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Blogbetreiber Paul Sommer erhält nach vielen vergeblichen Versuchen endlich die Chance, einen Artikel über den "Winzerkönig vom Rhein" Karl von Hohenkrohn und seine Tochter Katharina aufzusetzen. Pauls Interesse an der Geschichte der Adelsfamilie ist allerdings nur vorgeschoben, denn Hohenkrohns Konkurrenz schickt ihn, um die Geheimnisse des erfolgreichen Weißweines zu ergründen und die Notizen des Winzers zu stehlen.
Der Journalist verbringt ein Wochenende auf dem Weingut der Familie. Er wird herumgeführt, darf beim Traubenstampfen mithelfen und die köstlichsten Weine probieren. Doch wenn Paul mehr über das Erfolgsrezept der Familie erfragen will, schweigt Karl von Hohenkrohn sich aus. Der Journalist versucht sein Glück stattdessen bei Katharina. Zwischen den beiden knistert es schon nach kurzer Zeit gewaltig. Paul jedoch bleibt wild entschlossen, seinen Auftrag zu erfüllen - immerhin geht es um viel Geld und seinen Ruf. Doch sein Herz macht ihm einen großen Strich durch die Rechnung ...
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Seitenzahl: 127
Cover
Die Winzerkönigin
Vorschau
Impressum
Die Winzerkönigin
Wie Katharinas Erfolgsrezeptin Gefahr gerät
Von Marlene von Mainau
Blogbetreiber Paul Sommer erhält nach vielen vergeblichen Versuchen endlich die Chance, einen Artikel über den »Winzerkönig vom Rhein« Karl von Hohenkrohn und seine Tochter Katharina aufzusetzen. Pauls Interesse an der Geschichte der Adelsfamilie ist allerdings nur vorgeschoben, denn Hohenkrohns Konkurrenz schickt ihn, um die Geheimnisse des erfolgreichen Weißweines zu ergründen und die Notizen des Winzers zu stehlen.
Der Journalist verbringt ein Wochenende auf dem Weingut der Familie. Er wird herumgeführt, darf beim Traubenstampfen mithelfen und die köstlichsten Weine probieren. Doch wenn Paul mehr über das Erfolgsrezept der Familie erfragen will, schweigt Karl von Hohenkrohn sich aus. Der Journalist versucht sein Glück stattdessen bei Katharina. Zwischen den beiden knistert es schon nach kurzer Zeit gewaltig. Paul jedoch bleibt wild entschlossen, seinen Auftrag zu erfüllen – immerhin geht es um viel Geld und seinen Ruf. Doch sein Herz macht ihm einen großen Strich durch die Rechnung ...
»Sie können jetzt eintreten«, verkündete die Sekretärin mit leiser Stimme und schenkte dem Wartenden ein falsches Lächeln, das maskenhaft auf ihren rotgeschminkten Lippen verweilte, bis er außer Sichtweite war.
Paul Sommer hatte Schwierigkeiten, sie zu verstehen, doch ihre Geste deutete Richtung Büro. Er erhob sich daraufhin schwungvoll und straffte die Schultern.
Nun war der Zeitpunkt gekommen, an dem sich das Blatt ein für alle Mal wendete. Paul würde nicht mehr länger nur ein kleiner unbedeutender Journalist und Blogbetreiber sein, sondern in die Welt hinausziehen und endlich die ganz großen Fische an Land holen. Er überprüfte seine Frisur und rückte den Kragen seines weißen Hemdes zurecht. Für ein Sakko war es zu warm mitten im August. Das braune kurzgeschnittene Haar saß, und frisch rasiert war er ebenfalls. Einem Aufeinandertreffen mit der berühmt-berüchtigten Mareike Michaelis stand nun nichts mehr im Wege.
»Setzen Sie sich, Herr ...«, Mareike warf einen schnellen prüfenden Blick über die schmale, rote Brille auf ihren Laptopmonitor, »... Sommer.« Danach sondierte sie Paul in persona aus hellen blauen Adleraugen, die so kalt wirkten wie Eis. »Wie ich hörte, führt Sie mein kleines Angebot her. Das freut mich. Natürlich habe ich sofort ein paar Termine verschoben.«
»Das ist sehr freundlich«, antwortete Paul und ließ sich auf dem unbequemen Sessel ihr gegenüber nieder, der einladender wirkte, als er letztendlich war. Paul versank darin und fragte sich, ob dieses Monstrum ihn fressen wollte. Vielleicht wurde die reiche Firmenleiterin Mareike auf diese Weise ihre ungebetenen Gäste los. »Und ja, ich bin sehr interessiert an dem Auftrag. Karl von Hohenkrohn ist ein Promi, der sich meiner Interviewreihe bisher entzogen hat.«
»Karl entzieht sich jedem Artikel, Auftritt oder Gespräch. Der alte Kauz lebt zurückgezogen hoch über dem Rhein. Fehlt bloß noch, dass er eine der Burgen kauft und diese zukünftig als Schlossgespenst bewohnt«, rief Mareike schnippisch aus und verdrehte die Augen.
Daraufhin kicherte sie wie eine garstige Hexe aus einem Märchen. Paul kräuselte seine Lippen zu einem gequälten Lächeln, da er glaubte, sie erwarte es von ihm. Solange er Mareike brauchte, wollte er ihr lieber entgegenkommen und sich bei der erfolgreichen Geschäftsfrau einschmeicheln. Sie hielt sich zudem für unangreifbar.
Eigentlich keine Person, mit der Paul gerne einen Deal abwickelte, aber er brauchte sowohl das Geld als auch die Aufmerksamkeit, die er mit einem Artikel über »Winzerkönig Karl« erlangen würde. Seine Tage als arbeitsloser Journalist, der sich mit Blogbeiträgen über Wasser hielt, waren gezählt. Er würde alles daransetzen, zu diesem rätselhaften Winzer durchzudringen, ihm seine Geheimnisse zu entlocken und Mareike Michaelis eine Freude zu machen, indem er ihr Karls Rezept verriet, mit welchem sie in die Massenproduktion gehen würde. In seinen Augen war es nur gerecht, dass jedermann in den Genuss des leckeren Tröpfchens kam, ohne sein Erspartes dafür aufzubrauchen. Guter Wein sollte zukünftig einen bezahlbaren Preis haben.
Sie erhob sich mit Schwung und kam um den Tisch herum. Der schwarze Hosenanzug saß perfekt, ihr Styling war das einer Filmdiva aus den Dreißigerjahren. Mareike wusste zudem, wie sie Menschen für ihre Zwecke manipulierte. Ehe Paul sich's versah, hatte sie ihn schon an den Schultern gepackt und bohrte ihre roten Fingernägel unangenehm in sein Fleisch. Mareikes Gesicht verweilte nur Zentimeter neben dem seinen. Er konnte ihre Kälte am ganzen Körper fühlen und erstarrte. Perplex lauschte er ihren eindringlichen Worten.
»Karl von Hohenkrohn hat das, was wir brauchen, Paul.«
»Wir?«, erwiderte er kleinlaut und schluckte.
»Natürlich wir. Mit diesem Auftrag werden wir automatisch zum Team. Sie haben sich doch freiwillig dazu bereit erklärt, Karl auszuspionieren und mir sein Geheimnis für den besten Weißwein der Region zu verraten. Ich habe Jahre damit verschwendet, an Rezepturen zu arbeiten, aber keine kam auch nur im Ansatz an Hohenkrohns Wein heran.« Sie senkte die Stimme verschwörerisch. »Es geht das Gerücht um, er bringe bald eine neue, verbesserte Sorte seines Weines auf den Markt. Dieses Rezept wird Ihr hauptsächliches Ziel sein, Paul. Eine Hand wäscht die andere.«
Mareike entfernte sich wieder und entließ den freischaffenden Journalisten aus ihren gefährlichen Klauen. Der Mann war sich nicht sicher, ob sie ihn einschüchtern oder unterstützen wollte. Wahrscheinlich eine Mischung aus beidem. Er versuchte, nicht zu auffällig aufzuatmen, nachdem sie auf der anderen Seite des breiten Tisches angekommen war. Paul war die Barriere zwischen sich und Mareike bedeutend lieber, als ungeschützt vor dieser schwarzhaarigen Schlange mit dem strengen Mittelscheitel zu stehen.
»Ich habe nach unserem Telefonat einen alten Freund kontaktiert, der mir noch einen Gefallen schuldete«, erzählte sie nun etwas ruhiger. »Michael ist ein alter Bekannter von Karl. Er hat dir einen Platz auf den Weinbergen der Hohenkrohns verschafft. Der alte Winzer hat sich dazu bereit erklärt, dich zumindest in die Kunst des Weinbaus einzuweihen. Ich denke, das tut er nur, weil sein Name zuletzt aus den Zeitungen verschwand und sein Laden neuen Schwung braucht. Ein wenig Publicity kann selbst einem störrischen Esel wie ihm nicht schaden. Weiter will er nicht gehen, aber ich kenne deine Artikel, Paul. Du bohrst gerne nach, verbeißt dich wie ein Raubtier und lieferst nützliche Ergebnisse. Das gefällt mir. Dadurch bin ich erst auf dich aufmerksam geworden. In der Branche spricht man von dir.«
»Tut man das?«, wunderte sich Paul. Er ahnte, dass ihm Mareike eine Falle stellte, um ihn endgültig für ihre Absichten einzuwickeln, doch Paul lief mit offenen Augen und nur zu gerne hinein. Er hörte nicht oft Komplimente zu seiner Arbeit, auch wenn sie vielleicht noch so falsch daherkamen. »Ich muss mich bei Ihnen für diese Chance bedanken.«
Der Mann gebrauchte absichtlich nicht das Du. Er sah nicht ein, sein Gegenüber wie einen guten Bekannten oder gar einen Freund zu behandeln. Mareike war alles andere als das. Bei ihr musste man damit rechnen, dass sie einem ein Messer in den Rücken rammte, sobald man sich wegdrehte.
»Papperlapapp«, meinte sie und winkte mit einem arroganten Lächeln ab.
Paul kam sich in ihrer Gegenwart vor wie eine ungewollte Küchenschabe, doch er blieb standhaft und nickte stets freundlich. Sogar das Grinsen verharrte auf seinem trockenen Mund. Seine Kehle kratzte vor Anspannung.
»Wie gesagt: Eine Hand wäscht die andere, Paul. Wir sind doch im Geschäft, nicht wahr? Ich kann mich auf dich und deine Verschwiegenheit verlassen?«
Wie hätte er dieser Dame etwas abschlagen können? Sie hätte sofort eine Falltür unter seinen Füßen geöffnet und ihn für immer verschwinden lassen. Paul erhob sich und reichte ihr die Hand über dem Tisch, welche Mareike zufrieden ergriff und kurz schüttelte. Dabei schabten ihre Fingernägel erneut über seine blanke Haut. Ein unangenehmes Schaudern erfasste ihn.
»Deal«, besiegelte er ihren mündlichen Vertrag, von dem niemals jemand erfahren durfte.
Paul begab sich mit dieser Absprache auf dünnes Eis. Immerhin wollte er einen deutschlandweit bekannten Winzer seinem größten Geheimnis berauben. Doch der Journalist sah dahinter lediglich sein eigenes Überleben in der Branche. Falls er Reue zeigte, hätte er seinen Beruf verfehlt. Die Konkurrenz war hart. Sollte er nichts unternehmen, würde man Paul Sommer vergessen, und mit ihm alles, was er je geschrieben hatte.
Das Kribbeln auf seiner Hand nahm erst zu Hause nach einer heißen Dusche ab. Im Anschluss setzte er sich direkt an den Computer und verfasste seinen heutigen Beitrag für die Enthüllungs- und Prominentenseite Sommer mit VIP, die er seit anderthalb Jahren als Internetblog auf seiner Website betrieb und über Spenden finanzierte. Zahlreiche Zuschriften erreichten ihn in den Kommentarspalten unter jedem erdenklichen Artikel. Darunter waren viele Begeisterte, aber ebenfalls scharfe Kritiker und manchmal sogar Leute, die ihm drohten. Dieser Job vereinte für gewöhnlich Licht- und Schattenseiten, woran Paul seit seiner Arbeit bei einem namhaften Boulevardblättchen gewöhnt war. Er kannte sich mit Beschimpfungen und Bedrohungen bestens aus. Man durfte sich erst recht im Netz nicht davon einschüchtern lassen. Dreiviertel der bösartigen Zuschriften waren ohnehin nicht ernst gemeint. Diese Anonymen brauchten bloß etwas Aufmerksamkeit, die sie von einem alten Hasen wie ihm nicht bekamen.
Der Journalist durchforstete seine Seite nach neuen Zuschriften, antwortete auf die meisten davon und klappte den Laptop im Anschluss zu, um sich mit einem Glas Weißwein aus dem Hause Hohenkrohn vor den Fernseher zu setzen und zu entspannen. Er selbst würde niemals Mareikes Fusel gegen den des Meisters eintauschen. Aber womöglich schmeckte ihr Fabrikwein bald genauso gut wie ebendieser in seiner Hand, und das zu einem moderaten Preis. Paul schwenkte das Glas kurz und roch daran. Mit seiner Exfreundin war er mehrmals auf Weinverkostungen gewesen und hatte einiges dazugelernt.
Seit er sich selbstständig gemacht hatte, plagten ihn jedoch die Geldsorgen, weshalb eine teure Flasche Wein inzwischen eine Seltenheit war. Eventuell war sein früher Weggang aus der Redaktion doch keine so gute Idee gewesen. Er hätte sich zunächst ein zweites Standbein aufbauen sollen, doch dafür war es nun zu spät. Paul hatte gekündigt und war seitdem sein eigener Chef. Und dennoch konnte er sich seine Auftraggeber noch immer nicht aussuchen, sonst hätte er Mareike Michaelis eine klare Absage erteilt.
Dennoch reizte es ihn, einmal Zeit auf den berühmten Weinbergen der Hohenkrohns zu verbringen, über die jeder in der Region sprach. Mareike hatte ihm soeben alle Informationen zu seinem intimen Einblick ins Geschehen gemailt. Paul würde ein ganzes Wochenende am Weinberg verbringen. Genug Zeit, sich umzusehen und Recherchen zu tätigen. Er hatte zudem die Exklusivrechte erhalten.
Warum hat der alte ›Winzerkönig‹ ausgerechnet mich dafür ausgesucht? Er muss doch zig Anfragen von allen möglichen Zeitungen und Fernsehsendern bekommen haben, grübelte Paul und merkte, dass seine Lider schwer wurden.
Der Mann döste vor dem einschläfernden Fernsehprogramm ein und träumte bereits von riesigen, grünen Weinbergen am Rhein.
»Katharina? Katharina, kommst du mal?«, rief Karl von Hohenkrohn seine Tochter zu sich in den Weinkeller.
Die junge Frau wischte sich ihre Hände an der Schürze trocken und das braune lange Haar aus der verschwitzten Stirn. Sie war außer Atem. Bis eben hatte sie in einem riesigen Bottich Weintrauben zerstampft und dabei viel mit den anderen Beteiligten zu lachen gehabt. An ihren Füßen klebten noch Traubenreste. Das Stampfen war seit jeher Tradition auf dem Weingut, das die Hohenkrohns gemeinsam mit Gästen und Neugierigen veranstalteten. Auch auf ihrem großen Weinfest Ende des Monats würden die hellen Trauben wieder mit den Füßen gestampft werden. Die daraus entstandene Maische verwendeten die Hohenkrohns ebenso weiter wie den mechanisch herausgepressten Saft in der Kelterei. Dort stellte die Familie den eigentlichen zu verkaufenden Wein aus den heimischen Trauben her, welcher durch seine Süße und Vollmundigkeit bestach, dabei nicht zu viel Alkoholgehalt sowie eine fruchtige Endnote innehatte, die kein Konkurrent jemals hatte nachahmen können.
Katharina beeilte sich, zu ihrem Vater in den jahrhundertalten Keller des Familienanwesens über den Weinbergen zu kommen. Sie wollte das Oberhaupt lieber nicht warten lassen.
Seit ihre Mutter nicht mehr lebte, legte Karl sprunghafte Launen an den Tag. Mal war er der liebende Vater von früher, lachte laut und scherzte derbe, dann verwandelte er sich plötzlich in einen zänkischen, sturen Greis, der keine andere Meinung als die seine akzeptierte und sogar seine Tochter nicht mehr für voll nahm. Dabei hatte Karl bereits erwirkt, dass sie die Weinberge und damit die Verantwortung für das bekannte Schlückchen vom Rhein übernahm, sobald er am Ende dieser Saison in den Ruhestand ging.
»Ich bin hier, Papa«, sagte sie, damit er sich nicht erschreckte, wenn sie im fahlen Kerzenschein plötzlich vor ihm stand.
Ihr Vater wurde von einem mittelalterlichen Bild umrahmt. Überall standen uralte Fässer, und das Licht der Kerzen flackerte bei jedem Atemzug. Ihr Schein warf gespenstische Schatten auf den Steinboden zu ihren Füßen. Es war eine Szene wie auf einem Gemälde.
»Koste einmal«, bat er sie mit tiefer, rauer Stimme und reichte Katharina ein Glas Weißwein. »Unsere Lese aus dem letzten Jahr.«
Ganz automatisch betrachtete sie das Glas zunächst gegen das Licht und überprüfte dabei die Reinheit des Getränks.
Keine Schwebstoffe, sehr schön, dachte sie zufrieden.
Im Anschluss schwenkte die Winzerin es leicht, damit sich die Aromen darin perfekt entfalteten.
»Farbe und Brillanz gefallen mir«, urteilte sie primär, woraufhin Karl bestätigend nickte. Er schien einer Meinung mit ihr zu sein. Katharina schwenkte das Glas schließlich mehrmals mit geübter Hand und kontrollierte dabei die Dichte des Weißweines. Auch diese war ihnen perfekt gelungen. Nun roch Katharina ausführlich daran und nahm die fruchtigen Aromen der herrlichen Trauben in sich auf. Zu guter Letzt kostete sie. Katharinas Gesicht entspannte sich, kaum war das köstliche Getränk ihre Kehle hinabgewandert. »Ein weicher, erfrischender Abgang.«
»Ich finde, wir haben uns dieses Mal selbst übertroffen«, lobte ihr Vater glücklich und klopfte ihr so hart auf die Schulter wie einem ihrer muskulösen Arbeiter auf den Bergen.
Manchmal glaubte sie, er habe in Wahrheit einen Jungen gewollt, doch das waren bloß ihre Gedanken. Karl hatte ihr nie etwas in der Art gesagt und Katharina seit ihrer Geburt unterstützt, wo er konnte. Nicht zuletzt, da sie ihn an seine geliebte Frau, ihre Mutter Julia, erinnerte, die der Krebs ihnen beiden genommen hatte. Auch ihr hatte das lange schokobraune Haar bis über die Schultern gereicht. Zudem trug Katharina die braungrünen Augen und das schmale Gesicht ihrer Mutter mit der leicht spitz zulaufenden Nase. Karl betonte, es sei die Nase des Adels, einer Königin gleich. Sein einziges Kind schmunzelte, wenn er solchen Unsinn verbreitete, hielt ihn jedoch nicht mehr davon ab. Katharina wollte ihm den Spaß nicht verderben, wenn sie ihn daran erinnerte, dass ihnen außer dem ›Von‹ im Namen kein Titel mehr geblieben war. Zwar rankten sich Grafen und Fürsten in ihrem Stammbaum, doch bis zu Karl war diese Bezeichnung längst verloren gegangen, da sein Großvater sie aus unerfindlichen Gründen abgelehnt hatte. Nichtsdestotrotz war die Familie vom Geburtsrecht her blaublütig.
»Damit wird der Hohenkrohn-Wein erneut an die Spitze kommen«, freute er sich sichtlich.
Er klappt sein wertvolles Buch zu und verstaute es nach einem prüfenden Blick über Katharinas Schulter in dem Geheimfach unter der Tischplatte. Danach drehte er den Schlüssel um und steckte ihn wie gewohnt in die Tasche seiner dunkelgrünen Weste. Seinen Füller ließ der Winzer für das nächste Mal liegen, wenn er wieder Wein verkostete.
»Wann wirst du endlich auf mich hören und dir einen Safe fürs Haus besorgen? Hier unten sind deine Geheimnisse nicht sicher.«
»Es gibt keinen passenderen Platz als diesen«, beharrte er. »Ich möchte mir schnell Notizen machen können, sobald mich die Muse küsst.«
Karl sprach wie ein eigensinniger Künstler.
»Dafür gibt es solch ein Teil hier. Man nennt es ein Mobiltelefon alias Handy.« Sie winkte einmal mit ihrem Smartphone und steckte es wieder weg. Als Karl nur schmunzelte, seufzte sie leise und gab sich geschlagen: »Wie du meinst.«