Limos’ Schuld sein.«
Arik war sich dieser Tatsache vollkommen bewusst. Doch dieses Wissen hielt ihn nicht davon ab, von ihr zu träumen – nackt. Manchmal befanden sie sich an einem Strand, beide mit Sonnenöl bedeckt, während er sich in ihr bewegte. Manchmal küsste er einfach nur ihre Hand, während er in ihre exotischen Augen blickte. Dann wiederum nahm er sie gegen eine Mauer gedrückt oder von hinten, während sie sich an eine Palme klammerte. Sein Lieblingstraum war der, in dem er zwischen ihren Beinen kniete, ihre nasse Hitze leckte und das Salzwasser und ihre Essenz schmeckte, die an einen tropischen Cocktail erinnerte.
Sie hatte immer nach Kokosnuss und Ananas gerochen.
Mann, er war am Verhungern.
Und was lernte er daraus? Richtig. Rache ist ein Gericht, das am besten kalt serviert wird.
Limos war nicht eben bester Laune. Genau genommen war sie seit Wochen verdammt schlecht gelaunt.
Aber es gelang ihr wirklich ausgezeichnet, so zu tun, als wäre sie glücklich, und in diesem Moment war sie auf dem besten Weg zu einer Oscar-Nominierung.
Die hawaiianische Sonne knallte auf sie herab, während sie die Hüften zum letzten Hit von Maroon 5 schwang, den Blick auf einen großen, dunklen Mann gerichtet, der an der transportablen Bar hockte, die sie für ihre Partys aufstellen ließ. Sein Blick bohrte sich hungrig in sie hinein, während er an seiner Margarita nippte, und als er beiläufig die Erektion in seiner schwarzen Shorts zurechtrückte, wusste sie, dass sie ihn hatte.
Langsam und provozierend bewegte sie sich auf ihn zu, wobei sie in jeden Schritt noch einen Extraschwung legte. Ihre bloßen Füße versanken im warmen Sand und verschafften ihren Beinen so eine zusätzliche Trainingseinheit, und sie wusste, dass der Mann jede Regung ihrer wohlgeformten Muskeln gierig aufsog. Der heiße, pinkfarbene Minirock erregte seine Aufmerksamkeit, und sein Blick wurde dunkel, als eine Brise ihn aufwirbelte und enthüllte, dass sie keine Unterwäsche trug. Das nächste Ziel seiner genießerischen Begutachtung war ihr flacher Bauch, dessen Bauchnabel ein goldener Ring zierte, und sie sah, wie sein Blick von dort zu dem kaum vorhandenen Bikinioberteil wanderte, das ungefähr genauso viel bedeckte wie zwei Pflaster.
Auf ihrem Schulterblatt befand sich eine Waage, die man ihr eintätowiert hatte, als sie gerade erst ein paar Stunden alt gewesen war. Diese Waage setzte sich nun in Bewegung, als die rechte Seite – die böse Seite – begann, mit der linken Seite, die das Gute in ihr maß, zu streiten.
Als sie nur noch wenige Meter entfernt war, lächelte sie, warf ihm einen Blick zu, der deutlich sagte: »Na, komm schon, mein Großer«, und stieg gemächlich die Stufen ihres Strandhauses empor. Es war das öffentliche ihrer zwei Häuser, das sie für Partys benutzte, bei denen auch Menschen anwesend waren – sowohl Einheimische als auch Prominente, die extra für ihre wilden Feiern einflogen. Aber dies war eine kleine Zusammenkunft, an der nur ein paar Dutzend ter’taceo teilnahmen. Sie hatte absichtlich nur die Dämonen eingeladen, die problemlos als Menschen durchgehen konnten, um diesen speziellen Mann anzulocken. Er war vorsichtig, fast schon paranoid, und wenn sie ihn direkt eingeladen hätte, wäre er nicht gekommen.
Stattdessen hatte sie ihre Gäste mit chirurgischer Präzision eingeladen – Freunde von ihm, Dämonen mit besonderen Vorlieben, die praktisch garantierten, dass er von dem Versprechen auf schmutzigen, grausamen Spaß herbeigelockt wurde, der sich im Laufe des Abends ergeben würde.
Er wusste, wer sie war, ahnte aber nicht, was sie von ihm wollte. Er konnte auf keinen Fall wissen, dass Thanatos’ Informanten ihn als einen von Ariks Folterknechten identifiziert hatten.
Sie schlüpfte ins Haus und stieg die Stufen zum Schlafzimmer hinauf. Als sie hörte, dass sich die Tür leise hinter ihr schloss, lächelte sie. Oben angekommen, löste sie ihr Oberteil und warf es über die Schulter, um eine verführerische Spur zu erschaffen, der er folgen konnte.
Im Schlafzimmer ging sie um einen Korbstuhl herum, der so aufgestellt war, dass sie auf die Meeresbrandung hinaussehen konnte, und wartete darauf, dass »Rhys« eintrat. Sein Dämonenname, Xenycothylestiranzacish, war … na ja. Sie benutzte einfach seinen menschlichen Namen.
Als er im Türrahmen auftauchte, überflutete sie eine Woge sexueller Bedrohung wie eine tödliche Riesenwelle. In der menschlichen Welt war er eine Art Corporate Raider, eine sogenannte Heuschrecke. In der Dämonenwelt war er ein Meister der Folter – ein Hobby, das sich auch auf seine Beziehungen mit Frauen erstreckte. Limos fragte sich, wie viele vermisste Prostituierte wohl auf sein Konto gingen.
»Was hast du vor, Reiter?« Seine tiefe Stimme mit dem englischen Akzent war die Kirsche auf einem wirklich sexy Kuchen, und sie erinnerte sich daran, dass sie vor ein paar Jahrhunderten einmal ernsthaft in ihn verschossen gewesen war. Aber er hatte gewusst, dass sie dem Dunklen Herrscher versprochen war, und war nicht so dumm gewesen, sich ihr zu nähern. Sie ebenfalls nicht – so dumm war sie nie gewesen.
Bis Arik kam.
Dieser verdammte Mensch. Wie konnte er es wagen, sie derartig in Versuchung zu führen? Wie konnte er es wagen, sie zu küssen, sie dazu zu bringen, ihn zu begehren?
Dieser Kuss hatte sie beide dem Untergang geweiht.
Jetzt kämpfte sie in einem Wettlauf gegen die Zeit darum, ihn zu retten, ehe er das Schicksal besiegelte, vor dem sie seit Tausenden von Jahren davonlief: Heirat.
Und dann war da noch dieses nervtötende Schicksal von wegen Bruch des Siegels und allem, was das nach sich zog. Aber jetzt musste sie sich erst einmal um das dringendste Problem kümmern, und das hieß, Arik zu finden.
»Ich habe gar nichts vor«, schnurrte sie, während ihr in leuchtendem Violett lackierter Nagel über die Rückenlehne des Stuhls strich. »Ich bin sicher, du hast schon davon gehört, dass ich der Lust erlegen bin und meine Zuneigung einem Menschen geschenkt habe.«
Rhys’ Miene verriet absolut nichts. »Das hab ich gehört.«
»Tja, und das bedeutet, dass ich mich so lange amüsieren kann, bis er unter den Qualen der Folter meinen Namen sagt.«
Gott, sie hoffte nur, dass Arik auch weiterhin imstande sein würde, den Torturen zu widerstehen, denen ihn die Dämonen unterzogen. Eine Welle der Bewunderung wärmte sie von innen, denn sie wusste nicht, ob sie in der Lage wäre, einen ganzen Monat Folter zu überleben, und Arik war schließlich nur ein zerbrechlicher Mensch. Von Anfang an hatte sie Stärke in ihm gespürt – die hatte sie angezogen wie auch sein Sinn für Humor –, aber niemals hätte sie vermutet, wie tief diese Stärke tatsächlich reichte.
»Und mit genießen meinst du …« Rhys verstummte, während er mit nackter, gut eingeölter Brust auf sie zuschlich.
Die meisten Frauen würden jetzt auf der Stelle den Rock heben. Limos hatte allerdings andere Pläne, und Bones, ihr Höllenhengst, der ihren rechten Unterarm in Form einer tattooartigen Glyphe zierte, regte sich in gespannter Erwartung.
»Ich meine, dass ich bis ans Ende der Zeit dazu verurteilt bin, mit ein und demselben Dämon ins Bett zu gehen, sobald Arik bricht. Also heißt es für mich jetzt oder nie.«
»Irgendwie«, sagte Rhys beiläufig, »kann ich mir nicht vorstellen, dass der Dunkle Herrscher es schätzen würde, wenn du nicht unberührt zu ihm kommen würdest.«
Sie blinzelte unschuldig. »Unberührt? Aber selbstverständlich werde ich als Jungfrau zu ihm gehen.« Eine nach Ozean duftende Brise wehte durch das Zimmer und liebkoste ihre Haut. Sie tat es ihr gleich und streichelte mit den Fingern über ihre Brustwarze. »Aber alles andere kann ich tun. Meinst du nicht auch, er würde dich reich belohnen, wenn ich wüsste, wie ich meinen Mund einzusetzen habe, wenn ich zu ihm komme?«
Bei dem Gedanken hätte sie beinahe würgen müssen, und das nicht nur, weil ihr die Vorstellung, dem Teufel einen zu blasen, ziemliche Angst einjagte. Sie wollte es überhaupt nicht tun, hatte es noch nie gewollt. Frauen, die behaupteten, dass es ihnen gefiel, mussten einfach lügen.
Rhys trat näher. »Da bin ich mir nicht so sicher.«
»Ach, komm schon«, drängte sie. »Wir würden einander doch nur ein bisschen anfassen.« Noch ehe er protestieren konnte, packte sie ihn bei den Schultern, wirbelte ihn herum und drückte ihn auf den Stuhl. Dann setzte sie sich rittlings auf ihn, sodass ihr Gesicht ihm zugewandt war. Ihre Handflächen lagen auf seiner glatten Brust. »Berühre mich.«
Einen endlosen, atemlosen Moment lang dachte sie schon, er würde sie einfach runterschieben, sodass sie auf dem Hintern landete. Doch dann legten sich seine Hände auf ihre Oberschenkel und drückten so fest zu, dass eine menschliche Frau vor Schmerz geschrien hätte. Aber Limos war kein Mensch, und sie schrie nicht.
»Wenn wir das tun«, sagte er mit tödlich kalter Stimme, »tust du, was ich sage. Meine Regeln. Verstanden?«
Sie riss die Augen auf, als ob sie vollkommen verängstigt wäre. »J-ja.« Nur um sicherzugehen, ließ sie auch noch ihre Unterlippe kurz beben. Meryl Streep, gegen mich bist du ein Niemand.
Rhys’ Lächeln war die pure Bosheit, etwas, das zu schätzen sie in den achtundzwanzig Jahren, die sie in Sheoul verbracht hatte, gelernt hatte, als sie unter der Fuchtel einer abartigen, durch und durch bösen Dämonenmutter aufgewachsen war. Wenn Limos immer noch diese Person wäre, würde sie jetzt erwartungsvoll hecheln.
»Gut.« Er nahm ihre rechte Hand in seine und zog mit dem Finger die schwarzen Linien nach, die das Pferde-Tattoo auf ihrem Unterarm bildeten. Sie konnte seine Berührung in den entsprechenden Abschnitten ihres Körpers fühlen, und sie hasste es. Bones hasste es ebenfalls. Er hatte es nie gemocht, von jemand anderem als ihr berührt zu werden, und jetzt regte er sich auf ihrer Haut und schnappte mit scharfen Zähnen zu. Rhys zog die Hand zurück, aber nicht schnell genug. Auf seiner Fingerspitze bildete sich ein winziger Blutstropfen. »Mistvieh.«
»Er ist ein wenig temperamentvoll.« Das war eine Untertreibung. Von allen Pferden der vier Reiter war Bones das … einzigartigste.
Limos’ erster Hengst, ein normales Schlachtross wie die ihrer Brüder, war getötet worden, und ihr Verlobter hatte ihr Bones als ein Geschenk gesandt, das sie einfach nicht ablehnen konnte. Jetzt hatte sie also einen fleischfressenden Höllenhengst am Hals, und auch wenn sie inzwischen durchaus an ihm hing, rief sie ihn doch nicht herbei, wenn es nicht absolut notwendig war. Es war einfach zu schwierig, ihn zu beherrschen, und er hasste so ziemlich jeden, einschließlich – manchmal jedenfalls – Limos. Immerhin liebte er Ares’ Frau Cara, aber nur, weil sie ihm das Leben gerettet hatte.
Als Rhys’ Hände unter ihren Rock glitten, verspürte sie Abscheu und Vorfreude zugleich. Sie hatte davon geträumt, dass Ariks Hände genau dasselbe tun würden. Wenn sie sich nachts selbst befriedigte, drehten sich all ihre Fantasien stets um Arik.
Und um die Abwesenheit ihres Keuschheitsgürtels – was der Grund dafür war, warum ihre Gedanken pure Fantasie blieben.
Nur eine einzige Person war imstande, die strahlende Perlenkette zu entfernen, die ihre Hüften umschlang und zwischen ihren Beinen verschwand, vorne und hinten an der Hüftkette befestigt. Um die Wahrheit zu sagen: Er war wunderschön – ein Schmuckstück von unschätzbarem Wert, das ihr das Gefühl vermittelt hätte, sexy zu sein, wenn es nicht dieses schmutzige kleine Geheimnis in sich trüge.
Rhys’ Hände wanderten nach oben, und sie täuschte ein Stöhnen vor, während sie den Rücken durchdrückte, sodass ihre Brüste seinen Brustkorb berührten und ihre rechte Hand um die Rückenlehne des Stuhls herumfassen und den Dolch packen konnte, den sie dort mit Klebeband befestigt hatte.
»Du bist eine ungeduldige kleine Schlampe«, murmelte er.
»Ich habe noch viel zu lernen, ehe ich meinen Platz an der Seite meines Mannes einnehme.« Sie knabberte an seinem Ohrläppchen und wünschte sich, es wäre Ariks. »Möglicherweise hast du ja ein paar Freunde, die sich uns anschließen wollen?«
»Wenn ich mit dir fertig bin, vielleicht.«
Widerwärtiges Höllenschwein! »Mach schon!«
Seine Hand klatschte auf ihren Hintern. »Was hab ich dir gesagt? Meine Regeln.«
Du meine Güte, hatte der Kerl einen Schlag am Leib! Ihre Pobacke brannte wie Feuer. War ja klar, dass es ihm irgendwie gelungen war, ihre Keuschheitsperlen zu verfehlen. »Tut mir leid.«
»Noch nicht, aber das wird es bald.«
Was für ein Widerling. Sie hielt den Atem an und unterdrückte ein Schaudern, als sie gleich darauf wieder seine Berührung spürte. Da wäre es ihr ja lieber, eine Schlange kröche ihr unter den Rock.
Er massierte ihren Hintern, seine Finger drückten sich tief in ihr Fleisch. Sie packte den Griff des Dolchs. Das Geräusch seiner schneller werdenden Atemzüge erfüllte das Zimmer, als seine Handflächen um ihre Schenkel herumglitten, bis seine Daumen dazwischenlagen. Dann hielt er inne, als müsste er sich entscheiden, ob er es wirklich durchziehen wollte.
Bitte, bitte, mach weiter. Sie bewegte die Hüften, in der Hoffnung, er werde es als Zeichen ihrer verzweifelten Geilheit und nicht als Ungeduld werten.
»Hure«, flüsterte er.
Blödmann, dachte sie.
Jetzt bewegte er sich wieder, versuchte, ihr Intimstes zu umfassen, und löste damit endlich ihren Keuschheitsschutz aus. Jede Perle verwandelte sich in einen rasiermesserscharfen kleinen Sporn, der sich tief in ihre Haut und ihr überaus empfindsames Fleisch bohrte. Doch wie durch ein Wunder gab sie trotz der unvorstellbaren Schmerzen keinen Laut von sich. Das musste sie auch gar nicht. Rhys’ Schreie hätten sie sowieso übertönt.
Blut spritzte – ihres, aber zum größten Teil seines, als drei seiner Finger abgetrennt zu Boden fielen. Wahnsinn. Er gehörte zu einer Dämonenspezies, die schwer zu verletzen war und nur in einem Fall Schwäche zeigte: wenn sie einen Körperteil verlor.
Trotz der Schmerzen gelang es ihr wie im Rausch, ihn zu Boden zu ringen, wo sie ihm die Spitze ihres Dolchs ans Auge hielt. »Okay, Arschloch. Sag mir, was ich wissen will, oder du verlierst weitaus mehr als deine Finger.«
»Du Miststück!« Wut verfinsterte seine Stimme. »Du schwanzlutschende Hure!«
Limos stieß ihm die Klinge ins Auge. Bei den Schmerzen an ihren intimsten Stellen war ihr jegliche Geduld vergangen. Die Sporne um ihre Hüften und zwischen ihren Beinen hatten sich inzwischen wieder in Perlen verwandelt, aber so rasch sie sich auch regenerierte, waren die Verletzungen doch längst noch nicht abgeheilt.
Wieder schrie der Dämon auf, als Blut und andere Flüssigkeiten aus seiner ruinierten Augenhöhle spritzten. Sie legte das Messer an sein anderes Auge.
»Meine Regeln«, äffte sie ihn nach. »Und meine Regeln beinhalten zunächst einmal, dass mich niemand eine schwanzlutschende Hure nennt oder mich mit irgendeiner anderen widerwärtigen und respektlosen Bezeichnung tituliert.« Sie drückte die Schenkel zusammen, sodass seine Rippen barsten. Das hatte sie auch schon einmal mit Arik getan. Der Ärmste. »Fühlst du mich?«
»Ja«, keuchte er.
»Gut. Denn – hallo! – ich bin eine Legende. Ich verdiene ein wenig Respekt. Und jetzt sag mir, wo sie Arik festhalten.«
»Weiß ich nicht.«
Sie schnalzte missbilligend mit der Zunge, drückte die Beine noch ein wenig fester zusammen und genoss das Krachen splitternder Knochen, während er erneut vor Schmerz aufschrie. »Ich weiß, dass du einer seiner Folterknechte bist. Also versuchen wir’s doch gleich noch mal, und diesmal wirst du mir antworten, es sei denn, du hast es darauf abgesehen, dir einen Blindenhund zuzulegen. Wo ist er?«
»So sehr ich deinen Zorn fürchte, fürchte ich den deines Verlobten doch noch mehr. Wenn ich auch nur ein einziges Wort flüstere, werde ich höchstens einen Schritt über den Höllenschlund hinauskommen, ehe ich in Stücke zerrissen werde.«
»Wirf doch mal einen Blick auf deine Finger auf dem Fußboden. Ich bin schon dabei, dich in Stücke zu reißen.« Sie durchstach die Haut unter seinem guten Auge, sodass ein Blutstropfen austrat. »Wo. Ist. Arik?«
Als der Dämon daraufhin lachte, fuhr ihr ein eisiger Schauder über den Rücken.
»Wenn der Mensch bloß wüsste, wie verzweifelt du darauf aus bist, ihn zu finden, hätte er mein Angebot möglicherweise angenommen.«
»Und was für ein Angebot war das?«
Er grinste sie höhnisch an. »Dieser menschliche Wurm weigerte sich, einen Deal einzugehen. Du für ihn. Sogar nachdem ich seinen Unterleib mit einem Vorschlaghammer weich geklopft hatte, war er dazu nicht bereit.«
Vor Zorn war Limos kaum noch imstande, Luft zu holen. Dazu kam der Schock – sie hatten Arik einen Ausweg angeboten, und er war nicht darauf eingegangen? Er hatte sie beschützt, jemanden, mit dem er gar nichts zu tun hatte? Wer würde so etwas tun? Und warum?
»Ihr hättet mich gar nicht gefangen nehmen können, geschweige denn, mich festhalten.«
»Wir hätten dir eine Falle gestellt, sodass der Dunkle Herrscher dich gefangen hätte, denn ja, du hast recht: Wir hätten dich nicht festhalten und foltern können. Aber das wusste der Mensch schließlich nicht, und trotzdem ließ er sich auf keinen Deal ein. Das ist auch der Grund, wieso die menschliche Rasse in der Apokalypse untergehen wird. Sie ist sentimental. Schwach. Erbärmlich.«
»Schwach?«, fuhr sie ihn an. »Er hat sich geweigert, sich auf deinen miesen Handel einzulassen, sogar nachdem du ihm die Beine zerschmettert hast, und du wagst es, ihn schwach zu nennen?« Ihre Klinge fuhr über seine Wange und schnitt sie bis zu den Zähnen auf. »Wo ist er?«
Rhys zischte, sodass sich ein blutiger Sprühnebel erhob. »Das spielt keine Rolle, Reiter. Wahrhaftig nicht.«
»Und wie kommt das?«, brachte sie mühevoll heraus.
»Wenn er bis jetzt nicht gebrochen wurde, wird es nie geschehen. Der Befehl wurde erteilt. Er wird morgen hingerichtet. In vierundzwanzig Stunden ist er tot.« Er grinste. »Und die Ehre wird mir gebühren.«
»Falsche Antwort, Arschloch.« Limos rammte den Dolch in sein gutes Auge, drehte ihn herum und stieß die Klinge direkt in sein Gehirn. Der Dämon fuhr zusammen, gleich darauf zuckte sein ganzer Körper wie wild. »Das war für Arik.«
Sie sprang auf die Füße. Ihre Gedanken überschlugen sich.
Das Tor des Höllenschlunds. Als Rhys’ beiläufige Bemerkung den Nebel ihrer Wut durchdrang, stockte ihr der Atem. Auch wenn nur wenige Menschen davon wussten, existierten auf der Erde sechs Höllenschlunde – Passagen, durch die Menschen Sheoul betreten konnten; für gewöhnlich wurden sie von Dämonen hindurchgezerrt. Könnte es sein, dass Arik in der Nähe eines dieser Eingänge gefangen gehalten wurde?
Gott, sie hoffte es, denn das war im Augenblick der einzige Hinweis, den sie hatte. Und sie musste sich beeilen, denn wenn Rhys recht hatte, blieben Arik nur noch wenige Stunden.
3
Kynan Morgan liebte es, unsterblich zu sein. Ja, sicher, es lastete auch eine Menge Verantwortung auf seinen Schultern, unter anderem in Form des Kristallanhängers an seinem Hals. Aber Unsterblichkeit war es schon wert, dieses kleine Stück Himmel – und das war wortwörtlich zu verstehen – zu tragen. Wenn er die Wahl hätte, würde er noch einmal genau dieselbe Entscheidung treffen und den Segen der Engel empfangen, um den Anhänger zu beschützen.
Als er heute das halbe Dutzend verletzter Dämonen betrachtet hatte, das auf dem Boden des unterirdischen Pubs in Las Vegas herumlag, nachdem er und sein neuer Kollege unter den Ältesten der Aegis, Decker, ihnen mächtig den Hintern versohlt hatten, war er für den Segen dankbarer denn je. Diese graugrünen, reptilienähnlichen Mistkerle hatten ihm nicht ein Haar krümmen können, was echt klasse war, bedachte man die klebrige, säurehaltige Substanz, mit denen ihre Finger bedeckt waren und die an einem haftete wie Sekundenkleber, während sie einem das Fleisch auflöste.
Decker war gerade dabei, sich aus seiner schwarzen Kampfanzughose zu schälen, die an den Händen einer dieser Kreaturen klebte. Nur an der Hand … nachdem Decker sie dem Dämon mit seinem Kampf- und Allzweckmesser vom Arm getrennt hatte.
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