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Nach dem Tod seiner Frau hat der alte Hans Petermann drei Jahre lang nur apathisch herumgehangen, Whisky getrunken, auf den Fernseher geglotzt, an die Zimmerdecke gestiert, seine Wohnung nicht verlassen. Ein Zulieferdienst hat ihn versorgt, und auch der Nachbar im Haus hat sich um ihn gekümmert. Doch dann sagt sich Petermann "ohne Frau geht nichts", rappelt sich wieder auf, meldet sich bei der internationalen Plattform "Diamond Dating" an, entscheidet sich für die Länder Kolumbien und Brasilien, will schließlich sieben Frauen treffen. Obwohl ihm sein Nachbar dringend abrät, setzt sich der nun 88jährige Petermann in den Flieger und landet zunächst in Rio. Eine turbulente Geschichte beginnt.
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Seitenzahl: 80
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Personen und Handlung sind frei erfunden, Ähnlichkeiten oder gar Übereinstimmungen mit Namen rein zufällig.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Dem alten Petermann war die Frau gestorben. Da war er 85, die Frau hatte es auf 82 gebracht. Drei Jahre lang blieb Petermann in gelähmter Trauer in seiner Wohnung, ließ sich durch Zulieferdienste das Nötigste bringen. Ein Whisky war immer dabei. Die Mitbewohner im Haus nannten ihn schon Whisky-Hans. Ich bat sie um Nachsicht. „Er hat seine Frau verloren“, sagte ich. „Da kann man das doch verstehen.“ Manchmal ging ich für ihn einkaufen.
Hans Petermann war der Nachbar, der in dem Miethaus in Andernach über mir wohnte. In diesen drei Jahren bestand seine Tätigkeit aus Sitzen, Schlafen, Trinken, in die Fernsehkiste glotzen. In den Jahren zuvor, als Änne, seine Frau noch lebte, hatten wir ab und zu Schach gespielt, saßen im Sommer auf seinem Balkon, rauchten, ich trank mein Bier, er dazu einen Kaffee, um nüchtern zu bleiben und klar denken zu können, versagte sich aber nicht die Zigarette. Im Winter waren wir in seinem Wohnzimmer, oblagen den gleichen Gewohnheiten, gegen die Änne nie protestierte. Sie war eine freundliche, tolerante Frau, die sich nicht über den Rauch beschwerte. Finanziell ging es den Petermanns gut. Beide bezogen eine Rente. Ihn hatte ich noch nicht nach seinem früheren Beruf gefragt. Sie hatte ein Schuhgeschäft geführt.
Es war Anfang Februar 2025, als Petermann auf einmal bei mir klingelte. Ich öffnete, war überrascht, dass er endlich die Treppe gefunden hatte. Ich staunte. Denn er sah frisch und erholt aus, roch angenehm nach irgendeinem Parfüm.
„Oh!“ sagte ich. „Ein Wunder ist geschehen.“
„Da wird es auch noch mehr von geben. Ohne Frau ist das Leben fürchterlich.“
Wir spielten Schach in meinem Wohnzimmer. Seinen Whisky hatte er mitgebracht. „Welche Wunder wird es geben?“ fragte ich neugierig.
„Ich werde nach einer neuen Frau suchen.“
„Mit 88?“
„Ja, mit 88. Ich bin einer Dating-Plattform beigetreten.“
„Das funktioniert doch nicht in unserem Alter. Die meisten Frauen dort suchen Nichtraucher. Am besten auch nichts trinken. Die Altersgrenze für Männer liegt bei 69. Oder sie wollen erheblich jüngere. Die Idee kannst du dir abschminken.“
Ich sprach aus Erfahrung. Meine Freundin hatte ich in solch einem Forum mit 65 gefunden. Wir führten eine Wochenendbeziehung, die wegen des seltenen Sehens stabil war. Ich war jetzt 72, hatte als Schriftsteller an den Werktagen genug zu tun, beklagte mich nicht über die Einsamkeit, hatte mich daran gewöhnt. Was Petermann da vorhatte, schien mir von vorneherein zum Scheitern verurteilt.
„Geh lieber ins Pflegeheim“, schlug ich ihm vor. „Da findest du noch was. Hier in Deutschland ist das aussichtslos, in freier Wildbahn auf eine neue Liebe zu treffen.“
„Hier suche ich ja auch gar nicht“, meinte er. „Mein Forum heißt ‚Diamond-Dating‘. Da kann man sich die Länder aussuchen. Ich habe mich für Kolumbien und Brasilien entschieden. Da ist die Altersgrenze anders. Da sucht die Fünfzigjährige noch einen Mann zwischen 60 und 99. Und da gibt es auch Dreißigjährige oder noch jüngere, die solch einen Mann suchen. Aber das sind wahrscheinlich solche, die nur hinter dem Geld her sind und auf deinen Tod warten. Oder es sind mit KI gebastelte Fakes und Fotos, hinter denen irgendein Gangster steckt. Aber die mit 50 oder 60 meinen es meistens ernst. Manchmal auch die mit 40.“
„Du hast dich auf dieser Plattform schon umgesehen?“
„Ja. Seit zwei Wochen. Es belebt mich. Ich werde wieder unternehmenslustig. Ich tausche mit dreißig Frauen E-Mails aus. Die meisten wohnen in Kolumbien und Brasilien. Auf diese beiden Länder werde ich mich konzentrieren. Es sind sehr schöne, muntere Frauen. Ich könnte dir Fotos zeigen, da würdest du deine Wochenendbeziehung an den Nagel hängen.“
„In welcher Sprache kommuniziert ihr denn miteinander? Sprichst du Spanisch und Portugiesisch?“
„Noch nicht so richtig. Aber ich habe angefangen zu lernen. Mit Buch und CD’s.“
„Und du behältst die Wörter in deinem gesegneten Alter?“
„Ich wiederhole sie ständig. Bei den Nachrichten von den Frauen behelfe ich mir mit dem Übersetzer von Google. Das funktioniert sehr gut. Aber manche Damen sprechen auch Englisch. Telefonieren geht natürlich nicht. Aber das kommt noch. Mit einigen verständige ich mich auch schon über WhatsApp. Schriftlich. Da habe ich Zeit, mir alles von Google übersetzen zu lassen.“
„Du selbst hast ein aktuelles Foto ins Netz gestellt?“
„Nein. Eins von vor 18 Jahren.“
„Das merken die doch, wenn ihr euch treffen solltet.“
„Nein. Ich habe mir Antifalten-Cremes kommen lassen. Und Peeling-Masken und Gelee-Royal. Die Ernährung habe ich auf ‚gesund‘ umgestellt. Viele Säfte und Gemüse. Der Whisky allerdings soll mir nach wie vor schmecken. Aber ich trinke weniger.“
Erst da fiel mir auf, dass er noch keine einzige Zigarette geraucht hatte, während bei mir schon drei Kippen im Aschenbecher lagen.
„Du rauchst nicht mehr?“ fragte ich erstaunt.
„Man muss für so ein Unternehmen Opfer bringen“, antwortete er. „Nicht zu rauchen verbessert das Hautbild. Jetzt steht noch der Gang zum Zahnarzt bevor, damit die Beißerchen aufgehellt werden.“
„Du spinnst!“, meinte ich. „Man kann die Zeit nicht zurückdrehen, das Altern aufhalten.“
„Nein, kann man nicht. Aber das Aussehen verbessern. So, wie ich vor zwei Wochen noch ausgesehen habe, hätte mir jede Frau die Tür vor der Nase zugemacht. Da ähnelte ich dem Bärenhäuter aus dem Grimmschen Märchen. Wuchernder Bart, Zottelhaare. Da ich alleine war, musste ich auch nicht duschen.“
„Du warst beim Friseur, bist endlich mal wieder rausgegangen?“
„Ich habe ihn kommen lassen. Wie ich ausgesehen habe, konnte ich ja nicht unter die Leute.“
„Welches Foto von dir hast du denn ins Netz gestellt?“
„Mehrere. Eins von vor 18 Jahren. Da sitze ich mit Baseballkappe und Sonnenbrille an irgendeinem Strand, weiß nicht mehr, wo das war, lächle in die Kamera. Ein recht lässiges Foto. Ein zweites stammt aus der Zeit, als ich noch Tennis spielte.“
„Ist das nicht Betrug?“ fragte ich. „Welches Alter hast du denn im Profil angegeben?“
„72. Ich nähere mich dem wieder.“
Ich schüttelte den Kopf. Das letzte Mal hatte ich Petermann vor zwei Monaten gesehen, als ich für ihn bei REWE einkaufen war. Es stimmte. Er sah jetzt erheblich frischer und munterer aus. Aber die Zeit optisch um 16 Jahre zurückzudrehen, konnte wohl kaum gelingen. Sollte er je eine der Damen treffen, würden die bei einer Tasse Kaffee nur aus Höflichkeit bei ihm sitzen bleiben.
„Und was hast du jetzt weiter vor?“
„Noch diesen Monat fliege ich nach Rio de Janeiro. Da habe ich drei Bräute sitzen. Danach kommt Cartagena de Indias an der kolumbianischen Karibikküste. Da sind es vier. Bei meiner Auswahl habe ich darauf geachtet, dass sie alle einen Reisepass besitzen. Ich will ja nicht alleine zurückkommen. Vielleicht bleibe ich auch da. Der Winter hier ist scheußlich. Und überhaupt die Stimmung in dem Land. In Kolumbien und Brasilien ist das ganz anders. Lebenslustig, freundlich, tolerant. Da kommen alle Hautfarben gut miteinander aus.“
Ich lehnte mich in meinem Sessel zurück, schüttelte wieder den Kopf. „Übernimmst du dich nicht mit so einem Projekt? Du bist ja nicht mehr der Jüngste.“
„Ach was! Es belebt mich.“
„Verzeih mir die intime Frage. Wie ist das denn mit dem Sex? Du nimmst ein Päckchen blaue Pillen mit?“
„Nein. Mein Viagra ist eine schöne Frau.“
„Wie alt sind die Damen denn, die du treffen willst?“
„Alle zwischen 40 und 64. Da geht noch was. Du kannst nach der Schachpartie mit nach oben kommen. Dann zeige ich dir die Fotos.“
Er hatte meine Neugierde geweckt. Nach dem Schachspiel ging ich mit ihm in seine Wohnung.
Die Wohnung wirkte sehr aufgeräumt, sauber. So als hätte eine Frau ihre Hand im Spiel. Ich hatte die Behausung noch anders in Erinnerung. Da war alles wahllos verstreut. Hosen, Strümpfe, Hemden. Die Whiskyflaschen stapelten sich in der Wohnzimmerecke. Er hatte sie entsorgt und die Textilien wahrscheinlich ordent lich im Kleiderschrank verstaut. Als ich an der Küche vorbeikam, konnte ich einen kurzen Blick hineinwerfen. Da lagen keine angeschimmelten Pizzareste oder Brotscheiben mehr auf der Arbeitsfläche. Ich hatte mir schon Sorgen um Petermann gemacht. Dass er auf dem Weg zum Messie wäre. Denn er hatte auch alle Kartons der Zulieferer aufbewahrt. Die waren weg, verengten nicht mehr den Weg durch den Flur. Na ja, dachte ich, das ist wenigstens ein erstes, schönes Ergebnis seines Projekts. Der glaubt wirklich, dass er mit einer Frau zurückkommt. Auch sein Arbeitszimmer war aufgeräumt.
Er fuhr den Computer hoch. Er hatte einen zweiten Stuhl geholt. Ich saß neben ihm, war gespannt, was er mir zeigen würde.
„So, da haben wir es ja, ‚Diamond Dating‘. Ich fang mit Rio an.“
Er scrollte sich durch die Fotos und Profile, klickte auf ein Foto. „Eine recht hübsche, noch jung aussehende Frau erschien. „Das ist Kiara“, sagte Petermann. „63 Jahre. Ist sie nicht süß!? Haut wie Milchkaffee, lange, schwarze Haare und ein warmes, ansprechendes Lächeln. Und die Figur! Wie eine Venus steigt sie am Strand aus dem Wasser. Einfach super. Sie sucht eine ernsthafte Beziehung. Und guck mal, was sie dazu schreibt. Der Betreiber des Forums lässt, was sie auf Portugiesisch schreibt, direkt ins Deutsche übertragen.
Ich beugte mich etwas zum Bildschirm vor und las: „Suche einen zuverlässigen, treuen Mann zwischen 60 und 90, eine wahre Liebe, um das gemeinsame Leben zu beenden.“