Der Sonntags-Krimiclub - Elfi Sinn - E-Book

Der Sonntags-Krimiclub E-Book

Elfi Sinn

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Beschreibung

Jutta Keller ist ein großer Krimi-Fan. Für ihren Ruhestand hat sie deshalb einen großen Traum: Eine Senioren-WG und wie bei Miss Marple, eine Runde Gleichgesinnter am Kamin, die ungelöste Fälle diskutiert. Aber alles kommt anders. Schon die Freundin, mit der sie zusammenziehen wollte, sagt ihr plötzlich ab, die Suche nach neuen Interessenten, wird gestört durch Diebstähle während des Umbaus in ihrem Haus. Aber Jutta ist eine Macherin, die fest entschlossen ist, ihren Traum wahr werden zu lassen. Sie sucht und findet neue Mitbewohner, mit denen sie ihren Sonntags-Krimiclub doch noch gründet. Und obwohl sie eigentlich nur über Kriminalfälle sprechen wollten, sind sie bald mittendrin in echten Straftaten und Gefahren.

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Inhaltsverzeichnis

Wer ist wer?

Diebstahl auf der Baustelle

Die weiße Frau

Rätselhafter Schwund bei „Mutter Schulze“

Ein einmaliges Schnäppchen

Die Büchse der Pandora

Die Doppelschleife der Großherzogin

Wer ist wer?

Jutta Keller, 66, hat früher in einem Reise-Konzern gearbeitet, liest leidenschaftlich gerne Krimis, gründet eine Senioren-WG und den Sonntags-Krimiclub.

Anja Ritter, 65, hat früher im Kulturamt gearbeitet, liest leidenschaftlich gerne Krimis und möchte auch welche schreiben, Mitglied der WG und des Krimiclubs.

Andreas Köhler, 66, ehemaliger Polizist, liest leidenschaftlich gerne Krimis, ist auf einen Rollstuhl angewiesen, Mitglied der WG und des Krimiclubs.

Fabian Köster, 67, ehemaliger Polizist, arbeitet als Privatdetektiv und schreibt Krimis, gehört zum Krimiclub.

Lea Sommer, 68, Küchenchefin im Event-Hotel Memories, liest leidenschaftlich gerne Krimis und gehört zum Krimiclub.

Emilia Richter, 70, ehemalige Psychologie-Dozentin, liest gerne Krimis und schreibt auch welche, gehört zu den Krimifrauen vom alten Bahnhof.

Oliver Maurer, 66, ehemaliger Polizist, gehört zum Krimiclub.

Dennis Braun, 35, Architekt und Bauleiter im Sommer-Karree und für das Haus von Jutta Keller.

Die Kids Rina Sommer, 9, Charlie Braun, 10 und der Hund Snoopie, die wichtige Mitglieder des Sonntags-Krimiclubs sind.

Anette Brauer, 66, langjährige Freundin von Jutta, hat sich gegen die WG entschieden und bereut das später.

Sandra Fischer, 55, Inhaberin des Restaurants „Mutter Schulze“

Lilly Herzog, 82, Vermieterin einer Einliegerwohnung Susanne Brenner, 45, Inhaberin des Hotels „Minerva“

Außerdem sind folgende bekannte Detektivinnen mit Anregungen oder Zitaten vertreten:

Miss Jane Marple von Agatha Christie und

Miss Flavia de Luce von Alan Bradley.

Diebstahl auf der Baustelle

„Was habe ich mir nur dabei gedacht?“

Jutta Keller betrachtete das mittelgroße, gepflegte Fachwerkhaus neben dem imposanten Lindenbaum mit gemischten Gefühlen.

Das war jetzt ihr Haus!

Damals im Dezember hatte ihre Freundin Anette sie zuerst auf das gut erhaltene Fachwerk aufmerksam gemacht, von dem sie absolut begeistert war. Der auffällige Kontrast von weißen Wänden und schwarzen Balken machte aus diesem Haus schon etwas Besonderes, es sah fast so aus, wie aus dem alten England importiert.

Auch der spitz zulaufende Giebel und die Verzierungen ließen es wie ein Haus aus früheren Zeiten erscheinen und die große dunkle Tür erinnerte sehr an die Bakerstreet 221B in London, als hätte Sherlock Holmes sie gerade geschlossen. Anette hatte sich sofort in das Haus verliebt, aber Jutta war praktischer veranlagt.

Für sie war die Anzahl der Räume wichtiger oder auch der großzügige Garten an der kaum befahrenen Straße. Und vor allem sollte es im Erdgeschoss einen richtig großen Raum für viele Gäste geben.

Nachdem sie alles geprüft und für ausreichend befunden hatte, stimmte auch sie für dieses Haus.

Außerdem war die Fassade gerade frisch renoviert, eine Aufgabe weniger, an die sie denken mussten. Auch wenn sie es aus unterschiedlichen Aspekten beurteilten, fanden sie damals beide, dass dieses Haus genau passend für ihr großes Vorhaben sei und hatten es prompt gekauft.

Selbst die Geschichte von einer weißen Frau, die ab und zu herumspuken sollte und von der Maklerin sicherheitshalber erwähnt wurde, konnte sie nicht mehr abhalten.

Doch jetzt, einige Wochen später, schüttelte Jutta immer noch zweifelnd den Kopf und kuschelte sich tiefer in ihren blaugrünen Wintermantel, dessen Kragen sie bereits hochgeschlagen hatte.

Obwohl es schon März war und alles nach Frühling aussah, war ihr ziemlich kalt, vor allem wenn sie daran dachte, welcher Riesenberg an Aufgaben noch zu erledigen war.

Sie strich sich die dunkelbraunen Locken, die an den Schläfen bereits silbern wurden, aus dem Gesicht, aber der Wind wehte die Strähnen sofort wieder zurück. Genauso fühlte sie sich auch, wenn sie an ihr Vorhaben dachte.

Alles hatte so gut begonnen und jetzt gab es nur noch Gegenwind.

Das Haus hatte sich seitdem nicht verändert, es sah immer noch einladend aus, auch der Garten im ersten zaghaften Grün trug zum guten Eindruck bei. Aber alles andere lief so verkehrt, dass Jutta genau wusste, ihre Kälte kam nicht vom Wetter, sie kam aus ihrem Inneren.

Das Gefühl einsam zu sein hatte sie früher so nicht gekannt oder vielleicht auch nicht wahrgenommen. Als leitende Mitarbeiterin eines großen Reisekonzerns war sie ständig unterwegs, hatte in vielen Städten gelebt und war ständig damit beschäftigt, große Hotels zur Eröffnung vorzubereiten oder riesige Events zu organisieren. Beziehungen zerbrachen schon nach wenigen Wochen daran, dass sie keine Zeit hatte oder irgendwo etwas Aufregendes nicht ohne sie fertig gestellt werden konnte.

Anette als Reisebegleiterin ging es ähnlich, auch sie war ständig unterwegs und beschäftigt. Daher hatten sie beide, bevor sie gemeinsam das Haus kauften, auch gar nicht den Wunsch sesshaft zu werden.

Erst mit Erreichen des Rentenalters und der überraschend vielen Freizeit stellten die Freundinnen fest, dass sie nach ihrem aktiven Leben relativ allein blieben, dass alles, bei dem sie früher unverzichtbar waren, jetzt auch ohne sie funktionierte.

Familie hatten sie auch nicht mehr, weil beide nach einer kurzen frustrierenden Ehe keinen neuen Versuch gewagt hatten. Aber gerade jetzt hätten sie beide gerne mehr Kontakte gehabt, sich Freunde oder wenigstens Bekannte für interessante Gespräche oder gemeinsame Vorhaben gewünscht, aber da war niemand.

Schon wegen der knappen Freizeit hatte auch keine von ihnen ein Hobby, das sie stundenlang beschäftigen könnte.

Mit einer Ausnahme: Beide lasen leidenschaftlich gern Kriminalromane. Anfangs durften diese sogar ziemlich hart und blutig sein, aber mit zunehmendem Alter bevorzugten sie eher Cosy Crimesoder Kuschel-Krimis. Jutta hatte eine ausgesprochene Vorliebe für die Feinsinnigkeit, die sprachliche Brillanz und die zurückhaltende Komik mit der Agatha Christie ihre Miss Marple ausgestattet hatte. Sie mochte aber auch die etwas mondäne Agatha Raisin von M. C. Beaton und auch die quirlige Molly Morphy von Rhys Bowen.

Für Anette, die Katzenliebhaberin, ging nichts über Rita Mae Brown und ihre kluge Katze Mrs. Murphy oder Koko, den genialen Kater von Lilian Jackson Braun.

Darüber hätten sie sich gerne mit anderen ausgetauscht oder weitere Anregungen bekommen, aber so jemanden traf man ja nicht einfach beim Zahnarzt oder der Frisörin. Dafür müsste es eine richtige Runde, einen speziellen Kreis von Krimifans geben.

Die Veranstaltung „Weihnachten, wie es früher war“ im Event-Hotel „Memories“, war ihnen für ihr Anliegen wie ein gutes Omen erschienen, denn sie war ausschließlich für Menschen ohne Familienanschluss konzipiert worden.

Dort hatten sie einen wunderbaren Vorgeschmack auf das Gefühl von Gemeinsamkeit bekommen, hatten mit anderen Plätzchen gebacken, Geschenke gebastelt und Weihnachtslieder mit Kindern gesungen, fast so als ob sie selbst Enkel hätten.

Bei der abschließenden Fahrt mit einem Pferdeschlitten durch den Winterwald, hatten sie sich dann geschworen, nie wieder einsame Feste zu erleben oder auch nur einsame Tage und dafür gleich eine zündende Idee entwickelt.

Sie würden eine Wohngemeinschaft mit anderen Frauen bilden, einen Krimiclub gründen und sich garantiert nie wieder einsam fühlen.

Das passende Haus war relativ schnell gefunden, so als ob es auf sie gewartet hätte. Natürlich müsste es zuerst an ihre Anforderungen angepasst werden, deshalb würden sie als erste einziehen und dann die nötigen Veränderungen gemeinsam angehen.

Dieser Umbau war bereits geplant, die erforderlichen Anträge waren eingereicht und Jutta steckte schon mitten in den Umzugsvorbereitungen, als sich das gemeinsame Vorhaben urplötzlich in Luft auflöste.

Anette verliebte sich Hals über Kopf in einen Künstler und das hatte weitreichende Konsequenzen. Über Nacht gab es für sie nur noch diesen einen Mann auf der Welt, bei dem sie unbedingt bleiben wollte. Also habe sich eine WG für sie erübrigt, teilte sie lakonisch mit.

Eigentlich hätte sich Jutta ehrlich für ihre Freundin gefreut, auch wenn die gemeinsamen Pläne jetzt dahin waren, aber dieser Mann war einfach unmöglich und total unpassend für ihre Freundin.

Natürlich war er mit vollen goldblonden Haaren, großen dunkelblauen Augen und Wimpern, für die manche Frau gemordet hätte, wirklich gutaussehend, aber nach Juttas Meinung fast zu schön für einen Mann.

Ihre Freundin jedoch sah ihn an wie einen Engel, den ihr das Universum genau zum richtigen Zeitpunkt geschickt hatte, ehe sie mit einer Katze und ihrer Freundin versauern würde.

Auch hier sah Jutta genauer hin. Es störte sie weniger, dass dieser Jannik fünfzehn Jahre jünger war als ihre Freundin, auch sie mochte jüngere Männer, weil die besser in Form waren und sich mehr pflegten als Gleichaltrige. Aber es gefiel ihr überhaupt nicht, dass dieser Mann einen Geltungsdrang hatte, der wesentlich größer war als sein Arbeitseifer oder sein Einkommen. Über beides verfügte er nämlich nicht, wie Juttas hartnäckige Nachfragen erbracht hatten.

„Er ist eben Künstler“, hatte Anette betont. „Und du weißt, dass die meisten erst anerkannt werden, wenn sie schon tot sind.“

Jutta nickte nur bei Anettes Beteuerungen.

Dass Jannik nicht anerkannt war, konnte sie sehr gut nachvollziehen, denn noch gab es keine Kunstwerke, die man hätte bewerten können. Schließlich befand sich der Künstler, nach eigenen Angaben, noch in einer Selbstfindungsphase.

Anette mit ihren langen roten Haaren, hatte er zu seiner Muse bestimmt, oder wie er sagte, als seine Venus erwählt, genauso wie seinerzeit der berühmte Botticelli.

Auch wenn Anette blind vor Liebe war und ihren Künstler andächtig anbetete, war Jutta sofort klar, dass es hier weniger um künstlerische Anregung, sondern mehr um finanzielle Aneignung ging.

Schließlich hatte ihre Freundin ähnlich gut verdient wie sie und ein kleines Vermögen angespart. Dazu kam noch, dass sie erst kürzlich einen ziemlich reichen Onkel beerbte und damit eine wirklich gute Partie darstellte, wie Juttas früh verstorbene Tante Frieda gesagt hätte. Aber alle Einwände, die Jutta gegen den Künstler vorbrachte, halfen überhaupt nichts.

Sie hatte mit Engelszungen auf ihre Freundin eingeredet und sie gebeten, sich wenigstens Zeit zu lassen, aber Anette schien nicht nur die übliche rosarote Brille der Verliebten zu tragen, sie schien auch ihr Gehirn komplett abgegeben zu haben. Immer wenn Jutta einen besonders passenden Einwand formulierte, antwortete Anette nur stoisch: „Halt dich da raus!“

„Na, schön“, antwortete Jutta regelmäßig und dachte: Auf keinen Fall! Aber nichts half wirklich.

Irgendwann hatte sie dann zwar schon widerstrebend einen letzten Versuch gemacht. „Er ist fünfzehn Jahre jünger als du, glaubst du wirklich, dass dein heißgeliebter Jannik nicht nach anderen Frauen schaut. Als du neulich nicht da warst, hat er sogar mich angebaggert.“

Anette hatte sie nur verächtlich angesehen. „Das hätte ich mir ja denken können, dass du einen Keil zwischen uns treiben willst. Du bist so eine neidische Kuh! Ab heute sind wir Freundinnen gewesen!“

Also gab Jutta nach und kaufte ihr die zweite Hälfte des Hauses ab.

Danach war sie sich, ohne ihr gemeinsames Vorhaben, etwas orientierungslos vorgekommen und hatte tagelang in der Wohnung gesessen und gegrübelt. Warum musste das ausgerechnet jetzt passieren? Sie hatten doch einen so tollen Plan!

Einmal in der Woche wollten sie Menschen einladen, die Krimis genauso liebten wie sie. Jutta hatte sich das so interessant und spannend vorgestellt, wie den Dienstagabend-Klub, den Raymond West, der Neffe von Miss Marple, ins Leben gerufen hatte um ungelöste Rätsel aufzuklären.

Vielleicht hätten sie sogar irgendwann selbst etwas ermitteln können? In den Hotels war ihr Spürsinn für solche Dinge schon legendär gewesen. Und jetzt sollte sie diesen aufregenden Plan einfach begraben?

Sie war doch bisher immer für alle da gewesen, hatte geholfen, wo sie nur konnte. Hatte sie denn nicht auch einen anregenden, interessanten Ruhestand verdient? Fragen, auf die es keine Antwort gab, die sie aber auch nicht losließen.

Und irgendwann hatte sie dann mit der flachen Hand auf den Tisch geschlagen und die Frau wieder hervorgekramt, die sie immer gewesen war, die Macherin.

Gibt es ein Problem? Jutta kriegt das hin! Das hatten ihre Kollegen und auch ihre Vorgesetzten immer wieder betont, sie war die Geheimwaffe, die jede Situation retten konnte. Also würde sie auch ihr Lieblingsprojekt retten!

Sie ging vor, wie sie es immer machte, sie erstellte einen Plan, suchte sich Verbündete und legte los.

Da es ein wirklicher Neustart sein sollte, kündigte sie die große Wohnung, lagerte nur einige wenige Lieblingsmöbel und natürlich ihre Bücher ein, verkaufte alles andere und zog vorübergehend in eine Pension ganz in der Nähe ihres zukünftigen Hauses.

Für dessen Umbau hatte sie mit ihrer Bank einen so weitreichenden Kreditrahmen ausgehandelt, dass damit alles abgedeckt war. Natürlich hatte ihr bei der Summe kurz der Atem gestockt, aber das würde sie auch noch schaffen. Sie straffte die Schultern und seufzte. Leider war es jetzt nicht so spannend und abenteuerlich, wie sie es sich gemeinsam mit Anette ausgemalt hatte und ihr war auch nicht ganz wohl dabei, das alles allein anzugehen.

Aber je schneller das Haus in Ordnung kam, um so eher konnte sie die Leute für ihre Wohngemeinschaft, ihren Krimiclub und vielleicht auch neue Freunde finden. Also gab sie sich endlich einen Ruck, um hinein zu gehen, als sie den Architekten näher kommen sah.

Sie lächelte. Dass er nach ihrem Anruf so schnell kommen konnte, war nicht wirklich überraschend, denn das Sommer-Karree befand sich ja direkt in der Nähe. Nachdem sie noch während des Weihnachtsaufenthaltes ihr Wunschhaus gekauft hatten, war sie auch mit Dennis ins Gespräch gekommen, dem Architekten, der den Umbau des Karrees und des Hotels geleitet hatte und zur Familie gehörte. Mit ihm hatte sie gleich einen Besichtigungstermin vereinbart, um alle ihre Wünsche zu besprechen. Also holte sie noch einmal tief Luft und dann die Schlüssel aus ihrer Manteltasche.

Jetzt kann es losgehen!

Dennis Braun kannte bisher nur die Pläne für den Umbau und hatte auch das Haus nur von außen gesehen. Allerdings lag ihm eine konkrete Übersicht der speziellen Wünsche vor, die Jutta akkurat aufgelistet hatte.

Im Erdgeschoss sollte es einen sehr geräumigen Ess- und Wohnbereich, unbedingt mit Kamin, eine komfortable Küche und auch eines der Appartements geben. Die anderen drei waren für die erste Etage vorgesehen.

Jutta und Anette hatten lange darüber diskutiert, wie die Zimmeraufteilung in einer Wohngemeinschaft aussehen müsste, in der sie sich wohlfühlen könnten. Beide hatten keinerlei WG-Erfahrungen aus ihrer Studienzeit, waren daher auch nicht so weit abgehärtet, um sich locker vorstellen zu können ständig mit anderen das Bad zu teilen. Deshalb kamen sie auf die Idee Appartements zu gestalten, die einen großzügigen Schlaf-Wohnraum und ein bequemes Duschbad umfassten.

Für Gäste war noch ein WC im Erdgeschoss vorgesehen und im Keller sollte es einige Vorratsräume, große Schränke und eine Waschküche geben. Nachdem der Statiker alles bestätigt hatte, lag auch die Genehmigung für den Umbau rechtzeitig vor. Dennoch prüfte Dennis noch einmal die Tragfähigkeit der Mauern und den Zustand der Installationen ausgiebig, dann zeigte er ihr anhand ihrer Wunschliste, was alles möglich wäre.

„Wir müssen hier eine Wand nach hinten versetzen damit der Raum größer wird. Die neue wäre dann etwa auf dieser Höhe.“

Jutta machte große Schritte, um den Raum auszumessen. „Das reicht völlig aus, es wird trotzdem ein beeindruckender Raum werden, besonders mit dem Kamin.“

Dennis deutete auf den Grundriss. „Oben ziehen wir an diesen Stellen die Trennwände für die Duschen ein, auch das dürfte kein großes Problem sein. Der Abriss kann morgen beginnen. Danach brauchen wir möglichst bald die Fliesen und jede Menge Installationsmaterial für die Küche, die Waschküche, die Gästetoilette und die Duschbäder. Es gibt zurzeit Lieferprobleme, wir müssen also das Material rechtzeitig bestellen. Machen Sie das Design selbst oder soll ich Lea einbeziehen?“

Jutta konnte sich sehr gut an die spektakulären Hotelzimmer erinnern die Lea Sommer eingerichtet hatte, aber dieses Haus war ihr Baby!

„Das ist nett, dass Sie das vorschlagen, aber ich träume schon so lange von diesem Haus und habe eine klare Vorstellung, wie es zum Schluss aussehen soll. Ich schaue mich noch ein wenig um, was regional angeboten wird, dann kann ich nächste Woche meinen Entwurf mitbringen.“

Dennis nickte nur. „Das reicht, um dieses Material zu bestellen.“

Jutta war zufrieden mit dem ersten Ergebnis der Begehung und den gemeinsam beratenen Vorhaben.

Jetzt fühlte sich das Haus schon viel vertrauter an.

„Vielleicht könnte ich auch schon früher einziehen und noch mehr mithelfen“, überlegte sie. „Mir wird in der Pension bereits ziemlich langweilig und meine Krimis sind ausgelesen. Sie kennen nicht zufällig eine gute Buchhandlung, die mich auf neue Ideen bringen könnte?“

Dennis lächelte, während er seine Unterlagen einsammelte.

„Ich komme nicht oft zum Lesen, aber meine Frauen schwören auf „Majas Leseecke“, die ist in der „Weiberwirtschaft“, ganz in der Nähe, im Mühlengrund.“

Er zeigte ihr noch die Straße zum Mühlengrund und verschwand dann wieder in Richtung Sommer-Karree. Ein netter junger Mann, dachte Jutta, als sie die gut trainierte Figur aus der Ferne betrachtete. Er schien mit Polly, die diese tollen kalorienarmen Leckereien herstellte, ziemlich glücklich zu sein.

Dann seufzte sie zufrieden. Noch etwas, worauf sie sich freuen konnte, eine gemütliche Kafferunde der WG im Erdgeschoss, mit Blick in den Garten oder sogar auf der Terrasse und dann Pollys Mokka-Cupcakes. Hm!

Lächelnd machte sie sich auf den Weg zur Buchhandlung. Obwohl sie bisher immer im Zentrum großer Städte gelebt hatte und Taxis für normale Fortbewegungsmittel hielt, stellte sie unterwegs erstaunt fest, wie gut es ihr gefiel, alles was sie brauchte, auch zu Fuß erreichen zu können.

Und die „Weiberwirtschaft“ gefiel ihr ausnehmend gut. Wo fand man schon einen so idyllischen Marktplatz, an dem das Einkaufen in kleinen Läden so richtig Spaß machte? Jutta blieb einen Moment stehen und betrachtete den ungewöhnlichen Platz, der ihr das Gefühl vermittelte, mitten in einem Dorf in der Toskana zu sein. Natürlich waren es keine Zypressen, die den Platz säumten, sondern schlanke, deutsche Linden, deren Knospen sich gerade in der Frühlingssonne bildeten.

Aber die strahlend weißen Gebäude verfügten über dunkel gerahmte Bogenfenster und bogenförmig überdachte Durchgänge, wie sie das von vielen Häusern in Italien kannte.

Sie lächelte unwillkürlich, denn all das erinnerte sie sehr an angenehme Stunden in der Emilia Romagna und gleich wurde ihr davon wärmer.

An der hinteren Seite des Platzes wuchsen ein japanischer Zierahorn und zahlreiche Essigbäume, die sie auch von Hotelanlagen kannte und in der Mitte und vor einigen Eingängen waren Blumenrabatten mit Frühlingsblühern angelegt und Bänke aufgestellt. An den vorderen Hauswänden rankte sich wilder Wein und an den Bogengängen schienen die Rosen ihre Knospen kaum noch zurückhalten zu können.

Rosen würde sie auch pflanzen, vor allem weiße und gelbe, vielleicht auch Wein auf der Gartenseite, überlegte sie voller Freude darüber, schon so viele Anregungen gesammelt zu haben.

Sie drehte sich langsam im Kreis, um nichts zu verpassen. Das ist wirklich ein hübsches Ensemble, dachte sie bewundernd, als ihr Blick auf den Brunnen fiel.

Ein Brunnen in so einem kleinen Einkaufszentrum war schon erstaunlich. Und dieser Brunnen war etwas ganz Besonderes, denn er schien wirklich der Clou des kleinen Platzes zu sein, weil sein Wasser über ein großes Mühlenrad floss, das sich leicht knarrend bewegte. Ein pausbäckiger Drache saß oben über dem Rad und schien zu überwachen, dass es sich auch beständig drehte. Vielleicht pustete er auch, wenn es nicht schnell genug ging.

Bei dieser Vorstellung musste sie schon wieder lächeln. Um den Brunnen herum gab es die unterschiedlichsten Läden und Jutta freute sich jetzt schon darauf, demnächst den Morgenspaziergang mit einem schnellen Einkauf verbinden zu können.

Von dem kleinen Hofladen einer Agrarvereinigung war sie so begeistert, dass sie sofort frisches Obst und leckeren Käse kaufte.

In „Majas Leseecke“ ging es ihr ähnlich. Schon der Raum war ungewöhnlich eingerichtet. Große weiße Regale standen quer in den Raum und bildeten so angenehme Nischen, in denen man ungestört stöbern oder sich mit seinem Buch schon in einem Sessel niederlassen konnte.

Nachdem Jutta einen Blick in den Bereich der Liebesromane geworfen hatte, der durch rosafarbene Wände auffiel, zog sie sich doch lieber zu den blau getönten Wänden der Krimi-Abteilung zurück. Bei dem umfangreichen Angebot an Cosy-Crimes, die sie besonders liebte, fiel ihr die Auswahl ausgesprochen schwer, obwohl sie von der Inhaberin Maja einfühlsam beraten wurde.

Maja, deren braune Locken nur einen Ton heller waren als ihre eigenen, war ihr sofort sympathisch. Und nur deshalb erwähnte sie in dem netten Gespräch auch ihr Projekt SeniorenWohngemein-schaft und ihre Idee mit dem Krimiclub.

Maja hörte ihr aufmerksam zu und zeigte ihr anschließend die Erfolgswand ihrer Kontaktbörse, die sie schon seit einigen Jahren führte. „Ich verfolge mit meiner Kontaktbörse ein besonderes Anliegen, nämlich Menschen zusammen zu bringen, die wirklich gut zusammen passen. Meist haben sie auch ähnliche Interessen oder Hobbys oder sie ticken einfach gleich. Hier sind die Fotos von zufriedenen Menschen, denen ich die richtigen Kontakte vermittelt habe und bei denen alles geklappt hat. Viele sind inzwischen glückliche Paare, einige nur gute Freunde, andere zuverlässige Spieloder Trainingspartner für die Freizeit und einige haben sich auch als Wohngemeinschaft gefunden.“

Jutta war regelrecht davon überwältigt, wie schnell ihr Projekt heute vorankam. Der Tag hatte nicht besonders begonnen, da waren mehr Zweifel, als freudige Gedanken gewesen. Aber inzwischen stand die Planung für das Haus, sie hatte erste Ideen für den Garten und wenn es ihr hier gelingen würde, geeignete Mitbewohner zu finden, die vielleicht auch Freunde würden, was wollte sie noch mehr? Kurzentschlossen ließ sie sich mit ihrem Wunsch in Majas Kontaktbörse eintragen, auch wenn sie noch leichte Zweifel hatte, ob das wirklich erfolgreich sein könnte.

Die verflogen jedoch, als sie in dem kleinen Café zwischen Buchhandlung und Backstube einen Cappuccino trank, Beerenkuchen kostete und schon einen ersten Blick in ihre neuen Bücher warf.

Judith, die junge Bäckerin, war nicht überrascht, als sie bei ihr ganz vorsichtig nachfragte ob so eine Vermittlung in der Kontaktbörse wirklich klappen könnte.

Sie lachte nur vergnügt. „Ich wollte es damals auch nicht glauben, als Maja mir den Mann gezeigt hat, der zu mir passt. Aber jetzt sind wir schon drei Jahre verheiratet und immer noch glücklich.

Fast jeder hier in der „Weiberwirtschaft“ hat schon Majas Paar-TÜV genutzt und alle sind happy. Inzwischen spricht sich ihr Erfolg auch herum und manche kommen deswegen sogar von weit her. Maja hat einfach eine Nase dafür, wer zu wem passt. Auch wenn Sie sich nicht verlieben wollen und nur einen guten Kumpel oder eine Freundin suchen, die ähnlich tickt wie Sie, Maja kriegt das hin.“

In der restlichen Woche hatte Jutta kaum Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, ob die neuen Bewohner schon gefunden wären.

Denn sie pendelte zwischen Baumärkten, Einrichtungshäusern und Stoffgeschäften hin und her und fühlte sich fast wie früher, als sie die Verantwortung für die Fertigstellung von Ferienhotels trug.

Damals hatte sie nicht jede Fliese einzeln ausgewählt, sondern meist nur das Farbkonzept eines Design-Büros bestätigt. Auch damals hätte sie gerne noch einiges im Detail geändert, da sie häufig viel genauer wusste, womit sich die Gäste willkommen fühlen würden. Aber jetzt hatte sie ihre Chance und deshalb würde auch alles so sein, wie sie es mochte.