DIE GRÜNEN - eine Alternative? - Lothar Gassmann - E-Book

DIE GRÜNEN - eine Alternative? E-Book

Lothar Gassmann

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Beschreibung

Grün war die Hoffnung. Sie ist es für mich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr. Warum das so ist, möchte ich in diesem Buch begründen. Zunächst zeichne ich die Wurzeln und Geschichte der grünen Bewegung von den siebziger Jahren bis in die neunziger Jahre nach. Einen besonderen Schwerpunkt lege ich auf die Anfänge, denn nur von daher lässt sich eine Bewegung angemessen verstehen. Eine Grunderkenntnis, die sich dabei ergibt, lautet: Die Grünen haben seit ihrer Gründung im Jahre 1980 manche äußeren Wandlungen durchgemacht, aber im innersten Kern ist ihre Weltanschauung die gleiche geblieben. Bei dieser Weltanschauung handelt es sich um eine Kombination von Neomarxismus und Naturmystik. Einige Klarstellungen vorab: Erstens, dieses Buch will keine Parteipolitik betreiben. Es geht in ihm nicht in erster Linie um die Grünen als politische Partei (Gruppe, Institution), sondern um ihre Weltanschauungen (Weltanschauungen, die es schon vor der Gründung der Grünen als Partei gab) und eine Kritik dieser Weltanschauungen aus christlicher Sicht. Die Auseinandersetzung geschieht auf philosophischer und theologischer Ebene. Der Verfasser schreibt dabei als jemand, der keiner politischen Partei angehört, jedoch seit Jahren ökologisch engagiert ist und die Entwicklung bei den Grünen mit persönlicher Betroffenheit verfolgt hat. Zweitens kann ein Buch dieses Umfangs keine Totalanalyse der gesamten ökologischen Problematik liefern. Es geht vielmehr darum, Grundlinien aufzuzeigen, zum Nachdenken anzuregen und Anstöße für weiterführende Gespräche zu geben.

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DIE GRÜNEN - eine Alternative?

Geschichte und Kritik der Grünen Bewegung

Dr. Lothar Gassmann

Impressum

© 1. Auflage 2019 ceBooks.de im Folgen Verlag, Langerwehe

Autor: Dr. Lothar Gassmann

Cover: Caspar Kaufmann

ISBN: 978-3-95893-234-0

Verlags-Seite und Shop: www.ceBooks.de

Kontakt: [email protected]

 

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Autor

Dr. Lothar Gassmann dient als Prediger, Lehrer, Evangelist und Publizist. Er schrieb zahlreiche christliche Bücher, Aufsätze und Lieder zu geistlichen und theologischen Themen. Seit 2009 ist er Mitarbeiter beim Christlichen Gemeinde-Dienst (CGD) und Schriftleiter der Vierteljahres-Zeitschrift "Der schmale Weg". Er ist Mitbegründer der freien Bibelgemeinde Pforzheim und des Jeremia-Verlags sowie Mitbegründer und 1. Vorsitzender der Lukas-Schriftenmission. Sein Motto lautet: "Ich weiß nichts als allein JESUS CHRISTUS, den Gekreuzigten" (1. Korinther 2,2).

Inhalt

Titelblatt

Impressum

Autor

Einleitung

A. Wurzeln und Geschichte der grünen Bewegung

1. Die Umweltschutz- und Bürgerinitiativen-Bewegung

2. Auf dem Weg zur grünen Partei

3. Die Öffnung für Kommunisten und Neomarxisten

4. Die Frauenbewegung

5. Die Homosexuellen-Bewegung

6. Die Friedensbewegung

7. Austritte und Spaltungen

8. Bündnis 90/Die Grünen

B. Die Philosophie der Grünen aus christlicher Sicht

1. Der christliche Maßstab

2. Berührungspunkte mit dem christlichen Glauben

3. Unterschiede zum christlichen Glauben

4. Ergebnis

C. Die christliche Alternative zur Philosophie der Grünen

1. Umweltschutz

2. Innenweltschutz

3. Weltende und Hoffnung

4. Zusammenfassung: Christlicher Realismus

D. Neomarxistische Ideologie

E. Kommt die „Ökologische Religion“?

1. Von der Krise zur Wendezeit

2. Von der Ökologie zur Tiefenökologie

3. Von der Sozialökologie zum Relativismus

4. Von der spirituellen Ökologie zur Ökologischen Religion

5. Von der Ökologischen Religion zur Krise

6. Von der Krise zur wahren Wendezeit

7. Zusammenfassung

F. Die Grünen und der Konziliare Prozess im Zeichen von New Age

G. Feindesliebe

H. Erfahrungen eines Umweltschützers mit den Grünen. Ein persönlicher Bericht

I. Fragen an einen Umweltschützer

Literaturverzeichnis

Unsere Empfehlungen

Einleitung

Grün war die Hoffnung. Sie ist es für mich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr. Warum das so ist, möchte ich in diesem Buch begründen.

Zunächst zeichne ich die Wurzeln und Geschichte der grünen Bewegung von den siebziger Jahren bis in die neunziger Jahre nach. Einen besonderen Schwerpunkt lege ich auf die Anfänge, denn nur von daher lässt sich eine Bewegung angemessen verstehen. Eine Grunderkenntnis, die sich dabei ergibt, lautet: Die Grünen haben seit ihrer Gründung im Jahre 1980 manche äußeren Wandlungen durchgemacht, aber im innersten Kern ist ihre Weltanschauung die gleiche geblieben. Bei dieser Weltanschauung handelt es sich um eine Kombination von Neomarxismus und Naturmystik. Teil A gibt – als sozusagen historischer Teil – einen Überblick darüber, wie sich in der Bundesrepublik Deutschland aus verschiedenen Ansätzen und Bewegungen die heutigen Grünen als Partei entwickelt haben. Teil B stellt, insbesondere unter Bezug auf die Programme und das Buch „Philosophie der Grünen“ von Manon Maren-Grisebach (einer der ehemaligen Bundesvorsitzenden), die ideologischen Grundlagen der „Ökopartei“ dar und vergleicht sie mit den Positionen der Bibel und des christlichen Glaubens. Darauf aufbauend, versucht Teil C, die christliche Alternative zur Ideologie der Grünen zu skizzieren.

In Teil D erfolgt eine kurze Darstellung und Kritik der neomarxistischen Ideologie, während sich die Teile E und F stärker mit den naturmystischen und (natur-)religiösen Elementen der grünen Bewegung befassen. Teil G behandelt das für das Verständnis der Friedensbewegung wichtige Thema „Feindesliebe“. Teil H ist ein persönlicher Erfahrungsbericht über meine Begegnungen mit Vertretern der Grünen. In Teil I schließlich greife ich häufig gestellte Fragen im Zusammenhang mit den Themen „Ökologie“ und „grüne Bewegung“ auf.

In diesem Buch sind die früher getrennten Veröffentlichungen „Die Grünen – eine Alternative?“ und „ÖKO. Auf der Suche nach der heilen Welt“ zu einer Einheit zusammengeflossen.1 Sie wurden grundlegend überarbeitet und aktualisiert (siehe vor allem die Teile A.7. und A.8.) sowie durch den Beitrag „Die Grünen und der Konziliare Prozeß im Zeichen von New Age“ erweitert.

Bevor wir uns nun Teil A zuwenden, noch einige Klarstellungen vorab: Erstens, dieses Buch will keine Parteipolitik betreiben. Es geht in ihm nicht in erster Linie um die Grünen als politische Partei (Gruppe, Institution), sondern um ihre Weltanschauungen (Weltanschauungen, die es schon vor der Gründung der Grünen als Partei gab) und eine Kritik dieser Weltanschauungen aus christlicher Sicht. Die Auseinandersetzung geschieht auf philosophischer und theologischer Ebene. Der Verfasser schreibt dabei als jemand, der keiner politischen Partei angehört, jedoch seit Jahren ökologisch engagiert ist und die Entwicklung bei den Grünen mit persönlicher Betroffenheit verfolgt hat.2Zweitens – und das gilt besonders für Teil C – kann ein Buch dieses Umfangs keine Totalanalyse der gesamten ökologischen Problematik liefern. Es geht vielmehr darum, Grundlinien aufzuzeigen, zum Nachdenken anzuregen und Anstöße für weiterführende Gespräche zu geben. Zu vielen der angesprochenen Einzelthemen liegen außerdem bereits ausführliche Veröffentlichungen (auch aus christlicher Sicht) vor, deren Inhalt hier nicht wiederholt werden soll. Auf solche weiterführende Literatur wird jeweils in den Anmerkungen und im Literaturverzeichnis verwiesen. Drittens: „Christlich“ wird in diesem Buch grundsätzlich im Sinne von „biblisch“ verstanden. Die auf den folgenden Seiten gegebene Beurteilung der grünen Ideologie stützt sich ihrerseits nicht auf irgendwelche philosophischen oder kirchlichen Programme, sondern auf die in der Bibel gegebenen Offenbarungen Gottes. Anhand der Bibel möge der Leser auch die Aussagen dieses Buches prüfen und feststellen, ob sie berechtigt sind oder nicht.

 

1Bei ihrem erstmaligen Erscheinen in den achtziger Jahren hatten diese Bücher zusammen eine Auflage von 33.000 Exemplaren erreicht und zu regen Diskussionen in vielen Gemeinden beigetragen.

2Der Verfasser hat jahrelang (z. T. bis heute) in mehreren Umweltschutzverbänden mitgearbeitet, hat jahrelang selber die Grünen gewählt (!) und hat schon früh eine Fülle von Flugblättern, Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln zu ökologischen Themen veröffentlicht. Davon seien genannt:

-Wachstum bis zur Katastrophe oder vernünftige Energiepolitik? (in Reform-Rundschau Nr. 6/1977; Gefährten Nr. 3/1977 u. ö.);

Warum sind Kunstdünger und Pestizide gefährlich? (in: Reform-Rundschau Nr. 5/1977; Der Vegetarier Nr. 311911 u. ö.);

Ostereier aus der Fabrik? (in: Lebensschutz-Informationen April 1979; Reform-Rundschau Nr. 3/1980 u. ö.);

Müssen wir bei naturgemäßer Anbauweise verhungern? (in: Reform-Rundschau Nr. 11/1980);

Flugblätter zu den Themen: Atomkraftwerke („Wußten Sie schon?“; 1. Aufl. 1975; 14. Aufl. 1981); naturgemäßer Landbau („Wußten Sie schon?“; 1981); Massentierhaltung („Frühstückseier aus der Fabrik?“; 1982) u. a. (herausgegeben vom Arbeitskreis Umweltschutz – Naturheilverein Pforzheim und vom Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz).

A. Wurzeln und Geschichte der grünen Bewegung

Wie sind die Grünen als Bewegung und als Partei entstanden? Darum soll es in den nächsten Kapiteln gehen. Wir beschränken die Darstellung auf die Bundesrepublik Deutschland. Da aber die Entwicklung in anderen Ländern zum Teil ähnlich verlaufen ist, wird auch der nicht-bundesdeutsche Leser einen Gewinn von dieser Darstellung haben.

1. Die Umweltschutz- und Bürgerinitiativen-Bewegung

Wenn Bevölkerungszunahme, Wirtschaftswachstum und Umweltzerstörung weitergehen wie bisher, dann wird die Erde ein verwüsteter Planet. 40 Prozent der tropischen Regenwälder werden in den kommenden Jahrzehnten verschwunden sein. Sanddünen werden fruchtbares Acker- und Weideland ablösen. Über eine halbe Million Tier- und Pflanzenarten werden aussterben. Säureregen bedroht Wälder, Seen, Böden und Ernten. Kunstdünger und Pestizide machen das Grundwasser und die Kleinlebewelt des Bodens kaputt. Fluorkohlenwasserstoffe aus Spraydosen und von Überschallflügen zerstören die Ozonschicht der Atmosphäre. Direkte Folgen sind Ernterückgang und Krebsanstieg. Der Hunger wird zunehmen. Mögliche Ernährung aus dem Meer wird wegen des Einkippens von Industrieabfällen unmöglich. Trinkwasser wird knapp, Konflikte der Anrainerstaaten der Flüsse werden die Folge sein. Abgase, Pestizide, Schwermetalle und … und … und … bedrohen Gesundheit und Erbanlagen des Menschen. Es gibt Klimaveränderung durch Umweltschäden. Radioaktive Verseuchung droht.

Das sind einige der Schreckensvisionen, die die Studie Global 2000 zeichnet. Wohlbemerkt: für den Fall, dass alles so weiterläuft wie in den 70er Jahren. Die Studie Global 2000 war 1977 vom damaligen US-Präsidenten Jimmy Carter in Auftrag gegeben und 1980 veröffentlicht worden. Es handelte sich um die bisher umfangreichste und meistgelesene Veröffentlichung zur Umwelt-, Bevölkerungs- und Ernährungskrise. Die deutsche Ausgabe umfasste mit Anhang ca. 1600 Seiten und erreichte in der Bundesrepublik schon bis Dezember 1981 45 Auflagen mit einer Gesamtauflage von 450000 Exemplaren! Das Kapitel „Erkenntnisse und Schlussfolgerungen“ endet mit dem Appell: „Prompte und mutige Wandlungen in der Politik auf der ganzen Welt sind erforderlich, um diese Probleme zu umgehen oder zu reduzieren, bevor sie sich nicht mehr bewältigen lassen.“1

Viele Menschen hat diese Studie schockiert und aufgerüttelt – auch Menschen, die sich bisher mit dieser Problematik gar nicht oder nur am Rande beschäftigt hatten. Ein Grund hierfür lag wohl darin, dass viele diese Bedrohungen hautnah zu spüren begannen. Das Umweltbewusstsein war geschärft wie nie zuvor, und kein Politiker kam im Wahlkampf mehr um Fragen wie Waldsterben, Wasserreinhaltung usw. herum.

Weil aber viele Politiker allzu lange mit wirksamen Umweltschutzmaßnahmen gewartet hatten, erschienen sie etlichen Bürgern unglaubwürdig. Den Gewinn davon hatten die Grünen. Sie galten weithin als die, die lebenswichtige Probleme endlich anpackten und sofortige Maßnahmen verlangten. Die Grünen waren, wenn man so sagen will, in eine „Marktlücke“ im politischen Bereich gestoßen. Sie konnten bei Wahlen umso größere Erfolge erringen, je schlimmer die Umweltkrise wurde und je weniger die sogenannten etablierten Politiker dagegen ankämpften. Ihnen kam das Verdienst zu, die Fragen des Umweltschutzes und des Überlebens der Menschheit zu unüberhörbaren Themen in der politischen Landschaft gemacht zu haben – zu Themen, denen gegenüber bald kein Politiker sich mehr verschließen konnte.

Aber dieses Verdienst kam nicht allein den Grünen zu. Das Umweltbewusstsein zahlreicher Bürger war viel älter als die Partei „Die Grünen“, die es erst seit 1980 als solche gab (siehe A.3.). Auch wurden bei weitem nicht alle den Umweltschutzgedanken aufgeschlossenen Menschen Mitglieder oder Wähler der Grünen, wahrscheinlich sogar nur eine Minderheit davon. Viele, die sich „echte Umweltschützer“ verstanden, hatten den Grünen bald wieder den Rücken gekehrt – aus Gründen, die wir noch darzulegen haben (siehe Kapitel A.7.). Die Grünen konnten also nicht beanspruchen, die Umweltschutz- und Ökologiebewegung2zu verkörpern, sondern bildeten nur einen Teil davon.

Andererseits war natürlich die Entstehung der Grünen ohne Umweltschutzbewegung kaum vorstellbar (allein schon vom Namen „Die Grünen“ her, der ja auch Programm sein wollte). Deshalb möchten wir die Entstehung dieser Umweltschutz-“Bewegung“ kurz skizzieren. Dabei bleibt zu beachten: Es handelte sich anfangs weniger um eine homogene „Bewegung“ als vielmehr um einzelne aufrüttelnde Veröffentlichungen3 und um einzelne, zunächst lose Zusammenschlüsse von Bürgern, die durch irgendwelche ökologisch nachteiligen Projekte betroffen waren.

Vielen ist die Ölkrise 1972/73 noch in Erinnerung. Damals wurde den meisten zum ersten Mal bewusst, dass wir auf einem begrenzten Planeten leben. Dann gingen seit 1974 die Auseinandersetzungen um das geplante Atomkraftwerk Wyhl monate-, ja jahrelang durch Rundfunk, Fernsehen und Presse. „Wyhl – ein Fanal“, „Wyhl – der Anfang“ – so waren damals Flugblätter, Bücher und Artikel in Umweltschutz-Zeitschriften überschrieben.4 In der Tat kann man seit den Protesten und Zusammenschlüssen der Kaiserstühler Bürger vom eigentlichen Beginn der Bürgerinitiativen-Bewegung sprechen.

Einzelne Initiativen und Verbände gab es freilich schon vorher, z. B. den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), den Bund für Lebensschutz (BfL), den Deutschen Naturschutzring (DNR) und – auf internationaler Ebene – den Weltbund zum Schutze des Lebens (WSL; bereits 1960 gegründet von dem Österreicher Günter Schwab). Besonders der WSL lieferte der aufkeimenden Bewegung viele gedankliche Impulse,5 gelangte aber wegen mancher, zum Teil unbegründeter Vorwürfe und Verleumdungen gegen ihn (er sei politisch „rechts“ u. ä.) in der Bundesrepublik nicht zu größerer Wirkung.6

Stattdessen strömten seit Mitte der siebziger Jahre viele Bürgerinitiativen in den neu gegründeten und rasch wachsenden Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU). Er umfasste in den achtziger Jahren über 1000 Einzelgruppen mit zusammen über einer halben Million Mitgliedern. Der BBU verstand sich nicht als repräsentative Spitzenorganisation der Umweltschützer. Seine Kompetenzen waren aufgrund der dezentralen Organisation beschränkt. Seine Hauptaufgaben lagen in der Koordination und der Herstellung eines kontinuierlichen Informationsprozesses der Gruppen untereinander. Er konnte aber auch als Bürgerinitiative auf Bundesebene selbständig tätig werden und eigene Stellungnahmen abgeben.7

In frühen Forderungen des BBU nach Dezentralität, außerparlamentarischer Arbeit, Gewaltfreiheit und mehr Demokratie8 finden wir Begriffe vorgeprägt, die uns bei den Grünen in ähnlicher Weise wieder begegneten, nun freilich mit zum Teil veränderten Inhalten (z. B. war der Begriff „Basisdemokratie“ bei den Grünen eindeutig sozialistisch gefüllt, was beim BBU ursprünglich nicht der Fall war; vgl. Kapitel A.3.). Die Mitgliederinitiativen des BBU sahen sich als „kritische Sympathisanten des Staates“, sie waren auf „eine Verbesserung und zeitgemäße Weiterentwicklung unserer repräsentativen Demokratie (mehr Bürgernähe; der Verfasser) ausgerichtet, nicht auf deren Abschaffung“9(ein grundlegender Unterschied zu Forderungen der späteren Grünen!).

Obwohl sich der BBU beispielsweise 1978 vorsichtig bei Wahlen für grüne Listen und grüne Kandidaten aussprach, musste sein damaliger Vorsitzender doch bereits feststellen:

„Dass auf diesen in Fahrt geratenen Zug (d. h. in Fahrt zu einer grünen Partei) auch solche Splittergruppen aufzuspringen versuchen, die sich seit Jahren vergeblich um die Gunst der Wähler bemühen, weil sie weder inhaltlich-programmatisch noch personell akzeptabel sind, war zu erwarten. Sie werden aber deshalb nicht über Nacht salonfähiger, weil sie plötzlich ihr Herz für den Umweltschutz entdeckt zu haben vorgeben.“10

Solche Splittergruppen hatten inzwischen bei den Grünen tatsächlich bald ideologisch die Oberhand gewonnen.

2. Auf dem Weg zur grünen Partei

Der Weg zur grünen Partei verlief alles andere als geradlinig. Es muss von vornherein festgehalten werden: Keine andere Partei der Bundesrepublik verstand sich so wenig als Partei im herkömmlichen Sinn. Die Grünen sahen sich als „Antipartei-Partei“ (P. Kelly), als Opposition gleichzeitig innerhalb wie außerhalb der Parlamente, wobei der außerparlamentarische Bereich (die sogenannte „Basis“) das Fundament, das „Standbein“ der Bewegung bildete.11

Zweitens umfasste keine andere Partei in der Bundesrepublik ein so breites Spektrum an verschiedenen Gruppen, Grüppchen und Meinungen wie die Grünen in ihrer Gründungszeit. (Inzwischen ist das Spektrum durch verschiedene Austritte schmaler geworden; vgl. Kapitel A.7.) Es können im Folgenden nur die Hauptströmungen aufgezeigt werden, die zur Entstehung der Partei „Die Grünen“ führten.

Die Idee, eine neue Partei zu gründen, erwächst immer aus der Unzufriedenheit mit den alten Parteien. Stellvertretend für viele in der Bürgerinitiativen-Bewegung artikulierte 1978 der damalige Vorsitzende des BBU, Hans Günter Schumacher, die Unzufriedenheit über eine bürgerferne „Politik von oben“:

„Der Verfassungsauftrag der Parteien, bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken, wurde verfälscht. Aus ›mitwirken‹ wurde in vielen Fällen Machtanspruch, politisches Monopoldenken. Die so häufig in den Vordergrund gestellte Bürgernähe entpuppte sich bei näherem Hinsehen als Bürgerferne, ja als Bevormundung des Bürgers durch eine übermächtige Funktionärsclique und Bürokratie.“12

Dann zitiert Schumacher aus einem „alternativen Arbeitspapier“ des BBU zur Energiepolitik, wo es heißt:

„Die Verantwortung für die politische Entwicklung in unserem Land obliegt den demokratischen Parteien. An sie ist die ernsthafte Frage gestellt, ob sie noch imstande sind, auch gegen massive wirtschaftliche Gruppeninteressen die Lebens- und Überlebensbedingungen des ganzen Volkes und unserer Nachkommen durchzusetzen und zu gewährleisten. Nur dann erfüllen sie den von der Verfassung erteilten Auftrag. Sollten sie dazu jedoch nicht mehr in der Lage sein – und eine derartige Entwicklung scheint sich derzeit anzubahnen – werden sich die Bürgerinitiativen Umweltschutz zusammen mit den anderen Natur-, Umwelt- und Lebensschutzverbänden, die für dieses allgemeine Lebens- und Überlebensinteresse eintreten, andere Möglichkeiten der politischen Präsenz und Durchsetzbarkeit einfallen lassen. Es ist ein unerträglicher Zustand, dass nach den bereits gefallenen und noch zu erwartenden Entscheidungen der im Bundestag vertretenen Parteien die Meinung von vielen Millionen Bürgern in unseren Parlamenten nicht mehr repräsentiert ist. Im Bereich der Energiepolitik funktioniert unsere repräsentative Demokratie nicht mehr…“ „Die Frage nach der Atomenergie stellt unsere Demokratie auf den Prüfstand. Sie ist die größte Herausforderung der Menschheitsgeschichte. Nicht die Option auf die Atomenergie ist offenzuhalten, sondern die Möglichkeit, unsere Zukunft auch ohne Atomenergie gestalten zu können.“13

Es wird deutlich, dass sich der Protest vieler Bürger zunächst an der Frage Atomkraftwerke – ja oder nein?“ entzündete. Darauf aufbauend ging es zunächst um ein Ein-Punkt-Programm, freilich um einen sehr zentralen Punkt, nämlich um den Einsatz für das „Lebens- und Überlebensinteresse“ der Menschheit. Weil die gewählten Volksvertreter in den Parlamenten dafür taub zu sein schienen oder taub waren, wuchs die Verbitterung vieler Bürger. Aus dieser Verbitterung nährte sich auch die wachsende Kritik an der bestehenden Staatsform der parlamentarischen Demokratie. Die damaligen Parlamentarier trugen selber einen Großteil der Schuld daran, dass diese Kritik so lautstark geworden ist. Hätten sie rechtzeitig ihr Ohr ökologischen Belangen geöffnet, dann wäre es vielleicht nie zur Entstehung der grünen Partei gekommen. „Es hat also wahrlich nicht an Warnungen und Appellen an die Adresse der etablierten Parteien gefehlt“14, schrieb Hans Günter Schumacher.

Nun aber rollte der grüne Zug unaufhaltsam an. Und was viele – auch in den Bürgerinitiativen selber – befürchtet hatten, geschah: Alle möglichen Splittergruppen – von extrem rechts15 bis extrem links – versuchten, auf den fahrenden Zug aufzuspringen und ihre Ideologie innerhalb der grünen Bewegung zu verbreiten. Während die extremen Rechten – zumindest personell16 – bald abgeschüttelt wurden, gelang es extrem linken Gruppen, sich festzusetzen und schließlich sogar die Oberhand in Programmkommissionen, Führungsgremien usw. zu gewinnen. Die Grünen waren nicht mehr „grün“, sondern „bunt“ mit deutlicher Verschiebung nach „rot“ – zwar nicht in jedem einzelnen Ortsverband, aber weithin in der Bundes- und Landespolitik.

Um zu zeigen, wie es dazu kam, möchten wir das Gründungsmitglied der hessischen Grünen, den ehemaligen Frankfurter Stadtverordneten Milan Horacek, ausführlich zu Wort kommen lassen. Horacek war befreundet mit Rudi Dutschke und Daniel Cohn-Bendit, führenden Vertretern der Neuen Linken und Leitfiguren der neomarxistisch geprägten 68er Studentenrevolte (Cohn-Bendit war zeitweise Vorstandsmitglied der hessischen Grünen!). Horacek schreibt:17

„Rudi Dutschke war überzeugt, dass nach den Erfahrungen der 70er Jahre mit den Gründungen aller möglichen marxistisch-leninistischen Parteien, die entweder maoistischer oder trotzkistischer Ausrichtung waren, sich diese bei ein bisschen kritischer Reflexion entweder auflösen oder doch zu anderen Formen der politischen Arbeit finden würden. Die Diskussionen um eine sozialistische Partei, die frei, unabhängig und undogmatisch sein sollte, wurden Ende 1975, Anfang 1976 geführt. Gleichzeitig fanden auch Treffen linker Sozialdemokraten und einiger Unabhängiger statt, aus denen sich jedoch nichts entwickelte. Parallel dazu und unter Ausschluss der Öffentlichkeit, auch der linken, entwickelte sich bei verschiedenen Formationen der Umwelt-, Natur- und Lebensschutzbewegung ein Gefühl, dass mehr in die politische Meinungsbildung eingegriffen werden sollte, als das damals bei Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und Wirtschaftsverbänden der Fall war. Eine Rolle hat sicher auch die Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher (AUD)18 gespielt, die schon 1970 unter Führung von August Haußleiter zusammen mit der demokratischen Lebensschutzbewegung ein ›Manifest des Lebensschutzes‹ erarbeitet hatte, das später weiterentwickelt wurde.

Schon 1974 verabschiedete die AUD ein Programm des ›ökologischen Sozialismus‹, und es gab Anfänge einer Zusammenarbeit zwischen den damals noch kleinen Bürgerinitiativen und den traditionellen Umweltverbänden.

[…]

Die Zusammenarbeit mit bundesdeutschen traditionellen Linken und Liberalen führte auch zu Begegnungen mit den Anthroposophen des Achberger Kreises, die in den Jahren 1973 bis 1978 Jahreskongresse und Seminare zu Fragen der Menschenrechte in Ost und West veranstalteten – auf der Suche nach dem ›Dritten Weg‹ zu einer Gesellschaftsform zwischen Kapitalismus und Kommunismus.

[…]

In diesen Jahren habe ich mit Rudi Dutschke viele Veranstaltungen in der ganzen Bundesrepublik gemacht, die alle mit den Fragen der Menschenrechte, des Sozialismus in Ost und West zu tun hatten. Und immer wieder kamen Menschen auf uns zu und fragten: Wieso gründen wir keine Partei? Die Documenta 1977 in Kassel wurde von Joseph Beuys zur intensiven Seminararbeit genutzt: Jede Woche ein anderes Thema, von ›Arbeit – Arbeitslosigkeit‹ bis ›Atom – Anti-Atombewegung‹. Im Rahmen der Freien Internationalen Universität (F. I. U.) wurde auch das Thema ›Systemveränderungen in Ost und West‹ diskutiert. Es kam zu wichtigen Diskussionen, organisiert von Wilfried Heidt (Achberg) und Joseph Beuys, an denen auch Rudi Dutschke teilnahm. Im Herbst 1977 fand dann in Vlotho eine Sitzung statt, zu der sich verschiedene Vertreter von Organisationen und Gruppen trafen, die Interesse an einer Koordinierung der Umweltschutzbewegung hatten: Haußleiter (AUD), Beuys (F.I.U.), Otto (GLU)19, Heidt (Achberg), Haverbeck (WSL)20, Flechtheim, Gruhl (damals noch CDU)21 und einige andere. Wir sprachen damals darüber, dass etwa das Sozialistische Büro (SB) und andere Linke in der BRD der gesamten Problematik nicht blind gegenüberstanden. […]

Schon Anfang des Jahres 1977 verschickte ich an 200 Menschen in verschiedenen linken Kreisen und in der Öko-Bewegung ein Papier, um die ganze Problematik auf einen Nenner zu bringen und um so mit Hilfe einer ›ökologischen Liste‹ zu den Europawahlen anzutreten.

Der Grundgedanke war, dass es möglich sein müsste, undogmatische Linke mit Umweltschützern zusammenzubringen, ein Programm zu formulieren und eine Liste mit glaubwürdigen Menschen aufzustellen.

[…]

Im 1978 in Troisdorf gegründeten Koordinierungsausschuss saßen dann nebeneinander: H. Gruhl (CDU/GAZ), J. Scheer (KPD)22, Haußleiter (AUD), Petra Kelly (SPD/BBU) und ich. Dieser Koordinierungsausschuss konnte jedoch das gespaltene Auftreten der GAZ und GLH23 bei den hessischen Landtagswahlen im Oktober 1978 nicht verhindern. In Hessen kam es zu sehr turbulenten Entwicklungen: Zuerst gründete sich mit Hilfe der niedersächsischen eine hessische GLU. Darauf erfolgte die Gründung der ›Grünen Liste Wählerinitiative für Umweltschutz und Demokratie (GLW), in der ich Gründungsmitglied war. Leute aus den Anti-AKW24-Initiativen, SB, KB25, KPD, undogmatische Linke und Spontis waren beteiligt, KBW26 und DKP27 dagegen nicht. Insgesamt war es eine linke Liste mit einem sich entwickelnden ökologischen Grundgedanken.

[…]

Durch weitere Annäherung der unterschiedlichen Positionen zwischen den Vorsitzenden und Vertretern der verschiedenen Listen bzw. Parteien wurde ein gemeinsamer Kongress in Frankfurt-Sindlingen vorbereitet, auf dem die ›Sonstige politische Vereinigung (SPV) Die Grünen‹ gegründet wurde. Ein Vorstand mit drei gleichberechtigten Vorsitzenden (Gruhl/ GAZ; Haußleiter/AUD; Neddermeyer/GLU) wurde gewählt sowie ein Kurzprogramm und eine Kandidatenliste beschlossen. Neben AUD, GLU, GAZ und GLSH waren auch die F.I.U., die Achberger und Vertreter von Bürgerinitiativen beteiligt.

[…]

In Gesprächen nach der Europawahl mit den Bunten und Alternativen wurde festgestellt: Wenn wir zu den Bundestagswahlen antreten wollen, müssen wir ein großes Stück politisch programmatischer und organisatorischer Arbeit leisten. Ich arbeitete zu dieser Zeit in der Bundesgeschäftsstelle der ›SPV Die Grünen‹ zusammen mit Lukas Beckmann an der Vorbereitung des Offenbacher Kongresses von Grünen, Bunten und Alternativen Anfang November 1979. Willi Hoss, Rudolf Bahro28, Rudi Dutschke und Lukas Beckmann haben an diesen Tagen in unserer Wohngemeinschaft übernachtet. Bahro schrieb seine letzten Bemerkungen zu der Rede ›Rot und Grün gehen gut zusammen‹ – für einen bundesrepublikanischen ›historischen Kompromiss‹. Danach waren im Grunde die Weichen zur Gründung einer Partei gestellt.“

Soweit Milan Horacek.

3. Die Öffnung für Kommunisten und Neomarxisten

Gegen das Eindringen extrem linksorientierter alternativer und bunter Gruppen leisteten sogenannte wertkonservative Grüne (z. B. Herbert Gruhl) erbitterten Widerstand, konnten es aber nicht verhindern. Beim Gründungsparteitag der Grünen im Januar 1980 wurde mit knapper Mehrheit die Doppelmitgliedschaft von Kommunisten zugelassen. Nun fanden Kommunisten in der jungen Partei „Die Grünen“ eine verdeckte Plattform und ein erfolgversprechendes Betätigungsfeld, vor allem maoistisch orientierte Gruppen, die sich zugunsten der Grünen zum Teil auflösten29, und Neomarxisten, die mit ihrer Ideologie als Wegbereiter des Kommunismus zu sehen sind.30

Innerhalb kurzer Zeit gelang es diesen Gruppen, entscheidende Positionen zu besetzen und ihre Gedanken – oft noch in taktisch verschleierter Form – mit Hilfe der grünen Partei zu verbreiten. Kommunisten und Neomarxisten saßen als „Grüne“ in vielen Stadtparlamenten, Kreistagen, Landtagen und im Bundestag. Kommunisten und Neomarxisten haben Arbeitsweise und Programmatik der grünen Partei maßgeblich geprägt. Natürlich waren nicht alle Grünen Kommunisten oder Neomarxisten. Es dürfte sich nur um eine Minderheit unter den Mitgliedern handeln. Dennoch waren gerade diese Kreise am aktivsten und engagiertesten und überflügelten daher die anderen an Zielstrebigkeit und Einfluss.

Nachfolgend seien einige Beispiele dafür genannt. (Diese Beispiele allein würden nicht viel aussagen, wenn sich nicht Ziele dieser Gruppen und Personen im Bundesprogramm und in anderen Verlautbarungen der Grünen wiederfänden, was den Einfluss beweist).

Ernst Hoplitschek, ehemaliges Bundesvorstandsmitglied der Grünen, schrieb über die in die Grünen eingeflossene „Alternative Liste für Demokratie und Umweltschutz“ (AL) in West-Berlin31, die AL sei „mit einem Schwamm zu vergleichen, der alles an relevanten linken Strömungen, Gruppen und Parteien aufgesaugt hat und immer noch aufsaugt […] Zur informellen Struktur zählen weniger als dreißig AL-Aktive, die in den AL-Gremien jeweils Schlüsselstellungen einnehmen […] Diese knapp dreißig empfinden sich subjektiv als ›Hüter‹ der AL, was verwundern muss, da die AL heute über rund 2700 Mitglieder verfügt. […] Ideologisch lässt sich die AL in drei Großgruppen einteilen: in die ›Pickelhaubenfraktion‹ (AL-Jargon), worunter das ehemalige Potential der maoistischen KPD und ihres Umfeldes verstanden wird. Daneben und oft dagegen operiert eine ebenfalls aus ML32-Tradition kommende Gruppierung, die sich aus einem Strömungsbündel von eher konservativen Linken zusammensetzt: Reste des ›Kommunistischen Bundes‹, Ex-SEW33-Mitglieder plus der neu ins Leben gerufenen ›Demokratischen Sozialisten‹34, zu welchen auch ehemalige Stamokaps aus der SPD gehören. Diese konservativen Linken fühlen sich derzeit in der AL als Minderheit, da die ›Pickelhaubenfraktion‹ mit der dritten Großgruppe in der AL, die man als ›Unabhängige‹ bezeichnen muss, den Mehrheitsblock bildet.“ Thomas Ebermann, vorher Angehöriger des Kommunistischen Bundes und der „Gruppe Z“ (eine lose Verbindung von Marxisten aller Schattierungen) wurde Fraktionsvorsitzender der Grün-Alternativen Liste Hamburg. Er sagte: „Die grün-alternative Bewegung kann erst dann zu einer Massenbewegung […] werden, wenn sie das pseudo-ökologische Sektierertum gänzlich überwindet. Hier liegt die besondere Bedeutung der marxistischen Strömungen in der grünen Partei.“35

Reiner Trampert, der mehrmals (!) zum Bundesvorstandssprecher (!) der Grünen gewählt wurde, war ebenfalls Mitglied im Kommunistischen Bund und in der „Gruppe Z“. Auf die Frage, ob er in der Bundesrepublik die Revolution wolle, antwortete er in der Fernsehsendung „Tagesthemen“ vom 6.12.1984: „Wenn Sie darunter eine Revolution ohne Waffengewalt verstehen – ja!“

Der 1983 in den Deutschen Bundestag gelangte „grüne“ Abgeordnete Stratmann war Mitglied des Sozialistischen Büros (SB), das alljährlich im Verfassungsschutzbericht auftaucht. – In Gestalt von Jürgen Reents gar wurde der Mann in den Bundestag gewählt, der im Jahr 1971 den Kommunistischen Bund (KB) gegründet hatte.36 – Weitere bekannte und einflussreiche Marxisten in den Reihen der Grünen waren z. B. Rudolf Bahro und Daniel Cohn-Bendit.

In den Jahren 1985/86 kamen mindestens 5 der 11 Bundesvorstandsmitglieder und 4 der 7 Mitglieder des Europaparlaments aus linksextremistischen Gruppen (laut DIE ZEIT Nr. 52 vom 20.12.85; WELT AM SONNTAG vom 26.01.86; Privat-Depesche vom 7.02.86).

Beispielsweise hat der erste „grüne“ Minister, Joschka Fischer, einen neomarxistischen Hintergrund; als Freund Rudi Dutschkes war er in der Studentenrevolte und in der Frankfurter Hausbesetzerszene aktiv. Die Bundesvorstandsmitglieder Rainer Trampert (siehe oben) und Günter Hopfenmüller kamen von der kommunistischen „Gruppe Z“, Jutta Ditfurth vom „Sozialistischen Büro“ in Offenbach, Albrecht Schmeißer und Ulrich Tost von der kommunistischen Gruppe „Neue Linke“.

Christian Ströbele, der im Bundestag über die Arbeit von Polizei und Nachrichtendiensten mitbestimmte, hatte 1969 zusammen mit Horst Mahler das „Sozialistische Anwaltskollektiv“ in Berlin gegründet, war 1975 als Verteidiger im Baader/Meinhof-Prozess ausgeschlossen worden und hatte 1982 wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung eine Haftstrafe von zehn Monaten mit Bewährung erhalten. Die Europaabgeordnete der Grünen, Brigitte Heinrich, war wegen Waffentransports 1980 zu 21 Monaten Gefängnis verurteilt worden. Die Abgeordneten Michael Klöckner und Benedikt Herlin waren im März 1984 zu je zweieinhalb Jahren Gefängnis in erster Instanz wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten und Werbung für eine terroristische Vereinigung („Revolutionäre Zellen“) verurteilt worden.

Die Aufzählung könnte lange fortgesetzt und ständig aktualisiert werden. Sinnvoller jedoch ist es, die Programme, vor allem das Bundesprogramm, der Grünen zu studieren und zu schauen, wo Einflüsse dieser Personen und Gruppierungen festzustellen sind. Im Bundesprogramm von 1980 fanden sich z. B. folgende Forderungen (diese werden in gleicher Weise auch im Bundesprogramm von 1989 vertreten):

„Die Großkonzerne sind in überschaubare Betriebe zu entflechten, die von den dort Arbeitenden demokratisch selbstverwaltet werden“ (Enteignung der Unternehmer). Zur Überwachung der Betriebe sind „Wirtschafts- und Sozialräte“ notwendig (Bundesprogramm, S. 7).

„Uneingeschränktes Streik- und Koalitionsrecht“ und gleichzeitig „Verbot der Aussperrung“ (a. a. O., S. 9).

„Abbau der Bundeswehr“ und „Verbot der Bundeswehr, an Schulen für sich zu werben“ (S. 19).

„Unterstützung von Befreiungsbewegungen“ (diese sind fast überall marxistisch geprägt); gleichzeitig „keine wirtschaftliche, militärische, waffentechnische und geheimdienstliche Zusammenarbeit mit faschistischen und rassistischen Regimen“ (kommunistische werden nicht genannt) (S. 21).

„Wir wenden uns mit aller Entschiedenheit gegen Berufsverbote und gegen das Prinzip, dass politische Ansichten, Aktivitäten und Organisationszugehörigkeit zur Beurteilung für die Anstellung im öffentlichen Dienst herangezogen werden […] Wir fordern u. a., die vorhandenen Überwachungsdateien zu vernichten und keine neuen anzulegen“ (das käme nur politischen Extremisten zugute) (S. 31).

„Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit dürfen den Strafgefangenen nicht länger vorenthalten werden“ (das begünstigt vor allem politisch aktive Gefangene, z. B. auch Terroristen) (S. 31).

„Die Schule soll die Schüler in die Lage versetzen, die den gesellschaftlichen und individuellen Konflikten zugrundeliegenden Interessen zu durchschauen. Sie sollen die Fähigkeit bekommen, zwischenmenschliche Konflikte auf solidarische Weise zu lösen, eigene Interessen zu formulieren und ihnen durch gemeinsames Handeln Nachdruck zu verleihen“ (Grundforderungen einer emanzipatorisch-neomarxistischen Pädagogik; siehe unter Teil D) (S. 40).

Auch diese Aufzählung könnte fortgesetzt werden. Der neomarxistische, marxistisch-sozialistische oder kommunistische Hintergrund der grünen Programmacher drang überall durch. Das gesamte Programm war davon geprägt (vgl. auch die in den folgenden Kapiteln zitierten Programmaussagen). Manche Dinge wurden in Landesprogrammen oder Einzelverlautbarungen der Grünen noch deutlicher ausgesprochen, so dass über die betreffenden Ziele kein Zweifel mehr bestehen konnte.

Das Ziel der Neomarxisten und der Grünen war es, die bestehende Gesellschaft schlecht zu machen, um eine neue, „bessere“ Gesellschaft an ihre Stelle zu setzen. Dazu wandten und wenden sie z. B. folgende Methoden an:37

Moralische Überbietung: Mehr Demokratie, mehr Gerechtigkeit, mehr Menschlichkeit usw. werden gefordert. Die bestehenden Zustände werden als unannehmbar gezeichnet. Die Forderungen werden immer höher getrieben, bis der Staat nicht mehr kann und moralisch (oder finanziell) bankrottgeht. Beispiele: Die Grünen behaupten, in der Bundesrepublik gebe es „starke Tendenzen zu einem autoritären Maßnahmen- und Überwachungsstaat“, es gebe einen „Abbau demokratischer Rechte“, es gebe „politische Unterdrückung“ usw. (Bundesprogramm, S. 28)

Veränderung der Sprache: Neue Wörter („Technokrat“, „Establishment“, „Besatzer“, „sit in“ usw.) werden eingeführt. Unerwünschte Wörter („Ehrfurcht“, „Anstand“, „Ordnung“, „Zucht“, „Heimat“, auch „Ehe“, „Familie“38 usw.) werden ausgemerzt oder lächerlich gemacht. Durch Bevorzugung bestimmter Schlagwörter und Klischeevokabeln („Kapitalist“, „Ausbeuter“, „Fremdbestimmung“, „Selbstverwaltung“ usw.) erfolgt eine Bewusstseins- und Wirklichkeitsverengung: Das Denken ist nur noch in bestimmten, ideologisch vorgegebenen Bahnen möglich.

Konfliktinszenierung: Konflikte werden bewusst vom Zaun gebrochen und danach als Folge der bestehenden Herrschaftsverhältnisse gedeutet. Steinwürfe, Hausbesetzungen, Lächerlichmachen des Andersdenkenden, provozierendes Auftreten, Chaotisierung der Parlamente – all das gehört zu dieser Methode. Vier Ziele werden dadurch angestrebt: 1. Die spektakuläre Aktion soll die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit wecken. – 2. Die Anhänger der eigenen Gruppe sollen in der Auseinandersetzung mit dem „Feind“ lernen, besser zusammenzuhalten. – 3. Die „Etablierten“ sollen eingeschüchtert werden. – 4. Die „Brüchigkeit des bestehenden Systems“ soll offenbar werden.

Beispiele für solche Konfliktinszenierungen z. B. im Deutschen Bundestag bot das (bewusst und gezielt!) chaotische Auftreten der Grünen dort zur Genüge. Hier ein Ausschnitt aus einer Rede der grünen Bundestagsabgeordneten Waltraud Schoppe im Frühjahr 1984 (Thema war die umstrittene Stiftung „Mutter und Kind“, die Frauen in Schwangerschaftskonflikten eine finanzielle Hilfe leisten soll). Ich zitiere aus dem Parlamentsprotokoll:39

Frau Schoppe (GRÜNE): Heute arbeiten Herr Kohl und seine Kumpane…

(Zurufe von der CDU/CSU: Herr Präsident! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

… erfolgreich daran, die Zahl der Sozialhilfeempfänger und Obdachlosen weiter zu vergrößern,…

(Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU)

… und Sie behaupten gleichzeitig hier, in der größten Schwindelbude der Nation …

Vizepräsident Westphal: Frau Abgeordnete, ich muss Sie unterbrechen.

Frau Schoppe (GRÜNE): Bitte?

Vizepräsident Westphal: Ich kann das Wort „Kumpane“ nicht zulassen; dies ist eine Abweichung von unserem parlamentarischen Verfahren. Ich rufe Sie zur Ordnung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Frau Schoppe (GRÜNE): Nun ist es aber schon raus.

(Lachen)

Vizepräsident Westphal: Frau Abgeordnete, man kann sich auch entschuldigen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Frau Schoppe (GRÜNE): Entschuldigung für die Kumpane. Und Sie behaupten gleichzeitig hier in der größten Schwindelbude der Nation,…

(Zurufe von der CDU/CSU: Unerhört! – Schluss!)

… mit dem Stiftungsgesetz ein besonders geeignetes Instrument der finanziellen Hilfe vorzulegen. Wirksame finanzielle Hilfe könnte es vielleicht sein …

(Anhaltende Unruhe bei der CDU/CSU – Zurufe von der CDU/CSU: Unglaublich! – Abtreten! – Schluss! – Unerhört! – Raus hier! – Was denken Sie denn! – Nazitöne! – Schwindeln Sie draußen weiter! – Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Das hat bisher nur Goebbels gesagt!)

… Wirksame finanzielle Hilfe könnte es vielleicht sein, wenn die illegalen Parteispenden, von denen der Bundeskanzler …

Vizepräsident Westphal: Frau Abgeordnete Schoppe, ich muss Sie noch einmal unterbrechen. Ich kann Ihnen nur raten, Ihr Manuskript langsamer vorzutragen, um nicht noch einmal so etwas zu sagen. Wir haben hier einen Ausdruck vernommen und haben kontrolliert, ob er stimmt. „Schwindelbude“ kann hier nicht akzeptiert werden. Ich muss das sagen!

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Es kommt hinzu, Frau Schoppe: Dies ist der zweite Ordnungsruf in einer Debatte. Ich muss Sie darauf aufmerksam machen, dass bei einem dritten Ordnungsruf in derselben Debatte eine andere, weitergehende Maßnahme nach der Geschäftsordnung erfolgen wird.

(Zustimmung bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der CDU/CSU: Interessiert die doch gar nicht! – SS-Methoden!)

Das Beispiel zeigt, wie einfach und zugleich wirkungsvoll man Unfrieden und tumultartige Szenen produzieren kann. Elementarste sprachliche Anstandsregeln werden verletzt und Personen beleidigt. Der Gegner wird vor die Wahl gestellt, entweder den dicken Brocken zu schlucken oder aber sich zu wehren. Tut er das erste, akzeptiert er implizit den neuen Umgangston und kann entsprechend als schwächlich abgestempelt werden; tut er das zweite, kann man ihn anschließend in den eigenen Kreisen als aggressiv und repressiv präsentieren – frei nach dem Motto: „Da seht ihr, dass der Hund bösartig ist; wir haben ihn nur ein bisschen mit Steinen beworfen, und schon hat er uns angeknurrt.“

4. Die Frauenbewegung

Die heutige Frauenbewegung, deren Gedankengut weithin durch die Grünen zur Geltung kommt, ist nicht identisch mit der klassischen Frauenbewegung des 19. Jahrhunderts.

Die Frauenbewegung des 19. Jahrhunderts