Fürsten-Roman 2658 - Marlene von Mainau - E-Book

Fürsten-Roman 2658 E-Book

Marlene von Mainau

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Beschreibung

Der eigensinnige Romanautor Julian Kelling setzt sich in den Kopf, die vor zwei Jahren untergetauchte geheimnisvolle Victoria Fürstin von Traubstedt für ein neues Projekt zu interviewen und ihre Geschichte, um die sich zahlreiche gegensätzliche Gerüchte ranken, ans Licht zu bringen. Er würde damit seinem verstaubten Verlag neuen Schwung einhauchen sowie seine eigene Karriere als Biograph und Autor endlich wieder anfeuern.
Er selbst weiß nur, dass sich Victoria von heute auf morgen aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat. Man munkelt, es habe einen Skandal rund um die Fürstin und ihre Alkoholabhängigkeit gegeben.
In einer Nacht und Nebelaktion gelingt es dem Autor, ins Schloss einzudringen. Als dieser plötzlich Schritte auf dem Gang hört, versteckt er sich hinter der nächstbesten Tür. Kelling nimmt sein Handy aus der Hosentasche und schaltet das Licht des Smartphones ein. Er leuchtet umher und erkennt, dass er sich in der Speisekammer befindet. Als plötzlich im Dunkel ein weibliches Gesicht vor ihm auftaucht, schreit er erschrocken auf. Es ist Fürstin Victoria selbst. Versteckt sie sich etwa auch hier?


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Inhalt

Cover

Fürstin Victoria

Vorschau

Impressum

Fürstin Victoria

Darum ist es plötzlich so stillum sie geworden

Von Marlene von Mainau

Der eigensinnige Romanautor Julian Kelling setzt sich in den Kopf, die vor zwei Jahren untergetauchte Victoria Fürstin von Traubstedt für ein neues Projekt zu interviewen und ihre Geschichte, um die sich zahlreiche Gerüchte ranken, ans Licht zu bringen. Er würde damit seinem verstaubten Verlag neuen Schwung geben sowie seine eigene Karriere als Biograph und Autor endlich wieder anfeuern.

Er selbst weiß nur, dass sich Victoria von heute auf morgen aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat. Man munkelt, es habe einen Skandal rund um die Fürstin und ihre Alkoholabhängigkeit gegeben.

In einer Nacht-und-Nebel-Aktion gelingt es dem Autor, ins Schloss einzudringen. Als dieser plötzlich Schritte auf dem Gang hört, versteckt er sich hinter der nächstbesten Tür. Kelling nimmt sein Handy aus der Hosentasche und schaltet das Licht des Smartphones ein. Er leuchtet umher und erkennt, dass er sich in der Speisekammer befindet. Als plötzlich im Dunkel ein weibliches Gesicht vor ihm auftaucht, schreit er erschrocken auf. Es ist Fürstin Victoria selbst. Versteckt sie sich etwa auch hier?

»Ich weiß, dass ich dieses Mal richtig liege«, untermauerte Julian Kelling am Telefon. Sein Tonfall wurde mit jeder Minute, die er mit seiner Lektorin am anderen Ende der Leitung verbrachte, drängender. »Das Thema wird der nächste Bestseller. Die Leute lieben so etwas.«

»Letztendlich sind wir, also dein Verlag, dafür zuständig, gute Inhalte auf den Markt zu bringen«, wiederholte Natasha Gassner beinahe genervt.

Julian konnte sich bildhaft vorstellen, wie die große blonde Enddreißigerin mit den blauen Augen rollte. Ihr Haar würde wie immer perfekt frisiert sein, sodass man meinte, es hier nicht mit einem Menschen, sondern mit einer Puppe zu tun zu haben.

»Schließlich stehen wir in der Verantwortung. Du weißt, dass ich dir vor ein paar Jahren blind jedes Manuskript abgenommen hätte, Julian.«

»Dann gib dir einen Ruck. Ich fühle, dass es dieses Mal endlich wieder ein Knaller wird«, versuchte es der Autor hartnäckig.

»Sagtest du das bei den letzten drei Projekten nicht auch schon?«, konterte Natasha trocken.

Sie sah zum Glück nicht, wie sich Julian in die Faust biss. Natürlich hatte die Lektorin recht. Nach ein paar Flops hatte das Verhältnis zwischen dem ehemaligen Bestsellerautor Julian Kelling und seinem Verlag deutliche Risse bekommen.

»Aber dieses Mal ist es anders.«

»Du glaubst also wirklich, dass ein Enthüllungsbuch über diese ...«

»Victoria von Traubstedt«, half er eilig aus.

Julian fühlte sein Blut in den Ohren rauschen. Sein Puls raste. So aufgeregt war der Mann Mitte vierzig lange nicht mehr gewesen, wenn es um die Freigabe einer Geschichte ging. Als ehemaliger Zeitungsreporter wusste er, wie schnelllebig Leser und Verlage sein konnten. Man stand in einem immerwährenden Zugzwang, neues, frisches Material auf den Markt zu bringen, das nicht schon zwanzigmal behandelt worden war.

»Und diese alte Fürstin ist prominent genug, über sie zu schreiben? Du sagtest, dass man sie in den letzten zwei Jahren nicht einmal mehr zu Gesicht bekam.« Er hörte Zweifel in ihrer Stimme. »Überzeug mich, Julian. Warum sollte dein Verlag gerade an dieser Geschichte Interesse haben?«

Julian atmete tief ein und aus. Seine Finger bebten heute tatsächlich. So aufgeregt kannte er sich als alter Hase im Geschäft bisweilen nicht.

»Fürstin von Traubstedt ist jünger als ich, muss ich zunächst betonen. Sie hat sich vor ein paar Jahren scheinbar grundlos aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Seitdem kursieren die verrücktesten Gerüchte um sie. Es hat angeblich einen Skandal rund um Victoria und ihre Alkoholabhängigkeit gegeben. Ich frage mich, was wirklich dahintersteckt. Sie lässt niemanden zu sich durch. Keiner einzigen Zeitung und auch keinem Fernsehsender ist es gelungen, ein Interview zu bekommen. Nun stell dir vor, was passiert, wenn ausgerechnet ich als Einziger mit ihr spreche?«

»Das wird die Klatschpresse auf den Plan rufen, das Enthüllungsbuch wäre automatisch ein Renner, weil wir umsonst Werbung dafür bekämen. Gar nicht mal so schlecht gedacht«, grübelte Natasha nun selbst.

Endlich schwang etwas von Julians Idee in ihren Sätzen mit und prallte nicht bloß auf ihre Skepsis.

»Und? Was sagst du?«

»Du hast mich tatsächlich überzeugt, das Thema bei der nächsten Besprechung auf den Tisch zu legen. Bravo, Julian, und willkommen zurück im Löwenkäfig. Hoffen wir mal, du wirst nicht schon wieder gefressen. Ich werde ein gutes Wort für dich einlegen, immerhin haben wir einst große Erfolge mit dir feiern können.«

»Du weißt, wieso der Einbruch kam«, erwiderte er niedergeschlagen.

Auch Natasha seufzte leise.

»Persönliche Schicksale dürfen mich nicht von einem Buchprojekt überzeugen. Du willst doch nicht nur aus Mitleid verlegt werden«, erinnerte die Frau ernst, aber mitfühlend. »Ich kann dir aber versprechen, ein gutes Wort einzulegen und um dieses Projekt zu kämpfen. Ein Enthüllungsbuch hatten wir lange nicht mehr in der Top Ten. Hauptsache, diese Fürstin hat wirklich etwas Großes zu verbergen. Wenn sie so langweilig ist, wie ich leider befürchte, war es das mit unserer Zusammenarbeit. Das muss dir bewusst sein.«

»Das ist es«, betonte Julian eisern. Er war ein Schriftsteller mit Leib und Seele. Wenn er einmal von einer Idee überzeugt war, würde er alles daransetzen, diese auch an die Leute zu bringen. »Danke, Natasha.«

»Bedank dich lieber erst, wenn wir keinen Kopf kürzer gemacht wurden. Ich melde mich.«

Auch Julian legte auf. Nach dem Gespräch musste er sich noch eine Weile beruhigen. Sein Herz schlug so stark, dass er glaubte, es wolle einfach durch seinen Brustkorb springen. Er fixierte einen Punkt in der Ecke seines Arbeitszimmers. Neben hohen, gut gefüllten Buchregalen aus Ebenholz standen mehrere Tische voll mit Fotografien von Julian und seiner zehnjährigen Tochter Elisa. Die beiden Blondschöpfe lächelten darauf breit in die Kamera. Fotos ihrer Mutter Sonja fehlten.

Es klopft zaghaft.

»Ja?«, rief Julian laut genug, dass ihn Elisa hören konnte. Er drehte sich in seinem Bürostuhl Richtung Tür. »Komm ruhig rein, mein Schatz.«

Zaghaft trat das Mädchen näher. Seine großen braunen Augen konzentrierten sich auf ihren Vater.

»Hat es dieses Mal geklappt?«, kam sie direkt zum Punkt.

Elisas geballten Händen sah er an, dass sie ihm die Daumen fest gedrückt hatte. Julian musste unwillkürlich lächeln. Er zog sein Ein und Alles in die Arme und küsste Elisas honigblonden Scheitel. Ihr Haar war so weich wie das ihrer Mutter, doch die Farbe war die seine. Allgemein war seine Tochter sein Ebenbild, was ihn glücklich schätzte.

»Wenn du dir das so stark wünschst, muss es ja etwas werden«, antwortete er. »Eine andere Antwort als Ja akzeptiere ich von Natasha nicht.«

»Ach, Papa«, seufzte Elisa. »Das hast du jetzt schon so oft gesagt. Haben wir Probleme?«

Angesichts ihrer erwachsenen Art spürte Julian eine starke Wehmut. Seine Tochter war nicht mehr nur das junge, süßes Kind, sondern steuerte vehement aufs Teenageralter zu. Sie kam nun in eine Phase, in der sie bereits Gott und die Welt hinterfragte. Elisa schien sich sogar Sorgen um ihren alleinerziehenden Vater zu machen, obwohl es doch an ihm war, seine Kleine zu beschützen.

»Es wird alles gut. Dieses Mal habe ich ein besseres Gefühl«, versicherte er ihr und nahm ihre dünnen Hände in seine. Julian versuchte, seine Miene mit Zuversicht zu füllen, was angesichts der letzten Verluste schwierig war.

»Hast du mir nicht beigebracht, dass Lügen nichts außer Probleme bringt?«

Ein trauriges Schmunzeln kräuselte ihre Lippen. Julian blickte Elisa lange in die warmen Augen. Ihr Vater spiegelte sich in ihren braunen Iriden wider. Erst jetzt erkannte er, wie abgeschlagen er aussah. Julian Kelling hatte in den letzten Jahren an Ausstrahlungskraft verloren, was mit seinem beruflichen Niedergang einherging. Doch nicht der Kampf um den besten Platz auf irgendeiner Bestsellerliste machte ihm so zu schaffen. Wenn er in das Gesicht seiner Tochter sah, erinnerte er sich daran, wofür er all den Schmerz auf sich nahm. Es lohnte sich, zu kämpfen.

»Du bist ein ziemlich schlaues Mädchen«, meinte er stolz.

»Das muss ich von dir haben.« Elisa zog Julian kichernd auf die Beine. »Ich habe dir eine von diesen Raviolidosen warmgemacht, die du so magst.«

»Ist das nicht eher dein eigenes Lieblingsessen?« Julian runzelte die Stirn amüsiert. »So kann man seinen alten Vater auch übers Ohr hauen. Es sollte heute eigentlich die Gemüsepfanne geben.«

»Ach? Das muss ich total verschwitzt haben!«, rief Elisa gespielt aus und grinste breit. »Na ja, die können wir ja dann morgen noch essen.«

Der Schriftsteller folgte seinem sprunghaften Nachwuchs in die Küche und setzte sich mit ihr an den kleinen Tisch. Während sie sich über ihr Dosengericht hermachten, hätte Julian nicht glücklicher sein können. Von solchen Momenten bekäme er nie genug. Elisa machte sein Leben erst komplett. Julian fragte sich, ob seine Tochter jemals an ihrem Leben zu zweit zweifelte, wenn sie die glücklichen, kompletten Familien ihrer Mitschüler sah. Und ob sie ihre Mutter insgeheim vermisste, obgleich sie Sonja nie wirklich kennengelernt hatte.

Als Elisa ihm ein herzliches Lächeln über den Tisch hinweg schenkte, war Julians Anflug von Traurigkeit sofort wieder verschwunden.

Victoria Fürstin von Traubstedt warf einen getrübten Blick durch die Fenster im Erdgeschoss. Sie erwartete eigentlich, Nikolai jeden Moment über den gepflasterten Pfad schreiten zu sehen. Mit erhobenem Haupt und strammem Gang, wie sie es von ihrem drei Jahre jüngeren Bruder gewohnt war.

»Wird der Fürst heute zum Tee erscheinen?«, fragte die Dame des Hauses ihren Butler Arthur, während sie weiterhin durch das Glas sah.

Sie versuchte, ihre Angespanntheit zu verbergen, doch dem aufmerksamen Angestellten entging für gewöhnlich nichts, was um ihn herum passierte. Er schüttelte den Kopf.

»Nein, Durchlaucht. Der Fürst hat bereits abgesagt. Soll ich ihm etwas ausrichten, falls er noch einmal anruft?«

»Er möchte also nicht mit mir persönlich sprechen? Soso.«

Victorias Stimme wurde immer leiser, bis Arthur sie kaum noch hörte. Ihr Blick verlief sich im strahlenden Grün des Schlossgartens. Zahlreiche Blumen reckten nach einem langen, harten Winter endlich wieder ihre Köpfe gen Himmel und zeigten ihre volle bunte Pracht. Wie gerne Victoria doch diesen sonnigen Tag im Park verbracht hätte! Aber ihre letzten kleinen Ausflüge hatten allesamt in einem Desaster geendet. Noch einmal wollte sie nicht die Beherrschung verlieren. Nikolai musste bereits viel zu viel auf seinen Schultern tragen.

Victoria riss sich von der Wärme der Sonne los und ging voran durch das Schlossfoyer bis in den Wintergarten. Wenigstens hier würde sie einen kleinen Eindruck gewinnen, wie freundlich das Wetter heute gestimmt war. Arthur folgte ihr auf dem Fuß, wie er es als langjähriger Bediensteter immer tat und auch weiterhin tun würde. Er servierte der Fürstin Tee und Gebäck, bevor er wieder in den Weiten der Schlossgänge verschwand, um anderer Arbeit nachzugehen. Falls Victoria etwas brauchte, müsste sie bloß einmal klingeln.

Die Brünette genoss schweigsam und ganz für sich den herrlichen Ausblick über die weite saftige Wiese bis hin zum See. Auch dieser Teil gehörte zum Schloss, wobei man sich am Wasser nicht mehr so einsam vorkam. Doch genau das war Victorias großes Problem. Sobald sie nur die Stimmen von anderen und das Lachen von Kindern irgendwo neben ihrem Grundstück vernahm, geriet sie in Panik, rannte zurück ins Schloss und verbarrikadierte sich schweißnass hinter den hohen weißen Mauern ihrer Festung.

Seit zwei Jahren lebte Victoria völlig zurückgezogen, um sich und ihre Liebsten zu schützen. Sie sah keine andere Möglichkeit als diese, die ihr Bruder außerdem befürwortete. Nikolai selbst war es gewesen, der ihr jenen Weg aufgezeigt hatte, um die Vergangenheit zu verarbeiten und wieder normal zu leben. Aus diesem Leben war mittlerweile ein Gefängnis geworden, und dem Gefängnis war die andauernde Einsamkeit gefolgt.

Victoria spielte gelangweilt mit einer ihrer braunen langen Strähnen, die sich aus ihrer Hochsteckfrisur gelöst hatte. Wiederum bemerkte sie, wie dünn ihre Finger geworden waren. So, wie auch der Rest ihrer ohnehin schlanken Figur. Die Fürstin nahm kaum etwas zu sich, verbrachte viel Zeit im Bett und trat nur in Erscheinung, wenn Nikolai sich ankündigte. Es gab Tage, an denen sie sich nicht einmal mehr ankleidete. Ihr Bruder hatte es den weiblichen Hormonen oder einer Hysterie zugeschrieben, weil er sich nicht näher mit Depression oder anderen psychischen Krankheiten auseinandersetzen wollte.

Victoria erhob sich vorsichtig und trat an die verglaste Tür zum Garten. Entschlossen legte sie ihre Hand auf die Klinke, schaffte es jedoch nicht, diese nach unten zu drücken. Etwas in ihr sperrte sich dagegen. Sie war noch nicht stark genug, dieser Kraft entgegenzuwirken. Stattdessen blieb sie im Inneren des klimatisierten Wintergartens stehen und beobachtete ein paar Vögel bei einem Streit um etwas Essbares im Gras.

Wieder musste sie an ihren Bruder und sich denken. Ohne Nikolai wäre Victoria damals verloren gewesen. Wenigstens auf ihn konnte sie setzen, wenn schon nicht auf sich selbst.

Der jüngere Spross der Traubstedts hatte seit frühester Kindheit immer darauf geachtet, wie er auf andere wirkte. Aus jedem Bisschen musste er zudem Profit herausschlagen. Er war der geborene Geschäftsmann. Nikolai hatte nach dem Vorfall Firma und Geschäftliches übernommen, regelte ihre Einnahmen, Spendengelder und öffentlichen Auftritte. Seine Schwester war für all diese Angelegenheiten zu instabil geworden, seit ...

»Verzeihen Sie die Störung, Durchlaucht«, unterbrach der graumelierte, blasse Arthur Victorias triste Gedanken, in denen sie sich regelmäßig verfing. »Ein Anruf für Sie.«

»Ein ... Anruf«, wiederholte sie verwirrt und neugierig zugleich. Ihre schlanken dunklen Augenbrauen hoben sich interessiert. Victoria war sich nicht sicher, ob derjenige in Wahrheit ihren Bruder sprechen wollte, da die beiden immerhin denselben Nachnamen trugen. »Wer ist es denn?«

»Ein gewisser Julian Kelling. Er ist Autor.«

Sofort schoben sich alle Schranken wieder vor ihr Bewusstsein. Die Fürstin schüttelte vehement den Kopf und machte sogar einen Schritt rückwärts. Ein Schriftsteller bedeutete eine Bedrohung für ihr gutgehütetes Geheimnis. Er wäre nicht besser als ein Journalist.

»Weisen Sie ihn bitte ab.«

»Möchten Sie zunächst hören, um was es dem Anrufer geht?«

»Bitte«, krächzte Victoria und unterdrückte ihre aufschäumende Angst. Ihr Körper benahm sich, als würde Herr Kelling ihr mit einem Messer bewaffnet gegenüberstehen, dabei wusste sie nicht einmal, wie besagter Mann aussah. »Nur zu.«

Arthur räusperte sich einmal und zog das Geschehen damit unangenehm in die Länge. Victorias Nerven waren zum Reißen gespannt.

»Julian Kelling arbeitet zurzeit an einem Manuskript über alte Schlösser, die er seinen Lesern in einem kommenden Buch näherbringen möchte. Schloss Traubstedt liegt nicht nur in seinem Heimatort, sondern interessiert ihn seit jeher am stärksten.«

»Es gibt schönere und größere Burgen, Paläste und Schlösser in unserem Land. Bitte entschuldigen Sie mich bei Herrn Kelling und sagen ihm freundlich ab. Sagen Sie ihm am besten, dass wir gerade umbauen, und deshalb keine Fotos oder Interviews wünschen. Danke, Arthur.«

Als der Butler zur Verbeugung ansetzte, wandte sich die Fürstin bereits ab und starrte durch das Glas in den Garten. Victoria umfasste ihre Arme, als friere sie. Ihr war nicht wohl dabei, dass das Schloss ungeplante Aufmerksamkeit auf sich zog. Wenn erst ein Schriftsteller daran interessiert war, dann eventuell bald auch Zeitungen und das Fernsehen. Als die Frau aufsah, erblickte sie ihr eigenes trauriges Spiegelbild. Die mageren Wangen leuchteten schon lange nicht mehr vor Freude. Ihre grünen Augen waren furchtsam geweitet, die Mundwinkel strapaziös angespannt. Was war bloß aus ihr geworden?

Enttäuscht warf Julian das Handy beiseite. Es hätte ja so einfach sein können! Missmutig raufte er sich die strubbeligen blonden Haare und strich die erste Zeile seines Planes durch.

Auf zu Punkt Zwei, dachte er seufzend, verlor seinen Mut jedoch nicht.