Fürsten-Roman 2694 - Carolin von Campen - E-Book

Fürsten-Roman 2694 E-Book

Carolin von Campen

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Beschreibung

Zitternd, schluchzend und vor allem unsagbar wütend steht Larissa Komtess von Anstein in der Dämmerung an einer einsamen Landstraße irgendwo in der norddeutschen Provinz. Das kann doch alles nicht wahr sein, denkt sie. Eigentlich sollte sie jetzt in New York sein, als Chefdesignerin von Anstein Couture, dem Unternehmen, das ihre Großmutter Elsabea einst gegründet und zu einer Weltmarke gemacht hat. Schließlich hat Larissa ein ausgezeichnetes Modedesign-Studium vorzuweisen und nie daran gezweifelt, dass Elsabea ihr einen adäquaten Posten anbietet. Doch Elsabea von Anstein hat nicht nur viel Erfahrung in der Modebranche, sondern auch enorme Menschenkenntnis. Und ihre Enkelin ist vor allem eines nicht: auf das wahre Leben abseits des adligen Jetsets vorbereitet. Deshalb hat sie Larissa vor die Wahl gestellt: entweder, sie absolviert ein mehrmonatiges Praktikum auf Gut Anstein, um zu verstehen, wo Rohstoffe wie Wolle und Flachs herkommen - oder sie bekommt nie einen Posten im Unternehmen. Widerwillig musste Larissa also zustimmen, doch wie soll sie ihr Praktikum starten, wenn sie noch nicht einmal das Gut findet? Und jetzt raschelt es auch noch im Gebüsch ...


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Inhalt

Cover

Landliebe wider Willen

Vorschau

Impressum

Landliebe wider Willen

Adelsroman um eine Modedesignerin und einen Gutsverwalter

Von Carolin von Campen

Zitternd, schluchzend und vor allem unsagbar wütend steht Larissa Komtess von Anstein in der Dämmerung an einer einsamen Landstraße irgendwo in der norddeutschen Provinz. Das kann doch alles nicht wahr sein, denkt sie. Eigentlich sollte sie jetzt in New York sein, als Chefdesignerin von Anstein Couture, dem Unternehmen, das ihre Großmutter Elsabea einst gegründet und zu einer Weltmarke gemacht hat. Schließlich hat Larissa ein ausgezeichnetes Modedesign-Studium vorzuweisen und nie daran gezweifelt, dass Elsabea ihr einen adäquaten Posten anbietet. Doch Elsabea von Anstein hat nicht nur viel Erfahrung in der Modebranche, sondern auch enorme Menschenkenntnis. Und ihre Enkelin ist vor allem eines nicht: auf das wahre Leben abseits des adligen Jetsets vorbereitet. Deshalb hat sie Larissa vor die Wahl gestellt: entweder, sie absolviert ein mehrmonatiges Praktikum auf Gut Anstein, um zu verstehen, wo Rohstoffe wie Wolle und Flachs herkommen – oder sie bekommt nie einen Posten im Unternehmen. Widerwillig musste Larissa also zustimmen, doch wie soll sie ihr Praktikum starten, wenn sie noch nicht einmal das Gut findet? Und jetzt raschelt es auch noch im Gebüsch ...

Zügig durchmaß James Bennet den eleganten Salon des Nobelrestaurants in der Upper East Side von Manhattan, in dem er seit über fünfzehn Jahren der Maître d'hôtel war. Wie stets trug er auch an diesem regnerischen Apriltag sein volles silbergraues Haar tadellos frisiert, seine schwarzen Schuhe waren auf Hochglanz poliert, und sein Smoking strahlte blütenweiß.

Dass der stattliche James mit seinen siebzig Jahren ungemein attraktiv war, sah jeder. Dass er sich jedoch heute schon als Spion betätigt hatte, war seiner freundlichen Miene nicht im Geringsten anzumerken.

Auf dem silbernen Tablett, das er formvollendet trug, lag ein Kuvert mit rotem Siegel, das er einer ahnungslosen Adressatin zu überbringen im Begriff war.

Leise Klaviermusik untermalte das Geplauder der feinen New Yorker Gesellschaft, und der Duft erlesener Parfums, vermischt mit dem süßen Aroma der Lilienbouquets, die in schweren Kristallvasen links und rechts der hohen Panoramafenster standen, erfüllte den hohen Raum.

Die Aussicht über den Hudson River und den Central Park war von hier oben spektakulär. Doch James, der sie schließlich täglich bewundern konnte, richtete seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes.

Er kannte jeden von Rang und Ruf – und jeder kannte ihn. Die Gruppe junger Leute, auf die er zuging, hatte seiner Meinung nach mit Rang wenig zu tun.

Einen Ruf hatte die Clique allemal, doch eher für ihre Verschwendungssucht und Arroganz. Sie redeten laut durcheinander, prosteten sich zu und ihr schrilles Lachen sorgte dafür, dass die anderen Gäste sich indigniert umsahen. Zu den Füßen der drei Damen und drei Herren lagen ein Dutzend prall gefüllter Einkaufstüten aus den Edelboutiquen der Fifth Avenue.

Der Anführer war der achtundzwanzigjährige Ruben von Rigalsky – ein gut aussehender Mann mit klassischen Gesichtszügen und strohblonden Locken. Nach einigen missglückten Anläufen, im Unternehmen seines Vaters Fuß zu fassen, versuchte er sich seit Kurzem als Börsenmakler an der Wall Street. James wusste, dass Ruben seiner angesehenen Familie wegen seiner risikofreudigen Spekulationen und seines ausschweifendes Partylebens schlaflose Nächte bereitete. Kurzum – er war ein Baron auf Abwegen.

Rechts von Ruben rekelten sich seine Freunde in den Samtsesseln: ein träger, pausbäckiger Millionärsspross nebst seinem nicht minder reichen und beleibten Bruder, eine schmollmündige Influencerin und das rehäugige Topmodel Grace Parker. Sie standen Ruben an Oberflächlichkeit in nichts nach.

»Was genau machst du noch mal in der City?«, wandte sich Grace gelangweilt an eine weitere junge Dame, die links von Ruben saß und nicht in diese Runde zu passen schien.

Alle Augen am Tisch richteten sich auf sie. Auch James Bennet, der sich dezent genähert hatte, sah sie an, obwohl er sie seit ihrem Eintreffen ausgiebig beobachtet hatte.

Die junge Frau war die fünfundzwanzigjährige Larissa Komtess von Anstein, die vor nicht einmal zwei Tagen von Mailand nach New York City gekommen war.

Sie trug ein cremefarbenes plissiertes Seidenkleid, das einen schönen Kontrast zu ihrem kastanienbraunen Haar und den bernsteinfarbenen Augen bildete. Mit ihrer schmalen Nase und dem fein geformten Mund war Larissa eine Augenweide und hätte es eigentlich gewohnt sein müssen, angeschaut zu werden.

Sie errötete jedoch ob der Aufmerksamkeit. Hinter ihrer hohen Stirn wirbelten die Gedanken durcheinander, und ihr Herz pochte heftig. Gestern noch hatte sie Grace Parker auf dem Laufsteg bei der Show eines berühmten Designers bewundert, und nun saß sie mit ihr an einem Tisch und sprach mit ihr. Was für eine Ehre!

Aber was sollte sie ihr antworten?

Unsicher sah sie zu Ruben, der wie so oft spöttisch eine Augenbraue hob. Sie kannten sich aus dem Internat, doch dort hatte er sie nie beachtet. Er war drei Jahre älter als Larissa und hatte früher zu den beliebten, coolen Schülern gehört, ganz im Gegensatz zu ihr.

Dass ihr langjähriger heimlicher Schwarm sie gestern auf dem Flughafen von La Guardia nicht nur erkannt, sondern sogar mit ihr geflirtet hatte, war für die Komtess einem Wunder gleichgekommen. Und nicht nur das: Er hatte ihr sogar angeboten, sie mit seinem Wagen in die Stadt mitzunehmen und abends mit ihr auf eine Show der Fashionweek zu gehen, als er erfahren hatte, dass sie in Mailand Modedesign studiert hatte.

Das berühmte Event, auf dem die angesagtesten Designer ihre neuen Kollektionen präsentierten, war seit jeher Larissas Traum gewesen. Ihre Familie besaß zwar ein großes Modeunternehmen, doch sie war selten bei solchen Events dabei gewesen. Bei der Erinnerung an die wilde After-Show-Party, auf die Ruben sie ebenfalls mitgenommen hatte, wurde Larissa noch immer schwindelig.

»Hallo? Jemand zu Hause?«

Die Komtess schreckte aus ihren Gedanken hoch und sah auf Grace Parkers ungeduldig verzogenen Schmollmund.

»Ich werde Chefdesignerin bei Anstein Couture«, erklärte sie schnell und setzte ein Lächeln auf.

Das entsprach mehr ihrem Wunsch als der Wahrheit, und ihr Gesicht glühte sogleich vor schlechtem Gewissen.

»Larissa ist die einzige Enkelin von Gräfin Elsabea von Anstein«, erklärte Ruben. »Ihr wisst schon, die Gründerin von Anstein Couture.«

»Als ob wir nicht wüsste, wer Elsabea ist!« Grace Parker zog die feinen Brauen hoch. »Sie ist eine Ikone!« Sie wandte sich wieder zu Larissa. »Gefällt mir, dass du dabei bist«, sagte sie gnädig. Mit breitem Lächeln, das ihre makellosen Zähne sehen ließ, hob sie ihr Glas. »Auf dich!«

Larissa, die noch tiefer errötet war, stieß mit ihrer neuen Bekannten an und steckte ihre Nase danach tief in den Champagnerkelch. Ihr wurde immer mulmiger zumute.

Ein dezentes Hüsteln ließ Larissa den Blick heben. Der nette Kellner mit den silbergrauen Haaren stand neben ihr.

»Eine Nachricht für Sie, Komtess«, verkündete er.

Larissa betrachtete erstaunt das Kuvert mit dem respektablen Siegel, das er ihr auf dem silbernen Tablett darbot. Sie runzelte die Stirn. Wer sollte ihr denn hierher eine Nachricht schicken?

»Du hast wohl einen altmodischen Verehrer, was?«, scherzte Ruben, als Larissa zögernd nach dem Brief griff. In James' Richtung schnipste der junge Baron mit dem Finger und deutete auf den leeren Champagner. »Nachschub!«

»Sehr wohl, Herr Baron«, erwiderte James beflissen, räumte ab und entfernte sich vom Tisch, wobei ein feines Lächeln seine Mundwinkel umspielte.

Larissa starrte ungläubig auf das Siegel. Sie kannte es nur zu gut. Mit zitternden Fingern riss sie den Umschlag auf und las die in verschnörkelter Handschrift notierte Anrede.

Meine liebe Enkelin,...

Larissa schloss die Augen. Wenn man vom Teufel sprach. Oder besser von Teufels Großmutter! Das war ja geradezu unheimlich. Woher wusste ihre Oma Elsabea, dass sie in diesem Restaurant war? Hatte sie denn überall Augen und Ohren? Larissa las weiter.

»Und? Was gibt es so Wichtiges?«

Ruben nestelte an seinem seidenen Halstuch, während er Larissa aufmerksam beobachtete.

Larissa sah auf und erklärte: »Meine Großmutter will mich treffen. Es geht äh ... um meinen Job.« Sie ließ den Brief sinken. »Ein Wagen wartet unten auf mich.«

»Sie kann es wahrscheinlich nicht abwarten, dir dein Büro mit Blick auf die Skyline zu zeigen«, meinte Ruben grinsend.

»Ähm ... ja, bestimmt«, erwiderte Larissa mit mattem Lächeln.

Sie war sich da nicht so sicher.

»Kommst du heute Abend zur Show von Stella?«, fragte Grace und zwirbelte eine ihrer dichten schwarzen Locken. »Ich laufe da. Danach können wir zusammen was trinken gehen.«

Larissa nickte unsicher, und Grace hielt ihr die linke Wange zu einem Abschiedsbussi hin, als wären sie die besten Freundinnen. Larissa glaubte, zu träumen, und hauchte ein Küsschen auf die makellose Wange des Topmodels.

Es wurden noch weitere Bussis verteilt, man verabredete sich für den Abend, und die junge Komtess eilte nervös zum Ausgang.

Trotz des vielen Champagners war Larissa schlagartig nüchtern geworden. Der Gedanke an ihre strenge Großmutter hatte sie auf den Boden der Tatsachen geholt.

Beflissen half James ihr in ihren dünnen grünen Frühlingsmantel und hielt die gläserne Schwingtür für sie auf.

»Haben Sie vielen Dank, mein Herr«, verabschiedete sich die junge Komtess, deutete einen Knicks an und schenkte ihm ein warmes Lächeln.

James wollte gerade etwas erwidern, als Ruben auftauchte.

»Hey, nimmst du mich mit?«, fragte er Larissa und lächelte charmant. »Ich wollte schon immer mal Anstein-Couture von innen sehen.«

Larissa zögerte, schließlich hatte sie keine Ahnung, was Elsabea von ihr wollte.

»Bitte!« Ruben machte einen Dackelblick und legte den Kopf schief. »Ich kann mich noch nicht von dir trennen.«

Larissa lächelte verlegen und nickte. »Okay.«

Ruben schnipste mit den Fingern in James' Richtung.

»Meinen Mantel!« Dann senkte er die Stimme und zischte ihm zu: »Die Rechnung geht wie immer an meine Mutter.«

Der Kellner hob unmerklich die Braue und antwortete schlicht: »Sehr wohl, Herr Baron.«

Seelenruhig brachte er Rubens teuren Trenchcoat, und als sie in den Fahrstuhl stiegen, sah er dem Baron und Larissa nachdenklich hinterher. Seufzend zog James dann sein Smartphone aus der Westentasche und begann, eine Kurznachricht zu tippen.

Deine Enkelin ist unterwegs, meine Liebe. Der junge Rigalsky ist dabei. Viel Erfolg. Kuss, James.

In ihrem Büro in der zwanzigsten Etage des Wolkenkratzers, in dem Anstein Couture ansässig war, hellte sich das Gesicht von Gräfin Elsabea von Anstein auf, als die Nachricht auf ihrem Display aufblinkte.

Danke. Du bist der Beste!, schrieb sie lächelnd zurück.

James hatte Elsabea sofort Bescheid gegeben, als er Larissa unter den Gästen erspäht hatte, und sie hatte umgehend gehandelt und nach ihrer Enkelin schicken lassen. Es war wieder einmal nicht nur reizend, sondern auch sehr praktisch, dass James und sie seit Jahrzehnten eine heimliche Affäre hatten.

Stirnrunzelnd scrollte sich Elsabea auf ihrem Smartphone durch den Instagram-Account von Larissa. Ihre Enkelin hatte zahlreiche Partyfotos von sich und Ruben von Rigalsky gepostet.

Die Gräfin schüttelte den Kopf. Dass Ruben ihre Enkelin umgarnte, passte ihr gar nicht. Dieser arrogante Lebemann war ja wohl kaum der richtige Umgang für Larissa.

Seufzend klickte sie die Seite weg und sah noch einmal die Nachricht von James an. Voller Zärtlichkeit betrachtete sie sein Profilbild. Sie liebte ihn. Aber sie liebte es auch, Geheimnisse zu haben und die Kontrolle zu behalten. Spione, Briefboten und Siegel waren ihr dabei genauso recht wie Smartphones und Social Media.

Die silberfarbene Limousine war klassisch elegant designt und mit allem erdenklichen Luxus versehen. Der Chauffeur hatte seine rote Mütze gelüftet und Larissa und Ruben zuvorkommend mit einem Regenschirm am Portal empfangen, sie zum Wagen gebracht und ihnen für die kurze Fahrt viel Vergnügen gewünscht. Dann hatte er die Trennwand geschlossen.

Ruben rückte näher an Larissa heran und legte ihr den Arm um die Schultern.

»Du aufgehender Stern am Modehimmel«, raunte er zärtlich und zog eine Braue hoch.

Larissa zwang sich zu einem Lächeln, blieb aber stumm. Ruben roch stark nach Alkohol. Das und die Tatsache, dass sie gleich ihrer mächtigen Großmutter gegenüberstehen würde, machten Larissa benommen.

»Ich wette, sie zeigt dir nicht nur dein Büro, sondern gibt dir auch gleich den Code für das Appartement«, meinte Ruben und warf einen Blick aus dem Wagenfenster auf den wie immer chaotischen Verkehr auf der 59. Straße.

Larissa presste die Lippen aufeinander. Sie hatte Ruben dummerweise von dem Appartement erzählt, das ihre Großmutter ihren Eltern stets zur Verfügung stellte, wenn diese in New York City waren. Es hatte vier Schlafzimmer, eine riesige Dachterrasse mit Whirlpool und Blick auf den Central Park, außerdem gab es einen eigenen Lebensmittel- und Butlerservice.

Dass ihre Großmutter ihr das Luxusappartement einfach so überlassen würde, war allerdings nicht so wahrscheinlich, wie Larissa Ruben weisgemacht hatte. Zumal sie ihre Oma mehr oder weniger mit ihrem Besuch überfallen hatte. Aber das hatte sie lieber für sich behalten.

Larissa versuchte, Rubens Hand zu ignorieren, die schwer auf ihrer Schulter lag, und grübelte darüber nach, wie sie sich nur in dieses Lügennetz verstrickt haben konnte.

Allerdings, versuchte sie sich einzureden, war es ja sehr wohl möglich, dass Elsabea ihrem Wunsch tatsächlich entgegenkam, ihre Nachfolgerin zu werden.

Ihre Großmutter war schließlich über achtzig, und Larissa war jung und hatte vor einem Monat ihren Abschluss an der Design-Akademie in Mailand gemeistert. Außerdem war sie die Einzige in der Familie, die sich für Anstein Couture interessierte. Ihre Eltern hatten ja nur ihre Segelyacht ihm Kopf.

Larissa seufzte bei dem Gedanken an die beiden. Christina und Lukas von Anstein waren unzertrennlich, und Larissa kam sich in ihrer Gegenwart eher wie ein Störenfried als wie ein geliebtes Kind vor.

Wann hatte sie sie das letzte Mal gesehen? Es musste schon mehr als ein Jahr her sein. Sie hatten sich in Rimini getroffen, aber ihre Eltern waren dann schnell wieder aufgebrochen, um ihre nächste Etappe zu beginnen. Die beiden waren begeisterte Segler und verbrachten ihr gesamtes Leben auf dem Wasser.

Sie schaute aus dem Fenster, wo die Luxusboutiquen der Fifth Avenue an ihr vorbeiflogen. Eine Sorgenfalte entstand auf ihrer Stirn. Nach der gestrigen Shoppingtour, die sie in Begleitung von Ruben unternommen hatte, war das Limit ihrer Kreditkarte nun komplett ausgereizt.

Als hätte er ihre Gedanken gelesen, beugte sich Ruben zu ihr.

»Das Kleid steht dir unglaublich gut«, murmelte er schmeichelnd und streichelte ihren Arm. »Wirklich, du machst Grace Konkurrenz.« Er zwinkerte und schenkte ihr ein charmantes Lächeln.

Larissa sog seine Galanterie auf wie ein ausgetrockneter Schwamm. Sie fand Ruben zwar nicht mehr ganz so geistreich und originell, wie er ihr im Internat vorgekommen war, aber er sah einfach wahnsinnig gut aus.

Früher hatte sie ihre Teenager-Tagebücher mit Schwärmereien über ihn vollgekritzelt und seine vielen Freundinnen aus der Ferne innig beneidet. Er hatte Beziehungen und war sehr selbstbewusst. All das brauchte auch sie, um es in der Modewelt zu etwas zu bringen.

»Wir sind da, meine verehrten Herrschaften.«

Der Wagen stoppte, und der Fahrer hielt ihnen die Tür auf. Mit klopfendem Herzen stieg Larissa aus und betrat mit Ruben den eindrucksvollen Firmensitz von Anstein Couture.

Elsabea von Anstein war eine Frau von geradezu furchteinflößender Präsenz. Sie hatte vornehme, scharf geschnittene Gesichtszüge, die ihre Willenskraft verrieten. Das dichte weiße Haar war zu einem Dutt hochgesteckt, und ihr elegantes schwarzes Kostüm aus Bouclé wirkte mit den goldenen Knöpfen und Epauletten wie die Uniform eines Soldaten.

Sie empfing die beiden jungen Leute höflich, aber distanziert in ihrem elegant eingerichteten Büro im obersten Stockwerk des Wolkenkratzers. Das schien ihr angemessener, als sie in ihre Privaträume zu bitten, schließlich würde es keine vergnügliche Angelegenheit werden. Elsabea wartete, bis die beiden sich schweigend auf die helle Ledergarnitur vor dem Fenster gesetzt hatten, ließ ihnen von ihrem Butler Carl Tee servieren und nahm ebenfalls Platz.

»Ich konnte nicht anders, als ihre reizende Enkelin zu begleiten«, erklärte Ruben mit einem Lächeln, das er für unwiderstehlich hielt, und legte den Arm besitzergreifend um Larissa. »Schönheit liegt bei Ihnen in der Familie, wenn ich das sagen darf, Gräfin, und ihr Büro macht ebenfalls keinen schlechten Eindruck.«

Ruben fuhr sich mit der freien Hand durch seine prächtigen Locken und sah sich selbstgefällig um.

»À Apropos schlechter Eindruck ...« Die Gräfin hob kühl eine Braue. »Ich erinnere mich noch sehr gut an unsere letzte Begegnung, Herr von Rigalsky. Es war auf der Feier Ihrer Mutter in den Hamptons, das wissen Sie ja sicher noch.«

Rubens Lächeln erstarb. Das hatte er ja völlig vergessen!