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Maximilian Moor ist Inhaber eines Bonner Bankhauses. Die Bankgeschäfte, die mit Transaktionen im Waffenhandel zu tun haben, will er seinem ältesten Sohn Karl übergeben. Aber der genießt in Leipzig lieber sein Studentenleben und hat ganz andere Pläne. Seine Brüder, die eineiigen Zwillinge Franz und Fritz, die selbst die Bank übernehmen möchten, intrigieren gegen ihn, bringen ihn sogar ins Gefängnis. Doch Karl kommt frei, erscheint zu Hause und gerät in ein gefährliches Komplott. Panama-Papers und Tod bringende deutsche Waffenexporte lassen ihn von einem 'verrotteten Saeculum' sprechen.
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Seitenzahl: 149
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Namen, Figuren und Ereignisse dieser Kriminalnovelle entstammen der Phantasie. Irgendwelche Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder tatsächlichen Vorkommnissen sind rein zufällig.
Vorwort
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Wen hat man früher als Schüler nicht mit Schillers ‚Räubern’ gequält? Man kam nur mit verschiedenen Lexika durch den Text. Und dann die Sprache! Empathisch, aufgewühlt, übertrieben, typisch ‚Sturm und Drang’, gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Und Amalia, Karls Freundin, war sie nicht verrückt? Wie kann man verlangen, sich mit dem Schwert abstechen zu lassen! „Zeuch dein Schwert und ich bin glücklich!“ Und schließlich Karl selbst. Warum muss er unter die Räuber gehen? Die Räuber sind anderswo. So reizte also der Stoff zu einer gänzlich freien Bearbeitung. Aber irgendwie hatte Schiller mit seiner Empörung auch Recht. Indes musste aus dem Grafen Maximilian Moor der Bankier Maximilian Moor werden. Und den intriganten Franz habe ich gleich um einen etwas beschränkten, aber nicht minder schlimmen Zwillingsbruder verdoppelt. Und natürlich verdient das Bankhaus Moor nicht an Sparbüchern von Kleinkunden, sondern ist in die finanzielle Abwicklung von Waffenexporten verstrickt. Panama-Papers und Tod bringende deutsche Waffenlieferungen lassen Karl Moor von einem ‚verrotteten Saeculum’ sprechen.
Geht man gegenüber dem Städtchen Königswinter am Rhein spazieren - man wandelt also linksrheinisch bei Mehlem - so fallen einem an der Promenade prachtvolle, mehrstöckige Villen auf. Große Grundstücke gehören dazu. Sie alle sind umzäunt, mit Kameras ausgestattet, so dass sich niemand unbemerkt einstellen kann. Es sind Residenzen, die sich der in der Regel knapp gehaltene deutsche Bürger niemals leisten könnte. Der Blick auf Rhein und Drachenfels ist romantisch. Man sieht die Schiffe vorüber gleiten, frühstückt auf der Terrasse, wenn die Sonne über dem Siebengebirge aufgegangen ist, sitzt abends bei edlen Weinen oder einem exquisiten schottischen Whisky beisammen, genießt das Leben an Deutschlands schönstem Strom. Das geschieht diskret, ohne Lärm, Aufhebens, ja geradezu verschämt inkognito. Man will nicht unbedingt durch Reichtum auffallen. So fehlen oft auch am Toreingang zu den weitläufigen Grundstücken die Namensschilder. Sie sind überflüssig. Der Postbote weiß Bescheid. Freunde und Geschäftspartner ebenso.
Eine dieser Villen mit dem sie umgebenden Park gehört dem Bankhaus Moor. Das Anwesen erstreckt sich zwischen der Nibelungenstraße, von wo aus man mit dem Wagen Zufahrt hat, und der Rheinpromenade. Maximilian Moor hatte die Privatbank 1960 gegründet, als Bonn noch Regierungshauptstadt war und sich zahlreiche Botschaften in der Umgebung, vor allem in Bad Godesberg, befanden. Durch geschickte Spekulationen war es ihm gelungen, das Kapital seiner zunächst nur wenigen Kunden zu vermehren. Das sprach sich in den Diplomatenkreisen herum, die Reputation des Hauses wuchs, bis schließlich zahlreiche Staaten, inklusive Albaniens und einiger afrikanischer Staaten, ihm nicht unerhebliche Summen anvertrauten. Endlich ließen sich auch Staatssekretäre des deutschen Wirtschafts- und Außenministeriums bei Moor sehen, um über sein Bankhaus diskrete Geschäfte abzuwickeln, von denen beim Volk bekannte Banken nichts wissen sollten. Maximilian Moor genoss bald, ohne dass es je ausgesprochen oder dokumentiert worden wäre, den Status diplomatischer Immunität. Kein Finanzamt behelligte ihn mit Nachfragen oder Untersuchungen. Unbesorgt konnte Moor die Summen seiner Klienten in Liechtenstein, der Schweiz und in Luxemburg parken. Später verlegte er sich, wie er es selbst ausdrückte, auf stabile demokratische Diktaturen. Er selbst liebte das bescheidene, unauffällige Leben, tauchte selten in der Öffentlichkeit auf, zeigte keinen Prunk, mied die Presse. Hätte ihm ein Fernsehsender angeboten, eine Serie zu drehen ‚Die Moors’, hätte er entschieden abgelehnt. Dabei hätte es viel Unterhaltsames zu berichten gegeben. Weniger über ihn selbst als vielmehr über seine Söhne. Kummer bereitete ihm vor allem Karl, der älteste. Eigentlich war er sein Lieblingssohn und sollte sein Nachfolger werden. Aber es sah nicht danach aus. Verdächtig lange zog Karl sein Studium in Leipzig in die Länge, besuchte den Vater immer seltener, rief noch seltener an und schien nicht das geringste Interesse an dem lukrativen Job zu haben. Anders waren dagegen seine jüngeren Brüder, das Zwillingspärchen Franz und Fritz. Die saßen in den Startlöchern, warteten auf das Ableben des Alten, um erben und die Bankgeschäfte ohne den Vater nach ihrem eigenen Geschmack und Willen weiter führen zu können. Sie feierten in der Villa, was dem alten Moor ein Gräuel war, Partys, verteilten großzügig Geschenke, kleideten sich nach der neuesten Mode, teilten sich einen bescheidenen Fuhrpark, der aus einem roten Ferrari, einem dunkelgrünen Landrover und einem silberfarbenen Mercedes Kompressor bestand. Den Landrover benutzten sie, wenn es zur Jagd in die Eifel ging. Dort besaß Maximilian Moor in der Nähe von Eichenbach einen mehrere Hektar großen Wald mit Jagdhütte und verschiedenen Hochsitzen. Die Zwillinge liebten das Ballern, hielten sich nicht unbedingt an Schonzeiten. Hin und wieder kam es vor, dass ihnen auch im April eine Bache vor die Flinte kam.
Der Vater, der schon in die Jahre gekommen war, fand nicht mehr die Kraft, dem Treiben seiner nachgeborenen Söhne Einhalt zu gebieten, schien resigniert zu haben. Es fehlte auch die hütende Hand der Mutter. Diese hatte die Geburt der beiden Knaben, 25 Jahre war das jetzt her, nicht überlebt. Auf das Wagnis einer zweiten Ehe hatte der alte Moor sich nicht mehr eingelassen. Den Verlust seiner Frau schien er insgeheim den Zwillingen anzulasten, vielleicht aber auch dem Arzt, der sie mit einer Zange aus dem Mutterleib befreit hatte. Dieser Akt hatte den Beiden einen etwas schiefen Gesichtszug beigefügt. Der Schädel wies eine unsymmetrische Dellung auf, die, wie es der Zufall wollte, auf der gleichen Seite saß. Der Alte, der ja nicht unschuldig an der Existenz der Zwillinge war, sah ihnen deshalb manche Eskapade, die sie wohl zur Kompensation brauchten, entschuldigend nach. Er hatte ihnen sogar eine kleine eigene Kreditabteilung eingerichtet, hütete sich jedoch, ihnen Zutritt zum eigentlichen Bankgeschäft zu gewähren. Dies sollte seinem Lieblingssohn Karl vorbehalten bleiben. Die Zwillinge hatten ihren eigenen Büroraum. Das Büro des Vaters durften sie nicht betreten. Hielt Maximilian Moor sich nicht in seinem Geschäftsraum auf, so war die Tür sorgfältig verschlossen, der Eingang auch von einer Kamera bewacht, die alles aufzeichnete. Neben diesem Geschäftsraum gab es noch ein Konferenzzimmer, zu dem den Zwillingen ebenfalls der Zugang versagt war.
Hiermit seien die Verhältnisse im Moorschen Haus zur ersten Einsicht kurz skizziert. Die eigentliche Geschichte aber beginnt, als an einem Märztag, einem Sonntagmorgen im Jahr 2016, eine schwarze Mercedeslimousine vorfuhr, der, was leicht zu erkennen war, ein arabischer Scheich entstieg. Nur ein paar Minuten später folgte ein zweiter Wagen.
Franz Moor hatte von seinem Fenster aus die Ankunft der beiden Limousinen beobachtet. Er sah, wie sich das Tor zum Park aufschob, der erste Wagen über den Kiesweg zur Villa fuhr, ein paar Meter vor dem Eingang hielt. Ein livrierter Chauffeur stieg aus, ging zum Fond der Limousine, öffnete die Tür. Woher der Scheich kam, der nun den Wagen verließ, konnte Franz an seiner Kleidung nicht erkennen. Vielleicht aus einem der Emirate, aus Saudi Arabien oder Katar. Er trug ein langes, weißes Gewand, eine Kopfbedeckung, die durch einen schwarzen Reifen gehalten wurde. Der Araber ging mit bedächtigen Schritten auf die Eingangstür der Villa zu, vor der Daniel, der Butler des Hauses, wartete und den Gast mit einer tiefen Verbeugung begrüßte. Nur ein paar Minuten später fuhr der zweite Wagen vor. Wieder stieg zuerst ein Chauffeur aus und öffnete die Tür des Fonds. Den Herrn im dunkelgrauen Zwirn, der sich mit einem kurzen Kopfnicken aus dem Fond des Wagens hob, kannte Franz. Er hatte ihn vor einer Woche in der Tagesschau gesehen, als er ein Interview zur Kontrolle von Waffenlieferungen gegeben hatte. Es war Friedrich Frontzek, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium.
Franz ärgerte sich. Wieder mal hatte der Alte nichts erzählt. Es mussten bedeutende Verhandlungen anstehen. Wahrscheinlich ging es um Millionen oder sogar Milliarden. Vielleicht brauchte der Araber neue Gewehre, Panzer oder Flugzeuge.
Franz sah auf die Uhr. Es war ein paar Minuten nach Zehn. Sein Zwillingsbruder Fritz würde noch im Bett liegen, den Rausch vom Samstagabend ausschlafen. Darauf konnte er jetzt keine Rücksicht nehmen. Er musste ihn wecken. Sie mussten handeln. Allzu lange hatten sie schon verschiedene Pläne aufgeschoben. Franz Moor eilte die Treppe zum ersten Stock der Villa hoch. Das Zimmer, vielmehr die Suite seines Bruders, lag zur Rheinseite hin. Ohne anzuklopfen betrat er den Raum. Fritz lag angezogen auf dem Sofa, schnarchte. Franz begab sich zur Küchenzeile, öffnete eine Schranktür, nahm ein Päckchen Aspirin heraus, schälte zwei Tabletten aus der Folie, löste sie in einem Glas mit Wasser auf. Dann trat er mit dem Glas an das Sofa, rüttelte Fritz an der Schulter. „Steh auf, du Schnarchnase! Wir haben etwas zu besprechen.“
Fritz murmelte irgend etwas, rieb sich die Augen, blinzelte, richtete sich langsam auf. Franz reichte ihm das Glas mit den beiden Aspirin. „Hier, trink erst mal, damit du wieder zu Verstand kommst, falls du überhaupt einen hast.“ Fritz nahm das Glas, trank es in einem Zug leer, stellte es auf den Boden. „Was gibt’s denn?“ fragte er.
„Der Alte hat Besuch. Ein Araber und ein Staatssekretär. Da läuft was.“
„Na und?“ Fritz ließ sich wieder auf das Sofa fallen, schloss die Augen.
„Idiot! Kapierst du denn nichts? Wir müssen unseren Vater endlich dazu bringen, dass er Karl enterbt. Ich habe keine Lust, meinen Ferrari gegen ein Fahrrad zu tauschen. Die Bank soll uns gehören, nicht ihm. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Steh endlich auf!“
Franz packte seinen Bruder am Hemdkragen, zog ihn hoch, zerrte ihn zur Sofakante.
„Ich mache mir erst mal einen Kaffee“, knurrte Fritz. „Dann können wir meinetwegen quatschen.“
„Dir ist offensichtlich nicht klar, worum es geht“, meinte Franz, während sein Zwillingsbruder aufstand, zur Küchenzeile ging und die Espressomaschine anwarf.
„Doch, doch! Du willst die Bank übernehmen und Karl ausschalten. Mich wahrscheinlich auch.“
„Quatsch! Dich doch nicht. Aber dir ist es wohl egal, dass der Alte uns keine Einsicht gibt in die wirklich großen Geschäfte des Hauses. Er achtet peinlich darauf, dass sein Büro abgeschlossen ist, wenn er nicht selber drin hockt. Sollen wir ewig damit zufrieden sein, die Kredite für die kleinen Leute zu verwalten? 3000 Euro, 5000, 8000, vielleicht höchstens mal 12 000. Dann immer darauf achten, ob die Raten pünktlich eingehen. Mahnschreiben abschicken, Schufa einholen, Verdienstbescheinigungen überprüfen, Lebensversicherungen abschließen und so weiter und so weiter. Das ist doch auf die Dauer ätzend. Wir haben nur eine einzige Bankverbindung, die Privatbank in Essen. Sonst nichts. Während der Alte mit der ganzen Welt verknüpft ist. Sind wir mit seinem Computer vernetzt? Nein. Zwischen unserem Büro und seinem gibt es keine Verbindung.“
„Ist doch gut so“, entgegnete Fritz. „Er lässt uns freie Hand.“
„Ja. Bei den kleinen Geschäften, die ihn nicht interessieren. Der hat uns eine Spielbank eingerichtet. Wenn Karl übernimmt, wird das anders aussehen. Möchtest du, dass herauskommt, dass wir uns auch selber Kredite geben? Unter Namen, die es gar nicht gibt.“
„Natürlich nicht.“
„Na also! Dann denk doch mal ein bisschen nach!“
Fritz schwieg eine Weile, während die Maschine einen Espresso ausspuckte. Er kippte einen Löffel Zucker in die kleine Tasse, rührte, nahm einen ersten Schluck. „Wie wär’s denn, wenn wir den Alten entmündigen lassen? Der wird ja sowieso von Tag zu Tag seniler. Wenn er vom Stuhl aufsteht, stöhnt er und reibt sich die Gelenke. Beim Frühstück hält er die Zeitung wegen dem grauen Star dicht vor die Augen.“
Franz schlug sich mit der Hand vor die Stirn. „Entmündigen! Was für ein Blödsinn! Dann übernimmt sofort Karl alle Geschäfte. Außerdem steht der Alte unter Staatsschutz. Den kannst du nicht so einfach entmündigen.“
„Möchte mal gerne wissen, warum er an Karl so einen Narren gefressen hat und nicht an uns“, knurrte Fritz.
„Ja, Bruderherz. Mach dir da mal Gedanken drüber. Wie alt ist der Vater jetzt?“
„78.“
„Quatsch. 81. Wie alt war er bei unserer Geburt?“
Fritz rechnete nach. „56.“
„Und unsere Mutter?“
„Weiß ich nicht genau.“
„Ich aber. 32, mein Lieber. Wir haben sie ja nicht kennen gelernt. Ich habe aber im Album Fotos gesehen. Eine schöne, lebenslustige Frau.“
„Was willst du damit sagen?“
„Dass der Vater gar nicht unser Vater sein muss. Deshalb behandelt er uns wie Kuckuckskinder.“
Fritz setzte die Tasse ab, legte die Stirn in Falten. „Meinst du? Wir können ja eine DNA-Analyse machen lassen.“
„Unsinn! Mir ist doch egal, wer unser Vater ist und wer nicht. Wir müssen die Bank übernehmen.“
„Indem wir den Alten dazu bringen, Karl zu enterben?“
„Sehr schön nachgedacht, Brüderchen. Du wirst langsam wach.“
„Und wie? Wie sollen wir das anstellen?“
„Du erinnerst dich an unser Jahrgangstreffen? Abiturientia 2010. Das war vor sechs Monaten.“
„Ja. Was ist damit?“
„Du erinnerst dich an Markus? Markus Mühlenbeck?“
„Ja. Auch. Warum?“
„Ich habe etwas mehr über ihn erfahren. Der ist nach dem Abitur in den Polizeidienst gegangen, dann wegen irgendeiner Geschichte rausgeflogen. Jetzt wurschtelt er als Privatdetektiv in Bonn herum. Einen reichen Eindruck hat er nicht gemacht.“
„Stimmt. Aber was hast du mit ihm vor?“
„Wir setzen ihn auf Karl an. Wir müssen mehr über unseren Bruder wissen. Vielleicht finden wir ein paar Schwachstellen. Und wenn nicht, wird Mühlenbeck ihm etwas anhängen.“
„Wenn er nicht darauf eingeht?“
„Er wird reichlich entlohnt werden.“
„Hmm.“
„Und noch etwas“, fuhr Franz fort. „Dir gefällt doch auch Karls Freundin, die Amelie.“
„Ja. Süße Schnecke. Warum?“
„Die übernehmen wir gleich mit.“
„Wir? Du. Dir gefällt sie doch auch.“
„Wir teilen sie uns.“
„Wie das denn?“
„Hast du nicht gemerkt, dass sie uns nicht auseinander halten kann? Als Karl mit ihr am Heiligen Abend zu Besuch war, hat sie andauernd unsere Namen verwechselt. Sie hat den Karl immer heimlich gefragt ‚Wer ist wer?’“
„Teilen? Eine Frau teilen?“
„Warum nicht? Dann müssen wir uns nicht jeden Tag und jede Nacht mit einem Weib rumschlagen. Halbe Last, doppelte Lust!“
„Ob die einen von uns überhaupt will?“
„Klar! Geld macht sexy. Und wenn der Karl erst mal hinter Gittern sitzt, will sie von ihm nichts mehr wissen.“
Karl Moor ahnte nichts von der Intrige der Zwillinge. Er mochte die beiden lustigen Vögel und trug ihnen nicht nach, dass sie zum Kummer des Vaters nichts von preußischer Disziplin hielten, sondern lieber einem lockeren Lebenswandel anhingen. „Wer im Glashaus sitzt“, sagte er sich, „sollte nicht mit Steinen werfen.“ Dazu hatte er allen Grund. Denn anders als der Vater glaubte, studierte er in Leipzig nicht Betriebswirtschaftslehre, sondern hatte sich vor einem halben Jahr für einen anderen Lauf der Dinge entschieden. Die monatlichen Überweisungen, die ihm einen gewissen Lebensstandard sicherten, akzeptierte er allerdings und hoffte, bald auf eigenen Füßen stehen zu können. Er war froh, dass zwischen Bonn-Mehlem und Leipzig ein paar Kilometer lagen. So musste er nicht allzu oft zu Hause auftauchen und sich nach dem Stand des Studiums befragen lassen. Im Südwesten Leipzigs, in der Buttergasse, bewohnte er eine bescheiden eingerichtete Dachwohnung. Was die Mobilität betraf, versuchte er erst gar nicht mit den Zwillingen mitzuhalten. Statt eines Ferrari unterhielt er einen Fiat 500 und war zufrieden damit. Und anders als die Zwillinge, die es nur zu kurzen Affären brachten, hatte Karl seit vier Jahren ein und dieselbe Freundin und wollte das auch nicht ändern. Es war eine Woche vor Ostern, als sie abends bei ihm anrief.
„Fahren wir über die Ostertage nach Bonn?“ fragte sie. Statt Mehlem sprach sie immer von Bonn.
„Nein, du weißt warum. Ich habe keine Lust, mich ausfragen zu lassen. Weihnachten reicht erst mal.“
„Wann sehen wir uns? Heute Abend geht allerdings nicht. Ich muss noch eine Klausur vorbereiten.“
„Morgen? Hast du morgen früh Zeit? Ich habe eine kleine Überraschung, möchte dich gerne zum Frühstück einladen. Nicht bei mir, sondern in der alten Fabrik, im Bistro.“
„Hmm. Ich müsste eigentlich lernen. Was ist es denn für eine Überraschung?“
„Verrate ich nur an Ort und Stelle. Du musst es sehen.“
„Spann mich nicht auf die Folter. Sag, was es ist!“
„Du musst es sehen.“
„Du und deine Geheimniskrämerei. Gib mir wenigstens einen Tipp!“
Karl lachte. „Es ist ein kleiner roter Punkt.“
„Und wo ist dieser kleine rote Punkt? Auf deiner Stirn, weil du zum Hinduismus übergetreten bist?“
„Nein. In Halle 14.“
„Jetzt bin ich genauso schlau wie vorher. Aber gut. Um wieviel Uhr?“
„Sagen wir um Zehn. Einverstanden?“
„Okay. Du kannst einen ja richtig neugierig machen.“
Die alte Fabrik war eine ehemalige Baumwollspinnerei im Leipziger Stadtteil Neulindenau. Nach der Stilllegung hatte man das Gelände von altem Staub befreit, und man förderte dort jetzt die Leipziger Kunst- und Kreativszene. Die Hallen aus rotem Backstein hatte man behutsam restauriert, sie in ihrem historischen Äußeren belassen, innen aber modernisiert, geschickt unterteilt und eingerichtet. So hatten in Halle 12 über hundert Künstlerateliers ihren Platz. Daneben gab es dort Galerien, Werkstätten für Designer, Schmuck- und Modemacher, ein Theater, Druckereien, Kino, Tanz- und Choreografiezentren. Selbstverständlich gab es auf dem weitläufigen Gelände auch ein Bistro, ein Restaurant, einen Biergarten. Eine andere Halle, Halle 14, war in viele Segmente unterteilt und diente als Ausstellungsareal. Karl hatte ein eigenes kleines Atelier von etwa 20 Quadratmetern in der Halle 12 gemietet.