Bekehrung einer frommen Hure - Rüdiger Schneider - E-Book

Bekehrung einer frommen Hure E-Book

Rüdiger Schneider

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Beschreibung

Pater Daniel lebt als sogenannter malender Künstlerbruder in einem Benediktinerkloster. Als er eines Tages ein Beichtgespräch mit einer schönen Prostituierten führt, verliebt er sich in sie und stürzt in einen Konflikt zwischen monastischem Leben und der unwiderstehlichen Sehnsucht nach den Armen einer Frau.

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Personen und Handlung sind frei erfunden, Ähnlichkeiten oder gar Übereinstimmungen mit Namen rein zufällig.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

1

Pater Daniel stapfte gedankenversonnen durch den frisch gefallenen Schnee der Abteikirche zu. In einem dichten Schleier waren in der Nacht die Flocken heruntergerieselt und die Schneedecke hatte sich auch jetzt noch, am frühen Nachmittag, gehalten. In seinem schwarzen, für die Benediktiner bezeichnenden Habit, bildete er einen scharfen Kontrast zu dem blendenden Weiß, auf das von einem klaren, blauen Himmel die Sonne fiel.

Nach dem Mittagessen im Refektorium, dem Speisesaal der Mönche, war er in das Atelier gegangen, hatte zwei, drei letzte Striche an das Marienbild gelegt und auf den Abt gewartet, der, bevor ein Kunstwerk in den Verkaufsladen kam, die Erlaubnis geben musste. Mit der Hand das Kinn umfassend hatte der Abt vor der Staffelei gestanden und dann den Kopf geschüttelt.

„Bruder Daniel“, hatte er gesagt, „im Gesicht sehe ich etwas Wildes, Zigeunerhaftes. Das ist nicht unser Stil. So kann das Bild nicht in den Kunstladen kommen. Das ist nicht Maria. Du hast an Magdalena, die Sünderin, gedacht.“

„Wissen wir denn, wie die heilige Jungfrau ausgesehen hat?“ hatte Pater Daniel eingewandt. „Nein, wir wissen es nicht. Wir benutzen sie als Projektion unserer Ideen. Warum sollte sie nicht auch etwas Wildes haben? Sie war eine besondere Frau, schön, gewiss. Warum sollte zur Schönheit nicht auch das gehören, was du ‚wild‘ nennst. Ich nenne es Vitalität.“

Der Abt hatte wieder den Kopf geschüttelt. „Unser Marienbild ist eine unverbrüchliche Säule des Glaubens. Mit diesem Gemälde bewegst du dich am Rande der Ketzerei. Mir ist aufgefallen, dass dich seit einiger Zeit ein Kummer bedrückt, ein grüblerischer Zweifel. Du weißt, was der heilige Benedikt gesagt hat: ‚Der Zweifel ist der Geselle des Teufels.‘ Widerstehe den Anfechtungen, die uns von Zeit zu Zeit befallen. Gehe zur Abteikirche, bleibe im ‚Paradies‘ stehen, sieh dir das lachende Teufelchen an, das auf Pergament unsere Sünden aufschreibt. Verharre dort eine Weile und meditiere! Danach gehe in die Kirche, bleibe im vor dem Christusmosaik stehen und denke an das Johanneswort: ‚Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben!‘ Danach magst du dich an ein neues Bild begeben. Du weißt, wie sehr ich deine Kunst schätze. Aber diese Maria, nein, das geht nicht!“

Das sogenannte ‚Paradies‘ war ein Vorbau der Abteikirche, ein nahezu quadratisches Atrium mit offenen Arkaden, an deren Kapitellen fein gearbeite Plastiken waren. In der Mitte eines Innenhofes befand sich ein kleiner Garten mit einem sprudelnden Brunnen. Um in die Basilika zu gelangen, musste man das ‚Paradies‘ durchschreiten. An einem der Kapitelle lachte einem das Teufelchen entgegen, mit Stift und Pergament und einem Gesichtsausdruck: „So, jetzt hab‘ ich dich!“

2

Vor dem Teufelchen verharrte Pater Daniel eine Weile, hing seinen Gedanken nach. War der Zweifel eine Sünde? Was wäre gewesen, wenn Kolumbus weiterhin geglaubt hätte, dass die Erde eine Scheibe sei? Was, wenn Galilei weiter an dem Glauben festgehalten hätte, die Sonne drehe sich um die Erde? Gewiss, so sah es aus. So konnte man denken. Man sah die Sonne am Ostrand aufsteigen, einen Halbkreis um die Erde beschreiben und am westlichen Ende einer Scheibe versinken. Aber die Wirklichkeit war anders. Was war mit ihm, Daniel, los? War sein Zweifel eine Ungewissheit, ein Schwanken zwischen Glauben und Unglauben, eine Anfechtung, wie sie sich im Mönchsleben hin und wieder ereignete und die man zu bekämpfen, zu besiegen hatte? War man nicht unverbrüchlich an das dreifache Gelübde gebunden – Armut, Gehorsam, Ehelosigkeit? Die Armut empfand er nicht als belastend. Im Gegenteil: Die Armut, oder nennen wir sie lieber Bedürfnislosigkeit, war in Wirklichkeit ein Reichtum, befreite von materiellen Anhaftungen und Sorgen. Sorgen um Geld, einen Kontostand, Arbeit oder Arbeitslosigkeit, ein Haus, Ratenzahlungen und Vieles mehr. In der Gemeinschaft der Mönche war man versorgt und geborgen, solange man die Regel des heiligen Benedikt befolgte: ‚Bete und arbeite!‘

Mit dem Gehorsam war es etwas schwieriger. Das eigene Denken schien ausgeschaltet. Man war auf eine geistige Schiene gesetzt, die nicht unbedingt richtig sein musste und Zweifel hervorrufen konnte.

Ja, und die Ehelosigkeit, das hatte sich im Laufe der Jahre als sein größtes Problem gezeigt. Konnte man die weibliche Welt so einfach ausblenden? Gehörte sie nicht zum Kosmos, zur Schöpfung dazu? Wie oft hatte es sein Herz angenehm berührt und höher schlagen lassen, wenn er beim Besuch des klösterlichen Kunstladens eine schöne Frau gesehen hatte! Das innerliche Bild nahm er mit in seine Zelle und wurde es lange Zeit nicht los und er bedauerte, dass ihm das Abenteuer, die Femininität zu spüren, zu erleben, versagt war. Konnte man nicht auch zusammen mit einer Frau an Gott glauben, ihn finden, von ihm gefunden werden? Haut an Haut durch die Berührung eines weiblichen Körpers. Schlag an Schlag mit einem anderen Herzen. Welle an Welle gemeinsamer Gedanken. War es richtig, sich ungeteilt, ohne die Turbulenzen, die eine Frau verursachen konnte, dem monastischen Leben hinzugeben? War das, was er machte, wie er lebte, eine unhaltbare, theoretische Konstruktion? Ein Ausschlussverfahren, das zum Scheitern verurteilt war? Warum war dieses Gefühl, für Gott berufen zu sein, nicht konservierbar? Er dachte an jenen Moment der Berufung. 21 Jahre alt war er gewesen, im Tiefschnee mit einem Fell unter den Skiern einer Hütte entgegen gestiegen, um von dort die Abfahrt zu wagen. Es war in den Bergen ein kristallklares Licht, die Sonne blendete im Schnee. In der ihn umgebenden Stille hatte er die Schöpfung gespürt, Gottes Flüstern gehört, war im Schnee auf die Knie gesunken, von diesem Moment an einer geheimnisvollen Schönheit verfallen und hatte gelobt, sein Leben Gott zu weihen. Aber seit einigen Jahren, er war jetzt 58, bedrängten ihn mehr und mehr die Zweifel. Die Befürchtung schlich sich ein, etwas Fundamentales verpasst zu haben, wider die eigene Natur zu leben. Warum sollte Maria nicht auch, wie der Abt es ausgedrückt hatte, etwas Wildes und Zigeunerhaftes haben? Eine Irritation, die dem allgemeinen Bild von ihr widersprach. War es schlimm, wenn sie auf seinem Bild Maria Magdalena glich? Einer Maria Magdalena, die nach dem Evangelium von Lukas als Frau von schlechtem Ruf zu einer Gesellschaft gestoßen war, bei der auch Jesus zu Gast war. Sie hatte ihm mit ihren Tränen die Füße gereinigt, sie mit ihrem Haarschopf getrocknet, zärtlich geküsst und mit Salböl eingerieben. Jesus hatte sie dafür geliebt. Was also sollte daran verboten sein, dem Marienbild diese Züge zu geben? Waren die gemeinläufige Vorstellung und die zahlreichen kitschigen Darstellungen nicht ein Spiegel absurder Projektionen? Sicher, es gab auch sogenannte ‚schöne Madonnen‘, ansprechende Gemälde und Skulpturen einer anrührenden mütterlichen Schönheit, aber fehlte nicht auch da die Irritation durch eine geheimnisvolle, weibliche Anziehungskraft? Durch das, was der Vater Abt als ‚wild‘ und ‚zigeunerhaft‘ bezeichnet hatte.

3

Nach dem Berufungserlebnis hatte er das begonnene Jurastudium an den Nagel gehängt, hatte umgesattelt auf katholische Theologie, war nach dem ‚Magister Theologiae‘ ins Priesterseminar gegangen und hatte nach weiteren Stationen als Diakon und Neupriester eine kleine Gemeinde in einem Eifeldorf übernommen.