Fürsten-Roman 2662 - Marlene von Mainau - E-Book

Fürsten-Roman 2662 E-Book

Marlene von Mainau

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Beschreibung

Für Flavia Fürstin zu Steinbrücken ist die Zukunft bereits vorherbestimmt. Sie hat ihren Eltern kurz vor deren Tod ein wichtiges Versprechen gegeben. Sie wird ihren Sandkastenfreund und engen Vertrauten Martin Fürst von Bruckwitz heiraten, so wie die Eltern es immer gewollt hatten. Doch leider ist ihr Verlobter alles andere als die große Liebe, auf die Flavia immer gehofft hat. Er ist zwar herzensgut und zärtlich, doch auch viel zu anständig und angepasst.
Als die Hochzeitsvorbereitungen immer konkreter werden und Martin sie mit seiner Nähe förmlich erdrückt, kommt Flavia ihr lang geplantes Praktikum in der Natur Schwedens gerade recht. Schon lange interessiert sich die junge Fürstin für den Klima- und Umweltschutz und schließt sich einer Gruppe Studenten an, die dort Bodenproben entnehmen, um sie zu analysieren. Dort begegnet die Adlige dem charmanten Fürstensohn Erik. Der attraktive Prinz geht ihr auch nach ihrer Rückkehr nach Deutschland nicht mehr aus dem Kopf. Flavia steht vor einer wichtigen Entscheidung. Wird sie das Versprechen brechen und zu ihren Gefühlen stehen oder sich dem Willen ihrer geliebten Eltern beugen?


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Inhalt

Cover

Durchgebrannt!

Vorschau

Impressum

Durchgebrannt!

Ein fürstliches Paar trotzt allen Regeln und Widerständen

Von Marlene von Mainau

Für Flavia Fürstin zu Steinbrücken ist die Zukunft bereits vorherbestimmt. Sie hat ihren Eltern kurz vor deren Tod ein wichtiges Versprechen gegeben. Sie wird ihren Sandkastenfreund und engen Vertrauten Martin Fürst von Bruckwitz heiraten, so wie die Eltern es immer gewollt hatten. Doch leider ist ihr Verlobter alles andere als die große Liebe, auf die Flavia immer gehofft hat. Er ist zwar herzensgut und zärtlich, doch auch viel zu anständig und angepasst.

Als die Hochzeitsvorbereitungen immer konkreter werden und Martin sie mit seiner Nähe förmlich erdrückt, kommt Flavia ihr lang geplantes Praktikum in der Natur Schwedens gerade recht. Schon lange interessiert sich die junge Fürstin für den Klima- und Umweltschutz und schließt sich einer Gruppe Studenten an, die dort Bodenproben entnehmen, um sie zu analysieren. Dort begegnet die Adlige dem charmanten Fürstensohn Erik. Der attraktive Prinz geht ihr auch nach ihrer Rückkehr nach Deutschland nicht mehr aus dem Kopf. Flavia steht vor einer wichtigen Entscheidung. Wird sie das Versprechen brechen und zu ihren Gefühlen stehen oder sich dem Willen ihrer geliebten Eltern beugen?

Die Gäste der Passagiermaschine schnallten sich an, um sich für die Landung auf dem Stockholm Arlanda Airport vorzubereiten. Flavia Fürstin zu Steinbrücken tat es ihnen gleich und ließ den Gurt einmal klicken. Daraufhin packte die junge Brünette ihr Handgepäck zusammen.

Das Herz schlug aufgeregt in ihrer Brust, während sie das Flugzeug verließ und sich zur Kofferausgabe begab. Seit ihrem Abflug aus München konnte Flavia kaum noch stillsitzen. Die Fürstin war froh, nach etwas über zwei Stunden wieder im Freien zu stehen, statt eingeengt zwischen zwei breitschultrigen Sportlern auszuharren.

Es war deutlich kühler in Schweden als in ihrer Heimat. Flavia fröstelte sogar, obwohl Europa derzeit einen milden September genoss und sie sich für einen dünnen schwarzen Rollkragenpullover sowie lange Jeans entschieden hatte. Viele Menschen waren noch in T-Shirts und kurzen Hosen unterwegs, obwohl der Herbst erste erfrischende Böen sendete.

Die Schweden sind härter im Nehmen, schlussfolgerte sie und zog ihren Koffer bis zu einem großen Platz, an dem Taxis warteten.

Flavia hielt inne. Der Fahrer wunderte sich, als sie keine Anstalten machte, einzusteigen, doch die junge Fürstin hing ihren Erinnerungen nach. Wenn sie an ihre verstorbenen Eltern dachte, verfiel sie in Trance. Es stimmte Flavia traurig, dass die beiden nicht mehr erleben würden, wie sie heiratete oder Kinder bekam. Auch das Praktikum in Stockholm, das für Flavias berufliche Laufbahn wichtig war, verpassten die zwei. Wenigstens hatte sie noch ihre große Schwester Alwina, die ihr mit Rat und Tat zur Seite stand und sie darin bestärkte, Martin Fürst von Bruckwitz das Jawort zu geben.

Ihr Handy vibrierte und zeigte einen eingehenden Anruf ihres Verlobten an. Flavias Daumen schwebte über dem roten Telefonhörer, doch dann hatte sie ein Einsehen und nahm das Gespräch an, während sie auf dem Rücksitz Platz nahm und dem Fahrer die Adresse ihres Hotels reichte, das sie sich vor der Abreise extra auf einem Zettel notiert hatte. Flavia würde sich ohnehin mit Englisch durchschlagen müssen, da sie nur stockend Schwedisch sprach. Ein weiterer Grund, mehr Zeit hier zu verbringen und am Leben der Einwohner teilzunehmen. Sie freute sich auf die aufregende Zeit im Ausland, auf wunderschöne Natur, frische Luft und nette Bekanntschaften.

»Ich nehme an, du bist gut angekommen?«, erklang seine sanfte Stimme.

Ein paar Ecken und Kanten hätten ihm gutgetan, doch seine einstige Kindheitsfreundin wollte sich mit dem zufriedengeben, was ihn zu einem anständigen Menschen machte. Das war viel wert und würde jede Frau glücklich stimmen – nur nicht sie. Flavia hatte ein viel zu wildes Temperament für einen sanftmütigen, angepassten Mann wie Martin. Doch sagte man nicht: Gegensätze ziehen sich an?

»Sonst könntest du mich nicht erreichen«, erwiderte Flavia etwas zu forsch. Sie zügelte ihr Temperament sofort. Martin konnte nichts dafür, dass ihr Bein eingeschlafen war und kitzelte, als beherberge es einen Haufen Ameisen. »Entschuldige, ich habe Kopfschmerzen. Hier ist das Klima irgendwie anders, der Luftdruck höher. Ich weiß es nicht genau.«

»Komm erst mal in Ruhe an und entspann dich, mein Schatz. Du kannst mir schreiben, sobald es dir besser geht. Ich möchte dich nicht erdrücken. Ich hoffe, du findest dein Hotel schnell.«

Wieso sagte er immer genau das Richtige? Und warum konnte er ihr nicht wenigstens einmal die Leviten lesen, wenn sie schon frech zu ihm war? Flavia hätte eine kleine Reiberei mehr als genossen, wenn doch sonst alles perfekt war.

Martin war ein feiner Kerl, eine treue Seele und Flavias bester Freund aus dem Sandkasten. Doch seit geraumer Zeit verspürte sie keine körperlichen Gefühle mehr für ihn. Die Anziehung fehlte komplett, selbst wenn sie sich dazu zwingen wollte, ihn attraktiv zu finden und seine gutgemeinten Liebkosungen zu genießen. Das Feuer war längst erloschen, bevor es richtig gelodert hatte.

Manchmal glaubte sie, sich ihre Liebe zu Martin einzubilden, um es den Menschen in ihrem Umfeld rechtzumachen. Insbesondere ihre Eltern, die Fürsten, waren begeistert gewesen, als sie von Flavias und Martins Beziehung erfuhren. Seither hatte ein immenser Druck auf den Schultern ihrer Tochter gelastet, der in einem wichtigen Versprechen geendet hatte, das Flavia bis in ihre Träume verfolgte. Direkt nach dem schrecklichen Autounfall waren diese am schlimmsten gewesen.

»Ich habe vorhin mit dem Wedding Planner gesprochen«, sagte er nun. Flavias ganzer Körper spannte sich an. »Er hat ein paar wunderschöne Bouquets, die er uns zeigen möchte. Für die Tischdeko.«

Einer Heirat stand nach fünf Jahren Beziehung nichts mehr im Weg. Wäre da nur nicht das ungute Gefühl in Flavias Bauch, wenn Martin oder Alwina auf die Hochzeit zu sprechen kamen oder jemand bereits Nachwuchs in den Raum warf. Sie atmete auf, wenn sie ihren Verlobten eine Weile mal nicht vor ihrer Nase sehen brauchte und an ihre baldige Vermählung erinnert wurde. Es gab kaum eine Minute, die sie für sich hatte. Dabei wusste Flavia, dass der Fürst es nicht böse meinte, im Gegenteil. Martin von Bruckwitz war ein reifer, hilfsbereiter, liebenswürdiger Mann, der das Herz am rechten Fleck trug.

»Das klingt wundervoll«, gab Flavia teilnahmslos zum Besten und verabschiedete sich schnell, als das Taxi vor dem kleinen, rot angestrichenen Hotel hielt.

Es sah zauberhaft aus und bot eine gute Anbindung zum Stortorget, dem bekannten, kopfsteingepflasterten Marktplatz. Dessen Gebäude aus dem 17. Jahrhundert waren in erdigen Pastelltönen gestrichen worden und ein regelrechter Touristenmagnet, dem sich Flavia gar nicht entziehen konnte. Zudem erstreckte sich die Stadt über zahlreiche Inseln. So viel Wasser hatte die Fürstin noch nie in einer europäischen Metropole gesehen. Sie war sichtlich beeindruckt. Flavia fühlte sich schon jetzt wie in einem Märchen, dabei fuhr sie noch lange nicht Richtung Wälder und Seen hinaus.

Im Norden des Landes wollte die Gruppe ihre Zelte aufschlagen und hoffentlich nicht von Elchen zertrampelt oder von Braunbären angegriffen werden. Flavias Herz machte einen glücklichen Satz, wenn sie an das bevorstehende Abenteuer in der Wildnis dachte. Sie würden Spuren suchen, Wasserproben nehmen und Pflanzen sammeln. Ein wenig kam sich Flavia wie bei den modernen Pfadfindern vor, doch genau das machte den Reiz für sie aus. Für das bevorstehende Stuttgarter Studium im Umweltschutz würde Flavia einen ersten Einblick in die wissenschaftlichen Arbeiten der Kollegen werfen. Dass sie ihr Praktikum ausgerechnet in Schweden absolvierte, war ihre eigene Entscheidung gewesen. Vielleicht, um so weit vom Anwesen ihrer Familie fortzukommen, wie möglich.

Dann hättest du Kanada wählen müssen!, hörte sie die ermahnenden Worte ihrer Schwester im Kopf.

Keine Minute später erhielt Flavia die ersten Fotos von kitschigen Blumengestecken, die einer fürstlichen Hochzeit anscheinend gerecht wurden. Sie steckte ihr Smartphone weg und kümmerte sich nicht weiter darum.

»Martin gibt sich solche Mühe. Wieso kannst du dich nicht wenigstens freuen? Du benimmst dich, als würdest du zum Schafott geführt werden statt zum Traualtar«, erklang erneut Alwinas strenge Stimme, die Flavia mit einem Kopfschütteln verscheuchte.

Sie streckte sich ausgiebig und warf ihre langen braunen Haare über die Schultern. Im Tageslicht schimmerten jene bronzefarben, was ihr stets ein paar neugierige Blicke bescherte.

Eine Brise streifte ihre sonnengebräunten Wangen und kitzelte ihre sommersprossige Nase. Flavia hielt einen Moment inne und sog die ersten Eindrücke von Schweden in sich auf. Ihr gefiel, was sie sah. Skandinavien verzauberte die einstige Prinzessin. Hier war das Wort Freiheit nicht nur ein Begriff, sondern eine Lebenseinstellung.

Die Frau Mitte zwanzig hatte sich ein Zimmer mit Ausblick auf die hübsche, bunte Innenstadt gegönnt. An Geld mangelte es ihrer Familie nicht, aber die teuerste Unterkunft hatte es auch nicht sein müssen. Flavia mochte es rustikal.

Sie sah es als letzten Ausbruch an, bevor sie für immer Handschellen anlegte und ihren Verpflichtungen nachkam. Wenigstens hatte Alwina als Ältere der beiden die meisten Aufgaben geerbt, denen die erfolgreiche Anwältin nach bestem Gewissen nachkam. Dagegen musste Flavia erst noch ihren Platz in der Welt finden.

Erneut vibrierte ihr Handy. Alwina rief an.

»Na, du Reisende?«, begrüßte sie Flavia mit einem Lächeln in der Stimme. »Wie gefällt dir Stockholm bisher? Du musst unbedingt die Storkyrkan-Kathedrale und das Altstadtzentrum Gamla Stan besuchen.«

»Eins nach dem anderen«, mahnte Flavia zur Ruhe und erwiderte das Lachen. »Ich bin gerade erst angekommen. Aber ich werde heute einen ersten Bummel über die Inseln machen. Es gibt so viel zu sehen, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll.«

»Dann ist Gamla Stan perfekt. Du, ich muss weiter. Eine Klientin wartet im Café auf mich. Hast du vor deiner Abreise noch die traumhaften Bouquets durchgesehen, die dir euer Planner zusammengestellt hat? Martin war so frei und hat sie mir gezeigt.«

»Die Zeit reichte leider nicht mehr«, erwiderte Flavia und unterdrückte ein genervtes Seufzen. Das Augenverdrehen sah Alwina wenigstens nicht. Nun fing ihre Schwester auch noch davon an! »Aber Martin hat Fotos geschickt. Heute Abend werde ich sie mir in Ruhe anschauen.«

»Denk daran, dass du in knapp zwei Monaten heiratest. Ist das nicht aufregend? Meine kleine Schwester tritt vor den Traualtar!«, jubelte Alwina wie damals, als sie kleine Mädchen waren. »Weißt du noch? Davon haben wir immer geträumt.«

Ja, aber im Traum war es meine große Liebe und nicht mein bester Freund, schoss Flavia stumm dagegen.

Ihre Laune sackte in den Keller.

Zu guter Letzt sagte Alwina die alles entscheidenden Worte, die Flavias Herz nur noch mehr zusammenpressten: »Mama und Papa wären so stolz auf dich. Und ich bin es auch.«

Ein riesiger Kloß hinderte sie fortan am Sprechen, doch Alwina verabschiedeten sich ohnehin gerade. Mit schimmernden Augen legte Flavia auf und atmete tief durch, bis sich ihr Körper beruhigt und ihre Atmung normalisiert hatte.

Ein Besuch der Uferpromenaden sorgte für etwas Ablenkung. Jazzmusik erklang in den schmalen Seitenstraßen der Stadt, und bei einem Glas Wein mit Blick auf das ruhige Wasser ließ Flavia ihren ersten Tag in Stockholm ausklingen.

Die Fotos von Martin vergaß sie darüber.

Erst beim Frühstück erinnerte sie sich daran, dass er eine Meinung dazu hören wollte. Sie schob es noch eine Weile hinaus und genoss das leckere Essen. Erst danach widmete sie sich den pompösen Gestecken, die ihr alle nicht zusagten. Flavia hätte ihre Hochzeit lieber kleiner und im engsten Familienkreis geplant, der seit dem Unfall ihrer Eltern bloß noch aus ihrer Schwester bestand.

»Ich schaue sie mir lieber nach meiner Rückkehr an«, erklärte sie Martin am Handy und blickte zerknirscht aus dem Fenster. »Ich kann mich auf die Schnelle nicht entscheiden.«

»Aber du weißt, dass der Wedding Planner unsere Meinung bald hören muss, Flavia«, erinnerte er sie. »Du hättest so knapp vor der Hochzeit besser keine Reise unternommen, aber ich wollte dich nicht aufhalten. Es war schließlich dein großer Wunsch.«

»Ja, das war es, und ich bin dir auch unendlich dankbar, dass du meine Marotten alle erträgst und mitmachst. Ich überlasse dir die Auswahl der Blumen, einverstanden? Ich vertraue auf deinen Geschmack.«

»Bist du dir sicher?«, hakte Martin verblüfft nach. »Nicht, dass sie dir an unserem großen Tag dann doch nicht gefallen. Vielleicht kann ich unsere Entscheidung noch um zwei Wochen hinauszögern. Ich telefoniere nachher mal mit ihm.«

»Du bist der Beste. Vielen Dank, Martin.«

»Dafür liebst du mich ja auch«, erwiderte der Mann am anderen Ende der Leitung grinsend.

»Ja ... ja, das auch«, murmelte Flavia abwesend.

»Bis bald, mein Schatz. Ich liebe dich und wünsche dir den Spaß deines Lebens«, drangen Martins warmherzige Worte an ihr Ohr.

»Ich dich auch«, brachte sie eben noch krächzend zustande.

Es fühlte sich falsch und wie auswendig gelernt an, diesen Satz zu sagen, wie eine gefühllose Phrase, aber sie wollte Martin nicht verwirren oder ihm die Hochzeit vermiesen. Er hatte es verdient, ihre volle Liebe zu erfahren.

Auf Riddarholmen fotografierte Flavia herausgeputzte Paläste und Adelshäuser, und danach besuchte sie das riesige Freilichtmuseum Skansen, das als Nachbildung einer Kleinstadt errichtet worden war und durch fünf Jahrhunderte Schweden führte. Beeindruckt folgte Flavia den Pfaden an Tieren und Kunstwerken vorbei. Sie erstand vor Ort ein paar Souvenirs für ihre Liebsten daheim.

Auf Schloss Drottningholm, der privaten Residenz von Schwedens Königsfamilie, das sie über eine Fähre vom Terminal Nybroviken aus erreichte, genoss Flavia ein Stück Kuchen. Sie ließ sich die warme Herbstsonne auf ihre Nasenspitze scheinen und entspannte zum ersten Mal seit Monaten. Was für ein herrlicher Tag! Beinahe neigte sich jener seinem Ende zu. Ihr Praktikum startete erst morgen früh von der Universität aus, also hatte sie einen letzten Abend ganz für sich allein.

Plötzlich legte sich ein Schatten auf ihr Gesicht. Perplex starrte Flavia auf eine männliche Silhouette. Seine Miene konnte sie vor Gegenlicht nicht ausmachen, doch sie war sich sicher, dass ein echter Wikinger vor ihr stand. Die Hörner seines Helmes ragten in die Höhe. Endlich machte er einen Schritt zur Seite. Seine breiten Schultern zeugten von viel Sport, der gesunder Teint von einem Leben in der Natur. Seine blonden langen Haare hatte der Fremde zu mehreren Zöpfen geflochten und in eine moderne Frisur eingearbeitet.

Flavia blieb der Atem weg. Die Zeit schien auf einmal stillzustehen. Einzig ihr Puls raste. An seinem kantigen Kinn stand ein Dreitagebart. Nun sah sie auch, dass er nicht in traditioneller Kleidung steckte, sondern einen groben Strickpullover über einer verwaschenen Jeans trug. Was der Wikingerhelm sollte, würde sie wohl erst erfahren, sobald er es ihr verriet. Aber das, was ihr völlig den Verstand raubte, waren seine stahlblauen Augen, die Flavia bis in die Seele blickten.

»Förlåt!«, meinte er mit rauer dunkler Stimme, welche ihr einen Schauer über den Rücken jagte. Schnell schob sie die Ärmel ihres Oberteils herunter, damit er ihre Gänsehaut nicht bemerkte. Der Mann wollte schon weitergehen, als er einen Zeigefinger an seine Lippen setzte und sich an etwas erinnerte. Der ansehnliche Schwede wandte sich erneut an Flavia: »Jag kan inte komma ifrån känslan av att ...«

»Schon in Ordnung«, erwiderte sie auf Englisch und hob die Hände, damit er innehielt. »Den Rest habe ich leider nicht verstanden. Tut mir leid. Ich komme aus Deutschland, und mein Schwedisch steht noch in den Startlöchern.«

»Ah, eine Deutsche! Wie schön!«, erwiderte er begeistert auf Deutsch und mit einem starken Akzent. »Ich habe viele Jahre in Hamburg gelebt und studiert.«