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Mit dem Photonensegler hinaus ins All
Bevor die großen Schiffe planoformen konnten, mussten die Menschen mit gewaltigen Photonensegelschiffen von Stern zu Stern fliegen. Dabei bleiben nur die Segler ständig wach, die Passagiere liegen im Kälteschlaf. Jeder, der auswandern will, findet einen Platz auf einem Photonensegler. Doch die jahrhundertelange Reise durch das All ist nicht ungefährlich. Manchmal erwachen in der Einsamkeit und Kälte des Alls uralte Dinge in den Köpfen der Segler und ihrer Ersatzmannschaften. Veesey, das schönste Mädchen der Erde, wird mit einem Segler zu einer weit entfernten Kolonie geschickt – und muss am eigenen Leib erfahren, dass das All voller Gefahren ist …
Die Erzählung „Den blau, zähl bis zwei“ erscheint als exklusives eBook Only bei Heyne und ist zusammen mit weiteren Stories von Cordwainer Smith auch in dem Sammelband „Was aus den Menschen wurde“ enthalten. Sie umfasst ca. 42 Buchseiten.
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Seitenzahl: 78
CORDWAINER SMITH
DENK BLAU, ZÄHL BIS ZWEI
Erzählung
Bevor die großen Schiffe planoformen konnten, mussten die Menschen mit gewaltigen Photonensegelschiffen von Stern zu Stern fliegen. Dabei bleiben nur die Segler ständig wach, die Passagiere liegen im Kälteschlaf. Jeder, der auswandern will, findet einen Platz auf einem Photonensegler. Doch die jahrhundertelange Reise durch das All ist nicht ungefährlich. Manchmal erwachen in der Einsamkeit und Kälte des Alls uralte Dinge in den Köpfen der Segler und ihrer Ersatzmannschaften. Veesey, das schönste Mädchen der Erde, wird mit einem Segler zu einer weit entfernten Kolonie geschickt – und muss am eigenen Leib erfahren, dass das All voller Gefahren ist …
Die Erzählung »Denk blau, zähl bis zwei« erscheint als exklusives E-Book Only bei Heyne und ist zusammen mit weiteren Stories von Cordwainer Smith auch in dem Sammelband »Was aus den Menschen wurde« enthalten. Sie umfasst ca. 42 Buchseiten.
Diese Erzählung ist dem Band Cordwainer Smith: »Was aus den Menschen wurde« entnommen.
Titel der Originalausgabe
Think Blue, Count Two
Aus dem Amerikanischen von Thomas Ziegler
Copyright © 1993 by The Estate of Paul Linebarger
Erstveröffentlichung in GALAXY, Februar 1963
Copyright © 2016 der deutschsprachigen Ausgabe by
Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Covergestaltung: Stardust, München
I
Bevor die großen Schiffe mittels des Planoformens durch die Sternenwelt flüsterten, mussten die Menschen mit gewaltigen Segeln von Stern zu Stern fliegen – ungeheure Membranen, die im Weltraum an großen, starren, kälteerprobten Takelagen befestigt wurden. Ein kleines Raumschiff bot Platz für den Segler, der die Segel bediente, den Kurs überwachte und für die Passagiere verantwortlich war, die wie Knoten an langen Fäden in ihren kleinen adiabatischen Kapseln hinter dem Schiff hergezogen wurden. Die Passagiere erlebten nichts auf dieser Reise; sie legten sich auf der Erde schlafen und wachten vierzig, fünfzig oder zweihundert Jahre später in einer fremden, neuen Welt wieder auf.
Die Methode war ganz einfach. Doch sie funktionierte.
Auf ein solches Schiff war Helen Amerika Mr. Nicht-mehr-grau gefolgt. Auf solchen Schiffen bewahrten die Scanner ihre uralte Autorität über den Weltraum. Über zweihundert Planeten waren auf diese Weise besiedelt worden, darunter auch Altnordaustralien, das die Schatzkammer all dieser Welten werden sollte.
Der Emigrationshafen bestand aus einer Reihe niedriger, quadratischer Gebäude – ganz anders als der Erdhafen, der wie ein eingefrorener Atompilz die Wolken überragte.
Der Emigrationshafen ist düster, trübe, öde und betriebsam. Seine Mauern sind schwarzrot wie altes Blut, denn so sind sie leichter zu heizen. Die Raketen sind hässlich und einfach, die Raketenhangars so freudlos wie Maschinenhallen. Die Erde besitzt einige Sehenswürdigkeiten, die Besucher anziehen – der Emigrationshafen zählt nicht dazu. Die Menschen, die dort tätig sind, genießen das Privileg wahrer Arbeit und tiefer beruflicher Befriedigung. Die Menschen, die dort hingehen,verlieren sehr bald ihr Bewusstsein. Woran sie sich später noch erinnern, das ist ein kleiner Raum, der an ein Krankenhauszimmer gemahnt, ein schmales Bett, ein wenig Musik, ein paar Gespräche, der Schlaf und (vielleicht) die Kälte.
Vom Emigrationshafen aus gelangen sie in ihre Kapseln und werden in ihnen eingeschlossen. Die Kapseln werden von den Raketen zu den Segelschiffen gebracht. Das ist die herkömmliche Methode.
Die neue Methode ist besser. Man entspannt sich in einem gemütlichen Salon oder spielt Karten oder verzehrt eine Mahlzeit. Man benötigt dazu nur das halbe Vermögen eines Planeten oder den Nachweis, dass man mehrere Jahrhunderte lang fehlerlos und mit der Bewertung »Exzellent« seine Pflichten erfüllt hat.
Bei den Photonenseglern war das anders. Sie boten jedem eine Chance.
Ein junger Mann mit heller Haut und hellem Haar zog aus, um unbeschwerten Mutes eine neue Welt zu erforschen. Ein älterer Mann, mit bereits angegrautem Haar, begleitete ihn. So wie dreißigtausend andere. Und auch das schönste Mädchen der Erde.
Die Erde hätte sie festhalten können, aber die neuen Welten brauchten sie.
Sie musste fortziehen.
Mit einem Lichtsegler. Und sie musste den Weltraum durchqueren – den Weltraum, der immer voller Gefahren ist.
Manchmal setzt er seltsame Werkzeuge für seine Zwecke ein – die Schreie eines wundervollen Kindes, das lamellierte Gehirn einer längst verstorbenen Maus, das herzzerreißende Schluchzen eines Computers. Meist gönnt der Weltraum keinen Aufschub, keinen Ersatz, keine Rettung, keine Reparatur. Alle Gefahren müssen vorausgesehen werden, sonst enden sie tödlich. Und das größte aller Risiken ist der Mensch selbst.
»Sie ist wunderschön«, sagte der erste Techniker.
»Sie ist noch ein Kind«, bemerkte der zweite.
»Sie wird nicht mehr wie ein Kind aussehen, wenn sie zweihundert Jahre draußen gewesen ist«, fuhr der erste fort.
»Aber sie ist ein Kind«, beharrte der zweite und lächelte. »Eine wunderschöne Puppe mit blauen Augen, die leise den Weg des Erwachsenenlebens betritt.« Er seufzte.
»Sie wird eingefroren«, erinnerte der erste.
»Nicht für die ganze Zeit«, widersprach der zweite. »Hin und wieder wird man sie wecken. Man muss sie wecken. Die Maschinen tauen sie auf. Du erinnerst dich doch noch an die Verbrechen auf der Alten Zweiundzwanzig.Nette Leute, aber die falsche Zusammenstellung. Und alles ging schief, ging auf schmutzige, brutale Weise schief.«
Beide erinnerten sich an die Alte Zweiundzwanzig.Das Höllenschiff war lange Zeit zwischen den Sternen getrieben, bevor sein Leuchtfeuer die ersehnte Rettung brachte. Aber für eine Rettung war es bereits viel zu spät.
Das Schiff selbst befand sich in einem untadeligen Zustand. Die Segel waren im richtigen Winkel gesetzt. Die Abertausende von Kälteschläfern, die hinter dem Schiff in ihren adiabatischen Ein-Mann-Kapseln hergezogen wurden, hätten ebenfalls in einem untadeligen Zustand sein können, doch sie waren zu lange dem offenen Weltraum ausgesetzt gewesen und größtenteils verdorben. Aber im Innern des Schiffes – da lag der Fehler. Der Segler hatte versagt oder war gestorben. Die Reservecrew war geweckt worden. Doch sie kamen nicht gut miteinander aus. Oder sie kamen schrecklich gut miteinander aus, nur auf die falsche Art. Draußen, zwischen den Sternen, allein in einer zerbrechlichen, räumlich beengten Kabine, hatten sie neue Verbrechen erfunden und sie aneinander begangen – Verbrechen, wie sie nicht einmal eine Million Jahre alter, irdischer Schlechtigkeit in den Menschen hatte hervorbringen können.
Die Rettungsmannschaften, die die Alte Zweiundzwanzig betreten hatten, waren fast verrückt geworden, als sie die Geschehnisse rekonstruierten, die dem Erwachen der Reservecrew gefolgt waren. Zwei von ihnen hatten um eine Gedächtnislöschung gebeten und den Dienst quittiert.
Die beiden Techniker wussten Bescheid über die Alte Zweiundzwanzig,