Ein tödlicher Verehrer - Linda Howard - E-Book

Ein tödlicher Verehrer E-Book

Linda Howard

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Beschreibung

Nur er glaubt an ihre Unschuld.

Sarah Stevens ist jung, attraktiv und eine exzellente Butlerin mit ganz besonderen Fähigkeiten. Denn als ausgebildeter Bodyguard hat sie neben ihrem Butler-Job auch schon so manchem Auftraggeber das Leben gerettet. Als jedoch ihr Chef, der pensionierte Richter Roberts, ermordet wird, gerät sie schnell ins Visier des gutaussehenden Detective Thompson Cahill. Doch sie kann ihn von ihrer Unschuld überzeugen - bis ihr nächster Arbeitgeber tot aufgefunden wird. Und obwohl es zwischen Thompson und Sarah gewaltig knistert, ist die junge Frau schon bald die Hauptverdächtige in den beiden Mordfällen. Als Sarah erkennt, dass sie das eigentliche Ziel des Killers ist, ist es fast schon zu spät ...

Erstmals als eBook erhältlich. Weitere Titel von Linda Howard bei beHEARTBEAT u. a. "Die Doppelgängerin", "Mordgeflüster", "Ein gefährlicher Liebhaber".

eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.

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Seitenzahl: 531

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Inhalt

Cover

Weitere Titel der Autorin:

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Widmung

Danksagung und Vorbemerkung

1

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Epilog

Weitere Titel der Autorin:

Die Doppelgängerin

Mordgeflüster

Heiße Spur

Mitternachtsmorde

Ein gefährlicher Liebhaber

Über dieses Buch

Sarah Stevens ist jung, attraktiv und eine exzellente Butlerin mit ganz besonderen Fähigkeiten. Denn als ausgebildeter Bodyguard hat sie neben ihrem Butler-Job auch schon so manchem Auftraggeber das Leben gerettet. Als jedoch ihr Chef, der pensionierte Richter Roberts, ermordet wird, gerät sie schnell ins Visier des gutaussehenden Detective Thompson Cahill. Doch sie kann ihn von ihrer Unschuld überzeugen – bis ihr nächster Arbeitgeber tot aufgefunden wird. Und obwohl es zwischen Thompson und Sarah gewaltig knistert, ist die junge Frau schon bald die Hauptverdächtige in den beiden Mordfällen. Als Sarah erkennt, dass sie das eigentliche Ziel des Killers ist, ist es fast schon zu spät ...

Über die Autorin

Linda Howard gehört zu den erfolgreichsten Liebesromanautorinnen weltweit. Sie hat über 25 Romane geschrieben, die sich inzwischen millionenfach verkauft haben. Ihre Bücher wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und mit vielen Preisen ausgezeichnet. Sie wohnt mit ihrem Mann und fünf Kindern in Alabama.

Linda Howard

Ein tödlicher Verehrer

Aus dem Amerikanischen von Christoph Göhler

beHEARTBEAT

Digitale Erstausgabe

»be« - Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2002 by Linda Howington

Titel der amerikanischen Originalausgabe: »Dying to please«

Originalverlag: Ballantine Books, New York

This translation published by arrangement with Ballantine Books, an Imprint of Random House, a division of Penguin Random House LLC

Für die deutschsprachige Erstausgabe:

Copyright © der deutschen Übersetzung 2003 by Verlagsgruppe Random House GmbH

Verlag: Blanvalet, München

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Lektorat/Projektmanagement: Johanna Voetlause

Covergestaltung: Guter Punkt unter Verwendung von Motiven © © alexandre zveiger/shutterstock; iconogenic/gettyimages

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar

ISBN 978-3-7325-6970-0

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Zwei wunderbaren Menschen und lieben Freunden, Phyllis und Basil Bacon.

Eure Freundschaft ist nicht mit Gold aufzuwiegen.

Danksagung und Vorbemerkung

Ich danke Detective Jay Williams vom Mountain Brook Police Department, der sich so geduldig Zeit für mich nahm und viel mehr Fragen beantwortete, als er eigentlich erwartet hatte, und der mir eine persönliche Stadtführung zukommen ließ. Alle im Department waren überaus hilfsbereit, wenn ich anrief, um irgendwelche Details zu überprüfen. Sollte ich etwas übersehen oder falsch wiedergegeben haben, so ist das allein mein Fehler.

Sämtliche Adressen und Figuren im Buch sind fiktiv.

Susan Bailey, George Edwards, Chad Jordan, Glenda Barker, Jim Robbins, Tom Corner – die Figur des Trevor Densmore hat nichts mit irgendeinem von euch zu tun. Ehrenwort. Meine Hochachtung gilt Linda Jones, die WMS erfand.

Falls eine meiner Leserinnen in die Gegend um Birmingham kommen sollte, möchte ich ihr Milo’s Hamburgers empfehlen. Jeder Ortsansässige wird ihr den Weg zum nächsten Milo’s-Restaurant zeigen. Und vielleicht sollte sie einen Abstecher nach Mountain Brook machen, wo es seit etwa fünf Jahren keinen einzigen Mord gegeben hat – und man eine echte Rolex als städtische Uhr hat.

Linda Howard

1

Der Deckenventilator blieb stehen.

Sarah Stevens war so an das leise Surren gewöhnt, dass die ungewohnte Stille sie augenblicklich aufweckte. Sie zwang ein Auge auf und schielte auf die Digitaluhr, aber keine rote Ziffer strahlte sie durch die Dunkelheit an. Sie blinzelte verschlafen und verwirrt und begriff dann, dass irgendetwas nicht stimmte.

Der Strom war ausgefallen. Na super.

Sie wälzte sich auf den Rücken und lauschte. Die Nacht war still; kein Donnergrollen deutete darauf hin, dass irgendwo in der Nähe ein stürmisches Frühlingsgewitter niederging, was den Stromausfall erklärt hätte. Sie ließ nachts die Vorhänge offen, weil ihre Zimmer nach hinten gingen, wo ein dichter Zaun das Gelände vor neugierigen Blicken schützte, und durch ihr Schlafzimmerfenster konnte sie die Sterne blinzeln sehen. Es konnte gar keine Rede davon sein, dass es regnete – der Himmel war nicht einmal bewölkt.

Vielleicht war eine Umspannstation ausgefallen. Oder ein Auto hatte einen Strommasten gefällt. Für einen Stromausfall gab es zahllose Erklärungen.

Seufzend setzte sie sich auf und tastete nach der Taschenlampe, die stets auf ihrem Nachttisch lag. Ganz gleich, warum der Strom ausgefallen war, sie musste dafür sorgen, dass Richter Roberts so wenig wie möglich davon mitbekam und dass er nicht mehr als unbedingt notwendig gestört wurde. Zwar hatte er morgen früh keine Termine, aber der nette alte Herr war eigen, was seine Frühstückszeiten anging. Nicht dass er grantig geworden wäre, aber mittlerweile brachte ihn jede Abweichung von seinem geregelten Tageslauf wesentlich mehr aus dem Konzept als noch vor einem Jahr. Er war jetzt fünfundachtzig; er hatte es verdient, das Frühstück serviert zu bekommen, wann es ihm gefiel.

Sie nahm den Hörer vom Telefon; es war ein alter Apparat mit Schnur, dem der Stromausfall nichts anhaben konnte. Schnurlose Telefone waren eine wunderbare Einrichtung, nur nicht bei Stromausfall. Sarah hatte dafür gesorgt, dass an ein paar strategisch gut gewählten Plätzen im Haupthaus schnurgebundene Apparate standen.

Sie hörte kein Freizeichen.

Verdutzt und ein klein wenig irritiert stand sie auf. Ihre beiden Räume lagen über der Garage, wobei das Wohnzimmer mit der Küchenecke nach vorn ging, Schlafzimmer und Bad dagegen wiesen nach hinten. Die Taschenlampe schaltete sie nicht ein; sie war hier zu Hause und brauchte kein Licht, um von einem Zimmer ins andere zu finden. Sie teilte die Vorhänge vor den Wohnzimmerfenstern und schaute hinaus.

Keine der systematisch über den manikürten Rasen verteilten Leuchten brannte, im Gegensatz zu den sanft glühenden Sicherheitslichtern am Nachbarhaus, die von rechts lange, dichte Schatten über die Rasenfläche warfen.

Also doch kein Stromausfall. Vielleicht war ja eine Sicherung durchgebrannt; in diesem Fall wäre allerdings nur ein Teil des Hauses betroffen oder die Außenbeleuchtung, nicht jedoch alles zusammen. Sie blieb reglos stehen und kombinierte intuitiv und logisch: (A) Der Strom war ausgefallen. (B) Das Telefon war ausgefallen. (C) Der Nachbar hatte Strom. Der Schluss, zu dem sie gelangte, verlangte keine geistigen Klimmzüge: Jemand hatte die Leitungen gekappt, und der einzig denkbare Grund dafür war, dass jemand ins Haus einbrechen wollte.

Wie auf Samtpfoten eilte sie barfuß zurück ins Schlafzimmer und holte die Neun-Millimeter-Automatik aus dem Nachttisch. Ihr Handy lag, verflixt noch mal, in ihrem Geländewagen, der hinten im Carport parkte. Sie huschte zur Tür und verwarf dabei den Gedanken, einen Umweg einzuschlagen, um das Handy aus dem Auto zu holen; ihre vordringlichste Aufgabe war es, den Richter zu beschützen. Sie musste zu ihm und dafür sorgen, dass ihm nichts zustieß. Während seines letzten Jahres auf der Richterbank hatte er ein paar wütende Morddrohungen erhalten, die er zwar durchweg als dummes Gerede abgetan hatte, doch Sarah konnte es sich nicht erlauben, so großzügig darüber hinwegzugehen.

Ihre Einliegerwohnung war mit dem Haupthaus über eine Treppe verbunden, die oben und unten jeweils an einer Tür endete; auf der Treppe schaltete sie die Taschenlampe an, damit sie keine Stufe übersah und ins Stolpern kam, doch sobald sie unten angekommen war, knipste sie das Licht wieder aus. Sie wartete kurz ab, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, und lauschte währenddessen nach einem Geräusch, das nicht hierhergehörte. Nichts. Ganz leise drehte sie den Türknauf und schob, die Nerven zum Zerreißen gespannt, die Tür Zentimeter um Zentimeter auf. Als kein ungewohnter Laut zu hören war, wagte sie sich weiter vor.

Sie stand in einem kurzen Korridor; links von ihr befand sich der Durchgang zur Garage. Leise drehte sie am Knauf und stellte fest, dass die Tür immer noch abgeschlossen war. Eine Tür weiter ging es zur Waschküche; direkt gegenüber lag die Küche. Die batteriebetriebene Wanduhr in der Küche tickte gleichmäßig und ungewöhnlich laut, weil das monotone Brummen des Kühlschranks verstummt war. Sarah schob sich langsam in die Küche; unter ihren Füßen spürte sie die kalten, glasierten Keramikfliesen. Sie umrundete die große Kochinsel und hielt erneut inne, bevor sie sich ins Frühstückszimmer vorwagte. Dort war es heller, wegen des großen Erkerfensters, das auf den Rosengarten blickte, doch bedeutete das gleichzeitig, dass sie leichter entdeckt werden konnte, falls jemand Schmiere stand. Ihr Schlafanzug war aus hellblauer Baumwolle und in der Nacht kaum zu übersehen. Sie würde ein erstklassiges Ziel abgeben.

Dieses Risiko musste sie eingehen.

Ihr Herz hämmerte gegen ihren Brustkorb. Sie atmete langsam tief durch, um sich zu beruhigen und das Adrenalin unter Kontrolle zu bekommen, das durch ihre Adern jagte. Auf keinen Fall durfte sie sich von ihrer Nervosität mitreißen lassen; sie musste diese Welle reiten, immer kühl und rational denken, sich ganz und gar auf ihr Training verlassen. Ein zweites Mal atmete sie tief ein und tastete sich langsam voran, so unauffällig wie irgend möglich, indem sie dicht an der Wand blieb, ohne sie jedoch tatsächlich zu berühren. Immer schön locker bleiben, dachte sie. Schritt für Schritt und Fuß vor Fuß setzend, weil sie auf gar keinen Fall aus dem Gleichgewicht kommen wollte, arbeitete sie sich durch den Raum vor bis zu der Tür zum rückwärtigen Korridor. Dort blieb sie wieder stehen und lauschte.

Stille.

Nein. Ein gedämpfter Laut, so leise, dass sie nicht sicher war, überhaupt etwas gehört zu haben. Sie wartete mit angehaltenem Atem und absichtlich leerem Blick, damit sie auch die kleinste Bewegung an der Peripherie ihrer Wahrnehmung mitbekam. Der Flur war verlassen, aber kurz darauf hörte sie das Geräusch wieder, diesmal ein bisschen lauter, aus ... dem Sonnenzimmer?

Auf der Vorderseite des Hauses lagen die beiden Salons und das Esszimmer; Küche, Frühstückszimmer, Bibliothek und Sonnenzimmer lagen allesamt nach hinten. Das Sonnenzimmer war ein Eckzimmer, an zwei Seiten mit großen Fenstern versehen, von wo aus sich zwei breite Schiebetüren auf die Terrasse öffneten. Wenn sie einen Einbruch geplant hätte, dachte Sarah, hätte sie das Sonnenzimmer als ideale Einstiegsstelle ausgewählt. Offensichtlich hatte jemand anderes genauso gedacht.

Sie huschte seitwärts in den Flur, verharrte einen halben Pulsschlag lang und eilte dann mit zwei geschmeidigen Schritten in den Schatten des riesigen, hundertjährigen Büfetts, in dem mittlerweile die Weißwäsche aufbewahrt wurde. Sie hatte sich gerade auf dem dicken Teppich auf ein Knie sinken lassen, hinter dem massigen Büfett verborgen, als jemand aus der Bücherei kam.

Er war dunkel gekleidet und schleppte etwas Großes, Klobiges. Der Computer, vermutete sie, auch wenn es zu dunkel im Flur war, um das mit Sicherheit zu sagen. Er schleppte seine Last ins Sonnenzimmer, und wieder hörte sie die gedämpften Geräusche wie von Schuhen, die über einen Teppich schlurften.

Ihr Herz wummerte wie verrückt, doch gleichzeitig war sie ein bisschen erleichtert. Der Eindringling war offensichtlich ein Einbrecher, kein Ex-Sträfling, der sich am Richter rächen wollte. Das bedeutete nicht, dass sie außer Gefahr waren; möglicherweise war der Einbrecher gewalttätig, doch bis jetzt bewegte er sich, als wollte er einfach nur so viel wie möglich zusammenraffen und dann verschwinden. Er ging systematisch und methodisch vor, was die durchtrennten Strom- und Telefonleitungen bezeugten. Wahrscheinlich hatte er die Stromleitungen abgeklemmt, um die Alarmanlage außer Gefecht zu setzen, und anschließend als zusätzliche Vorsichtsmaßnahme das Telefon zum Schweigen gebracht.

Die Frage war, was sie unternehmen sollte.

Sie spürte nur zu deutlich die Waffe in ihrer Hand, aber ein Schusswaffengebrauch erschien ihr unangemessen. Natürlich würde sie schießen, um das Leben des Richters zu retten, aber sie würde niemanden über den Haufen knallen, der es bloß auf ein paar Elektrogeräte abgesehen hatte. Was allerdings nicht bedeutete, dass sie die Absicht hatte, ihn einfach so davonkommen zu lassen.

Außerdem bestand die Möglichkeit, dass er bewaffnet war. Im Allgemeinen trugen Einbrecher keine Waffen, denn im Fall eines Misserfolges standen auf schweren Einbruch deutlich höhere Strafen als auf einfachen Einbruch. Doch die Tatsache, dass die meisten Einbrecher unbewaffnet waren, garantierte keinesfalls, dass dieser hier es auch war.

Er war ein ordentlicher Brocken; soweit sie das in dem dunklen Hausflur erkennen konnte, war er einen Meter neunzig groß und stämmig. Im offenen Kampf würde sie wahrscheinlich mit ihm fertig werden – es sei denn, er war bewaffnet, denn keine Ausbildung der Welt konnte eine Pistolenkugel aufhalten. Schon ihr Vater hatte ihr beigebracht, dass tapfer und tollkühn zwei verschiedene Dinge waren; tollkühn war das Ticket ins Grab. Um keine Kugel zu riskieren, war es am besten, ihn zu überraschen und von hinten zu überwältigen.

Ein leises Rascheln warnte sie, und sie hielt still, als er durch das Sonnenzimmer und den Flur in die Bibliothek zurückkehrte. Der beste Moment, ihn anzugreifen, war wohl, wenn er mit seiner Beute beladen wieder herauskam. Sie legte die Taschenlampe auf den Boden, wechselte die Pistole in die linke Hand und erhob sich lautlos aus ihrer kauernden Position.

Ein zweiter Mann trat aus dem Sonnenzimmer in den Flur.

Sarah erstarrte, den Kopf halb über die Oberkante des Büfetts erhoben. Ihr Herz galoppierte so wild, dass sie kaum Luft bekam. Der Kerl brauchte nur in ihre Richtung zu schauen, und schon würde er genau in ihr bleiches, in der Dunkelheit gut sichtbares Gesicht starren.

Ohne zu zögern, folgte er leise dem ersten Mann in die Bibliothek.

Vor Erleichterung zitternd, ließ sie sich mit dem Rücken gegen die Wand sinken. Sie atmete mehrmals tief durch, wobei sie bei jedem Atemzug sekundenlang die Luft anhielt, um ihr rasendes Herz zu beruhigen. Das war entschieden zu knapp gewesen; eine Sekunde später hätte sie unübersehbar mitten im Flur gestanden.

Dass es zwei Männer waren, änderte die Lage. Damit hatte sich ihr Risiko verdoppelt und ihre Erfolgschance halbiert. In die Garage zu ihrem Geländewagen zu schleichen und über das Handy die Polizei zu rufen, erschien ihr allmählich die beste Option, vorausgesetzt, sie schaffte es unentdeckt bis dorthin. Der Haken an der Sache war, dass sie dazu den Richter ungeschützt alleinlassen musste. Er hörte nicht mehr gut; sie konnten längst in seinem Zimmer stehen, ehe er überhaupt etwas bemerkte; er hätte keine Gelegenheit mehr, sich zu verstecken. Der alte Knabe war ritterlich genug, um gegen jeden Eindringling ins Feld zu ziehen, wobei er sich im günstigsten Fall ein paar Verletzungen zuziehen und schlimmstenfalls jedoch das Leben verlieren würde.

Genau das zu verhindern, war ihr Job. Und das konnte sie nicht, wenn sie draußen war und telefonierte.

Ihre Nerven schauderten kurz und beruhigten sich dann. Die Entscheidung war gefallen; jetzt musste sie sich ganz und gar auf ihr Training konzentrieren.

Aus der Bibliothek war ein leises Schlurfen und Stöhnen zu hören. Trotz ihrer Anspannung musste sie lächeln. Falls die beiden tatsächlich versuchten, den Fernseher mit der Ein-Meter-zwanzig-Bildröhre nach draußen zu wuchten, hätten sie schwer zu schleppen und keine Hand frei. Vielleicht war dies der beste Moment zum Zuschlagen.

Sie tauchte hoch und schlich an die Tür zur Bibliothek, wo sie sich mit dem Rücken an die Wand presste und einen blitzschnellen Blick ins Zimmer wagte. Einer der Einbrecher hatte eine kleine Stablampe zwischen die Zähne geklemmt, sodass sie erkennen konnte, dass sie sich tatsächlich mit dem Fernseh-Ungetüm abplagten. Und damit nicht genug, die braven Buben konnten jenseits des Lichtstrahls umso weniger erkennen und würden sie in der Dunkelheit kaum sehen können.

Sie wartete ab, bis nach wiederholtem Stöhnen und einem geflüsterten Fluch einer der Einbrecher rückwärts aus der Bücherei stolperte, beide Hände fest um eine Seite des Fernsehers gekrallt, während sein Partner das andere Ende trug. Sarah meinte fast, die Gelenke unter dem Gewicht knarzen zu hören. Dank des dünnen Lichtstrahls aus der Stiftlampe, der genau in das verschwitzte Gesicht des vorderen Mannes schien, konnte sie auch seine angestrengt verzerrte Miene erkennen.

Ein Spaziergang.

Sarah lächelte. Sobald der erste Dieb ganz aus der Tür heraus war, streckte sie den nackten Fuß vor, hakte ihn um sein linkes Fußgelenk und zog mit einem Ruck an. Der Einbrecher japste überrascht auf und stürzte rückwärts in den Flur. Der Riesenfernseher knallte erst seitlich gegen den Türrahmen und kippte dann nach vorne. Der Mann auf dem Boden schrie erschrocken auf, doch der Laut schlug unvermittelt in ein hohes Jaulen um, als der Fernseher auf sein Becken und seine Beine krachte.

Sein Partner versuchte mit wirbelnden Armen das Gleichgewicht zu halten. Die Stiftlampe fiel ihm aus dem Mund, und in der einsetzenden Dunkelheit hörte Sarah ihn noch »Scheiße« sagen, bevor er vornüberkippte. Sarah gab ihm noch etwas Schwung mit, indem sie auf einem Absatz herumwirbelte und die Faust an seine Schläfe donnerte. Der Hieb traf nicht mit voller Kraft, weil ihr Gegner bereits zu Boden ging, war aber heftig genug, um in den Knöcheln zu brennen und ihn über den zertrümmerten Fernseher segeln zu lassen, was bei dem Mann, der darunter eingeklemmt war, neue Schreie auslöste. Der Bewusstlose glitt langsam, schlaff und reglos auf der Seite zu Boden; das war bei einem Schlag gegen die Schläfe meistens so.

»Sarah? Was ist denn da los? Warum haben wir keinen Strom?« Die Stimme des Richters schallte von der Hintertreppe herab und übertönte das Gejammer des Einbrechers, der eingeklemmt unter dem Fernseher lag.

Ihr geschulter Blick verriet Sarah, dass keiner der beiden in den nächsten Minuten verschwinden würde, weshalb sie unten an die Treppe trat. »Zwei Männer sind ins Haus eingebrochen«, erklärte sie; weil der Richter schwerhörig war und wegen der gellenden Schreie unter dem Fernseher musste sie brüllen, um sich verständlich zu machen. »Ich habe schon alles unter Kontrolle. Bleiben Sie oben, bis ich die Taschenlampe geholt habe.« Eines konnte sie ganz bestimmt nicht brauchen – dass er in der Dunkelheit die Treppe herunterpurzelte, weil er ihr zu Hilfe kommen wollte.

Sie hob die Taschenlampe auf, die noch neben dem Büfett auf dem Boden lag, und kehrte dann an die Treppe zurück, um die Stufen zu beleuchten, während der Richter mit einer Behändigkeit herunterkam, die seine fünfundachtzig Jahre Lügen strafte. »Einbrecher? Haben Sie die Polizei gerufen?«

»Noch nicht. Sie haben die Telefonleitungen gekappt, und ich hatte noch keine Gelegenheit, mein Handy aus dem Auto zu holen.«

Er war unten an der Treppe angekommen und schielte nach rechts, wo sich das ganze Tohuwabohu ereignet hatte. Gehorsam schwenkte Sarah den Lichtstrahl dorthin und hörte ihn nach einer Sekunde kichern. »Wenn Sie mir die Pistole überlassen, kann ich die beiden bestimmt in Schach halten, bis Sie angerufen haben.«

Sie überreichte ihm die Pistole mit dem Kolben voran, zog dann das Telefonkabel aus dem Apparat im Flur und beugte sich über den bewusstlosen Einbrecher. Er war der Größere von beiden, und sie stöhnte vor Anstrengung, als sie ihn auf den Bauch wälzte. Schnell zog sie seine Arme auf den Rücken, wickelte das Telefonkabel um beide Handgelenke und zerrte dann ein Bein nach hinten, um die Handgelenke ans Fußgelenk zu fesseln. Wenn er nicht extrem gut auf einem Bein hüpfen konnte – und zwar mit Gehirnerschütterung –, würde er bestimmt nicht abhauen, ganz gleich, ob jemand mit einer Pistole auf ihn zielte oder nicht; und auch sein unter dem Fernseher eingeklemmter Komplize würde wohl kaum einen Fluchtversuch unternehmen.

»Bin gleich wieder da«, sagte sie zum Richter und hielt ihm die Taschenlampe hin.

Als alter Gentleman wollte er sie erst nicht annehmen. »Nein, Sie werden das Licht brauchen.«

»Sobald ich die Fernbedienung für die Zentralverriegelung drücke, geht die Innenbeleuchtung im Wagen an; mehr Licht brauche ich ganz bestimmt nicht.« Sie sah sich um. »Einer von beiden hatte eine kleine Stiftlampe, aber die hat er fallen lassen, und ich weiß nicht, wohin sie verschwunden ist.« Sie überlegte kurz. »Außerdem würde ich die sowieso nicht anfassen wollen; er hat sie im Mund gehabt.«

Er kicherte wieder. »Ich auch nicht.« Sogar durch die Brille konnte sie im Schein der Taschenlampe seine Augen funkeln sehen. Er amüsierte sich königlich! Wenn sie es recht bedachte, war ein Leben im Ruhestand natürlich längst nicht so interessant wie ein Job als Bundesrichter. Bestimmt hatte er sich lange nach einem Abenteuer oder wenigstens einem kleinen Drama gesehnt und bekam nun eines frei Haus geliefert. Die nächsten vier Wochen würde er dieses Erlebnis seinen Kumpels bis zum Überdruss in allen Einzelheiten schildern.

Sie überließ ihm die beiden Einbrecher zur Bewachung und ging durch das Frühstückszimmer und die Küche zurück. Die Autoschlüssel waren in ihrer Tasche, darum hielt sie sich vorsichtshalber am Geländer fest, als sie in fast völliger Dunkelheit die Treppe nach oben stieg. Gott sei Dank hatte sie die obere Tür offen gelassen; das hellere Rechteck erleichterte ihr die Orientierung. In der Wohnung machte sie zuerst noch einen Umweg durch die winzige Kochecke und holte eine zweite Taschenlampe aus dem Küchenschrank; danach eilte sie in ihr Schlafzimmer und schnappte sich die Schlüssel.

Dank der Taschenlampe kam sie die Treppe wesentlich schneller hinunter als hinauf. Sie schloss die Hintertür auf und drückte, kaum stand sie im Freien, auf die Entriegelungstaste für ihren Wagen. Vorder- und Rücklichter ihres Chevrolet TrailBlazers leuchteten kurz auf, und die Innenbeleuchtung ging an. Sie eilte über die kalten, rauen Pflastersteine zum Wagen; zu blöd, dass sie nicht daran gedacht hatte, Schuhe anzuziehen, als sie oben gewesen war.

Halb auf den Fahrersitz rutschend, zog sie das winzige Handy aus der Getränkehalterung, in der es immer steckte, schaltete es ein und wartete ungeduldig, bis es Empfang hatte. Während sie auf Zehenspitzen über die Pflastersteine zum Haus zurückging, tippte sie mit dem Daumen die Ziffern.

»Polizei, Notrufzentrale.« Die Frauenstimme klang gelassen, beinahe gelangweilt.

»Ich möchte einen Einbruch in der Briarwood Road siebenundzwanzig-dreizehn melden«, sagte sie und wollte schon zu einer Erklärung ansetzen, wurde jedoch sofort von der Stimme unterbrochen.

»Von wo aus rufen Sie an?«

»Von dort. Ich rufe vom Handy aus an, weil die Einbrecher die Telefonleitungen durchgeschnitten haben.«

»Sie befinden sich im Haus?«

»Ja. Es sind zwei Männer –«

»Befinden sie sich ebenfalls noch im Haus?«

»Ja.«

»Sind sie bewaffnet?«

»Weiß ich nicht. Ich habe keine Waffe gesehen, aber sie haben auch die Stromleitungen durchtrennt, und in der Dunkelheit konnte ich nicht wirklich erkennen, ob sie bewaffnet sind oder nicht.«

»Madam, verlassen Sie das Haus, wenn es irgendwie möglich ist. Ich habe mehrere Einsatzwagen zu Ihrer Adresse geschickt, die in wenigen Minuten eintreffen müssten, aber Sie sollten so schnell wie möglich aus dem Haus.«

»Schicken Sie auch einen Krankenwagen mit«, bat Sarah und trat, gegen den Rat der Telefonistin, wieder in den Flur, wo sie mit ihrer Taschenlampe das Licht aus der Lampe des Richters verstärkte und die Gesichter der beiden Männer am Boden abtastete. Es war so gut wie ausgeschlossen, dass einer der Einbrecher aus eigener Kraft fliehen konnte. Die Schreie des Mannes unter dem Fernseher waren zu einem Gemisch aus Stöhnen und Fluchen geworden. Der mit dem Schlag auf die Schläfe hatte sich noch nicht wieder gerührt.

»Einen Krankenwagen?«

»Einer der beiden ist unter einem großen Fernseher eingeklemmt, vielleicht hat er sich ein Bein gebrochen. Der andere ist bewusstlos.«

»Ein Fernseher ist auf die Männer gefallen?«

»Nur auf einen«, korrigierte Sarah, ehrlich bis zum Äußersten. Allmählich fand sie an dem Gespräch Gefallen. »Ein Riesengerät und höllisch schwer. Die beiden wollten es aus dem Haus tragen, als einer von beiden gestolpert ist und der Fernseher auf ihn fiel. Der andere ist obendrauf gelandet.«

»Und der Mann unter dem Fernseher ist bewusstlos?«

»Nein, der ist bei Bewusstsein. Der andere hat es verloren.«

»Und warum ist er bewusstlos?«

»Weil ich ihm eins übergebraten hab.«

Richter Roberts sah sich um, grinste sie an und schaffte es, ihr mit der Taschenlampe in der Hand den erhobenen Daumen entgegenzustrecken.

»Beide Männer sind demnach bewegungsunfähig?«

»Ja.« Gerade als sie das sagte, hob der Bewusstlose stöhnend den Kopf. »Ich glaube, er kommt langsam wieder zu sich. Er hat sich gerade bewegt.«

»Madam –«

»Ich habe ihn mit dem Telefonkabel gefesselt«, erklärte sie.

Es blieb kurz still. »Ich werde noch einmal zusammenfassen, was Sie mir bis jetzt erzählt haben, damit ich nichts falsch verstehe. Zwei Männer haben bei Ihnen eingebrochen. Einer ist bewusstlos, kommt aber langsam wieder zu sich, und Sie haben ihn mit einem Telefonkabel gefesselt.«

»Stimmt.«

»Der andere ist unter einem Fernseher eingeklemmt und hat sich möglicherweise ein Bein gebrochen.«

»Stimmt.«

»Cool«, hörte Sarah jemanden im Hintergrund sagen.

Die Frau am Telefon blieb ganz professionell. »Ich schicke zwei Krankenwagen los. Ist sonst noch jemand verletzt?«

»Nein.«

»Besitzen Sie irgendwelche Waffen?«

»Eine Pistole.«

»Sie haben eine Pistole?«

»Richter Roberts hat die Pistole.«

»Bitte sagen Sie ihm, er soll die Pistole weglegen, Madam.«

»Ja, natürlich.« Kein Polizist, der einigermaßen bei Sinnen war, würde in ein dunkles Haus gehen wollen, in dem irgendwer eine Pistole in der Hand hielt. Sie gab die Anweisung an den Richter weiter, der sie kurz aufsässig ansah, dann aber seufzend die Waffe in die Schublade des Büfetts legte. Die beiden Gauner waren leider nicht unbedingt in einer Verfassung, in der man sie mit einer Pistole in Schach halten musste, selbst wenn das seinem Macho-Instinkt entgegenkam.

»Die Pistole liegt jetzt in einer Schublade«, meldete Sarah.

»Danke, Madam. Die Einsatzwagen müssten jeden Augenblick da sein. Die Beamten werden die Waffe sicherstellen wollen, bitte verhalten Sie sich kooperativ dabei.«

»Kein Problem. Ich erwarte sie an der Tür.« Sie überließ es Richter Roberts, die beiden Gefangenen zu bewachen, ging zur vorderen Diele und öffnete gerade eine der hohen Doppeltüren, als zwei Streifenwagen des Mountain Brook Police Departments mit blinkenden Einsatzlichtern vor den breiten Stufen zum Stehen kamen. »Sie sind da«, meldete sie der Telefonistin in der Notrufzentrale und trat gleichzeitig ins Freie, damit die Polizisten sie sehen konnten. Kraftvolle Stablampen strahlten ihr ins Gesicht, bis sie eine Hand hob, um die Augen abzuschirmen. »Danke.«

»Gern geschehen, Madam.«

Sarah beendete das Telefonat, weil jetzt zwei uniformierte Polizisten auf sie zukamen, jeweils eine Hand an der Waffe. Aus den Funkgeräten in ihren Autos krächzten statisches Rauschen und ein Strom abgehackter Meldungen, die sie nicht zu deuten vermochte. Unter den kreisenden roten Lichtern wirkte der englische Rasen wie eine bizarre, menschenleere Diskothek. Rechts bei den Cheatwoods ging die Außenbeleuchtung an, offenbar waren die Nachbarn auf das Schauspiel aufmerksam geworden. In Kürze, vermutete sie, würde die ganze Nachbarschaft wach sein, obwohl wahrscheinlich nur die wenigsten so aufdringlich wären, persönlich vorbeizukommen. Die Übrigen würden versuchen, per Telefon Informationen zu ergattern.

»In dem Büfett im Flur liegt eine Pistole«, eröffnete sie den beiden Polizisten. Die Männer waren auch so nervös genug; sie hatten ihre Waffen zwar nicht gezogen, aber jeder hatte eine Hand an der Pistole, nur für alle Fälle. »Sie gehört mir. Ob die Einbrecher bewaffnet sind, weiß ich nicht, aber sie sind beide außer Gefecht. Richter Roberts passt auf sie auf.«

»Wie heißen Sie, Madam?«, fragte der Stämmigere von beiden, während er sich vorsichtig in den Eingang schob und dabei den Flur mit dem Taschenlampenstrahl ausleuchtete.

»Sarah Stevens. Ich bin Butler bei Richter Roberts.«

Sie bemerkte den Blick, den die beiden austauschten – eine Frau als Butler? Sie war diese Reaktion gewöhnt, aber der Stämmigere fragte nur: »Richter?«

»Lowell Roberts, pensionierter Bundesrichter.«

Er brummelte etwas in das Funkgerät an seiner Schulter, während Sarah die beiden Männer durch die dunkle Eingangshalle und an der geschwungenen Vordertreppe vorbei in den rückwärtigen Flur führte. Die Taschenlampenstrahlen zuckten über die beiden Männer am Boden und den großen, dünnen, weißhaarigen Mann, der in sicherer Entfernung Wache hielt.

Der Einbrecher, den sie k. o. geschlagen hatte, war inzwischen wieder bei Bewusstsein, aber eindeutig noch nicht wieder ganz auf dem Damm. Er blinzelte immer wieder und stöhnte schließlich angestrengt: »Was ist denn los?«, bekam aber keine Antwort. Sein Kumpan unter dem Fernseher fluchte und schluchzte abwechselnd, drückte gegen die Last auf seinen Beinen an, hatte aber nicht genug Hebelkraft und hätte sich stattdessen lieber schnäuzen sollen – wenigstens damit hätte er irgendetwas bewirkt.

»Was ist mit dem da passiert?«, fragte der dünne Polizist und leuchtete dabei mit der Taschenlampe in das Gesicht des Gefesselten.

»Dem habe ich eins übergezogen.«

»Womit?« Er ging neben dem Mann in die Hocke und durchsuchte ihn schnell, aber gründlich.

»Mit der Faust.«

Er sah sie überrascht an, und sie zuckte mit den Achseln. »Hab ihn an der Schläfe erwischt«, erklärte sie, worauf er nickte. Ein Schlag gegen die Schläfe konnte King Kong außer Gefecht setzen. Sie ließ sich nicht darüber aus, dass sie zahllose Stunden trainiert hatte, um diesen Schlag zu beherrschen. Nötigenfalls würde sie genauer darauf eingehen, aber nur und erst, falls sie nach ihrer Ausbildung gefragt wurde. Sie und ihr Arbeitgeber zogen es vor, diesen Teil ihrer Aufgabe, ihre Funktion als Leibwächter, geheim zu halten ...

Die Durchsuchung förderte ein Messer mit zwölf Zentimeter langer Klinge zutage, das in einer Scheide am Fußgelenk steckte.

»Sie haben die Sachen da drüben rausgetragen«, erklärte sie und deutete dabei auf die Tür zum Sonnenzimmer. »Der Raum hat Schiebetüren aus Glas und eine Terrasse.«

Aus der Ferne war das Geheul von Sirenen zu hören – vielen Sirenen –, das die Ankunft einer ganzen Armada von Polizisten und Sanitätern ankündigte. Schon sehr bald würden Horden von Menschen durch das Haus schwärmen, und sie hatte noch zu arbeiten.

»Ich setze mich da drüben hin, da bin ich nicht im Weg.« Sie deutete auf die Treppe.

Der Polizist nickte, und Sarah ließ sich auf der vierten Stufe von unten nieder, die nackten Füße fest eingeschlagen. Zuerst und vor allem anderen musste sie den Strom wieder anschließen lassen, danach das Telefon, auch wenn sie sich vorübergehend aufs Handy beschränken konnten. Die Alarmanlage war mit einer Notfallbatterie versehen, daraus schloss Sarah, dass die Einbrecher sie ebenfalls zerstört hatten oder wenigstens so schlau gewesen waren, sie stillzulegen. Wie auch immer, die Leute von der Sicherheitsfirma würden alles überprüfen müssen. Die Glasschiebetüren mussten wahrscheinlich ebenfalls ersetzt werden, aber das konnte bis zum Morgen warten.

Mit der frisch erstellten Dringlichkeitsliste im Kopf und dem Handy in der Hand wählte Sarah die Nummer der Störungsstelle bei den Elektrizitätswerken von Alabama. Ein guter Butler hatte solche wichtigen Nummern stets im Kopf, und Sarah war ein exzellenter Butler.

2

Es war schon nach zwei Uhr früh, als er über Funk von dem Notruf aus der Briarwood Road erfuhr. Thompson Cahill war zwar gerade auf dem Heimweg, doch der Funkspruch klang wesentlich interessanter als alles, was ihn daheim erwartete, darum wendete er den Pick-up und fuhr zurück auf den Highway 280. Die Streifenbeamten hatten zwar keinen Ermittler angefordert, aber egal, der Einsatz hörte sich unterhaltsam an, und er konnte etwas Unterhaltung gebrauchen.

Er bog vom 280er ab auf die Cherokee Road; um diese Zeit war kaum Verkehr auf den stillen, gewundenen Vorstadtstraßen, und so gelangte er schon wenige Minuten später auf die Briarwood Road. Die Hausnummer zu finden, war kein Problem: Es war das Haus mit den vielen Einsatzwagen davor. Darum war er Ermittler; er konnte solche Dinge herausfinden. Wow.

Er klemmte die Marke an den Gürtel, nahm das Jackett vom Haken hinter dem Fahrersitz und zog es über sein ausgebleichtes schwarzes T-Shirt. In der Jackentasche lag eine Krawatte; er ließ sie dort, denn er hatte sowieso kein Hemd dabei, das er über sein T-Shirt hätte ziehen können. Dann würde er eben im Miami-Vice-Look auftreten müssen.

Um das Haus herum war die übliche Anhäufung von Uniformen zu bewundern: Polizisten, Feuerwehrleute, Notärzte, Rettungsdienstler. Die Fenster in den umliegenden Häusern waren strahlend hell erleuchtet und besetzt mit Schaulustigen, doch nur die wenigsten waren neugierig genug gewesen, ihre Häuser zu verlassen und auf die Straße zu kommen. Immerhin war man hier in der Briarwood Road, und Briarwood bedeutete altes Geld.

George Plenty, der Dienstleiter der Nachtschicht, begrüßte ihn. »Was machst du denn hier, Doc?«

»Dir ebenfalls einen schönen Morgen. Ich war gerade auf dem Heimweg, als ich von dem Einsatz gehört habe. Klang ganz unterhaltsam, darum bin ich gekommen. Was ist denn passiert?«

George verkniff sich ein Grinsen. Die Öffentlichkeit hatte keine Ahnung, wie unterhaltsam Polizeiarbeit sein konnte. Manche Fälle, jene Fälle, die einen Bullen in den Suff treiben konnten, waren deprimierend und gefährlich, aber oft war der Job einfach verdammt komisch. Kurz und schlicht ausgedrückt, die Leute waren einfach verrückt.

»Die beiden Jungs waren ziemlich pfiffig; sie haben Strom und Telefon gekappt und die Alarmanlage ausgeschaltet. Anscheinend haben sie gedacht, dass hier nur ein alter Mann wohnt, der bestimmt nicht aufwacht. Zu blöd, dass er einen Butler hat. Die Schlauberger waren gerade dabei, einen riesigen Fernseher rauszutragen, als sie den vorderen ins Stolpern gebracht hat. Er ist hingeflogen, der Fernseher ist auf ihn draufgefallen, und um die Sache abzurunden, hat sie dem zweiten, als der obendrüber fiel, noch einen Schlag mitgegeben, der ihn glatt schachmatt gesetzt hat. Dann hat sie ihn mit dem Telefonkabel gefesselt.« George lachte. »Er ist inzwischen wieder zu sich gekommen, redet aber nur wirres Zeug.«

»›Sie‹?« Cahill war nicht sicher, ob George nicht derjenige war, der hier wirres Zeug redete.

»Sie.«

»Ein weiblicher Butler?«

»Sagen sie.«

Cahill schnaubte. »Na sicher.« Gut möglich, dass der Alte ein Mädchen in seinem Haus aufgenommen hatte, aber er bezweifelte, dass es sein Butler war.

»Das ist jedenfalls ihre Version, und bei der bleiben sie.« George sah sich um. »Wo du schon mal hier bist, könntest du helfen, die Aussagen aufzunehmen, damit wir hier schneller fertig werden.«

»Klar.«

Er schlenderte in das riesige Haus. Im Flur waren batteriebetriebene Lampen aufgestellt worden, die ihn – neben den hin und her eilenden Menschen – zum Tatort führten. Er begann unwillkürlich zu schnüffeln und die Luft auf Alkohol oder Gras zu prüfen; eine Polizistenmarotte. Was hatten die Häuser von diesen Reichen bloß an sich? Sie rochen irgendwie anders, so als wollte sich sogar das Bauholz von dem gewöhnlichen Holz für gewöhnliche Häuser abheben. Er roch frische Blumen, Möbelpolitur, einen leichten, dezenten Essensgeruch – italienisch angehaucht –, aber keinen Alkohol und keinen Rauch, weder legalen noch illegalen.

Er erreichte den Flur und blieb kurz abseits stehen, um die Szene zu studieren. Mehrere Sanitäter knieten um einen am Boden liegenden Mann; direkt daneben lagen die zerschmetterten Überreste eines riesigen Fernsehers. Der Typ am Boden stöhnte und machte mächtig Theater, als sein Bein fixiert wurde. Ein zweiter Mann, ein riesiger Brocken, saß auf dem Boden, die Hände mit Handschellen auf dem Rücken gefesselt. Er beantwortete die Fragen eines Sanitäters, der ihm dabei in die Augen leuchtete, aber es war klar ersichtlich, dass er immer noch Sternchen sah.

Zur Linken stand ein großer, dürrer Alter mit dichtem, weißem Strubbelhaar und machte ganz ruhig seine Aussage. Er trug seine Würde wie einen Umhang und ließ dadurch beinahe vergessen, dass er in Bademantel und Pyjama war und nur Schlappen an den Füßen hatte. Während er die Fragen beantwortete, verfolgte er gleichzeitig das Geschehen um sich herum, als wollte er sichergehen, dass alles korrekt abgewickelt wurde.

Zur Rechten war eine Treppe, und auf der vierten Stufe von unten saß eine Frau in einem hellen Baumwollpyjama, die in ein Handy sprach. Sie hatte die nackten Füße perfekt nebeneinander gestellt; ihr dichtes, dunkles Haar war zerzaust, als wäre sie eben aus dem Bett gestiegen. Was sie wohl auch war. Ein weiteres Beispiel für seinen detektivischen Scharfsinn liefernd, folgerte er, dass sie die Hausgenossin sein musste, warum wäre sie sonst auch im Pyjama? Verflucht, was war er heute Nacht wieder gerissen.

Selbst im Schlafanzug, ungeschminkt und mit zerzausten Haaren sah sie gut aus. Nein, nicht nur gut. Sondern schlichtweg fantastisch – soweit er feststellen konnte, eine Eins minus –, und das ohne Make-up. Man konnte sich mit Geld vielleicht kein Glück erkaufen, aber man konnte sich eindeutig eine erstklassige Mieze kaufen, wenn man ein alter Knacker war, mal vorausgesetzt, bei ihm regte sich noch mehr als nur ein paar glückselige Erinnerungen.

Der vertraute Groll begann in Cahill zu köcheln; seit zwei Jahren lebte, schlief und aß er nun schon mit diesem Groll, und es war ihm durchaus bewusst, dass er nicht fair zu der Frau war. Aber welcher Mann würde nicht zum Sauertopf mutieren, wenn er erkennen musste, dass die eigene Frau ein verlogenes, falsches Flittchen war, von dem er anschließend durch eine lange, widerliche Scheidung geschleift wurde? Trotzdem schob er seinen Ärger beiseite, damit er sich auf die Arbeit konzentrieren konnte. Wenigstens das schaffte er noch: seine Arbeit zu tun.

Er ging zu einem der Streifenbeamten hinüber – Wilkins, ziemlich jung, ziemlich neu und verdammt gut, aber man musste gut sein, wenn man bei der Polizei von Mountain Brook einen Job bekommen wollte. Wilkins stand Wache neben dem stämmigen Kerl mit den Handschellen und der Gehirnerschütterung und beobachtete, wie der Sanitäter ihn untersuchte.

»Braucht ihr Hilfe bei den Zeugenaussagen?«

Wilkins drehte sich um, offenkundig überrascht, ihn hier anzutreffen. Der Mann auf dem Boden nutzte diesen winzigen Moment der Unaufmerksamkeit, stieß den Sanitäter mit einem Satz nach vorn um und kam überraschend geschickt auf die Füße. Wilkins drehte sich geschmeidig wie eine Katze um, doch Cahill kam ihm zuvor. Er wirbelte auf dem linken Fußballen, pflanzte seinen rechten Schuh mit der Größe fünfundvierzig auf den Solarplexus des Burschen und sah gleichzeitig aus dem Augenwinkel die Frau auf der Treppe in einer fließenden Bewegung auf die Füße kommen. Er setzte gerade genug Wucht in seinen Tritt, um den Riesen keuchend und würgend zu Fall zu bringen. Wilkins war zur Stelle, noch bevor der Riese auf dem Boden aufschlug, und zwei weitere Beamte eilten herbei, um ihm zu helfen. Da sie den Gefangenen offenkundig wieder unter Kontrolle hatten – er bekam noch immer keine Luft –, trat Cahill zurück und sah den Sanitäter an, der sich das Blut von der Nase wischte und sich mühsam wieder aufrappelte. »Der war wohl doch nicht so schwer verletzt, wie er getan hat.«

»Wohl kaum.« Der Sanitäter nahm ein Verbandpäckchen aus seinem Vorrat, presste es unter seine Nase und atmete tief durch. »Vielleicht ist er es jetzt?«

»Er ist bloß außer Puste. Ich hab nicht fest zugetreten.« Mit einem durchgezogenen Tritt gegen den Brustkorb konnte man das Herz zum Stehen bringen, das Brustbein zerschmettern und alle möglichen inneren Schäden anrichten. Er hatte darauf geachtet, dem Burschen möglichst nicht mal die Rippen zu brechen.

Wilkins stand keuchend wieder auf. »Hast du immer noch Lust auf ein bisschen Schreibarbeit, Cahill?«

Die Schreibarbeit war der Fluch im Leben jedes Polizisten; es verriet einiges über Cahills Leben, dass er antwortete: »Klar.«

Wilkins nickte zu der Frau hinüber, die ihren Platz auf der Treppe wieder ein- und ihr Telefonat wieder aufgenommen hatte. »Dann nimm ihre Aussage auf, während wir Rambo in die Zelle verfrachten.«

»Mit Vergnügen«, murmelte Cahill, und das war ernst gemeint. Die Art, wie sie sich bewegt hatte, als der Einbrecher zu fliehen versuchte, hatte seine Neugier geweckt. Sie hatte weder aufgeschrien noch Hals über Kopf die Flucht ergriffen; stattdessen war sie vollkommen konzentriert und ungeheuer elegant aufgesprungen, ganz und gar auf den Kerl konzentriert. Wenn er den Mann nicht gestoppt hätte, dachte Cahill, dann hätte sie es getan – oder wenigstens versucht –, und das warf eine Menge Fragen auf, die er ihr gerne stellen würde.

Er ging zur Treppe, die gleißenden Scheinwerfer im Rücken, während das Licht auf ihr Gesicht fiel. Sie sprach immer noch in ihr Handy, mit ruhiger, gefasster Miene, hielt dabei aber einen Finger hoch, um ihm zu signalisieren, dass sie gleich fertig war.

Er war Polizist; er war es nicht gewohnt, dass man ihn warten ließ. Leise begann der Zorn in ihm hochzukochen, doch gleich darauf schlug er in Erheiterung um. Mein Gott, vielleicht war er ja wirklich ein arrogantes Arschloch, wie ihm seine Ex-Frau so gern vorgeworfen hatte. Außerdem war diese Frau, selbst wenn sie nur einem alten Sack das Bett wärmte, ausgesprochen nett anzuschauen.

Und weil sie so nett anzuschauen war, schaute er sie eben an und registrierte dabei automatisch alle Details: dunkles Haar, nicht ganz schulterlang, dunkle Augen. Hätte er eine Beschreibung abgeben müssen, hätte er »braun« und »braun« sagen müssen, obwohl das in beiden Fällen die Farbe nur unzureichend traf. In ihrem Haar glänzten Lichter, die an dunkle, edle Schokolade erinnerten – und ihre Augen waren beinahe schwarz.

Er schätzte sie auf Ende zwanzig, Anfang dreißig. Größe ... ein Meter fünfundsechzig, vielleicht auch siebzig. Er war schon versucht, ihr ein paar Zentimeter mehr gutzuschreiben, als er erkannte, dass es ihre beinahe militärische Haltung war, die den Eindruck von Größe erweckte. Gewicht zwischen fünfundfünfzig und sechzig Kilo. Ihre Haut war glatt und makellos und wirkte so sahnig, dass er an Softeis denken musste.

Sie beendete das Gespräch und reichte ihm die Hand. »Vielen Dank, dass Sie gewartet haben. Ich hatte gerade den kompletten Fragenkatalog im Computer der Telefongesellschaft abgearbeitet und wollte nicht noch mal von vorn anfangen. Ich bin Sarah Stevens.«

»Detective Cahill.« Ihre Hand fühlte sich kühl und klein in seiner an, doch ihr Griff war überraschend fest. »Könnten Sie mir der Reihe nach erzählen, was heute Nacht passiert ist?« Sie hatte keinen Südstaatenakzent. Sie hatte überhaupt keinen Akzent, der ihm bekannt vorkam. Ja, genau das traf es: kein Akzent. Sie hatte keinen Akzent.

»Natürlich.« Sie deutete auf die Treppenstufen. »Möchten Sie sich setzen?«

Liebend gern, aber dann hätte er Schulter an Schulter mit ihr gesessen, und das war nicht so geschickt, solange er im Dienst war. Schon seit er sie das erste Mal gesehen hatte, gerieten seine Gedanken auf Abwege, und das war nicht gut. Er zog geistig die Zügel an, trat vom Abgrund zurück und zwang sich, in Gedanken ausschließlich bei seinem Job zu bleiben. »Nein danke, ich bleibe lieber stehen.« Er holte sein Notizbuch aus der Jackentasche und schlug eine leere Seite auf. »Wie buchstabiert man Ihren Namen?«

»Sarah mit h, Stevens mit v.«

»Und Sie haben den Einbruch entdeckt?«

»Genau.«

»Wissen Sie, wie spät es da ungefähr war?«

»Nein, ich habe einen Elektrowecker, aber ich würde schätzen, dass ich seit etwa einer halben Stunde wach bin.«

»Was hat Sie aufgeweckt? Haben Sie ein Geräusch gehört?«

»Nein. Meine Wohnung liegt über der Garage; da oben hört man nichts. Als sie den Strom abgeschaltet haben, ist mein Deckenventilator stehen geblieben. Davon bin ich aufgewacht.«

»Und was ist dann passiert?«

Sarah schilderte den Gang der Ereignisse so knapp wie möglich, wobei sie nur zu deutlich ihren dünnen Pyjama und die nackten Füße spürte. Sie wünschte, sie hätte Zeit gehabt, einen Bademantel und Hausschuhe anzuziehen oder kurz mit der Bürste durch ihr Haar zu gehen. Oder sich zu schminken, in ein Negligé zu schlüpfen, Parfüm zu versprühen und sich ein Schild mit der Aufschrift »Noch zu haben« umzuhängen. Dann hätte sie Detective Cahill mit auf ihr Zimmer nehmen und mit ihm auf dem Bett sitzen können, während sie ihre Aussage machte.

Sie lächelte still über ihre Albernheit, aber es war nicht zu leugnen, dass ihr Puls bei seinem Anblick angefangen hatte zu rasen und immer noch viel zu schnell dahingaloppierte. Dank irgendeiner verqueren chemischen oder biologischen Reaktion, vielleicht auch einer Kombination von beidem, hatte sie sich vom ersten Augenblick an zu ihm hingezogen gefühlt. So etwas kam schon mal vor – dieser unvermittelte kleine Stromschlag, der einem ins Gedächtnis ruft, was diese Welt am Laufen hält –, allerdings hatte der Blitz bei ihr schon länger nicht mehr eingeschlagen, und nie zuvor mit solcher Wucht. Sie genoss dieses heimliche Schaudern; es war wie Achterbahnfahren, ohne dass man vorher Schlange stehen musste.

Sie warf einen Blick auf seine linke Hand. Sie war unberingt, was natürlich nicht unbedingt hieß, dass er Single war und keine Freundin hatte. Männer, die so aussahen wie er, waren selten frei. Nicht dass er besonders hübsch gewesen wäre; sein Gesicht wirkte irgendwie wild, seine Bartstoppeln waren eher ein Fünf- als ein Dreitagebart, und seine schwarzen Haare waren entschieden zu kurz. Aber er gehörte zu den Männern, die irgendwie männlicher wirken als alle anderen, fast als würde ihnen das Testosteron aus sämtlichen Poren quellen, und so was fiel jeder Frau auf. Obendrein war er von Kopf bis Fuß durchtrainiert; das Jackett über seinem schwarzen T-Shirt verbarg das notdürftig, doch sie war unter Männern aufgewachsen, denen es extrem wichtig war, stets in Topkondition zu sein, und sie wusste, wie sich solche Männer bewegten und verhielten. Zu schade, dass sein Gesicht so aussah, als würde es in tausend Scherben zerspringen, wenn er auch nur einmal lächelte. Sein Körper sagte ihr extrem zu, aber seine Persönlichkeit ließ, soweit sie das erkennen konnte, extrem zu wünschen übrig.

»In welcher Beziehung stehen Sie zu Richter Roberts?«, fragte er so betont neutral, dass es schon fast an Desinteresse grenzte. Er sah zu ihr auf, das Gesicht von harten Schatten durchschnitten, die es unmöglich machten, seine Miene zu deuten.

»Er ist mein Arbeitgeber.«

»Was tun Sie?«

»Ich bin Butler.«

»Butler?« Er sagte das so, als hätte er das Wort noch nie gehört.

»Ich leite den Haushalt«, erklärte sie.

»Und das umfasst ...?«

»Eine Menge, wie zum Beispiel die Beaufsichtigung des übrigen Dienstpersonals; die Organisation von Reparaturarbeiten oder Dienstleistungen; bisweilen zu kochen; dafür zu sorgen, dass seine Kleidung stets korrekt und die Schuhe immer geputzt sind, dass der Wagen zur Inspektion kommt und regelmäßig gewaschen wird, dass die Rechnungen bezahlt werden und ganz allgemein, ihm alles abzunehmen, womit er sich nicht befassen möchte.«

»Des übrigen Dienstpersonals?«

»Keine Vollzeitangestellten. Dazu zählen die beiden Putzfrauen, die zweimal pro Woche kommen; der Gärtner, der drei Tage pro Woche hier arbeitet; seine Bürohilfe, die einmal wöchentlich kommt; und die Köchin – montags bis freitags, Mittag- und Abendessen.«

»Ich verstehe.« Er vertiefte sich in seine Notizen, als müsse er ein Detail überprüfen. »Muss man als Butler auch kämpfen können?«

Aha. Sie hätte gern gewusst, was sie verraten hatte. Natürlich war ihr der akkurat gesetzte Kick aufgefallen, mit dem er den großen Einbrecher gefällt hatte, und ihr war vom selben Moment an sonnenklar gewesen, dass er ebenfalls trainierte.

»Nein«, antwortete sie freundlich.

»Gehen Sie diesem Sport aus privatem Interesse nach?«

»Nicht unbedingt.«

»Könnten Sie das etwas genauer ausdrücken?«

»Ich bin auch als Leibwächter ausgebildet.« Sie antwortete ganz leise, damit man sie nicht hörte. »Der Richter möchte das nicht an die große Glocke hängen, aber er hat in der Vergangenheit mehrere Morddrohungen erhalten. Darum hat seine Familie darauf bestanden, dass er jemanden einstellt, der eine Ausbildung in Personenschutz hat.«

Bis dahin hatte er durch und durch professionell gewirkt, doch jetzt sah er sie mit unverhohlenem Interesse und leicht überrascht an. »Sind diese Morddrohungen jüngeren Datums?«

»Nein. Ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass er in akuter Gefahr schwebt. Ich bin jetzt beinahe drei Jahre bei ihm, und in dieser Zeit hat er keine weiteren Drohungen erhalten. Aber als er noch auf der Richterbank saß, haben mehrere Menschen geschworen, ihn umzubringen, und vor allem seine Tochter war um seine Sicherheit besorgt.«

Er sah wieder in seine Notizen. »Ihr Schlag war also kein reiner Glückstreffer.«

Sie zeigte den Ansatz eines Lächelns. »Das will ich hoffen. Genauso wenig wie Ihr Kick.«

»Welche Disziplin trainieren Sie?«

»Hauptsächlich Karate, um in Form zu bleiben.«

»Welcher Gürtel?«

»Braun.«

Er nickte knapp. »Sonst noch was? Sie haben ›hauptsächlich‹ gesagt.«

»Ich übe auch ein wenig Kickboxen. Inwiefern ist das für Ihre Ermittlungen von Belang?«

»Gar nicht. Reine Neugier.« Er klappte das kleine Notizbuch zu. »Und es gibt keine Ermittlungen; ich habe lediglich Ihre Zeugenaussage aufgenommen. Das geht alles in den Bericht ein.«

»Warum gibt es keine Ermittlungen?«, fragte sie indigniert.

»Die beiden wurden auf frischer Tat ertappt, wie sie das Eigentum von Richter Roberts auf ihren Wagen luden. Da muss man nichts ermitteln. Wir müssen nur noch den Papierkram erledigen.«

Er vielleicht; sie musste sich noch mit der Versicherung auseinandersetzen und die Glasschiebetür im Sonnenzimmer richten lassen, ganz zu schweigen von dem Ersatz für den kaputten Fernseher. Der Richter hatte, ganz Mann, die monströse Kiste geliebt und schon anklingen lassen, dass er mit dem Gedanken spielte, sich einen hochauflösenden Fernseher zuzulegen.

»Muss im Bericht erwähnt werden, dass ich Richter Roberts’ Bodyguard bin?«, fragte sie.

Er hatte sich schon wegdrehen wollen; jetzt blieb er stehen und sah noch einmal auf sie herab. »Wieso?«

Sie senkte die Stimme noch weiter. »Der Richter möchte nicht, dass seine Freunde davon erfahren. Ich glaube, es ist ihm peinlich, dass seine Kinder ihn genötigt haben, eine Leibwächterin einzustellen. So wird er von all seinen Freunden beneidet, weil er einen weiblichen Butler hat. Sie können sich die Witze vorstellen, die deswegen kursieren. Und falls ihn doch noch mal jemand bedrohen sollte, ist es für mich von Vorteil, wenn niemand weiß, dass ich eine Ausbildung im Personenschutz habe.«

Er klopfte mit dem Notizbuch in seine Handfläche, ohne dass seine Miene irgendeine Regung gezeigt hätte; dann zuckte er mit den Achseln und sagte: »Das ist für den Fall unerheblich. Wie gesagt, ich war nur neugierig.«

Selbst wenn er anscheinend nie lächelte, so tat sie es trotzdem; sie schenkte ihm ein breites, erleichtertes Lächeln. »Danke.«

Er ging mit einem Nicken davon, und Sarah seufzte melancholisch. Die Verpackung war ein Traum, aber der Inhalt war mäßig.

Den Morgen hektisch zu nennen war eine glatte Untertreibung. Natürlich war an Schlaf nicht mehr zu denken, doch war es genauso ausgeschlossen, irgendetwas zu erledigen. Ohne Strom konnte sie dem Richter nicht sein Lieblingsfrühstück zubereiten, French Toast mit Zimt, sie konnte keine Wäsche waschen und nicht einmal seine Zeitung bügeln, damit die Druckerschwärze nicht abfärbte. Sie servierte ihm Cornflakes mit kalter Milch, fettfreien Joghurt und frisches Obst und hörte ihn grummeln, dass ihn dieser Gesundheitsfraß noch ins Grab bringen werde. Außerdem gab es keinen Kaffee, was beide ausgesprochen unglücklich machte.

Ein genialer Einfall ließ sie nach nebenan zu den Cheatwoods gehen, wo sie mit der Köchin Martha einen Tauschhandel einging: eine Schilderung der Ereignisse der vergangenen Nacht mit allen farbenprächtigen Details gegen eine Thermoskanne frischen Kaffees. Mit Koffein bewaffnet, kehrte sie ins Haus zurück und goss Öl in die aufgepeitschten Wogen. Nach der zweiten Tasse war auch sie bereit, sich dem Tag mit all seinen Aufgaben zu stellen.

Es machte ihr nichts aus, unausstehlich zu werden, wenn es nur zum gewünschten Ergebnis führte. Nach zwei weiteren Anrufen bei den Elektrizitätswerken tauchten ein Reparaturwagen und ein schlaksiger Elektriker auf, der sich in aller Seelenruhe ans Werk machte. Eine halbe Stunde später erwachte das Haus summend zu neuem Leben, und der Elektriker trollte sich wieder.

Die Telefongesellschaft zu piesacken, war wesentlich schwieriger; sie – jene unbekannten »sie«, die alles lenkten – hatten es so eingerichtet, dass man entweder eine zeitsparende Nachricht auf einem Anrufbeantworter hinterlassen konnte und dabei auf die Gunst einer echten menschlichen Stimme verzichten musste oder aber sich damit abfinden musste, obszön lange in der Warteschleife zu hängen, bis man schließlich einen Menschen aus Fleisch und Blut an den Apparat bekam, dem man ordentlich zusetzen konnte. Sarah war eisern; ihr Handy wog keine hundert Gramm, und ihre Gebühren wurden nicht nach Minuten berechnet. Sie wartete; und wurde zu guter Letzt, gerade vor dem Mittagessen, für ihre Hartnäckigkeit belohnt, und zwar in Gestalt eines weiteren Montagewagens, in dem jenes kostbarste aller menschlichen Wesen saß – jemand, der etwas reparieren konnte.

Natürlich begann, sobald die Leitung wieder hergestellt war, das Telefon wie besessen zu klingeln. Alle Freunde des Richters hatten von dem nächtlichen Abenteuer gehört und forderten nun eine detailgetreue Schilderung. Irgendein Wichtigtuer rief Randall an, den ältesten Sohn des Richters, der wiederum seine beiden Geschwister Jon und Barbara benachrichtigte. Dass seine Söhne die Geschichte erfuhren, störte den Richter nicht weiter, doch als auf dem Display des Telefons die Nummer seiner Tochter aufleuchtete, rümpfte er indigniert die Nase. Nicht genug, dass Barbara sich ständig um ihren Vater sorgte, sie war auch bei Weitem das durchsetzungsfähigste seiner drei Kinder. Sarah war der Meinung, dass Barbara mehr Durchsetzungsvermögen hatte als ein Kettenpanzer. Trotzdem mochte Sarah sie gern; Barbara war gutherzig und gutmütig, aber eben unnachgiebig.

Während der Richter noch mit seiner Tochter telefonierte, erschien der Gutachter der Versicherung, darum zeigte Sarah ihm den Schaden und war gerade dabei, alle nötigen Informationen zur Schadensabwicklung zu liefern – sie konnte sogar den Einkaufsbeleg für den Fernseher vorweisen, womit sie einen tiefen Eindruck hinterließ –, als der Richter mit ausgesprochen selbstzufriedener Miene in Sarahs winziges Büro geschlendert kam.

»Raten Sie mal, wer angerufen hat«, sagte er.

»Barbara«, antwortete Sarah.

»Danach. Gott sei Dank kam der Anruf auf der zweiten Leitung, sonst würde sie mir immer noch die Ohren heiß reden. Ein Fernsehreporter möchte uns besuchen und über uns berichten.«

»Über uns?«, fragte Sarah verdutzt.

»Vor allem über Sie.«

Verdattert sah sie ihn an. »Wieso denn?«

»Weil Sie einen Einbruch vereitelt haben, weil Sie eine junge Frau sind und weil Sie mein Butler sind. Er will alles über Sie wissen. Er hat gemeint, es wäre ein fantastischer Beitrag ›aus dem wahren Leben‹. Was für ein idiotischer Begriff, nicht wahr? ›Aus dem wahren Leben‹. Als wäre irgendein Leben unwahr.«

»Super«, freute sich der Versicherungsgutachter enthusiastisch. »Von welchem Sender kommt er?«

Der Richter kniff die Lippen zusammen. »Das habe ich vergessen«, sagte er kurz darauf. »Ist das wichtig? Morgen früh um acht wollen sie da sein.«

Sarah ließ sich ihre Verstimmung nicht anmerken. Das wäre der zweite Tag in Folge, an dem sie nicht ihrer täglichen Routine nachgehen konnte. Der Richter andererseits war hellauf begeistert, dass sein weiblicher Butler interviewt werden sollte. Er und seine Freunde waren allesamt pensioniert, weshalb sie ihr angeborenes Imponiergehabe nur noch im Privaten ausleben konnten. Sie spielten Poker oder Schach, sie tischten sich gegenseitig Lügengeschichten auf und versuchten einander ständig zu übertreffen. Ein Fernsehbeitrag wäre ein Riesencoup für den Richter. Und selbst wenn nicht, konnte sie sich kaum verweigern; so gern sie den alten Herrn auch hatte, vergaß sie doch nie, dass er ihr Arbeitgeber war.

»Ich werde mich vorbereiten«, sagte sie und plante im Geist bereits den Tagesablauf um, damit alles so reibungslos wie nur möglich ablaufen würde.

3

Morgens sah er immer einen Lokalsender, trank dabei seinen heißen Tee und las den Wirtschaftsteil der Birmingham News. Er wollte in kommunalen Angelegenheiten und in der Politik stets auf dem Laufenden bleiben, damit er sich mit seinen Geschäftspartnern darüber austauschen konnte. Er interessierte sich wirklich dafür, was in und um Birmingham geschah. Immerhin war er hier zu Hause; er hatte ein persönliches Interesse an der Entwicklung der Gegend.

Vor allem Mountain Brook entwickelte sich ausgesprochen gut. Er war ziemlich stolz darauf, dass die kleine Gemeinde etwas südlich von Birmingham eines der höchsten Pro-Kopf-Einkommen im ganzen Land aufweisen konnte. Zum Teil rührte das von den vielen Ärzten her, die hier wohnten und in und um Birmingham praktizierten. Die Stadt hatte sich von einer Stahlstadt zu einem wichtigen medizinischen Standort gewandelt und besaß im Verhältnis zur Bevölkerung überdurchschnittlich viele Krankenhäuser. Aus dem ganzen Land, ja sogar aus aller Welt kamen die Menschen nach Birmingham, um sich behandeln zu lassen.

Doch nicht nur Ärzte wohnten in Mountain Brook. Selbstständige aus den verschiedensten Branchen hatten sich hier niedergelassen. Es gab altes Geld und neues Geld. Es gab kleine Häuser für junge Familien, die aus Prestigegründen und wegen der guten Schulen nach Mountain Brook zogen. Es gab Villen und riesige Landsitze, bei deren Anblick auswärtigen Besuchern der Mund offen stehen blieb.

Sein eigenes Heim, eine dreistöckige, liebevoll eingerichtete und gewissenhaft gepflegte Schönheit aus grauem Granit, war sein Augenstern und sein ganzer Stolz. Auf den eintausendsiebenhundert Quadratmetern fanden sich sechs Schlafzimmer und achteinhalb Bäder. Die vier offenen Kamine waren sämtlich beheizbar, der Marmor stammte aus Italien, und der knapp fünf Zentimeter tiefe Berberteppich war der beste, der für Geld zu kaufen war. Der Swimmingpool war landschaftsgärtnerisch gestaltet und ähnelte einer kleinen, von dezenter Unterwasserbeleuchtung erhellten Grotte, in der das Wasser silbrig über die Steine perlte, ehe es sanft in den Pool plätscherte.

Zwei Hektar Garten umgaben sein Heim; zwei Hektar waren in Mountain Brook mit seinen astronomischen Bodenpreisen eine Menge Land. Sein Grundstück war rundum von einer drei Meter hohen Steinmauer umgrenzt. Riesige schmiedeeiserne Gitter bewachten die Einfahrt zu seiner Domäne, und das beste Alarmsystem auf dem Markt beschützte ihn: Bewegungsmelder, Kameras, Wärmedetektoren, dazu die standardmäßigen Kontakt- und Glasbruch-Alarmanlagen.

Wenn er mit der Außenwelt in Verbindung treten wollte, brauchte er nur sein Haus zu verlassen; war er daheim, blieb die Welt ausgesperrt.

Eine Gärtnerei pflegte die Gärten, und der Pool-Service hielt den Pool blitzblank. Er beschäftigte eine Köchin, die um fünfzehn Uhr erschien, ihm ein Essen bereitete und sofort wieder verschwand. Morgens blieb er lieber allein mit seinem Tee, seiner Zeitung und einem englischen Muffin. Muffins zeugten von Esskultur, ganz anders als die eklige Anhäufung von Speck, Eiern und Biskuits, die hier so viele Menschen bevorzugten. Einen Muffin musste man nur in den Toaster stecken; weder musste man hinterher die Küche putzen, noch brauchte man jemanden, der einem das Frühstück zubereitete.

Alles in allem war er sehr zufrieden mit seinem Leben. Und ganz besondere Befriedigung zog er aus dem geheimen Wissen, wie er es so weit gebracht hatte. Hätte er damals den Dingen einfach ihren Lauf gelassen, würde er heute nichts von alledem besitzen; aber er hatte genug Weitblick besessen, um zu begreifen, dass er etwas unternehmen musste, weil sein Vater andernfalls eine Fehlentscheidung nach der anderen getroffen hätte, bis nichts mehr von seinem Geschäft übrig geblieben wäre. Er hatte einfach eingreifen müssen. Seine Mutter war anfangs tief betrübt gewesen; doch letztlich war es auch für sie am besten so gewesen; sie hatte verhätschelt und umsorgt gelebt, bis ihr krankes Herz sieben Jahre später zu schlagen aufgehört hatte.

Er fand es extrem tröstlich zu wissen, dass er imstande war, alles zu tun, was er tun musste. Wobei er nur die Grenzen akzeptierte, die er sich selbst setzte.

Das Fernsehen lief im Hintergrund, während er die Zeitung studierte. Er konnte sich auf mehrere Dinge gleichzeitig konzentrieren; falls etwas Interessantes berichtet wurde, würde ihm das auffallen. Jeden Morgen wurde ein Beitrag mit menschelndem Blabla gebracht, den er normalerweise ignorierte, doch hin und wieder kam auch ein ansatzweise origineller Bericht, darum verfolgte er stets mit halbem Ohr, was gerade gesprochen wurde.

»Haben Sie sich je gefragt, wie es wäre, einen eigenen Butler zu haben?«, schnurrte die geschmeidige Stimme des Moderators. »Dazu muss man nicht aus einem Königshaus stammen. Nein, sogar hier in Mountain Brook gibt es einen Butler, und dieser Butler ist ... eine Butlerin. Gleich nach der Werbung erfahren Sie alles über Miss Super Butler.«

Neugierig sah er auf. Ein weiblicher Butler? Das war ... durchaus interessant. Dienstboten einzustellen, die im Haus wohnten, wäre ihm nie in den Sinn gekommen, weil er eine solche Einschränkung seiner Privatsphäre nicht ertragen hätte, aber ein weiblicher Butler war eine durchaus reizvolle Vorstellung. Darüber würde bestimmt gesprochen werden, darum musste er den Beitrag verfolgen.

Nach der Werbung sprach der Moderator den einleitenden Kommentar, bevor auf dem Bildschirm ein großes Haus im Tudorstil mit üppigem Garten und blühenden Blumenbeeten erschien. Die nächste Einstellung zeigte eine propere, dunkelhaarige, junge Frau in schwarzer Hose, weißer Bluse und enger schwarzer Weste beim Bügeln einer ... Zeitung? »Sie heißt Sarah Stevens«, erzählte der Reporter, »und ihr Tagesablauf gleicht ganz gewiss keinem normalen Arbeitstag.«

»Durch die Hitze setzt sich die Tinte, sodass sie keine schwarzen Flecken an Fingern oder Kleidern hinterlässt«, erklärte sie mit klarer, leiser Stimme, während sie das Bügeleisen über das Papier gleiten ließ und den Reporter nur kurz ansah.

Er schoss hoch, als hätte ihn etwas gestochen, und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf den Fernseher. Sarah. Sie hieß also Sarah. Der Name war so perfekt wie sie, klassisch und kein bisschen protzig oder modisch.

Sie hatte dunkle, fast schwarze Augen und dazu helle, samtige Haut. Das glatte, dunkle Haar war straff aus dem Gesicht gekämmt und im Nacken zu einem festen Knoten aufgerollt. Wie elektrisiert haftete sein Blick auf dem Fernsehschirm. Sie war ... perfekt. Selten hatte er etwas so Perfektes gesehen, und wenn, dann hatte er sich stets darum bemüht, es zu erwerben. Trotz ihrer dunklen Haare und Augen war sie keine Latina, auch sonst gehörte sie, soweit er erkennen konnte, keiner eindeutig definierbaren ethnischen Gruppierung an. Sie wirkte einfach etwas exotisch; nicht protzig, nicht üppig, einfach ... perfekt.

Sein Herz hämmerte wie wild, und er musste den Speichel hinunterschlucken, der sich in seinem Mund gesammelt hatte. Sie war so korrekt, so adrett, und ihre Bewegungen wirkten stets effektiv und ökonomisch. Er konnte sich nicht vorstellen, dass etwas so Unreifes wie ein Kichern über diese Lippen kam.

In der nächsten Szene war ihr Arbeitgeber zu sehen, ein großer, dürrer Alter mit weißem Haar, Brille und schmalem, lebhaftem Gesicht, das von einer großen Hakennase dominiert wurde. »Ohne sie wäre ich vollkommen hilflos«, bekannte er fröhlich. »Sarah regelt den gesamten Haushalt. Was auch passiert, sie hat alles unter Kontrolle.«

»Jedenfalls hatte sie alles unter Kontrolle, als Anfang dieser Woche im Haus eingebrochen wurde«, nahm der Reporter den Faden auf. »Sarah vereitelte den Raub ganz allein, indem sie einen der Einbrecher ins Stolpern brachte, als er gerade mit dem Großbildschirm-Fernseher aus dem Haus wollte.«

Sie kam wieder ins Bild. »Der Fernseher war sehr schwer, und sie konnten nur mit Mühe das Gleichgewicht halten«, sagte sie schlicht und bescheiden.