Die Schlager-Goldies greifen ein - 2 - Elfi Sinn - E-Book

Die Schlager-Goldies greifen ein - 2 E-Book

Elfi Sinn

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Beschreibung

Und wieder müssen die Schlager-Goldies eingreifen. Nachdem Mascha mit ihren Frauen frischen Wind in ihr Dorf gebracht hat, wollen sie jetzt eigentlich nur noch an ihren Auftrittsprogrammen feilen, denn der Schlager-Chor ist sehr begehrt. Aber dann schlägt das Verbrechen auch in dieser idyllischen Gegend wieder zu. Es beginnt mit einem gemeinen Diebstahl in einem Kindergarten, den die Goldies mit Unter-stützung der Krimifrauen vom alten Bahnhof relativ schnell aufklären. Dann decken sie eine lange zurückliegende Entführung auf, helfen alten Menschen, die um eine Reise betrogen wurden und bekommen es sogar mit einer schwarzen Witwe zu tun. Maschas schwerster Fall betrifft ihre eigene Enkelin. Wird sie es schaffen, für sie die Gerechtigkeit wiederherzustellen und vielleicht auch die Familie zu versöhnen?

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Inhaltsverzeichnis

Wer ist wer?

Die rote Sonne

Das überraschende Ebenbild

Die Fahrt ins Blaue

Die verdeckte Erpressung

Die schwarze Witwe

Eine zündende Idee

Wer ist wer?

Mascha Nussek, 67, haucht dem Chor und ihrer Gemeinde neues Leben ein, singt Sopran und organisiert am liebsten Chorauftritte, liebt Krimis und stört sich an allen ungelösten Problemen.

Friedel Neumann, 82, leitet den Chor musikalisch seitdem die Leiterin weggezogen ist, spielt Klavier, singt Sopran und liebt alte Schlager.

Claudia Graf, 67, singt Alt, liebt ihre roten Haare genauso sehr, wie das Singen und hat eine künstlerische Ader.

Gaby Kästner, 67, singt Sopran, assistiert gerne beim Ermitteln und fährt das am besten aussehende Auto.

Sigrid Kerner, 67, singt Sopran und ist als gelernte Schneiderin auch für die Bühnengarderobe zuständig.

Nadja Böhme, 68, singt Alt und hat mit Hilfe des Chors, Rocky Docky wieder bewohnbar gemacht.

Kira und Mira Brauer, Zwillinge, 65, sind neu im Chor und singen Sopran.

Max Graf, 10, Enkel von Claudia und Computerspezialist.

Die rote Sonne

Der Mörder ist immer der Gärtner - 1971- gesungen von Reinhard Mey

An einem sonnigen Oktobertag ging Mascha Nussek wie jeden Dienstag am Nachmittag nach der Chorprobe durch ihr Dorf nach Hause. Die Sonne schien immer noch eifrig, aber es war am Morgen und gegen Abend schon merklich kühler, so dass sie zu ihrer wärmeren kupferroten Jacke gegriffen hatte. Sie strich sich ihre halblangen braunen Haare zurück, die ihr ein leichter Wind immer wieder ins Gesicht wehte. Aber von Gegenwind hatte sie sich noch nie irritieren lassen. Sie lächelte. So ähnlich oder noch turbulenter war es heute auch im Chorzimmer zugegangen. Während sie früher als klassischer Chor mit Volksliedern kaum noch jemand hören wollte, überschlugen sich die Anfragen, seit sie die „Schlager-Goldies“ waren und vor allem Lieder aus der Jugendzeit ihrer Zuhörer sangen.

Mascha, die sich über jede Anfrage freute und das als Erfolg wertete, hatte dann alle Hände voll zu tun, den Frauen die Erwartungsangst zu nehmen und das Lampenfieber zu dämmen.

Bisher hatten sie einige erfolgreiche Auftritte in ihrem Dorf, das eigentlich schon zur nahegelegenen Großstadt gehörte, aber jetzt gab es eine Anfrage direkt aus der Stadt. Deshalb musste sie heute sehr viel Überzeugungsarbeit leisten, damit die Frauen, die alle schon im Rentenalter waren, aus Angst vor den größeren Erwartungen der Städter, nicht einknickten. Dieser besondere Auftritt sollte in der Südstadt in einem Saal im alten Bahnhof stattfinden, der sich zum Kulturzentrum dieses Gebietes gemausert hatte. Dort fanden Lesungen, kleine Konzerte oder auch Line-Dance-Partys statt.

Das Programm der „Schlager-Goldies“ würde das Angebot in eine neue, sehr erwünschte Richtung erweitern. Mit diesen Informationen hatte Mascha die anderen schon etwas beruhigen können. Sie selbst freute sich vor allem darauf, bei dieser Gelegenheit ihre alte Wohngegend wieder einmal zu sehen, in der sich offensichtlich eine Menge getan hatte.

Wie immer, wenn sie auf dem Weg zu ihrer Wohnung das Dorf durchquerte, betrachtete sie alles genau, aber immer mit einem liebevollen Blick.

In dieses Dorf hatte sie sich damals verliebt, als sie mit 50 nach der Scheidung den Stress der Großstadt hinter sich lassen und aufs Land ziehen wollte, denn damals kam es ihr hier so vor, als reiste man zurück in eine Zeit, in der alles einfacher und schöner war.

Wo gab es schon einen Ort, in dem alle Straßen Blumennamen trugen? Und wo gab es auch noch die typische alte Dorfstraße mit großen Bäumen, wo hingen noch Blumenampeln an den Laternen?

All das verlieh diesem Ort einen eigenen Zauber, der auch von keinem Durchgangsverkehr gestört wurde, denn die Umgehungsstraße war schon lange vorher gebaut worden. In diesem Dorf kannte man noch seine Nachbarn und kümmerte sich umeinander. Jeder kannte jeden und wusste meist über alles Bescheid und natürlich gab es ständig Klatsch und Tratsch, der sich regelmäßig mit Lichtgeschwindigkeit verbreitete. Aber auch daran hatte sie sich gewöhnt und manchmal fand sie das sogar nützlich.

Die drei Blocks mit jeweils sechs Etagen und Lift, in denen sich Mascha eine Wohnung ausgesucht hatte, fügten sich am Ortsrand gut ein und gehörten einfach dazu.

Auch der nahe Badesee, den sie zu Fuß erreichen konnte, hatte damals nicht unwesentlich dazu beigetragen, den Abschied von der Stadt zu versüßen.

Inzwischen war auch dieser Ort in die nahe Großstadt eingemeindet und hatte viel von seinem ländlichen Zauber verloren. Aber seit sie den Impuls hatte, dem schwächelnden Chor ein neues Schlager-Image zu verpassen, hatte sie gemeinsam mit den anderen Frauen auch wieder mehr Freude und frischen Wind in ihren Ort gebracht.

Die hässlichen Dreckecken verschwanden nach und nach und machten neuen Grünanlagen Platz. Die Menschen achteten wieder mehr aufeinander, hielten besser zusammen und wollten, dass ihr Ort nicht nur ein schöneres Aussehen bekam, sondern, dass man dort auch angenehm und entspannt leben konnte.

Deshalb freute sich Mascha jedes Mal, wenn wieder ein frisch gestrichenes Haus, eine interessant gestaltete Haustür oder neu gepflanzte Bäume dazu kamen. Beifällig betrachtete sie auch die blühenden Vorgärten in ihrer herbstlichen Dahlienpracht und zog etwas fröstelnd ihre warme Jacke enger um die Schultern. Es wurde herbstlich, das war nicht zu übersehen. Die Bäume färbten sich in Rot und Gold und an der Südseite vieler Häuser wurden die Weinblätter bereits rötlich. Mascha freute sich an dem Farbenspiel, achtete aber dennoch ständig auf alles. Da wo es vorwärtsging, nickte sie zufrieden, machte sich aber auch Notizen für ihren Hinterkopf, wenn ihr Probleme ins Auge fielen oder wenn ihr von Ungerechtigkeiten berichtet wurde.

Denn neben dem Singen hatte Mascha eine zweite, ganz besondere Leidenschaft. Sie las Krimis nicht nur, sondern genoss es regelrecht, selbst zu ermitteln und alles aufzuklären, was rätselhaft oder störend für die Gemeinschaft war. Mit diesem Krimifieber hatte sie die anderen Sängerinnen bereits angesteckt und seit den ersten Erfolgen wandte sich jeder an sie, der irgendeinem Betrug aufgesessen war oder Unrecht vermutete.

Sie schmunzelte, als sie in Gedanken die längere Auflistung ihrer Krimierfolge durchging. Begonnen hatte alles mit einer verschwundenen Skulptur, die sie gemeinsam wiederbeschafft hatten.

Dann waren Erpressung, Love-Scamming, der Kampf gegen eine Müll-Mafia und gegen zwei Grundstücksbetrüger dazu gekommen.

In letzter Zeit allerdings war es auf diesem Gebiet ziemlich ruhig gewesen und sie hatten ausreichend Zeit gehabt, das Repertoire ihres Schlager-Chores zu erweitern und zu verfeinern. Vielleicht würde es doch ein ruhiger Spätherbst werden, obwohl sie noch einige griffige Ideen für Veränderungen im Ort hatte, die zurzeit nicht ganz ausgereift waren.

Als sie in die schmale Akelei- Straße zu dem Block einbog, in dem ihre Wohnung lag, rief jemand nach ihr. „Hast du einen Moment Zeit? Ich muss unbedingt mit dir reden.“

Mascha drehte sich um und erkannte Edith, eine Bekannte aus einem der Nachbarblocks. „Hat es Zeit bis wir nach oben gehen und gemeinsam einen Tee trinken können?“

Edith, eine vollschlanke Blondine, die wahrscheinlich schon als Kind mütterlich gewirkt hatte, schien verlegen. „Ich wollte dich nicht überfallen, aber ich brauche ganz dringend deine Hilfe.“

Als sie in der Wohnung saßen und den Jasmin-Tee tranken, den Mascha schnell zubereitet hatte, sah sie Edith fragend an. Die knetete immer noch verlegen ihr Taschentuch in der Hand. „Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll. Aber ihr habt doch schon mal Verbrechen aufgedeckt, oder?“

Mascha nickte lächelnd. „Das stimmt. Wir waren bei Straftaten mindestens sechs Mal erfolgreich. Und du hast ein ähnliches Problem?“

Edith nickte. „In der Südstadt ist doch in den letzten Jahren sehr viel gebaut worden, auch ein neuer Kindergarten. Und ich wurde gefragt, ob ich ihn leiten möchte. Das hat mich richtig stolz gemacht, dass sie mir das zugetraut haben. Und bisher ging bei uns im „Sonnenkäfer“ auch alles sehr gut, bis zu dem Einbruch…“ „Wann war der Einbruch?“ Mascha begann sofort sich Notizen zu machen, denn alles, was am Anfang einer Ermittlung noch frisch aus dem Gedächtnis berichtet wurde, konnte entscheidend sein.

„Vor einer Woche. Sie haben nachts die Fensterscheiben im Büro zerschlagen und die Kasse mitgenommen. Zum Glück hatte ich vorher die Eintrittskarten für das Weihnachtsmärchen schon bezahlt. Deshalb waren nur etwa 20 Euro in der Kasse.“

„Aber du erwartest jetzt nicht, dass wir nach 20 Euro suchen?“

„Nein, nein.“ Edith begann nervös mit dem Knie zu wippen, deshalb legte ihr Mascha beruhigend die Hand auf den Arm und ließ sie einfach weiterreden.

„Das Geld war nicht das Einzige, das gestohlen wurde, die rote Sonne ist auch verschwunden.“

Edith deutete Maschas fragende Blicke richtig und erklärte. „Diese Sonne ist ein größeres Wandkunstwerk, das uns der Großvater der kleinen Nancy geschenkt hat. Wir hatten alle keine Ahnung, dass das Ding wirklich kostbar ist, aber gestern hat mich der Vertreter einer Versicherung angerufen, der demnächst mit einem Fachmann vorbeikommen will, um es schätzen zu lassen. Der Großvater will auch die Versicherung dafür bezahlen und bei diesem Anruf habe ich erst erfahren, dass das Ding aus Gold ist.“

Edith schwieg einen Moment und auch Mascha war überrascht.

„So etwas kommt wahrscheinlich nicht oft vor. War das Teil denn nicht superschwer, wenn es reines Gold ist?“

„Nein, es ist ja aus Golddraht, genauer Rotgolddraht. Deswegen sah es auch so filigran aus.“

„Hast du eine Ahnung, von wem es stammt?“

Edith nickte eifrig. „Ja, jetzt musste ich mich gründlich damit befassen. Anfangs dachte ich, das hätte irgendein Hobbykünstler gemacht, aber es war Peter Lambrou, der bekannte Metallskulpturen gestaltet hat. Ich habe von moderner Kunst keine Ahnung, wie hätte ich also wissen sollen, dass dieses Ding mehrere Tausende wert ist? Natürlich hätte ich nachfragen können und wahrscheinlich auch sollen, aber wer macht das schon bei einem Geschenk? Vermutlich wäre es in Zukunft besser, alle Geschenke abzulehnen, weil sie später Ärger machen. Nur jetzt brauche ich die rote Sonne unbedingt zurück. Den Versicherungsmenschen habe ich etwas vertröstet, aber das geht nicht ewig.“

„Was hat denn die Polizei gesagt?“

Edith schüttelte bei Maschas Frage fast verzweifelt den Kopf. „Die waren sehr schnell da, weil die neue Wache ja gegenüber ist, aber gesagt haben sie, was sie immer sagen. Sie vermuten, dass es Jugendliche waren, haben auch einige vernommen, aber keine Spur von der Sonne gefunden. Ich schlafe keine Nacht mehr, ich dreh noch durch, wenn nicht bald etwas passiert. Kannst du das übernehmen, Mascha? Ich kann nicht viel zahlen, aber…“ Mascha schüttelte entschieden den Kopf. „Uns geht es nicht um Geld, ich werde mit den anderen Frauen sprechen, aber ich denke, wir werden das übernehmen. Wenn es um Kinder geht, kennen wir kein Halten. Wer bestiehlt denn Kinder? Das ist doch wirklich das Letzte.“

„Ach Mascha, ich bin dir ja so dankbar. Brauchst du irgendetwas, Angaben über die Beschäftigten oder musst du den Tatort sehen?“

Mascha grinste schon unternehmungslustig und ihre blauen Augen leuchteten. „Das auf jeden Fall. Ich informiere die anderen über unsere WhatsApp-Gruppe und könnte mir am Donnerstag deinen Kindergarten ansehen, am besten nachmittags, wenn schon viele gegangen sind.“

Edith war mit allem einverstanden und nachdem sie Mascha noch die Adresse der Einrichtung genannt hatte, zog sie sich etwas erleichtert zurück.

Während Mascha ihr Abendessen vorbereitete, überlegte sie bereits die nächsten Schritte. „Gewaltsamen Einbruch hatten wir noch nicht“, murmelte sie und versuchte sich zu erinnern, ob sie in der Literatur irgendetwas gelesen hätte, aber da fielen ihr nur Verbrechen in einem geschlossenen Raum ein, die Sherlock Holmes aufgeklärt hatte. Hier handelte es sich doch eher um einen primitiven Einbruch, aus einer Schnapslaune heraus oder auf der Suche nach weiterem Geld dafür. Dennoch müsste doch die Polizei Spuren festgestellt haben?

Aber, wenn sie zu dem Zeitpunkt gar nichts über den tatsächlichen Wert des Kunstwerkes wusste, dann war das Protokoll vermutlich schon längst abgeheftet. Also liegt es an uns, diese Mistkerle zu finden, fasste Mascha stumm zusammen, nachdem alle Sängerinnen ihr Einverständnis zu einer neuen Ermittlung gegeben hatten.

Von Gaby kam noch das Angebot: „Falls du eine Assistentin mit Auto brauchen solltest, ich stehe parat.“

Am nächsten Tag suchte Mascha im Internet alles, was sie über Peter Lambrou finden konnte. Er schien ein netter Typ zu sein, aber seinen Skulpturen konnte sie absolut nichts abgewinnen. Allerdings wurde dort auch keine Sonne erwähnt, weder rot noch golden.

Auch am Donnerstag hatte sie noch keine Eingebung, wie man an diesen Fall herangehen könnte, daher beschloss sie sich auf ihre Intuition zu verlassen. Als sie anschließend mit Gaby durch die Südstadt fuhr, kam sie aus dem Staunen nicht heraus. So viele Häuser waren neu und großzügig mit sehr viel Grün dazwischen gebaut, aber vor allem der alte Bahnhof mit seinem gepflegten Fachwerk war ein richtiges Schmuckstück geworden.

Nachdem Gaby an einer ruhigen Stelle geparkt hatte, stiegen beide aus, um sich den späteren Auftrittsort genauer zu betrachten.

„Das sieht so gut aus“, flüsterte Gaby beeindruckt. Auch Mascha musterte das alte Gebäude angenehm überrascht und war beruhigt, als sie sah, dass der gefürchtete große Saal, eigentlich nur ein größerer Raum und sehr gemütlich war. Auch vom Gelände des Kindergartens waren beide gleich begeistert, weil es mit sehr vielen Bäumen, Büschen und kleinen Hütten so gestaltet war, dass sich die Kinder sicher häufiger im Freien aufhielten, als in anderen Einrichtungen. Ganz so wie es sich Friedrich Fröbel, der Erfinder der Kindergärten, gedacht hatte.

„Die Eingemeindung ist vielleicht doch gar nicht so schlecht“, grinste Gaby, „wenn unsere Urenkel auch in so einer schönen Umgebung betreut werden können.“

Im Haus zeigte ihnen die immer noch aufgeregte Edith zuerst ihr Büro und die Fenster, die inzwischen ersetzt wurden. „Es ist natürlich leicht, zu ebener Erde einzubrechen. Das ist uns auch klar, aber wir haben hier keine Reichtümer, warum hätten wir mit einem Einbruch rechnen sollen?“

Mascha nickte nur zu Ediths Erklärungen und machte Fotos. „Und wo hing die Sonne?“

„Hier draußen im Vorraum, damit die Kinder sie gleich morgens sehen können, wenn sie zur Tür hereinkommen. Ich habe ein einziges Foto davon, das schicke ich dir gleich auf dein Handy. Mehr ist leider nicht vorhanden.“

Zurück im Büro erhielten sie noch die Angaben über die Beschäftigten, die Mascha schnell überflog, bis sie an einem Namen hängenblieb. „Janine Wissler macht hier ein Praktikum? Ist das unsere Janine aus dem Ort?“

Edith lächelte stolz. „Wir haben zurzeit sogar zwei Praktikantinnen.

Nelly besucht schon die Fachschule, um Erzieherin zu werden und Janine will, wenn alles klappt, nächstes Jahr mit der Ausbildung beginnen, deshalb macht sie hier das Schnupperpraktikum für die Zehntklässler. Ich wäre froh, wenn beide später auch hier bleiben würden, denn ich brauche dringend Personal.“

Mascha nickte. „Wie überall. Edith, wir melden uns wieder, sobald wir erste Ergebnisse haben.“

Nachdem sich beide verabschiedet hatten, sah sich Mascha draußen noch um, betrachtete etwas länger als üblich die Fensterrahmen und bedeutete Gaby, den jungen Mann zu fotografieren, der demonstrativ an der Tür zu einer Werkstatt lehnte und so gar nicht nach einem Hausmeister aussah oder eifrig seinen Aufgaben nachging.

Nachdem sie auch zufrieden die neue Verriegelung an den Fenstern geprüft hatte, stieß sie beim Rückwärtsgehen kurz mit jemandem zusammen. Erschrocken drehte sie sich um und sah ein bekanntes Gesicht, das sie ebenso verblüfft betrachtete. „Laura? Bist du es wirklich?“ Mascha war total überrascht, hier die frühere Direktorin des Naturkundemuseums zu treffen. Laura schüttelte ihr erfreut lächelnd die Hand und neckte sie ein wenig. „Du bist in der Südstadt und ich wohne hier schon immer, während du weggezogen bist, irgendwo in eine öde Gegend oder die absolute Einsamkeit.“

Jetzt lachte auch Mascha. „Von wegen Einsamkeit, das ist ein sehr idyllisches Dörfchen, in dem eine ganze Menge los ist. Ich singe übrigens in dem Chor, der demnächst hier im alten Bahnhof auftritt. Wir haben uns gerade alles angesehen. Ich hoffe, dass du auch zu unserem Konzert kommst.“

Dann stellte sie Gaby vor, während Laura einem Mädchen mit Fahrrad winkte. Die kam zögernd näher und Mascha sah, dass sie ein Hündchen in ihrem Fahrradkorb hatte und verlegen etwas entfernt stehen blieb. „Das ist Fritzi, sie ist manchmal Babysitterin bei meinen Urenkeln. Meine Enkelin Sophie ist doch Privatdetektivin und schwer beschäftigt. Meist übernehme ich dann die Kleinen, aber manchmal fehlt mir auch die Zeit für die Kids, weil ich mit den Krimifrauen selbst noch ermittle. Deshalb will ich Fritzi heute bei der Leiterin eintragen lassen, damit sie die Kids abholen darf.

Im Moment haben wir zwar keinen Fall, weil Sophie mit Leon an der Nordsee zur Kur ist und Oma Laura natürlich die Zwillingsschwester betreut.“

„Du hast schon Urenkel? Und du ermittelst auch? Das ist ja hochinteressant.“ Mascha freute sich wirklich sehr, vielleicht auf diesem Weg doch noch etwas Neues in dem wenig hoffnungsvollen Fall zu erfahren. „Dann hast du bestimmt auch von dem Einbruch im Kindergarten gehört? Wir versuchen zu den Ermittlungen beizutragen…“

In dem Moment stürmte eine ziemlich temperamentvolle Zweijährige mit wilden roten Löckchen aus der Tür und stürzte auf Laura zu, um ihr in die Arme zu springen. Dann sah sie den Hund und umarmte auch ihn heftig, was der sich geduldig gefallen ließ. Laura schob Mascha schnell eine Visitenkarte zu. „Schade, dass wir es heute eilig haben, ich bin noch im Tierheim verabredet. Laurie wünscht sich auch so einen Hund wie Perla und wir machen heute einen ersten Besuch. Du kennst den alten Bahnhof ja schon, wollen wir uns morgen Nachmittag dort im Café treffen und vielleicht auch wegen des Einbruchs zusammenarbeiten? Sollte was dazwischenkommen, ruf mich einfach an.“

Schon auf dem Heimweg hatte Mascha ein besseres Gefühl, denn wenn sie gemeinsam vorgingen, würde dieser Fall doch nicht die totale Blamage, die sie schon befürchtet hatte.

Bevor sie den Weg zu ihrer Wohnung einschlug, ging sie aber noch zu Janine, die wie vermutet bereits in ihrem „Jugendclub“, dem ehemaligen Zirkuswagen war. Mascha traf sie als sie gerade dabei war, ihre braunen Haare in einen interessanten französischen Zopf zu flechten. Und das Mädchen mit den weißblonden Haaren, das ihr dabei half, wurde als Nelly vorgestellt.

„Ihr wisst über den Einbruch bestimmt mehr als ich“, begann Mascha. „Was glaubt ihr denn, wer das war? Gibt es jemanden, der neu angefangen hat oder verdächtig wirkt?“

Beide schüttelten den Kopf und Janine erklärte, nachdem sie den Zopf festgesteckt hatte: „Wir sind ja nur die Praktikantinnen, Tante Mascha, aber, wenn ich richtig verstanden habe, wusste jemand von dem Geld im Büro, nur nicht, dass die Chefin das Theater einen Tag früher als geplant bezahlt hat. Entweder war es ein Insider oder jemand hatte einen Tipp bekommen.“

„Beweisen kann das ja keiner von uns, aber ich habe ein ungutes Gefühl bei Ulf Köster. Der Typ ist schon 28 und arbeitet ungelernt im Kindergarten als Hausmeister und Handwerker. Das macht doch niemand, der im Leben noch etwas erreichen will.“ Nelly hatte sich richtig in Rage geredet und bestätigte damit den vagen Verdacht, den Mascha auch schon hatte.

Aber ein Verdacht war natürlich noch lange kein wirkliches Indiz.

Sie reichte Janine ihre Handynummer. „Wenn euch noch etwas einfällt, kannst du mich so schneller erreichen.“

Als sie schlafen ging, hatte sie schon ein deutlich besseres Gefühl.

Vielleicht war die Sonne doch noch zu retten.

Nachdem sie am Vortag schon den alten Bahnhof gesehen hatte und den Weg kannte, nahm sie am nächsten Tag den Bus. Laura erwartete sie im Vorraum und erläuterte, was dort alles angeboten wurde. „Außer unserem Café gibt es eine Tanzschule und ein Architekturbüro. Bis letztes Jahr gab es hier noch eine schicke kleine Boutique, aber die ist in die Innenstadt gezogen, jetzt ist dort eine kleine Galerie für Künstler aus der Region. Und daneben ist die psychotherapeutische Praxis von Jan Behrend. Falls du mal einen guten Psychologen und Hypnotiseur brauchst, ihn kann ich nur empfehlen. Wir haben ihn mal aus einer Erpressungsgeschichte befreit, dann hat er Sophies bester Freundin nach einem heftigen Stalking geholfen und jetzt hat er sie sogar geheiratet. Aber das Beste im gesamten Bahnhof ist unser „Café Schokohimmel“, hier haben wir unseren Stammplatz.“

Mascha war sehr beeindruckt. Nicht nur weil es dort schon so appetitlich nach Schokolade, Kakao und Kaffee roch, sondern dass die Krimifrauen einen Stammtisch mit Schild darauf hatten. Auf so eine Idee hätte Günther, der Wirt des „Dorfkrugs“, auch schon lange kommen können.

Dann aber machte sie sich eine Menge Notizen, denn nachdem sie die ersten Fakten geschildert hatte, erzählte ihr Laura einen sehr interessanten Fall, der einige Parallelen aufwies.

„Vor drei Jahren wurde in mein Museum eingebrochen und ein Knochen von dem kleinen T-Rex gestohlen. Meine Nachfolgerin hat mich sofort informiert und ich bin gleich dorthin gestürmt, weil mir das Ganze mehr als sonderbar vorkam. Die Polizei vermutete wie immer, dass es Jugendliche gewesen seien und war sich sehr sicher, als sie auch noch einen Stick mit Matheaufgaben der 10.

Klasse in der Nähe der Sauriere fanden.“

„Das scheint immer der erste Verdacht zu sein“, warf Mascha etwas genervt ein.

„In dem Fall war er auch berechtigt, weil wir den Saurierknochen bei einigen verwöhnten Bengels sichergestellt haben“, setzte Laura fort. „Aber das war nicht alles. Es gab eine deutliche Spur zu einem Lagerraum, in dem nicht untersuchte Fundstücke einer Ausgrabung aus Afrika lagerten. Darunter war ein Felsstück, ein ziemlicher Klumpen, dessen mineralogische Zusammensetzung nie bestimmt worden war, vielleicht aus Zeitgründen, vielleicht auch weil das Geld nie reichte. Dieser Klumpen war auch verschwunden. Und genau das brachte mich zum Nachdenken. Was, wenn dieser unscheinbare Klumpen aus Tansania in Wirklichkeit ein Tansanit wäre, der heute Millionen bringen würde?“

„Ich sehe die Parallele zu meinem Fall. Es gibt etwas, das einen höheren Wert hat, als bekannt ist. Stellt sich die Frage, wer konnte es wissen?“

„Genau,“ grinste Laura. „Das erinnerte mich ungemein an „Greenshaws Wahn“ von Agatha Christie und die Szene als Miss Marple das gejätete Beet betrachtet. An dieser Stelle sagt sie, wer hier gejätet hat, hatte nicht die geringste Ahnung, weil alles entfernt wurde, was grün war. Bei meinem Museum war es genau umgekehrt, wer immer den Klumpen gestohlen hatte, wusste genau was er tat. Bei den Zehntklässlern konnte ich das entsprechende Wissen mit Sicherheit ausschließen, also habe ich im Museum weiter recherchiert und bin auf einen Gastwissenschaftler gestoßen, der mir zurecht verdächtig war. Er hat zufällig die Einbruchsplanung der Jugendlichen mitbekommen und ihre Einbruchsspuren genutzt.