Eine Hochzeit in Köln - Rüdiger Schneider - E-Book

Eine Hochzeit in Köln E-Book

Rüdiger Schneider

0,0

Beschreibung

Paul Wagner, pensionierter Standesbeamter aus Koblenz, begibt sich auf eine große Kolumbienreise, will zum Amsterdamer Flughafen Schiphol, bleibt aber in Köln hängen. Man hat ihm im Kölner Hauptbahnhof, im Café `Segafredo´, in einem unachtsamen Moment das Notebook geklaut. In der Tasche für das Notebook steckte auch sein Reisepass. Schockiert begibt er sich in eine kleine Kneipe an der Domseite des Bahnhofs. Es ist ein Tag vor Altweiberfastnacht. Die Wirtin überredet ihn, sich ein Hotelzimmer zu nehmen und am nächsten Tag wieder zu kommen. Wagner geht darauf ein. Nun nimmt das Schicksal vollends seinen Lauf.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 65

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Personen und Handlung sind teilweise frei erfunden, Ähnlichkeiten oder gar Übereinstimmungen mit Namen rein zufällig.

Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkung zur kölschen Sprache der Wirtin

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Vorbemerkung zur kölschen Sprache der Wirtin

Die Wirtin in dieser Erzählung spricht meist Kölsch. Um der Lesbarkeit und des Verständnisses willen, lasse ich sie nicht nach den Vorgaben der Akademie für kölsche Sprache reden. Was sowieso kein Kölner im Alltag tun würde. Meist wird es ein Hochdeutsch sein mit kölschem Einschlag oder ein Kölsch mit hochdeutschen Ausdrücken dazwischen. Würde die Wirtin zum Beispiel sagen „Dat Mandy wunnt em baase Stock.“, würde es kaum jemand verstehen. Statt dessen sagt sie: „Dat Mandy wunnt em eeste Stock.“ Oder statt „Es dä Desch noch quick?“ verständlicher: „Es dä Desch noch frei?“ Und so gibt es einige Beispiele mehr. Sie wird ihr eigenes, individuelles Kölsch sprechen mit hochdeutschem Einschlag. Zumal sie es in der Erzählung mit einem Koblenzer, also einem `Ausländer´ zu tun hat.

1

Es ist ein nasskalter Tag im Februar 2024, ein Mittwoch, genau einen Tag vor Altweiberfastnacht. Ich stehe an Gleis 3 im Koblenzer Hauptbahnhof, warte auf den ICE nach Köln. Um 14.13 Uhr sollte er abfahren. Auf der Infotafel erscheint in Laufschrift: „Fährt heute etwa 30 Minuten später. Grund ist eine Reparatur an der Weiche.“ Es war das bei einer Fahrt mit der deutschen Bahn Übliche. Man hatte dankbar zu sein, wenn der Zug überhaupt kam. Ein afghanisches Pferdefuhrwerk war zuverlässiger. Den Anschluss in Köln würde ich also verpassen. Macht nichts. Dann gehst du im Bahnhof ins `Segafredo´, trinkst einen Kaffee und wartest auf den nächsten Zug. Der sollte mich nach Mönchengladbach bringen. Von dort ging es weiter nach Venlo. Von dort dann zum Amsterdamer Flughafen Schiphol. Die Nacht würde ich in einem Hotel am Flughafen verbringen und am Donnerstagmorgen ging der Flieger nach Cartagena, Kolumbien. Endlich weg von Wetter, Krisen und nur noch schlechten Nachrichten, die ich mir seit einiger Zeit schon gar nicht mehr anhörte beziehungsweise ansah. Salopp gesagt hatte ich die Schnauze einfach voll, drohte in eine Depression zu rutschen, hatte aber gerade noch die Kraft das Ticket zu buchen und mir in Cartagena ein Hotelzimmer zu reservieren. Mit Sonne und Wärme - Cartagena liegt an der kolumbianischen Karibikküste - wollte ich mich erholen von der deutschen Tristesse. Und sollte es das Schicksal mir vergönnen, eine rassige Kolumbianerin kennenzulernen, wäre ich herzlich froh. Aber um ehrlich zu sein, das ist sehr unwahrscheinlich. Ich meine, in meinem Alter überhaupt noch ein Weib kennenzulernen. Immerhin bin ich schon 68, seit drei Jahren pensionierter Standesbeamter, der sein Berufsleben im Koblenzer Rathaus verbracht und bislang wenig von der Welt gesehen hat. All die Eheschließungen, die ich beurkundet habe, führten nicht dazu, dass ich selbst den Sprung in solch ein Bündnis gewagt hätte. Außer ein paar Affären ist mir in dieser Hinsicht nichts gelungen. Hier möchte ich nebenbei erwähnen, dass ein Standesbeamter es nicht nur mit der rechtlichen Verbindung von Verliebten zu tun, sondern auch die Todesfälle zu beurkunden hat. Mein Beruf, wenn wir schon mal bei dem Thema sind, wird auf die Dauer natürlich langweilig durch Routine. Die aber habe ich mir etwas spannender gemacht, indem ich ein eigenes Unternehmen gegründet habe. Ich nannte es „Freie Trauung – persönlich“, beschrieb alles auf einer eigenen Website, bot mich als Trauredner an, der das sonst so unpersönliche Procedere in einem intimeren Rahmen nachholte. Ich besuchte vorab meine Klienten, fragte sie zum Beispiel: „Wie habt ihr euch kennengelernt? Gibt es Höhen und Tiefen, die ich erwähnen darf?“ Und so weiter. Aus diesen Angaben habe ich eine persönliche Rede machen können, was im Koblenzer Rathaus unmöglich gewesen wäre. Zu meinem Erstaunen lief das Unternehmen recht gut. Schon bald hatte ich eine hohe Nachfrage. Da war zum Beispiel die Arztwitwe, die sich in einen Hartz-IV-Empfänger verliebt hatte, aber nicht heiraten konnte, weil sie dann ihre Witwenrente verloren hätte. Aber auf die Zeremonie wollte sie nicht verzichten. Oder andere wollten nach zwanzig oder dreißig Jahren ihre Ehe noch einmal mit einer Feier im Freundeskreis bekräftigen.

Aus Dankbarkeit, dass es gutgegangen war. Wieder andere wünschten nach dem Akt im Rathaus eine romantische Feier an einem besonderen Ort, den sie dafür ausgesucht hatten. Da wurde die Zeremonie noch einmal wiederholt. Und dann gab es auch die, die das Rechtsverbindliche scheuten, aber ein Zeichen der besonderen Zugehörigkeit wünschten. Rechtlich ist das gleichzusetzen mit einer Verlobung, aber es ist eben mit der Zeremonie und der persönlichen Rede doch etwas Besonderes. Ob meine Tätigkeit neben dem offiziell Beruflichen erlaubt war, weiß ich nicht. Ich habe es nicht an die große Glocke gehängt und bin unbehelligt davongekommen. Auch gegenüber dem Finanzamt. Mein Konto füllte sich. Ich kannte keine finanzielle Not. Nach meiner Pensionierung arbeitete ich fleißig weiter und vermied damit das Vakuum, in das man leicht im sogenannten Ruhestand fällt. Ich hatte immer genug zu tun, lernte neue Leute kennen, neue Liebesgeschichten, hatte freies Trinken und Essen und ein zufriedenstellendes Honorar. Und ab und zu hat mich auch eine Dame aus dem Feierkreis ins Hotelzimmer begleitet. Wie gesagt, mein Unternehmen lief gut, läuft gut. Ich habe derzeit zwei Mitarbeiter. Einen Herrn für das Normale und eine Dame, die für die lesbischen Zeremonien zuständig ist. Ich muss nicht unbedingt vor Ort sein. Der telefonische Kontakt und der per Email reicht. Ärgerlich nur, dass ich jetzt hier auf dem Bahnsteig stehe, friere und warte. Mit meinem Rollköfferchen in der rechten Hand und der Tasche mit dem Notebook in der linken entferne ich mich jetzt etwas von den Videokameras und zünde mir am Ende des Bahnsteigs eine Zigarette an. Das Rauchen ist mein alternatives Laster zur Ehe. Ich heiße übrigens Paul Wagner, bin Einmeterachtzig groß, auf meinem Kopf finden Sie kein einziges Haar, ansonsten ist alles ziemlich normal. Ich würde mich als vollschlank bezeichnen mit einer leichten Tendenz zur atlethischen Figur. Kleidungsmäßig eher unkonventionell. Ich liebe bunte Marokkohemden und türkische Flatterhosen. Meine bevorzugte Schuhfarbe ist wie beim Papst Rot. Tattoos und auffälligen Schmuck habe ich nicht. Ich wüsste auch nicht, was ich mir unter Schmerzen in die Haut eingravieren lassen sollte. Nach dem Rauchen der Zigarette schlender ich wieder zurück, warte weiter geduldig auf den ICE nach Köln. Von dem Unheil, das mich erwarten wird, ahne ich da noch nichts. Es geht mir also relativ gut. In Gedanken bin ich schon in Cartagena und genieße am Strand ein kühles Bier. Und schaue mir die Frauen an, bei denen der Bikini kaum zu entdecken ist.

2

Köln hatte ich lange nicht mehr gesehen. So gut vierzig Jahre oder noch mehr. Aber ich war dort zur Schule gegangen, Friedrich-Wilhelm-Gymnasium im Severinsviertel. Genau gegenüber ist das Archiv zusammengekracht. An die Schule habe ich gute Erinnerungen. Sie war freiheitlich-liberal, die Lehrer noch Originale. Besuchte man den Direktor in seinem Büro, musste man ihn durch eine Qualmwolke suchen, weil er ununterbrochen Zigarren rauchte. An der Universität zu Köln habe ich dann Verwaltungsinspektor studiert, viele Nächte aber im Friesenviertel verbracht, in irgendeiner Kneipe, wo draußen die Zuhälter mit dem Taschentuch ihre