Machen wir es wie Miss Marple - 2 - Elfi Sinn - E-Book

Machen wir es wie Miss Marple - 2 E-Book

Elfi Sinn

0,0

Beschreibung

Schließlich hätte es auch schlimmer kommen können! Tessies Erfolgsgeschichte geht trotz vieler Probleme weiter. Nachdem es ihr gelungen ist, das geerbte Karree wieder zu bewirtschaften, setzt sie alle Kraft daran, gemeinsam mit der Familie attraktive Geschäfte und ein Event-Hotel zu eröffnen. Und da sie alle zu ihrem Amazonen-Erbe stehen, nach dem Frauen sowieso alles können, erreichen sie ihre Ziele natürlich auch. Allerdings gibt es wieder betrügerische Anschuldigungen, versuchtes Kidnapping, bösartige Störaktionen, falsche Erben und viel Unrecht, gegen das Tessie, wieder wie Miss Marple, gemeinsam mit ihrer Mutter Lea, ihrer Tochter Polly und ihrer Enkelin Rina und weiteren Verbündeten vorgehen muss.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 175

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Wer ist wer?

Das Millionenerbe

Rettung aus dem Pflegeheim

Charlie in Gefahr

Ein Fall von Gaslighting

Der verhängnisvolle Unfall

Der falsche Erbe

Wer ist wer?

Tessie Sommer, Kindergärtnerin, mit roten Locken, ist eine geborene Optimistin. Ihr Lieblingsspruch: Es hätte schlimmer kommen können. Sie erbt ungewollt und macht daraus etwas Fantastisches, auch gegen Widerstände und Anschläge. Sie liest leidenschaftlich gerne Krimis.

Lea Sommer, Köchin, Mutter von Tessie, mit immer noch roten Locken, hat ihre große Liebe Henry verloren, kocht fantastisch und prägt das neue Sommer-Karree mit ihren Design-Ideen. Sie liest leidenschaftlich gerne Krimis.

Polly Sommer, Konditorin, Tochter von Tessie, mit langen roten Haaren, ist nach einige Krisen und Enttäuschungen erfolgreich im Beruf und hat sogar die große Liebe gefunden. Sie liest leidenschaftlich gerne Krimis.

Rina Sommer, Tochter von Polly, mit roten Zöpfchen, kann manches, das noch passieren wird, ziemlich genau vorausahnen. Sie liest leidenschaftlich gerne Krimis und besucht die 3. Klasse.

Dennis Braun, Architekt, hat falsche Rücksichten genommen, ist aber jetzt wieder auf Kurs, liebt Polly, ihre Tochter, seinen Sohn und die Peanuts.

Charlie Braun, Sohn von Dennis, mit schokoladenbraunen Locken, ist ein heimliches Computer-Ass und besucht die 4. Klasse. Er besitzt einen Hund namens Snoopie

Katja, beste Freundin von Tessie, Heilpraktikerin für Psychotherapie

Julian Richter, Geschäftsführer in Henrys ehemaliger Weinhandlung.

Fabian Köster, ehemaliger Polizist, arbeitet als Privatdetektiv und schreibt Krimis.

Dr. Christian Winter, Rechtsanwalt.

Heidi, Henny, Nicki, ehemalige Kolleginnen von Tessie, die beim Aufbau des Karrees helfen und auch dort wohnen Außerdem einige unbekannte oder auch ungenannte, aber nicht weniger wichtige Personen, die Anlass zu Nachforschungen geben oder bei den Ermittlungen helfen.

Als Inspiration, Anregung und mit praktischen Tipps sind auch die folgenden berühmten und bekannten Detektivinnen und Hobby-Detektivinnen indirekt vertreten:

Miss Jane Marple von Agatha Christie,

Jackie Dupont von Eve Lambert,

Goldy Schulz von Diane Mott Davidson und

Flavia de Luce von Alan Bradley

Das Millionen-Erbe

Das Leben ist voller Überraschungen und schon morgen kann dir ein kleines Wunder begegnen – unbekannter Verfasser

Tessie Sommer stand am Fenster ihres Büros und schaute stolz auf das ehemalige Bergmann-Karree, das sie im März geerbt und notgedrungen weitergeführt hatte, um der immensen Erbschaftssteuer zu entgehen.

Inzwischen war das, was vor ihr lag, viel mehr als das Überraschungserbe geworden, war ihnen Allen ans Herz gewachsen, denn mit dieser Umgestaltung waren viele erstaunliche Dinge gelungen.

Nicht nur, dass zahlreiche junge Firmen wieder günstige Arbeitsräume erhielten und Menschen, die vorher lange suchten, nun bezahlbare Wohnungen fanden, noch viel wichtiger war, dass die gemeinsame Arbeit auch ihre Familie wieder zusammen gebracht hatte.

Von Anfang an lebten ihre Mutter Lea, ihre Tochter Polly und ihre Enkelin Rina mit auf dem Gelände, hatten es mit aufgebaut und es schien auch so, dass alle bleiben wollten.

Tessie schmunzelte, wenn sie zurückdachte. Die Arbeit an den Wohnungen und Werkstätten war alles andere als leicht gewesen, hatte sie aber als Familie wieder enger zusammenrücken, die Zerwürfnisse vergessen lassen und alten Schmerz geheilt. All das, was sie jetzt mit einem gewissen Stolz betrachtete, hatte sie sich damals nicht vorstellen können, als sie mit entsetztem Gesicht auf ihr Überraschungserbe gestarrt hatte.

Der rechte Trakt, das Baumhaus, wie sie es nannten, seit auf jeder Etage ein anderer Baum den Eingang zum Fahrstuhl umrandete, war relativ schnell vermietet und ihr erster Pluspunkt gewesen.

Damit konnten die IT-Firmen, die bereits dort residierten, in renovierte Räume zurückkehren und weitere waren wegen der günstigen Mietkonditionen sehr schnell nachgezogen.

In die drei Werkstätten hinter den Bogenfenstern im Erdgeschoss würden schon bald ein kleines Spa, ein Blumen-und Geschenke-Laden und Pollys Café einziehen.

Auch das frühere Bürohaus, das jetzige Beerenhaus, war sehr schnell voll vermietet, seit sie und Lea die Idee hatten, daraus Wohnungen zu machen.

Unter Leitung von Dennis, dem Architekten und Bauleiter, waren aus den Großraumbüros, moderne Lofts geworden, während sich die anderen Mieter über Kombinationen von 2 Zimmern mit großer Wohnküche freuen konnten.

Dennis wohnte inzwischen mit seinem Sohn Charlie auch in einer solchen Wohnung und gehörte zur Familie, und das nicht nur, weil er und Polly ein Paar waren.

Ein wenig sorgenvoll blickte Tessie zum linken Trakt, dem Blumenhaus, das noch auf Fortschritte harrte und zum angrenzenden alten Gebäude, das sie Ritterburg nannten. Das hatte ihnen eine aufregende Woche und einige gefährliche Situationen beschert, weil eine gesuchte Verbrecherin ausgerechnet dort ihren Geldwäsche-Ring etablieren wollte.

Sie schmunzelte wieder, als sie daran dachte, wie die Sache ausgegangen war und ihren Lieblingssatz erneut bestätigt hatte:

Es hätte schlimmer kommen können!

Schließlich war keiner verletzt, Charlie hatte die Schrecksekunde auch gut verkraftet und das alte Gebäude war hervorragend instand gesetzt.

Inzwischen baute sich Dennis dort unter dem Dach seine Arbeitsräume aus und gemeinsam mit seinen Praktikanten auch noch drei Wohnungen für Studenten.

Gar keine schlechte Idee, überlegte Tessie, denn wer würde sich nicht besonders anstrengen, wenn er anschließend die Räume selbst bewohnen könnte?

Als die Sonne jetzt direkt in ihr Büro schien, ließ Tessie die Jalousie herunter und wandte sich wieder ihrem Schreibtisch zu.

Inzwischen war es August geworden und die Tage wurden immer heißer. Sie strich über ihr hellgrünes Kleid, das ganz locker saß und dennoch bei der Hitze zu warm schien. Obwohl sie jeden Tag nur ganz leichte Sommerkleider trug, die sie selbst nähte, stöhnte sie schon am frühen Morgen, wenn sie das Thermometer sah und die Wettervorhersage hörte.

Ihre roten Locken hatte sie deswegen auch schon kurz schneiden lassen, aber bei diesen Temperaturen war einfach alles zu viel.

Der einzige Grund sich über diese Hitze noch freuen zu können, waren die neuen Solaranlagen auf dem Beerenhaus, dem Baumhaus und bis Ende des Monats auch auf dem Blumenhaus.

Nur die Ritterburg musste des Denkmalschutzes wegen ausgenommen werden.

Natürlich gab es, wenn man dafür Zeit hatte, auch schattige Plätzchen auf der großen Anlage, denn seit sie das Grundstück im März zu ersten Mal gesehen hatte, war es deutlich grüner geworden.

Herbert und Hermann, die beiden Rentner, die die Grünanlagen pflegten, schienen nicht nur grüne Daumen zu haben, sondern auch noch über spezielle Geheimtipps zu verfügen.

Irgendwie wuchs bei ihnen alles schneller und alles, was sie pflanzten, sah reicher und voller aus. Eine so üppige Clematis, wie die am Vorplatz des Baumhauses, hatte Tessie noch nie gesehen.

Dort sollte nach den Plänen von Dennis und Lea das kleine Café mit Terrasse entstehen, für das ihre Tochter Polly schon die süßesten Leckereien vorbereitete. Bisher wurden sie vorwiegend über das Internet und an umliegende Firmen verkauft, denn noch gab es kein Café und auch kein Hotel.

Seit dem kühnen Entschluss, gemeinsam ein Event-Hotel zu eröffnen, war schon ein Monat vergangen, aber passiert war nicht all zu viel. Tessie hatte unzählige Genehmigungen beantragt, die alle erforderlich schienen, aber das Amt ließ sich viel Zeit oder war im Urlaub.

Deshalb arbeiteten die Frauen in dieser Zeit weiter an den großzügigen Suiten und an den Konzepten für die Aufenthalte, die etwas ganz Besonderes werden sollten.

Das Event-Hotel würde Memories heißen, also galt es auch Dinge zu planen, die zu einmaligen Erinnerungen führten.

Tessies Lieblingsthema war immer noch der Stadturlaub für junge Familien, bei dem es jeweils getrennte Programme für Kinder und Eltern geben sollte und der jetzt unter der Bezeichnung lief: Stadturlaub – Abenteuer für Kinder und Romantik für Paare.

Dafür hatte sie sich auch die Mitwirkung von ihren ehemaligen Kolleginnen aus dem Kindergarten, Heidi, Nicki und Henny gesichert. Wenn das Hotel endlich eröffnet würde, gehörten sie dann zum Stammpersonal.

Aber bis dahin war noch so vieles zu tun, das Tessie stöhnen ließ.

Als sie sich damals diese Idee ausgemalt hatte, waren alle echt begeistert gewesen. Nur hatte keiner erwartet, wie viel dafür notwendig war und was sie alles tun mussten, damit es endlich losgehen konnte.

Zurzeit arbeitete Lea mit Dennis und den Kids daran, in der Ritterburg Schlafräume für Kinder zu schaffen, die einige Überraschungen boten, wie Betten, die sich eigenständig bewegten, Schranktüren, die sich plötzlich knarrend öffneten oder Zimmerwände, die von selbst verschwanden und Blicke in schaurige Kabinette ermöglichten. Dazu kamen im Keller noch gruselige Kerker und Geheimgänge. Ein ganz besonderes Highlight waren die optischen Illusionen, die ein Kunststudent an die Wände malte.

Als sich Tessie am Vortag die Gänge nur mal ansehen wollte, hatte sie ziemliche Mühe, den richtigen Weg zurück zu finden, weil man sich dort wirklich wie in einem nebelfeuchten Kellergewölbe ohne Orientierung fühlte und einmal war sie sehr versucht, das Spinnennetz über ihrem Kopf zu entfernen.

Ein zweites Konzept des Hotels setzte mehr auf vorhandene Erinnerungen, die wiederbelebt werden sollten, wie bei der Reise in die 50-ger, 60-ger oder 70-ger Jahre, für die sie unbedingt noch eine Karaoke-Maschine und gute Kontakte zu einem Kostümverleih brauchte. Tessie machte sich gleich Notizen.

Und eine Doppelgänger-Agentur wäre auch fantastisch, denn die Möglichkeit, die echten Idole dieser Zeit zu engagieren, war schon finanziell, aber auch auf natürliche Weise, durch die Lebenszeit, begrenzt.

Starten würden sie wahrscheinlich in der Adventszeit mit Weihnachten wie es früher war oder wenn es nach der Begeisterung der Kids ging, mit einer gruseligen Halloween-Party.

Zum Glück lief die Finanzierung im Gegensatz zu den Genehmigungen hervorragend, vor allem die Werbung für das Crowdfunding. Lea schien erstaunlich viele Menschen von dieser kühnen Idee überzeugen zu können. Fabian Köster war einer der ersten gewesen, der Anteile gezeichnet hatte. Julian Richter beteiligte sich mit der gesamten Stiftung und brachte noch einige schottische Whisky-Brennereien mit, die großes Interesse an verkaufsfördernden Veranstaltungen hatten.

Sogar der Anwalt Dr. Winter war von der Idee sehr angetan, denn als ihm Tessie bei seinem ersten Besuch auf dem Gelände davon berichtete, hatte er sich spontan dafür entschieden.

Aber Christian Winter war ein anderes Kapitel, das sie immer noch sehr beunruhigte. Mittlerweile fand sie es jedoch ganz angenehm, in ihm einen klugen Gesprächspartner zu haben, bei dem sie sich in manchen Fragen rückversichern konnte.

Allerdings ließ sich ihr Herzklopfen nicht einmal bei langweiligen Steuerfragen beruhigen, vor allem, wenn Dr. Winter lächelte. Das spürte sie im gesamten Körper bis in die Zehen. Sie stöhnte bei dieser Erinnerung noch einmal genervt auf, aber das half in diesem Fall garantiert nicht weiter.

Auch Lea fand zurzeit keine Ruhe in ihrem kühlen Loft. Eigentlich hatte sie genügend mit der Gestaltung der Räume zu tun und auch die Werbung für das Crowdfunding, das sie unbeirrt weiter führte, nahm viel Zeit in Anspruch.

Aber das half ihr nicht über die Enttäuschung weg, bei diesem aufregenden Projekt nicht dabei sein zu können. Und nur wegen so etwas Banalem, wie Geld. In Heidi hatte sie sofort eine Verbündete gefunden. Auch sie wäre gerne dabei gewesen, hatte aber beim Umzug ihre Rücklagen verbraucht. Zwar zahlte sie in der neuen Wohnung eine geringere Miete, aber neu anzusparen, dauerte ihr einfach zu lange.

Deshalb suchte sie fast verbissen nach einem Zusatzverdienst und war gleich dabei, als Lea auf die Idee kam, Spitzenmenüs als Catering-Leistung anzubieten. Für unterschiedliche Anlässe stellten sie Fünfgänge-Menüs zusammen und ergänzten sie mit passenden Weinen aus Julians Geschäft.

Der Enthusiasmus, mit dem sie sich anfangs in dieses Vorhaben gestürzt hatten, verflog aber schneller als erwartet. Schuld war natürlich die Hitze, denn eigentlich war die Idee spitzenmäßig. Bei dieser Meinung blieb Lea immer noch.

Aber leider nicht im Sommer, das fanden schließlich beide einträchtig. Also abgehakt!

Deshalb hatte Lea auch etwas Zeit, als Polly sie bat, mit ihr einige gut geführte Kaffeehäuser anzusehen und Ideen für die Raumgestaltung und das Angebot ihres ersten eigenen Cafés zu sammeln.

Da Polly vorher noch eine Eistorte ausliefern musste, verabredeten sie sich an dem kleinen Park in der Nähe des Cafés, das dem berühmten Gerbeaud am Vörösmartiy tér in Budapest nachempfunden war. Lea fand sogar eine Bank, die einigermaßen im Schatten lag. Es war schon wieder drückend heiß und obwohl sie nur ein leichtes olivfarbenes Top mit großem Ausschnitt trug, musste sie ständig den Schweiß abtupfen. Und die Halskette war bei dieser Hitze auch lästig, da sich das Metall ziemlich erhitzte.

Lea öffnete den Verschluss und noch während sie die Kette in der Hand hielt, fuhr ein junger Mann mit seinem Fahrrad blitzschnell an ihr vorbei und riss sie ihr aus der Hand.

Aber er hatte nicht mit Polly gerechnet, die gerade auf die Bank zugehen wollte.

Als der Dieb mit seinem Rad auf ihrer Höhe war, trat sie so kräftig gegen den Rahmen, dass der Fahrer stürzte und die Kette genau in ihre Richtung flog. Sie fing sie geschickt auf und zog dann den Jugendlichen hoch. Er war nicht verletzt, aber sichtlich geschockt.

„Und jetzt verzieh dich! Wenn dich meine Oma erwischt, bist du geliefert.“

Der Dieb warf einen ängstlichen Blick auf Lea, die näher kam und verschwand in Windeseile.

„Ich hoffe, das ist ihm eine Lehre. Sein Gesicht hättest du sehen müssen, als ich ihn vor dir gewarnt habe“, lachte Polly und begrüßte Lea.

„Da hat er zu Recht Angst bekommen, ich bin stinkwütend. Das ist das letzte Geschenk von Henry gewesen.“

Polly betrachtete die Kette genauer, bevor sie sie Lea wieder in die Hand drückte.

„Jetzt ist ja alles wieder in Ordnung. Aber eins verstehe ich wirklich nicht, wenn du unbedingt beim Hotel-Projekt dabei sein willst, warum öffnest du dann nicht deinen Tresor?“ Lea sah sie so erstaunt an, dass Polly nachsetzte.

„Na, der Anhänger an deiner Kette ist doch der Schlüssel von einem Bankschließfach.“

Lea besah sich den goldfarbenen Schlüssel jetzt auch genauer.

„Du denkst wirklich, dass der zu einem Schließfach gehört?“

„Sicher, frag Mam, wenn wir wieder zurück sind, die kennt sich mit Banken besser aus als ich.“

Nach einem erstklassigen Eiskaffee und unzähligen Skizzen, die Lea gemacht hatte, beschäftigte sie das Geheimnis um die Kette nach der Rückkehr immer noch.

Aber Tessie hatte wieder viel zu tun, also vertagte Lea ihre Fragen bis nach dem Abendessen. Und jetzt hatte sie die volle Aufmerksamkeit der anderen. Jeder versuchte das winzige Gebilde zu deuten.

Auch Tessie beugte sich darüber. „Wenn es von einer Bank ist, müsste dann nicht der Name darauf stehen? Hier steht nur S 3/2.

Polly sagt, du hast den Schlüssel von Henry?“

Lea schluckte, es fiel ihr immer noch schwer, über Henry zu sprechen, aber hier brauchte sie vermutlich die Hilfe der anderen dringend.

„Henry hat ihn mir kurz vor seinem Tod gegeben, ich dachte es sei ein Schmuckstück. Allerdings hat er gesagt, das sei für den Fall, wenn er mal nicht da sein sollte und ich Hilfe brauchte.“

„Aber was sollst du dann machen? Hat er dir vielleicht noch etwas ans Herz gelegt?“ Tessie griff sofort zu Stift und Block, um Hinweise zu notieren, während Polly weiter fragte.

„Hat er dabei irgendeinen Hinweis auf eine Bank gegeben? “

„Oder gab es einen versteckten Tipp?“ Rina hätte sich das gut vorstellen können.

„Nein, nicht das ich wüsste. Ihr glaubt, dass es so etwas wie eine geheime Mitteilung sein könnte? Gab es nicht auch so eine ähnliche Geschichte bei Miss Marple?“

„Ich erinnere mich nicht genau“, überlegte Tessie. „Meist geht es bei der Lösung solcher Rätsel, um den alles entscheidenden Hinweis. Der kann natürlich auch versteckt gewesen sein, wie eine Andeutung.“

Lea durchforstete ihr Gedächtnis, aber da war nichts, bis sie plötzlich zu lächeln begann.

„Doch, jetzt fällt es mir etwas ein. Er hat gesagt, sein Lieblingsdichter würde mir den Weg weisen.“

„Und wer war sein Lieblingsdichter?“ Rina kannte zwar keine Dichter, aber die Frage schien berechtigt, denn die Erwachsenen nickten alle.

„Ich besitze nur zwei Bücher mit Gedichten, eines von Heine und eines von Eichendorff. Henry hatte überhaupt keins, also kann er nur meine gelesen haben“, grinste Lea. „Einmal hat er mir ein Gedicht von Eichendorff gewidmet, das Intermezzo.“

„Kannst du es noch oder ist das Buch in der Nähe?“, rief Polly aufgeregt.

„Rein theoretisch könnte Eichendorff auch bei Miss Marple vorgekommen sein“, überlegte Tessie. „Aber da wir es nicht genau wissen, gehen wir vor wie in 16.50 Uhr ab Paddington. Dort sagt Miss Marple, gesunder Menschenverstand muss ausreichen.“

„Wenn du meinst, dass uns das Gedicht weiterbringt, hole ich es.“Lea sprang auf und verließ den Raum.

Am Tisch herrschte immer noch gespannte Aufmerksamkeit, als sie zurückkam und das Gedicht las:

Dein Bildnis wunderselig hab ich im Herzensgrund,

das sieht so frisch und fröhlich mich an zu jeder Stund.

Mein Herz still in sich singet, ein altes schönes Lied,

das in die Luft sich schwinget und zu dir eilig zieht.

Man konnte deutlich an den Gesichtern sehen, wie jeder krampfhaft versuchte, mehr in den Zeilen oder dazwischen zu lesen und den versteckten Sinn zu deuten. Aber da war nichts.

„Schade“, seufzte Lea, „es klang einfach zu gut.“

Während sich die Erwachsenen schon wieder über die fehlende Gaststättenkonzession unterhielten, schlichen sich Rina und Charlie mit dem Buch und einem Teller in Tessies Büro.

„Wir sind doch gute Detektive, wir müssen das aufklären“, begann Rina eindringlich, während Charlie schon an seinem Laptop saß.

Rina schob den Teller über den Tisch in seine Nähe. „Ich habe uns Kuchen mitgebracht. Wo Kuchen ist, da ist Hoffnung. Das sagt meine Mami immer und die brauchen wir. Grannie Lea ist so traurig. Wir müssen ihr helfen und herausfinden, woran dieser Henry gedacht hat.“

Charlie sah sie unschlüssig an. „Was hätte denn Flavia getan? Hast du keinen Tipp von ihr?“

„Das ist der Tipp, wir müssen denken wie Henry. Flavia sagt, im wahren Leben rattert das Gehirn nicht wie ein Zug von A nach B.

Es ist eher so, als ob du mit einem Hammer auf Wackelpudding haust und es spritzt nach allen Seiten.“

Charlie griente. „Das wird eine ziemliche Schweinerei. Aber ich verstehe, wir brauchen viele Ideen, um zu entdecken, wie er möglicherweise vorgegangen ist.“

„Vielleicht könntest du im Internet nachsehen, ob das S für diesen Dichter eine besondere Bedeutung hat, die uns weiter hilft.

Vielleicht war er ein Schotte, wie die anderen Freunde von Grannie und schon hätten wir die richtige Bank.“

„Garantiert nicht, sonst hätte er doch englisch gedichtet“, schnaubte Charlie. „Aber ich schaue nach und wenn das nichts bringt, können wir immer noch das Buch analysieren. Ich habe so eine Idee.“

Nach fünf Minuten war klar, dass Eichendorff kein Schotte, sondern ein ziemlich berühmter deutscher Dichter war, deshalb arbeiteten sie emsig am 2. Vorschlag.

Im großen Raum saß die Familie noch zusammen und genoss den leichten Abendwind, der durch die weit geöffneten Fenster zog, als die beiden siegessicher hereinplatzten.

„Wir haben das Rätsel gelöst“, rief Rina aufgeregt, schränkte aber gleich wieder ein. „Das glaube ich jedenfalls.“

Dann erläuterte Charlie den staunenden Zuhörern, wie sie vorgegangen waren.

„Wir haben erst nachgesehen, ob dieser Eichendorff irgendeinen Bezug zum Buchstaben S hat, aber jetzt wissen wir, er ist kein Schotte. Dann haben wir das Gedichtbuch analysiert.“

Rina unterbrach ihn. „Wir wollten wissen, wie viele Gedichte mit S beginnen.“

„Davon gibt es 42.“ Charlie überhörte gelassen das Stöhnen der Anwesenden und setzte fort. „Wenn wir davon alle abziehen, die mit Sch, mit Sp oder St beginnen, reduziert sich diese Zahl deutlich.“

„Wenn nämlich der zweite Buchstabe wichtig gewesen wäre, hätte er auch auf dem Schlüssel von Grannie Lea gestanden“, erklärte Rina, die sich neben Charlie richtig gut fühlte. Besser hätte Flavia das auch nicht hingekriegt.

„Übrig blieben 19 Gedichte, die in Frage kämen“, übernahm wieder Charlie. „Davon gibt es aber nur 4, die 3 Strophen oder Abschnitte haben. Wir haben sie alle gelesen und sind uns einig.“

„Es müssen die Sonette sein!“ Rina hüpfte vor Freude auf der Stelle. „Wir haben dich gerettet, Grannie Lea.“

„Aber wie kommt ihr denn auf die Sonette?“ Lea war sich nicht sicher, ob sie dieses Gedicht jemals gelesen hatte, aber Charlie begann sofort zu zitieren.

„Im 3. Teil der Sonette geht es um goldene Ströme, das hat bestimmt etwas mit Geld zu tun.“ Er freute sich als die Erwachsenen beifällig nickten.

„Aber die nächste, die 2.Strophe ist noch viel wichtiger“, betonte Charlie, „weil es dort ganz klare Hinweise auf einen Ort gibt.

„Vier goldene Brücken sind dort kühn geschlagen, darüber alte Brüder sinnend wallen…“

„Also ich kenne nur eine Bank, an der es goldene Brückenbögen gibt und auch noch die Denkmäler von zwei Brüdern stehen, das ist das Bankhaus Silberstein“, rief Tessie freudig. Dann sah sie, dass Lea ganz blass geworden war und strich ihr beruhigend über die Schulter.

„Ich kenne das Bankhaus“, flüsterte Lea ergriffen. „Henry hatte dort Geschäftskonten. Aber was machen wir denn jetzt? Ich kann doch nicht einfach dorthin gehen und fragen, ob sie ein Schließfach haben, in das mein Schlüssel passt.“

„Das klären wir auch noch“, beruhigte sie Tessie. „Aber erst werden wir die beiden Junior-Detektive hochleben lassen. Das war wirklich eine fantastische Leistung. Miss Marple wäre stolz auf euch gewesen und Flavia bestimmt auch. Wenn ihr das Fabian erzählt, nimmt er das bestimmt in sein neues Buch auf.“

Schon am nächsten Tag machten sich Lea, Tessie und Polly auf den Weg zum Bankhaus Silberstein. Und natürlich wollten auch die beiden Junior-Detektive die Ergebnisse ihrer Ermittlung direkt bestaunen. Da sie aber nicht alle in die inneren Räume gehen durften, blieb Polly mit ihnen an der Brücke, um die Standbilder der Brüder Grimm zu bewundern und Märchenrätsel zu lösen.

Während Tessie forsch den Schalterraum durchquerte, folgte ihr Lea wesentlich zögerlicher.