Fürsten-Roman 2667 - Marlene von Mainau - E-Book

Fürsten-Roman 2667 E-Book

Marlene von Mainau

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Beschreibung

Lydia Prinzessin von Auenbach ist seit Kindheitstagen ein Bühnenstar - bis ihr eines Tages ausgerechnet ihre Cousine Jolana den Rang abläuft. Ab da steht es schlecht um Lydia, die krampfhaft versucht, an den alten Erfolg anzuknüpfen. Schon bald gilt sie als Kassengift. Die Prinzessin gerät daraufhin in eine Spirale aus Alkohol und Einsamkeit. Niemand möchte mit der aggressiven Adeligen noch arbeiten. Die Presse sieht in ihrem Streit mit Jolana ein gefundenes Fressen, wodurch sich Lydia komplett aus der Öffentlichkeit zurückzieht.
Als eines Tages Christian Derms unvermittelt vor der Tür steht und sich ihr als der neue Manager vorstellt, traut sie ihren Ohren kaum. Der ambitionierte Mann möchte Lydia zu altem Ruhm verhelfen und ihre Karriere wieder ankurbeln. Sie ahnt nicht, dass er ebenso für ihre verhasste Cousine arbeitet. Und doch ist er der Einzige, der ihr kaltes Herz erreicht ...


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Inhalt

Cover

Geliebt, gehasst, geächtet

Vorschau

Impressum

Geliebt, gehasst, geächtet

Gibt es den Einen, der die Kälte in ihr besiegen kann?

Von Marlene von Mainau

Lydia Prinzessin von Auenbach ist seit Kindheitstagen ein Bühnenstar – bis ihr eines Tages ausgerechnet ihre Cousine Jolana den Rang abläuft. Ab da steht es schlecht um Lydia, die krampfhaft versucht, an den alten Erfolg anzuknüpfen. Schon bald gilt sie als Kassengift. Die Prinzessin gerät daraufhin in eine Spirale aus Alkohol und Einsamkeit. Niemand möchte mit der aggressiven Adeligen noch arbeiten. Die Presse sieht in ihrem Streit mit Jolana ein gefundenes Fressen, wodurch sich Lydia komplett aus der Öffentlichkeit zurückzieht.

Als eines Tages Christian Derms unvermittelt vor der Tür steht und sich ihr als der neue Manager vorstellt, traut sie ihren Ohren kaum. Der ambitionierte Mann möchte Lydia zu altem Ruhm verhelfen und ihre Karriere wieder ankurbeln. Sie ahnt nicht, dass er ebenso für ihre verhasste Cousine arbeitet. Und doch ist er der Einzige, der ihr kaltes Herz erreicht ...

»Frau Auenbach! Lydia!«, erklang eine hohe piepsige Stimme, und die Angesprochene drehte sich um.

Die Prinzessin setzte ein bezauberndes Lächeln auf und strahlte über das ganze Gesicht, als ein kleines Mädchen, keine sieben Jahre alt, auf sie zustürmte. Sofort schirmten ihre Bodyguards die bekannte Musical- und Theaterdarstellerin ab, doch sie beruhigte die Männer und ließ das Mädchen durch. Mit großen Augen starrte die Kleine sie an. Ihre Mutter kam hinter ihr zum Stehen.

»Verzeihen Sie bitte, Prinzessin. Klara wollte Sie unbedingt einmal aus der Nähe sehen, weil wir doch gerade eben in Ihrer Vorstellung waren. Es war wundervoller Auftritt und ein perfekter Abend für uns«, gestand sie Lydia, die sich geschmeichelt fühlte.

Da seid ihr zwei inzwischen wohl die Einzigen, die das so sehen, sagte sich Lydia im Stillen niedergeschlagen, als sie an die letzten verheerenden Kritiken zurückdachte.

Die Fremde wollte ihre Tochter dazu bringen, höflich um ein Autogramm zu bitten. Klaras Aufregung zeigte sich deutlich in ihrem kleinen, runden Gesicht. Kein Ton drang aus ihrem Mund. Lydia hockte sich zu ihr und unterzeichnete in dem kleinen Notizheft, welches sie ihr hinstreckte und mit rosafarbenen Einhörnern verziert war.

»Für dich gibt es ein Extraherzchen«, sagte sie und malte ebenjenes neben ihren Namen. »Bitte schön.«

Nach dieser ersten Annäherung wagte es die Kleine doch, das Wort an Lydia zu richten.

»Bist du eine echte Prinzessin?«, fragte sie statt einem ›Danke‹. Die Schauspielerin schmunzelte amüsiert. »Du hast gesungen wie ein Engel.«

Lydia musste achtgeben, dass sie vor Rührung keine feuchten Augen bekam.

»Ich danke dir, Klara. Und du bist mit Sicherheit mein süßester Fan«, meinte sie ehrlich und streichelte dem Kind über das dichte blonde Haar.

So ein großes Kompliment hatte sie seit Monaten nicht mehr erhalten. Ganz im Gegenteil.

»Vielen Dank«, übernahm die Mutter wieder und nickte Lydia im Weggehen zu. »Ich mochte ihre Rolle als Daisy übrigens sehr. Im Grunde genommen bin ich sogar mit Ihnen aufgewachsen. Viel Glück weiterhin, Frau Auenbach.«

Klara winkte ihr von Weitem. Unschlüssig hob auch Lydia ihren Arm und lächelte. So fühlte sich also Erfolg an. Sie wusste kaum noch, was das war, seit man nur noch den Kinderstar von damals in ihr sah statt einer aufstrebenden, gestandenen Künstlerin, die mit Anfang dreißig an ihre alten Erfolge anknüpfen wollte.

»Da ist Daisy! Seht doch!«, hörte sie die Stimme eines Reporters rufen.

Er brachte eine ganze Schar seiner Kollegen mit, die sich um Lydia versammelten und ihr die Mikrofone entgegenstreckten. Erneut kam sie nicht zu ihrem Wagen, der auf sie wartete, um sie nach Hause zu bringen.

Sie bat ihre Bodyguards um Nachsicht. Immerhin hatte Lydia nun endlich wieder die Chance, ein Interview zu geben. Seit die Theater nicht mehr ausverkauft waren, fühlte sie sich schlecht, vielleicht sogar ungeliebt.

Man hatte Lydia als junges Mädchen auf ein hohes Ross gesetzt. Inzwischen berührten ihre Füße den Boden und wurden immer häufiger schmutzig. So war das Leben in der Welt der großen Künste leider. Nicht alles blieb so schön und glänzend, wie es auf den Bühnen und Leinwänden den Anschein hatte, sondern ebenso hart umkämpft.

Der Preis der Berühmtheit war es gewesen, dass sich Lydia als Kind kaum in der Öffentlichkeit hatte zeigen können, ohne erkannt und belästigt zu werden. Hatte sie dies früher verabscheut, so fehlte ihr der Trubel um ihre Person inzwischen.

Kaum war Lydia aus der Pubertät gekommen und zu einer Erwachsenen geworden, war ihr Stern gesunken. Wenigstens ein paar Theater liebten ihre voluminöse Stimme noch und boten ihr Rollen an. Aktuell hatte sie lediglich ein einziges Engagement unter der Regie von Daniel Kagen, einem mittelmäßigen Theaterintendanten. Es war besser als nichts.

Blitzlichtgewitter brach los. Sie stellte sich gekonnt in Pose. Dabei achtete sie darauf, wie eine Dame zu wirken und nicht wie ein Kind.

»Mein Name ist nicht mehr Daisy Harlington aus Amerika. Das war eine Rolle, die ich gespielt habe. Ich trete seit über zehn Jahren unter meinem echten Namen auf: Lydia Auenbach«, erklärte die Prinzessin nicht das erste Mal, bemühte sich aber, dabei nicht zu eingeschnappt zu klingen.

»Werden Sie eines Tages in Ihre Rolle als allseits beliebter Kinderstar zurückkehren?«

Lydia musste lachen. Sie hatte gehofft, dass man sie etwas zu ihrer aktuellen Arbeit auf der Bühne fragte. Das Interview wurde leider wieder einmal zu einer einzigen Farce.

»Bedaure, aber mit Anfang dreißig wird man mich wohl kaum als freches, süßes Mädchen besetzen, das noch zur High School geht.«

»Werden Sie Daisys Mutter im angekündigten Remake spielen? Die TV-Serie wird bereits jetzt als großer Hit gefeiert.«

Lydia runzelte die Stirn. Von einer Neuauflage ihrer Musicalreihe am Broadway wusste sie nichts.

»Ähm ... nein, in einem eventuellen Remake werde ich nicht Daisys Mutter spielen, so sehr sich meine Fans das auch wünschen. Ich bleibe lieber in Deutschland und konzentriere mich auf meine Karriere hier«, redete sie sich heraus. »Anspruchsvolle Charakterrollen und schöne Gesangsparts sind das, was mich heutzutage interessiert. Sie können mich aktuell in ›Besser nichts als gar nichts‹, einer Komödie nach dem gleichnamigen Buch von Joseph Fabula, sehen. Ich spiele dort die Hauptrolle der Olivia.«

»Werden wir Sie jemals im Fernsehen oder auf der Kinoleinwand sehen? Man sagt, das Theater habe seine besten Zeiten hinter sich. Immer mehr Stars wechseln die Sparte.«

Lydias Lächeln war in Stein gemeißelt. Sie ließ sich nur innerlich einschüchtern. Nach außen hin zeigte sie sich stolz und selbstsicher. Dennoch machte sich ein flaues Gefühl in ihrem Magen breit. Vielleicht hatten diese Menschen recht. Ihr kamen plötzlich Zweifel. War das Musicaltheater bereits an seinem Ende angekommen? In Hamburg war es bis heute ein großer Erfolg, jeder liebte ›Der König der Löwen‹ oder ›Das Phantom der Oper‹.

»Bedaure, aber ich glaube fest an den Erfolg des großen Theaters. Das Live-Erlebnis ist nicht zu vergleichen mit einer simplen Leinwand.«

Der nächste Journalist steckte ihr das Mikrofon beinahe in die Nase. Instinktiv machte sie einen winzigen Schritt rückwärts. Das Licht der Kameras blendete sie zunehmend. Ihr brach der Schweiß aus, aber der Musicalstar ließ sich, ganz der Profi, nichts anmerken.

»Man sieht sie nie mit einem Mann an Ihrer Seite. Stimmen die Gerüchte, dass Ihnen keiner das Wasser reichen kann?«

Lydia lachte gequält auf. Was für eine unangebrachte Frage! Sie überlegte fieberhaft, ob ihnen die ehrliche Antwort mehr gefiel als eine Lüge.

»Ich bin keine Frau, die wahllos aussucht, aber ja, ich habe durchaus ein Privatleben«, wand sie sich heraus und erzwang sich ein weiteres angespanntes Lächeln.

So langsam fühlte sich ihr Gesicht wie eine starre Maske an. Ihre Mundwinkel schmerzten.

»Mögen Sie Ihr eigenes Geschlecht mehr?«, hakte ein anderer taktlos nach.

»Selbst, wenn es so wäre, würde Sie das nichts angehen«, zischte sie leise und verengte ihre grünen Augen gefährlich. »Ist das dann alles? Ich möchte gern in den verdienten Feierabend gehen. Mein Abend war lang und anstrengend. Ich stand, wie Sie vielleicht wissen, die ganze Zeit auf der Bühne und habe gesungen und geschauspielert.«

Lydia machte ihren Bodyguards deutlich, dass sie genug von den vorlauten Fragen hatte. Die beiden breitschultrigen Männer bahnten ihr einen Weg zu ihrem Wagen.

»Frau Auenbach!«, wurde durch das Stimmengewirr gerufen. »Eine letzte Frage!«

Lydia hielt inne. Sie wurde nicht oft bei ihrem richtigen Namen genannt. Ihren Adelstitel hatte sie gar nicht erst in das Business mitgenommen. Durch die vielen Blitze der Kameras konnte sie das Gesicht des Fragestellers nicht ausmachen. Sie blinzelte heftig und schirmte ihre Augen mit der Hand ab.

»Ja, bitte?«, rief sie gegen das Tosen der Menge an.

»Wie gehen Sie damit um, dass Ihre Cousine Jolana Hohenstein nun die begehrten Theaterrollen bekommt? Liegt es daran, dass sie jünger ist als Sie?«

Entsetzt blieb Lydia der Mund offen stehen. Sie hatte vieles erwartet, sogar völlig absurde Fragen, aber diese schlug dem Fass den Boden aus.

»Das ... das glaube ich kaum«, stotterte sie nun doch verunsichert. »Jolana ist nur vier Jahre jünger als ich. Zudem spielt sie noch immer ihr Bauerntheater in der Provinz, während es mich in die großen Metropolen gezogen hat, wie Sie sicher wissen.«

»Ach, dann haben Sie es noch gar nicht gehört«, setzte der Reporter nach. »Jolana Hohenstein wird bereits als nächster großer Stern am Broadwayhimmel gehandelt. Sie spielt demnächst im neuen Musical von Wesley Mitchell. Dieser Name dürfte Ihnen doch ein Begriff sein.«

Natürlich war Lydia im Bilde über Wesley. Er war ein alter Wegbegleiter und aufstrebender, hochgelobter Theaterintendant, der in London und New York bereits Erfolge gefeiert hatte. Von seiner Zusammenarbeit mit ihrer Cousine hörte sie jedoch das erste Mal.

Lydias Verunsicherung stieg an. Jolana Prinzessin zu Hohenstein schien nun doch ihren eigenen Weg gefunden zu haben. Das hätte Lydia ihr niemals zugetraut. Die Adelige spürte brodelnden Zorn aufwallen. Ehe sie etwas Unkluges tat oder sagte, verschwand sie zusammen mit ihren beiden Gorillas in der schwarzen Limousine und gab dem Chauffeur das Zeichen zum Losfahren. Selbst durch die getönten Scheiben sah sie, dass noch immer zahlreiche Bilder geschossen wurden.

Nervös griff Lydia zum Handy und durchsuchte die Online-Portale nach dem Namen ihrer Cousine. Sie hatte diese Frage zunächst als Finte des Journalisten eingeschätzt, um sie aus der Reserve zu locken. Leider ergab ihre Recherche, dass er recht hatte: Jolana Hohenstein war das Thema auf jeder deutschen Musical- oder Theaterseite.

Freudig strahlte die schöne Achtundzwanzigjährige auf dem Foto und präsentierte dabei ein wunderschönes rotes Abendkleid während irgendeiner pompösen Gala, zu der man Lydia gar nicht erst eingeladen hatte. Jolanas schneeweiße Zähne hoben sich perfekt von den rot geschminkten Lippen ab. Das honigblonde Haar fiel ihr in sanften Wellen über die Schultern. Sie machte ihrem Adelstitel alle Ehre.

Automatisch verglich sich Lydia mit ihr. Auch sie konnte sich mit ihren smaragdgrünen Katzenaugen und den langen schokobraunen Haaren sehen lassen. Vor einigen Jahren hatte man sie sogar mit Angelina Jolie verglichen, aber auch diese Zeiten waren offenbar vorüber. Nun drehte sich alles um ihre zuckersüße, unverbrauchte Cousine Jolana, deren blaue runde Augen die Unschuld schlechthin repräsentierten.

Wenn sie wüssten, grollte Lydia innerlich und steckte das Smartphone schnell wieder weg.

Lydia wollte nicht mehr über Jolanas Erfolge lesen. Erst recht nicht auf Titelseiten, die vor wenigen Monaten noch Lydia gehört hatten. Sie lehnte ihre heiße Stirn ans Fenster, bis sie vor dem großen dreistöckigen Anwesen ihrer Familie hielten.

Lydia bewohnte das alte Herrenhaus allein, seit ihre Eltern es vorgezogen hatten, in die Karibik auszuwandern und dort ihren Lebensabend zu verbringen. Am Tag ihrer Bekanntgabe hätte sich Lydia wieder einmal Geschwister gewünscht. Sie fühlte sich manchmal einsam, wenn sie durch das knarrende alte Gemäuer schritt, ihre nackten Zehen im weichen Teppichboden versenkte und währenddessen mit einem Glas Wein in der Hand die Ahnengalerie betrachtete. Es gab niemanden, der sie dabei begleitete, und keinen, den sie anrufen und einladen konnte, den angebrochenen Abend mit ihr zu verbringen.

Durch ihren Status als Weltstar hatte sie in ihrer Kindheit viele Abstriche machen müssen. Jeder, der mit ihr zu tun gehabt hatte, hatte entweder für sie gearbeitet oder sich von ihr aushalten lassen. Wahre Freundschaft hatte Lydia nie gekannt. Sie vertraute nicht mehr auf die Menschen in ihrem Umfeld. Die Prinzessin war dafür viel zu häufig enttäuscht und verletzt worden. Lydias Wunden auf ihrer Seele waren zwar mit der Zeit verheilt, hatten aber feine Narben hinterlassen, die sie bis heute fühlte. Nur ein besonders tiefer Schnitt gähnte noch immer wie eine riesige Schlucht in ihr.

Als Lydia an diesem Abend ihrem Ritual nachging und langsam die Ahnengalerie entlangschritt, spürte sie, dass etwas anders war. Der Wein schmeckte bitter, die Gesichter ihrer Vorfahren wirkten noch verhärmter und schattiger als sonst. Zudem dachte sie unentwegt über Jolana nach.

›Ein neuer Stern am Broadway‹, hatte es geheißen, dabei war ihre Cousine noch nicht einmal in die Vereinigten Staaten gereist, sondern tourte momentan durch Europa.

Lydias Miene verhärtete sich, während sie ihre Großtante betrachtete. Sie hatte das Gefühl, dass diese sie ebenfalls anstarrte. Sie sah Jolana sehr ähnlich mit ihrem weichen blonden Haar und diesen unschuldigen Engelsaugen.

Erst als das Glas mit einem Klirren in ihrer Hand zersprang, wachte Lydia aus ihrem Tagtraum auf. Sie hatte viel zu fest zugedrückt. Schmerzhaft biss sie ihre Zähne zusammen und schüttelte die Scherben von ihrem Arm. Ihr Gesicht hatte zum Glück nur ein paar Tropfen Rotwein abbekommen, aber ihre Handfläche blutete. Ein feines Rinnsal beider Flüssigkeiten vermengte sich auf ihrer Haut und tropfte zu Boden.

Durch den Lärm wurde ihr Hausmädchen Paulina aufgescheucht, die bis eben noch in der Wäschekammer gearbeitet hatte.

»Was ist passiert, Durchlaucht?«, wollte die junge schwarzhaarige Frau mit dem interessanten Pixie-Haarschnitt wissen.

Ihre Tattoos verbarg sie unter ihrer Arbeitsbekleidung, wusste Lydia, seit sie Paulina einmal zufällig im Park begegnet war. Eines von wenigen Malen, dass sich Lydia ganz allein hinausgetraut hatte. Doch auch dieses Sommererlebnis lag nun beinahe ein volles Jahr zurück.

Paulina betrachtete das Malheur mit großen Augen, drehte dann ab und holte sofort ein feuchtes Tuch für ihre Arbeitgeberin.

»Soll ich den Arzt rufen? Ich befürchte, das muss genäht werden«, meinte sie schluckend und blickte nur kurz auf die Wunden.

Lydia schmunzelte und legte ihre unverletzte Hand auf Paulinas Schulter. Sie wusste, dass das Hausmädchen kein Blut sehen konnte, ohne vielleicht ohnmächtig zu werden. Ihr Gesicht war bereits kalkweiß.

»Ich schaffe das schon. Es war mein Fehler, ein dummes Versehen. Mach dir keine Gedanken. Danke für das Tuch.«

Paulina schluckte erneut trocken und nickte starr.

»Kann ich Ihnen sonst noch etwas bringen?«

»Ein Brandy vor dem Schlafengehen.«

»Soll ich ihn im Salon servieren oder in Ihren Gemächern, Durchlaucht?«

Lydia überlegte. Ihre Hand brannte höllisch, aber das gab sie nicht zu. Außerdem wollte sie ihre Angestellte lieber von der Verletzung ablenken.

»Im Salon. Ich bleibe noch etwas wach«, entschied sie aus dem Bauch heraus. Schlafen würde Lydia jetzt ohnehin nicht, nachdem sie diese ungeheuerlichen Neuigkeiten von Jolana gehört hatte. »Wenn die Zeit vor dem Feierabend für dich ausreicht, dann kannst du mir bitte noch ein Feuer im Kamin machen. Wenn nicht, mache ich es selbst. Ich möchte nicht, dass du zu spät zum Bus kommst.«

Paulina lächelte leicht und deutete einen Knicks an, wie sie es einst bei Lydias Eltern, den Fürsten, gelernt hatte. Die Prinzessin legte selbst keinen großen Wert auf die alten Anreden, Titel und Bräuche, aber es war schwierig, das Verhalten wieder aus den Köpfen der Angestellten zu bekommen.

»Ich habe Zeit. Meine Mutter holt mich nachher mit dem Auto ab.«

Henriette arbeitete bereits seit Lydias Geburt als Köchin und Hausdame für die Familie von Auenbach. Durch sie war Paulina seit ein paar Jahren ebenfalls Teil der Bediensteten.

Als ihr Hausmädchen fort war und ihren Aufgaben nachging, blickte Lydia verträumt aus dem Fenster im ersten Stock hinüber zum großen schmiedeeisernen Tor. Ihre Sicht verschwamm etwas, weil sie wieder einmal zu viel Wein auf leeren Magen getrunken hatte. Eine lästige Angewohnheit seit ihrem stressigen Wechsel vom Kinderstar zur erwachsenen Schauspielerin. Schon damals hatte niemand sie wirklich ernstgenommen. Alle wollten ständig nur etwas über die süße, vorlaute, neunmalkluge Daisy Harlington hören, doch dieses Leben lag lange hinter Lydia. Nie hatte jemand gefragt, wie es ihr dabei ging und ob sie nach mehr als zehn Jahren überhaupt noch Lust auf dieselbe Rolle hatte.

Ihre Eltern dachten bis heute, dass Lydia glücklich gewesen war. Sie konnte den beiden nichts vorwerfen. Niemand hatte sie dazu gezwungen, einen Weg als Schauspielerin einzuschlagen. Anfangs hatte das Ganze Aufregung und Spaß für das Mädchen bedeutet, aber spätestens seit ihren Teenagerjahren war diese Rolle wie ein Fluch geworden und hatte an ihr gehangen wie Pech. Trotz diverser Vorsprechen wollte niemand sie für ernste Rollen engagieren. Die Intendanten und Regisseure sahen in Lydia bis heute die Kunstfigur Daisy. Ganz ähnlich musste sich Romy Schneider mit ihrer Sissi gefühlt haben. Lydia hoffte, nicht genauso zu enden wie sie.

Unter dem Erfolgsdruck wäre die Prinzessin damals beinahe zerbrochen. Einzig Jolana hatte an ihrer Seite gestanden und sie aufgebaut, sobald es schlimm geworden war.