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Vom riskanten Tanz auf der Rasierklinge zum befreienden Samba in Rio de Janeiro. Ein Spiel mit Dichtung und Wahrheit.
Das E-Book Samba! Maria wird angeboten von BoD - Books on Demand und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
Brasilien,Rio de Janeiro,Liebe,Abenteuer,Carioca
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Seitenzahl: 61
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Personen und Handlung sind frei erfunden, Ähnlichkeiten oder gar Übereinstimmungen mit Namen rein zufällig.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Es war alles zusammengekommen. Seit acht Monaten war ich Witwer, und nur eine Woche nach der Bestattung gab es den Wasserschaden in der Wohnung über mir. Eine Wand in unserem, jetzt leider nur meinem Schlafzimmer, war feucht geworden. Nur wenig. Eine Bagatelle. Aber eine auf solche Schäden spezialisierte Firma zerlegte mir zusätzlich Küche und Bad, stellte Trocknungsgeräte auf, die wochenlang Tag und Nacht liefen, höllisch brummten und Hitze verbreiteten. Das Wasser, das sie sammelten, hatte ich täglich zu entsorgen. Ich konnte nicht kochen, nicht duschen. Das Pinkeln erledigte ich voller Missachtung vom Balkon aus in den Vorgarten. Für größere Geschäfte wanderte ich frühmorgens in den nahen Park. Sollte sich doch ruhig einer der Nachbarn beschweren und die Polizei kommen. Was würden sie sagen?
„Herr Schönbrunn, ihre Nachbarin im Haus nebenan hat sich beschwert. Sie verrichten ihr flüssiges Geschäft vom Balkon aus? Das geht nicht. Sie nimmt Anstoß daran. Das dürfen Sie nicht machen. Dazu gibt es eine Toilette.“
„Ich habe keine. Das Bad ist wegen eines Wasserschadens abgebaut samt Toilettenschüssel. Seit acht Monaten. Kein Handwerker lässt sich blicken. Was soll ich machen?“
„Aber Herr Schönbrunn, so geht das aber nicht. Wir leben in einem zivilisierten Land. Ihre Personalien bitte.“
„Robert Schönbrunn.“
„Wohnhaft hier?“
„Hausend hier. Ich kann mir nicht für acht Monate ein Hotel leisten. Und ein Umzug in eine neue Wohnung ist mir zu stressig. Allein die ganze Ummelderei. In meinem Alter!““
„Ihr Geburtsdatum bitte!“
„5.3.1955.“
„Sie sind also wie alt?“
„Ich glaube 70. Ich war aber immer schlecht in Mathematik.“
„Auch im Alter sollte man sich benehmen können und man sollte sein Alter auch kennen“, sagt die junge Polizistin, die ihren Kollegen begleitet, in einem belehrenden Ton. Und dann sieht sie mich streng an, fragt:
„Herr Schönbrunn, was machen Sie bei größeren Geschäften? Sie werden sich in Ihrem Alter ja kaum auf das Geländer setzen.“
„Ach“, antworte ich. „Die größeren Geschäfte laufen regelmäßig. Ich esse auch nicht viel. Aber wenn es so weit ist, gehe ich frühmorgens in den kleinen Park nebenan und befreunde mich mit einem Baum. Wenn die Hunde das dürfen, darf ich es auch.“
„Herr Schönbrunn, das ist doch kein Vergleich. Bei den Hunden ist jemand dabei und sammelt es auf. Haben Sie auch jemanden, der mitgeht?“
„Nein, ich bin alleinstehend.“
„Sie wissen doch, dass das verboten ist.“
„Alleinstehend. Verboten? Das ist ein Zustand, unter dem hier viele leiden.“
„Das meine ich doch nicht. Ihr Geschäft im Park.“
„Was soll ich machen? Mir ein Dixie-Häuschen kaufen und es im Wohnzimmer aufstellen?“
Die junge Frau, die kaum der Pubertät entkommen ist, schüttelt den Kopf. „Herr Schönbrunn, da müssen Sie was unternehmen! Zu der Anzeige wegen dem Balkon kommt noch eine dazu wegen eines Umweltvergehens. Das wird teuer.“
„Na gut“, lenke ich ein. „Ich werde mich bemühen. Aber es ist ein großes Problem, wenn man hier haust und seit acht Monaten kommt kein Handwerker, um wenigstens die sanitären Anlagen in Ordnung zu bringen. Im Zerlegen meiner Bude waren sie großartig. Aber jetzt sehe ich niemanden mehr.“
„Und Ihr Vermieter? Er hat doch eine Fürsorgepflicht.“
„Was soll er machen? Ich rufe ihn oft an und dränge auf die Sanierung. Aber da passiert nichts. Er sagt, er könne keine Handwerker aus dem Hut zaubern. Selber machen könne er es auch nicht. Er sei Schokoladenfabrikant. Ich habe es inzwischen auch aufgegeben, ihn immer wieder anzurufen.“
„Und die Hausverwaltung?“
„Das Gleiche. Sie schieben es auf die Handwerker.“
Der männliche Kollege schaltet sich ein. „Lene, das stimmt schon. Du weißt doch, dass immer mehr Handwerksbetriebe in die Insolvenz gehen. Der Rest wird mit der ganzen Arbeit nicht mehr fertig. An wie vielen stillgelegten Baustellen sind wir auf dem Weg hierhin vorbeigekommen!?“ Er wendet sich an mich, ein wenig verständnisvoller wirkend. „Herr Schönbrunn, Sie müssen in dieser Angelegenheit, ich meine Ihre sanitären Bedürfnisse, wirklich etwas unternehmen. So geht es nicht.“
Etwas frecher werdend frage ich: „Darf ich zu Ihnen auf die Wache kommen?“
„Wir sind keine öffentliche Anstalt. Wir haben andere Aufgaben.“
So ist es bisher noch nicht passiert. Aber so stelle ich mir die Szene vor. „Können Sie mich nicht in den Knast stecken?“ würde ich noch fragen. „Da ist es schöner.“
„Nein“, sagt die junge Polizistin, den Kopf schüttelnd. „Wegen so einem Delikt geht das nicht. Aber Sie werden eine Strafe zahlen müssen. Das schicken wir Ihnen zu.“
Die Beiden gehen wieder und ich auf den Balkon. Als der Streifenwagen vor dem Haus weg ist, pinkel ich wieder nach unten. Wohin sonst? Ich gucke mich dabei in der Umgebung um, nenne sie die freudlose Straße. Sie ist tot. Nichts los. Kein Leben. Nur ab und zu geht jemand mit einem Hund vorbei. Dabei ist es kaum auszumachen, ob es sich um eine Frau oder einen Mann handelt. Meistens sehen sie gleich aus. Das Mietshaus, in dem ich wohne, liegt oben an einem Hang. Schaue ich über die Dächer der anderen Häuser, blicke ich auf den nahegelegenen Friedhof und mir kommt der Gedanke: Dauert nicht mehr lange. Daraufhin gieße ich mir einen Whisky ein. Den brauche ich zur Zeit schon morgens.
Das mit der Wohnung ist nicht das Schlimmste. Fast zeitgleich mit dem Wasserschaden und der Zerlegung der Bude bin ich verwitwet. Mir fehlt Hildegards Gesellschaft. Zu der persönlichen Krise kommen noch andere dazu, auf die ich keinen Einfluss habe. Man jagt den Bürger mit Ängsten und Sorgen. Europa rüstet auf. Vom diplomatischen Dialog scheinen sie keine Ahnung zu haben. Man umzingelt Russland nicht einfach mit Natostaaten. Jetzt haben sich die USA verabschiedet. Das kleine Europa steht alleine da und will mit viel Geld den starken Mann spielen. Diese Idioten sollten sich einmal die Bilder von Hiroshima und Nagasaki ansehen, als die Atombomben dort fielen.
Ich ertrage die Leere nicht, das Vakuum. Ohne Frau an meiner Seite geht nichts, geht es mir einfach schlecht. Das Schlafzimmer meide ich. Der Platz neben mir wäre leer. Ich schlafe im Wohnzimmer auf der Couch, lasse den Fernseher laufen, um menschliche Stimmen zu hören. Jeden Tag eine Flasche Whisky. Manchmal zwei. Die Zigaretten zünde ich mir eine an der anderen an. Ab und zu gehe ich auf den Balkon. Nicht nur zum Pinkeln. Es ist Ende Februar. Das Wetter ist so trüb wie meine Stimmung. Wann wird der Himmel wieder blau, die Temperatur sommerlich? Das dauert. Wenn ich so weitermache, bin ich ruiniert. Das Zittern der Hände wird dann nie mehr weggehen, der Gang unsicherer werden. Das Korsakoff-Syndrom.
So also geht es nicht weiter. Eine neue Frau finden? Wo denn? Wie denn? Ich melde mich im Internet bei einem deutschen Dating-Forum an. Hoffnungslos. Die Altersgrenze für die Männer, die sich ältere Damen wünschen, liegt bei 69. Darüber geht nichts mehr. Und all die Ansprüche, die sie an einen Mann stellen!