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Koinzidenz. An ein und demselben Tag widerfahren Henry Haller zwei schicksalhafte Ereignisse. Ein schönes und ein weniger schönes. Wegen eines Wasserschadens wird er aus seiner Wohnung vertrieben, findet aber im Briefkasten die Nachricht eines spanischen Notars, dass er ein Haus seiner ausgewanderten Tante geerbt hat. Haller fährt nach Spanien, wird aber kurz vor dem Ziel von seiner Navi-App in die Irre geführt und bleibt mit dem Wagen in einer engen Gasse des Bergstädtchens Quesada stecken. Als er über das Dach aus seinem Cabrio klettert, steht hinter ihm eine Frau in der Haustüre und lacht.
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Seitenzahl: 86
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Personen und Handlung sind frei erfunden, Ähnlichkeiten oder gar Übereinstimmungen mit Namen rein zufällig.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Zufall oder Fügung? Es kann passieren, dass zwei schicksalhafte Ereignisse des Lebens auf ein und denselben Tag zusammenfallen. Ein schönes Ereignis und ein weniger schönes. So war es bei mir an einem Montagmorgen – es war der 15. Juli 2024 – geschehen. Fangen wir mit dem weniger schönen Ereignis an. Doch zunächst möchte ich mich kurz vorstellen. Ich heiße Henry (eigentlich Heinrich) Haller, bin 65 Jahre, seit drei Monaten verrentet, wohne möbliert in dem schönen Städtchen Andernach am Rhein. Die Wohnung ist nicht besonders groß, 60 Quadratmeter. Das Übliche: Schlaf- und Wohnzimmer, Küche, Diele, Bad. Das Juwel der Wohnung aber ist ein kleiner Balkon, von dem aus ich den Schiffen auf dem Rhein zusehen kann. Das Haus selbst ist ein grauer Betonbau mit fünf Mietparteien. Ich wohne im ersten Stock, und sitze ich auf dem Balkon, muss ich mir die öde Fassade des Kastens nicht ansehen. Wenn Sie, liebe Leserin, lieber Leser, noch wissen möchten, als was ich gearbeitet habe, sage ich es. Ich war 35 Jahre Chemotechniker in einem Koblenzer Umweltlabor, saß von Montag bis Freitag täglich acht Stunden an einem Chromatographen, analysierte Luft- und Wasserproben. Kohlendioxid und Stickoxide in der Luft, im Wasser z.B. Phenole. Von meiner Arbeit her weiß ich, dass die ganze Klimahysterie Blödsinn ist. Das muss man sich einmal vorstellen: 0,04 Prozent Kohlendioxid in der Luft sollen angeblich verhindern, dass die Abgabe von Infrarotstrahlung, also Wärme, in die Atmosphäre verhindert wird. Das ist ungefähr so, als würde man auf einen Topf einen Deckel setzen, der zu 99,96 Prozent aus einem Loch besteht. Würde solch ein Deckel, wenn Wasser in dem Topf kocht, den aufsteigenden Dampf zurückhalten? Mitnichten! Mit dem Märchen vom Kohlendioxid werden wir an der Nase herumgeführt. Wahrscheinlich geht es wie immer um versteckte Profitinteressen. Das Klima hat sich immer im Laufe von Millionen Jahren geändert. Wäre es nicht so, würden vor meiner Haustür noch Dinosaurier herumlaufen. Meiner Überzeugung nach liegt die Klimaänderung an der nicht konstanten elliptischen Umlaufbahn der Erde um die Sonne. Oder ebenso an der nicht konstant liegenden Erdachse. Das Kohlendioxid jedenfalls, wie wir aus chemischen Experimenten wissen, ist unschuldig. Allein von der Molekülkonfiguration und der Elektronenstruktur und dem fehlenden Dipolcharakter her kann es kein Treibhausgas sein. Wozu ich dieses chemische Wissen hier anführe? Weil es mein Misstrauen gegenüber Manipulierung und Reglementierung erheblich verstärkt hat. Märchenerzählungen gehören in die Grimmschen KHM, die Kinder- und Hausmärchen der Kasseler Professorenbrüder. Da mag man sich an Rapunzel, am Dornröschen und am Rotkäppchen erfreuen und sich unterhalten lassen. Ich jedenfalls glaube auch nicht an den Weihnachtsmann oder den Osterhasen.
Was sollte man noch zu meiner Person wissen? Ach ja, die Frauen! Die große, beständige Beziehung ist mir nie gelungen. Affären ja. Mit diskussionsfreudigen Emanzen, mit geheimnisvollen Esoterikerinnen. Am liebsten waren mir die frechen, geilen Weiber. Mein Motto, nach dem ich bis jetzt nicht gehandelt habe, war: Ich brauche zum Leben nur einen Rucksack und eine Frau, die mich liebt.
Aber als arbeitender Kleinbürger habe ich das nie umgesetzt. Die Anzahl meiner Affären halte ich für bescheiden. Keineswegs ist es so, wie in einem Roman des Kolumbianers Gabriel García Márquez – ‚Die Liebe in den Zeiten der Cholera‘. Da liest der betagte Firmino seine Tagebücher, zählt die Frauen, mit denen er geschlafen hat, und kommt auf 422. Ich komme nur, falls ich nicht teildement bin, auf acht. Was mir für fünfzig Jahre Liebesleben nicht besonders viel erscheint. Ich bin kein George Clooney oder Brad Pitt, dem die Frauen hinterherjagen. Am Morgen nach dem Aufstehen vermeide ich es, in den Spiegel zu schauen, um nicht über ein zerknittertes Gesicht zu erschrecken. Und ich glaube auch nicht an das Wunder, dass mir über Nacht wieder Haare auf dem Kopf gewachsen sind. So viel oder so wenig also zunächst über meine Person. Nun aber zu dem weniger schönen Wendepunkt an jenem 15. Juli 2024.
Ich wohne, wie schon erwähnt, in einem betagten Betonkasten, in dem die Wasserrohre uralt sind. Gesetzlich sind sie auch gar nicht mehr zugelassen. Die Wohnung habe ich möbliert gemietet. Der Besitz einer Immobilie, also von der Wortbedeutung her etwas Unbewegliches, fängt bei mir schon bei einem Tisch, Stuhl oder eigenem Schrank an. Da habe ich lieber Sachen, die man in einen Koffer oder Rucksack packen kann. Möbliert zu mieten war mir sehr recht. Das Unheil bahnte sich schon im Sommer 2023 an. Da beschloss der Eigentümer des Kastens, ein Schokoladenfabrikant aus Wuppertal, den altersschwachen Bau zu verkaufen. Ich vermute, er tat es in geschickter Voraussicht der kommenden Sanierungen. Für mich war es unangenehm, den beauftragten Makler mit Kaufinteressierten durch meine Wohnung wandern zu sehen. Anfang 2024 war es dann so weit. Eine noch junge, mehr oder weniger reiche Blonde aus Wuppertal hatte zugeschlagen. Sie übernahm meinen Mietvertrag. Anfang April dann ein zunächst kleines Malheur. In dem Badewannenrohr der Wohnung über mir war ein Riss entstanden. Etwas Feuchtigkeit rieselte an meiner Schlafzimmerwand herunter. Eigentlich ein Bagatellschaden. Keine Überflutung wie im Ahrtal. Eine feuchte Tapetenbahn habe ich entfernt. Mit dem Schaden konnte ich leben, also mit der feuchten Wandstelle im Schlafzimmer. Nachts ist es sowieso dunkel und ich mache die Augen zu. Über drei Monate geschah nichts. Dann aber tauchten am 6. Juli der ehemalige Besitzer und die Blonde bei mir auf und verkündeten, dass am 15. Juli, einem Montag, ein Trocknungstrupp der Firma WSN kommen würde, um die Wände auszutrocknen. WSN übersetze ich mir mit ‚Wasserschaden-Nutznießer‘. Es handelt sich um einen Bonner Konzern mit über 100 Niederlassungen, bevorzugt in vom Hochwasser gefährdeten Gebieten. So viele Niederlassungen sie haben, so viele Rechtsanwälte werden auch beratend zur Seite stehen. Ich protestierte wegen dem kurzfristigen Termin. Wie sollte ich innerhalb einer Woche eine neue Wohnung finden? Denn wenn Trocknungsgeräte aufgestellt werden, machen die wochenlang Tag und Nacht, Lärm, lassen die Temperatur in der Wohnung auf über 40 Grad steigen. Und diese Geräte laufen dann auch zunächst über meinen Stromzähler, so dass ich eine saftige Rechnung zu erwarten hatte. Bei diesem Besuch an einem Sonntag bat ich um eine längere Frist, was die kühle Blonde aber ablehnte. Ich verkündete, den Trocknungstrupp nicht in die Wohnung zu lassen und einen Anwalt zu Rate zu ziehen. Was mir merkwürdig vorkam und mir unangenehm auffiel, beide sind in einem Motorradclub und sind mit der ganzen Gang gekommen. So etwas kennt man von Inkasso-Unternehmen. Es dient der Einschüchterung. Die Jungens saßen in schwarzer Ledermontur unten auf der Treppe. Ich empfand es als Drohkulisse. Die Einzelheiten des Deals zwischen ehemaligem Vermieter und der neu installierten Vermieterin kenne ich nicht, vermute indes, dass ein rechtlich umstrittenes Eigentümer-Besitzer-Verhältnis vorliegen könnte, kurz EBV genannt. Am Abend erhielt ich dann einen Anruf des vorigen Eigentümers: „Henry, ich will dich schützen. Lass es nicht auf einen Rechtsstreit ankommen! Ich hatte so ein Verfahren schon einmal mit einer Mieterin. Sie ist darüber gestorben.“
Wie soll ich mir diese Aussage interpretieren? Ist es nicht eine indirekte Todesdrohung, falls ich einen Anwalt hinzuziehe? Heißt doch: So etwas überlebst du nicht. Außerdem erklärte mir der Schokoladenfabrikant, ich sei dann für die gesamte Bausubstanz verantwortlich, was meinen finanziellen Ruin bedeuten würde, da ich die Sanierung des maroden Kastens verhindert hätte und für alle Folgeschäden aufkommen würde.
Natürlich bin ich trotzdem zu einem Anwalt für Mietrecht gegangen. Der hat nur den Kopf geschüttelt. „So eine Maßnahme braucht sechs Wochen Vorlauf und muss schriftlich angekündigt werden. Sie müssen diesen Trocknungstrupp nicht in Ihre Wohnung lassen. Da passiert nichts.“
In den folgenden Tagen überlegte ich mir, was mir lieber sei. Die Nerven in Prozessen zu ruinieren oder wie Albert Einstein einmal sagte, in Ruhe vertrotteln dürfen. Ich entschied mich für das Vertrotteln. Irgendwann würden die Trocknungsmänner der WSN ja doch kommen.
Montagmorgen, 15. Juli, 8 Uhr. Es klingelt. Der Trocknungstrupp ist da. Ich öffne, biete den Jungs sogar Kaffee an. Dann hole ich meinen Fiat 500 aus der Garage. Gott sei Dank ein Cabrio, wie es sich später als segensreich erweisen wird. Ich fahre nach Maria Laach, um dort in der Basilika am Marienaltar eine Kerze aufzustellen und um himmlischen Beistand zu bitten. Gegen Elf bin ich wieder zurück in Andernach, öffne, bevor ich das Haus betrete, den Postkasten. Ein Brief ist gekommen. Ich werfe einen Blick auf das Kuvert. Eine spanische Briefmarke. Ich wundere mich. Absender ist ein Notar aus Albacete. Mit dem Brief in der Hand eile ich nach oben zu meiner Wohnung, öffne die Tür. Hitze schlägt mir entgegen. Die Handwerker sind weg. Was für ein Chaos! Drei lärmende Trockengeräte. Im Schlafzimmer, im Bad und in der Küche. Die Küche haben sie demontiert. Die Einbauschränke stehen im Wohnzimmer, versperren den Weg zum Balkon. Auch das Bad haben sie auseinandergenommen, die Kacheln weggeschlagen. Um meinen urinalen Drang zu stillen, pisse ich vom Balkon hinunter auf die Straße. Ich habe keine Waschbecken mehr und die Toilettenschüssel lagert neben meinem Schreibtisch. Ich zwänge mich an der Schüssel vorbei, setze mich, öffne den Brief. Es ist ein Schreiben der ‚Notaria‘ Miguel Navarro aus Albacete. Ich habe ein Haus geerbt in Cazorla, in der spanischen La Mancha. Manchmal ist von ‚Casa‘ die Rede, dann wieder von ‚Propriedad‘, was ich mir fälschlich zunächst mit ‚Eigentum‘ übersetze. Ich bin aus meiner Wohnung vertrieben, besitze aber auf einmal ein Haus. Alles passiert an ein und demselben Tag. Der Notar will wissen, ob ich das Erbe antrete oder nicht. Es ist klar: Ich muss also nach Spanien und mir das Haus erst einmal ansehen. Könnte ja sein, dass es sich um eine Bruchbude handelt, deren Renovierung viel kosten wird. Dann müsste ich das Erbe ablehnen. Das Traurige an der Geschichte ist: Tante Tiene ist tot.
Tante Tiene, Christine Haller, war die um zehn Jahre jüngere Schwester meines Vaters und das schwarze Schaf der Familie. Missfallen haben meinem frommen Clan allein schon die Tätowierungen, am linken Oberarm einen