Silvia-Gold 211 - Carolin von Campen - E-Book

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Carolin von Campen

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Beschreibung

Es geschieht, was niemals hätte geschehen dürfen! Beim ersten Blick in seine Augen verliert Helen ihr Herz an Daniel Montgomery. Dabei soll die Agentin ihm eigentlich einen Versicherungsbetrug nachweisen. Der Stararchitekt soll den Diebstahl eines wertvollen Gemäldes vorgetäuscht haben, um die hohe Versicherungssumme zu kassieren.
Helen gibt sich als Journalistin aus, die eine Interview-Reihe mit ihm führen möchte, und ist mehrere Tage zu Gast bei ihm auf Foxglove Manor. Dort will sie heimlich nach dem verschwundenen Bild suchen.
Doch Daniel Montgomery ist ganz anders als gedacht - gut aussehend, charmant und einfühlsam! Helen verbringt eine leidenschaftliche Nacht in seinen Armen, ist verzaubert von seinen Küssen und will nicht mehr an seine Schuld glauben! Bis sie in seinem Herrenhaus etwas findet, was sie an Daniels Liebesschwüren zweifeln lässt ...


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Inhalt

Cover

Küsse unter Verdacht

Vorschau

Impressum

Küsse unter Verdacht

Ein perfekter Liebeskrimi mit überraschenden Wendungen

Von Carolin von Campen

Es geschieht, was niemals hätte geschehen dürfen! Beim ersten Blick in seine Augen verliert Helen ihr Herz an Daniel Montgomery. Dabei soll die Agentin ihm eigentlich einen Versicherungsbetrug nachweisen. Der Stararchitekt soll den Diebstahl eines wertvollen Gemäldes vorgetäuscht haben, um die hohe Versicherungssumme zu kassieren.

Helen gibt sich als Journalistin aus, die eine Interview-Reihe mit ihm führen möchte, und ist mehrere Tage zu Gast bei ihm auf Foxglove Manor. Dort will sie heimlich nach dem verschwundenen Bild suchen.

Doch Daniel Montgomery ist ganz anders als gedacht – gut aussehend, charmant und einfühlsam!

Helen verbringt eine leidenschaftliche Nacht in seinen Armen, ist verzaubert von seinen Küssen und will nicht mehr an seine Schuld glauben! Bis sie in seinem Herrenhaus etwas findet, was sie doch noch an Daniels Liebesschwüren zweifeln lässt ...

»Kennen Sie sich wenigstens mit Verwaltungssoftware aus?«

Helen Marner schüttelte verneinend den Kopf. »Leider auch nicht.«

Der Mann, der ihr gegenüber an einem unaufgeräumten Schreibtisch saß, seufzte und blätterte weiter in ihren Bewerbungsunterlagen. Helen blickte kurz aus dem Fenster in den verregneten Londoner Frühlingsmorgen.

Hinter den glitzernden Hochhäusern ragten die verschwommenen Umrisse der Westminister-Türme in den Himmel, und auf der Straße eilten Passanten unter aufgespannten Regenschirmen hin und her. Sie hätte einiges darum gegeben, mit ihnen zu tauschen. Sie mussten sich nicht in diesem blöden Büro ausfragen lassen.

Bewerbungsgespräche waren der achtundzwanzigjährigen seit jeher ein Graus. Aber leider brauchte sie dringend einen neuen Job.

Sie lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihr Gegenüber und versuchte, den Mann mit den Augen einer Ermittlerin zu sehen.

Sie schätzte Mr. Rick Mitchell auf Ende fünfzig, er war praktisch und völlig uneitel veranlagt, was sie an seinem raspelkurzen Haar und seiner Garderobe festmachte. Er trug keinen Anzug, sondern einen speckigen Wildlederblouson und Jeans. Doch er war kein lockerer Typ, dafür war sein Blick zu scharf, und er war viel zu unfreundlich.

Helen vermutete, dass er jemand war, der es schlicht nicht für nötig hielt, sich an Konventionen zu halten. Selbstgefällig strich er sich über den groben Schädel.

Einen Moment später gab er ein amüsiertes Grummeln von sich und sah sie an. »Sie sind diplomierte Nahkämpferin?« Sein Tonfall ließ keinen Zweifel daran, dass er ihre Qualifikation für einen Witz hielt.

»Allerdings!« Helen drückte den Rücken durch. »Ich habe mehrere Jahre fernöstliche Kampftechniken studiert.«

Er warf ihr einen skeptischen Blick zu und sah wieder auf das Papier.

Helen zählte innerlich bis zehn. Es war bei jedem Vorstellungstermin das Gleiche. Jetzt würde er die übliche Frage stellen. Sie war gerade erst bei vier, als Mr. Mitchell auch schon verwundert die Brauen hob.

»Sie waren ein Cop?«

»Ja«, sagte Helen, und ihre Augen begannen zu leuchten. »Ich war drei Jahre Polizeibeamtin in der investigativen Einheit im Kriminalkommissariat.«

»Wieso haben Sie aufgehört?« Rick Mitchell musterte sie von Kopf bis Fuß.

Helen überlegte. Welche Version sollte sie dieses Mal erzählen? Dass sie kein Blut sehen konnte? Eine zu schlechte Schützin war? Beides stimmte kein bisschen, aber die Wahrheit beschämte sie. Sie entschied sich für etwas Unverfängliches.

»Ich habe mich nach etwas mehr Ruhe gesehnt«, behauptete sie und presste die Finger in die Armlehne des Ledersessels.

Mitchell runzelte die Stirn und tippte auf das Papier. »Und deshalb haben Sie anschließend in einem Krimi-Dinner-Restaurant gekellnert?«

Helen räusperte sich. Sie hätte sich wirklich besser vorbereiten müssen. »Das war ja nur eine Übergangslösung«, erwiderte sie. »Bis ich etwas Anspruchsvolleres gefunden habe, wie zum Beispiel diesen Job als Ihre Assistentin.« Sie versuchte, ein überzeugendes Lächeln zustande zu bringen.

Doch Mitchell schüttelte den Kopf. »Miss Marner, ich glaube, wir verschwenden beide unsere Zeit. Sie waren vielleicht eine gute Ermittlerin, aber Sie haben keine Kenntnisse, die man für die Stelle in unserem Sekretariat braucht.«

Helen schluckte. Er hatte natürlich recht, aber das hier war ihr fünftes Bewerbungsgespräch in dieser Woche, und langsam wurde sie mehr als nervös – und ihr Vermieter, der auf die Zahlung wartete, erst recht.

»Mr. Mitchell.« Sie sah ihn eindringlich an. »Ich brauche diesen Job. Ich bin sicher noch keine perfekte Sekretärin, doch ich verspreche Ihnen, eine zu werden. Geben Sie mir eine Chance.«

Der Mann seufzte. »Können Sie wenigstens mit zehn Fingern tippen?«

»Nicht wirklich«, gab Helen kleinlaut zu. »Aber ich lerne sehr schnell!«

Mitchell hob die Hände. »Bedauere, Miss. Ich werde Sie nicht aus Mitleid einstellen. Das ist nicht mein Ding.« In diesem Moment klingelte das Telefon auf seinem Schreibtisch, und er nahm sofort ab.

Er schob ihre Bewerbungsmappe in ihre Richtung und machte eine Geste, mit der er ihr nicht gerade höflich zu verstehen gab, dass er auf ihre Anwesenheit verzichten konnte.

Sie griff mit düsterer Miene nach ihren Unterlagen, erhob sich und verließ das Büro. Im Gang lehnte sie sich einen Moment an die Wand und schloss die Augen.

Sie war fit für einen Marathon, sprintete wie der Blitz und war reaktionsschneller als ein Messerwerfer.

Aber bei Verwaltungssoftware und Rechnungstabellen war sie eine Niete. Sie konnte es diesem Herrn nicht verdenken, dass er sie nach drei Minuten rausgeworfen hatte.

Sie packte ihre Bewerbungsmappe ein, hängte sich ihren Rucksack über und steckte die Hände in die Taschen ihres dunklen Etuirocks. Nachdenklich schritt sie den Gang entlang.

Wahrscheinlich war es wirklich eine Schnapsidee gewesen, sich hier zu bewerben. Sie war einfach kein Typ fürs Büro. Dabei war die Vorstellung, von einem Job ohne Schichtdienst und mit sicherem Gehalt so verlockend gewesen!

Sicher könnte sie noch eine Weile als Kellnerin arbeiten.

Aus den Fällen beim Krimi-Dinner müsste sie sich in Zukunft aber heraushalten, sonst würde es wieder Ärger geben. Beim Gedanken an den Restaurantleiter, der sie verzweifelt ermahnt hatte, sich nicht einzumischen, musste sie grinsen.

Es war für sie aber auch beinah unerträglich, ruhig zu bleiben, wenn die Gäste derart ratlos im Dunkeln tappten. Dazu war sie tief in ihrem Herzen immer noch zu sehr Polizistin.

Sie ging auf den Fahrstuhl zu, und ihre Absätze klapperten auf dem glänzenden Linoleum. Die verdammten hohen Schuhe und das affige Kostüm hätte ich mir sparen können, dachte sie ärgerlich.

»Warten Sie, Miss Marner!«, erklang eine Stimme hinter ihr.

Helen drehte sich um.

Mr. Mitchell war aus der Tür getreten und stand auf dem Gang, den Telefonhörer hielt er noch in der Hand.

»Ich hätte da vielleicht doch was für Sie ...«

♥♥♥

Mit einer doppelten Portion Fish and Chips und vor Aufregung geröteten Wangen kam Helen zwei Stunden später nach Hause. Die kleine Dachwohnung im Londoner Viertel Bexley teilte sie sich mit ihrem Bruder George, einem avantgardistischen Künstler mit hohen Idealen und wenig Aufträgen. George war humorvoll und selbstsicher und abgesehen davon, dass er chronisch pleite war, ein angenehmer Mitbewohner.

George hatte sich im Flur vor seiner Staffelei aufgebaut und schlug mit dem Pinsel schwarze Striche auf die Leinwand, als hätte diese eine Tracht Prügel verdient. Er hatte ebenso wie Helen tiefschwarzes, halblanges Haar, das bei ihm aber in wilden Locken zu allen Seiten abstand. Sein hübsches Gesicht war konzentriert, als hätte er einen feindseligen Gegner vor sich.

»Es gibt etwas zu feiern!«, trällerte Helen.

George versetzte der Leinwand noch einen gezielten Hieb und drehte sich dann um. »Rieche ich da ein Festmahl? Wie hast du das angestellt? Hast du dem Typen schöne Augen gemacht?«

Helen schmunzelte. George hatte sich von Anfang an über ihren Wunsch nach einem soliden Job lustig gemacht.

Er würde über die Neuigkeit begeistert sein.

Sie schlüpfte aus ihrem Trenchcoat und den Pumps, brachte das Essen in die winzige Küche und holte Teller und Besteck hervor.

»So, jetzt raus mit der Sprache!« George stand im Türrahmen und hielt ihr den Pinsel drohend unter die Nase. »Hast du ihn mit einem Handkantenschlag gezwungen, dich einzustellen?«

Helen grinste. »Den Sekretärinnen-Job habe ich ja gar nicht bekommen«, gab sie zurück und schob ihren Bruder sanft zur Seite. »Aber etwas viel Besseres! Er hat mich als Ermittlerin für die Versicherung engagiert. Und es geht um nichts Geringeres als um ein gestohlenes Gemälde.« Sie sah ihren Bruder triumphierend an.

George ließ sich auf den Küchenstuhl sinken. »Wow!«

Helen stellte ihm einen Teller mit dem dampfenden Essen vor die Nase und erzählte ihm die Einzelheiten. Doch anstatt sich wie üblich darauf zu stürzen, starrte George sie weiter an, und seine Augen wurden vor Erstaunen immer größer.

»Wie bitte?«, rief er schließlich, als Helen den Namen des Gemäldes nannte, um das es ging. »Meinst du etwa Die Liebenden von St. Jaques? Das ist ja ein Vermögen wert!«

Helen nickte. Es überraschte sie nicht, dass ihr Bruder, der so gut wie alles über Malerei wusste, das Meisterwerk kannte, auch wenn es seit Langem in Privatbesitz war. Sie setzte sich zu George an den Tisch und nahm sich eine Serviette.

»Es gehört einem angesehenen Architekten, hat dieser Mr. Mitchell gesagt.«

George machte sich nun so gierig über das Essen her, dass Helen das deutliche Gefühl hatte, es wäre seine erste Mahlzeit heute. »Und es wurde ihm gestohlen?«, fragte er mit vollem Mund.

»Na ja.« Helen sah ihn lächelnd an. »Das hat er der Polizei erzählt.«

»Aber die Versicherung glaubt ihm nicht«, folgerte George und stach mit der Gabel in die Luft. Seine Wangen hatten sich gerötet. Er liebte, genau wie Helen, Krimis jeglicher Art.

»Richtig«, erwiderte sie ruhig und schnappte sich nun auch ein Kartoffelstäbchen. »Mr. Mitchell hat einen Anruf bekommen, kurz nachdem ich bei ihm war. Einen anonymen Hinweis. Und das war wohl nicht das erste Mal. Aber jetzt hat er die Sache ernst genommen. Jemand behauptet, das Bild würde sich noch immer im Besitz dieses Architekten befinden.«

»Was ist denn mit der Polizei?«, fragte George kauend. »Sie müssen doch beim Diebstahl eines solchen Meisterwerks ganz genau hinsehen.«

»Natürlich, aber die Ermittlungen haben nichts ergeben und wurden abgeschlossen.« Helen zuckte die Schultern und schenkte ihnen Tee ein.

»Und nun sollst du diesem feinen Herrn auf den Zahn fühlen.« George sah seine Schwester bewundernd an.

Helen nickte. Es freute sie, dass ihr sonst so kritisches Brüderchen begeistert war. Sie selbst war es ja auch.

»Großartig«, fand er und griff dankbar nach der Tasse. »Das ist der perfekte Job für dich. Du wirst den Knaben mit Sicherheit überführen!«

Helen hob die Brauen. »Das hoffe ich doch!«

Sie wusste, dass sie Talent hatte. Sie hätte die perfekte Kriminalbeamtin werden können, wenn sie nicht zu nachsichtig mit den Verdächtigen gewesen wäre.

Ein Schatten huschte über ihr Gesicht. Niemals würde sie vergessen, was ihr damaliger Chef bei der Polizei zu ihr gesagt hatte, als er ihr die Kündigung nahegelegt hatte.

»Marner, Sie haben einfach zu viel Herz. Sie sind zu weich, zu mitfühlend. Sie sollten es mit Sozialarbeit statt dem Polizeidienst versuchen.«

»Mach dir keine Gedanken«, sagte George, der seine Schwester gut genug kannte, um zu ahnen, was sie bedrückte. Liebevoll tippte er ihr auf die Nasenspitze. »Es geht hier um einen privilegierten Erwachsenen. Und nicht um arme Straßenkinder. So ein reicher Knacker ist sicher niemand, mit dem du Mitleid haben musst, noch dazu, wenn er die Versicherung um Millionen bringen will.«

Helen sah den Bruder an. Seine Worte beruhigten sie, wie so oft. George hatte sicher recht. Dieser Fall war nicht zu vergleichen mit den schrecklichen Umständen, die sie während ihrer Polizeiarbeit erlebt hatte. Keine jugendlichen Straftäter, kaum dem Kindesalter entwachsen, gegen die sie ermitteln oder die sie gar verhaften musste.

Sie wollte in die Zukunft sehen und nicht in die Vergangenheit.

»Weißt du schon, wie du ihn überprüfen willst?«, fragte ihr Bruder und futterte sich nun auch durch Helens Teil des Essens.

»Nicht wirklich«, gab sie zu und nahm ihm ein paniertes Fischstäbchen aus der Hand.

George machte eine Grimasse. Dann lehnte er sich zurück und überlegte einen Moment. »Gib dich als Journalistin aus«, schlug er plötzlich vor. »Du sagst, du kommst von einem dieser schicken Kunstmagazine und interviewst ihn.«

Helen sah ihren Bruder nachdenklich an. »Keine schlechte Idee.«

»Wie heißt er denn?«, fragte George und bediente sich nun ganz ohne Scheu an ihrem Teller.

Helen zögerte einen Moment, doch dann nannte sie ihm den Namen des Mannes. George war schließlich ihr Bruder und meistens durch und durch vertrauenswürdig.

»Wie bitte?« Er ließ die Gabel sinken und sah sie entgeistert an. »Machst du Witze? Etwa der Daniel Montgomery? Das Architektur-Genie?«

»Sieht so aus«, meinte Helen und machte ein verlegenes Gesicht.

»Meine Güte, Schwesterherz, das ist aber ein Sprung! Letzte Woche hast du noch Tische abgeräumt und jetzt das!«

Helen strich sich eine schwarze Haarsträhne aus dem Gesicht und sah ihn nachdenklich über den Rand ihrer Teetasse hinweg an. Es stimmte. Es war ein Sprung.

Wo auch immer sie landen würde, hoffentlich würde sie sich nicht den Hals brechen.

♥♥♥

»Sie haben übrigens gleich einen Termin mit einer Journalistin, Mr. Montgomery.«

Daniel sah irritiert von seinem Zeichenbrett auf. Robin Siegel, sein Assistent, dessen dunkelblondes Haar mit reichlich Haargel zurückgeklebt war, hatte nach kurzem Klopfen das helle, lichtdurchflutete Büro betreten und baute sich nun mit siegessicherem Lächeln vor ihm auf. In der Hand hielt er eine große Papiertüte.

»Für den Termin können Sie sich bei Mrs. Wagner bedanken.«

Daniel gab sich Mühe, keine Miene zu verziehen, obwohl er nichts mehr verabscheute als Interviews.

»Wahrscheinlich hat sie sich mal wieder bequatschen lassen«, sprach Robin Siegel mit arroganter Miene weiter und sah seinen Chef erwartungsvoll an.

Daniel seufzte innerlich. Sein neuer Assistent und seine ältere Sekretärin Mrs. Wagner führten einen mehr oder weniger offenen Kleinkrieg, und Daniel fühlte sich verpflichtet, die alleinstehende, in der Tat etwas irrationale Dame, die schon seit zehn Jahren für ihn arbeitete, gegen den smarten Robin zu verteidigen, indem er ihre Fehler regelmäßig unter den Teppich fallen ließ. Er wusste selbst, dass es völlig unprofessionell von ihm war, aber sie tat ihm einfach leid.

Daniel räusperte sich, entschied sich diesmal für ein diplomatisches Schweigen und blickte wieder auf seinen Entwurf.

Doch Robin hatte noch nicht aufgegeben. »Ihr Termin ist eine Dame. Sie heißt Helen Marner«, fing er wieder an. »Ich habe recherchiert, sie ist offenbar eine unbekannte Freiberuflerin, ihr schwebt aber eine Homestory vor!«

Er stieß ein verächtliches Lachen aus. »Angeblich interessiert sie Ihr Sozialbauprojekt. Sie hat wohl eine Empfehlung, doch ich glaube nicht, dass sie in einem großen Magazin landen kann. Von daher«, er zuckte mit der Schulter. »An Ihrer Stelle würde ich das vernachlässigen. Es sei denn, Sie wollen Ihre Zeit mit einer Anfängerin vergeuden.«

Daniel Montgomery tat so, als korrigierte er etwas an seinen Entwurf. Dann räusperte er sich. »Es passt mir in der Tat nicht«, sagte er so ruhig wie möglich. »Ich möchte gleich noch einmal vor Ort mit dem Bauleiter des Jugendzentrums sprechen.«

»Dann sage ich den Termin ab.« Robins Tonfall verriet Genugtuung, und er schickte sich an, den Namen der Journalistin aus dem digitalen Kalender in seinem Smartphone zu löschen.

Daniel überlegte. Er gönnte seinem Assistenten den Sieg nicht.

»Am besten übernimmst du das Gespräch«, sagte er daher, ohne aufzusehen. »Es ist wichtig, dass das Projekt gute Presse bekommt, egal, wie. Ob Hochglanz oder nicht. Wir brauchen schließlich Sponsoren.« Daniel Montgomery musste sich ein Grinsen verkneifen. Er sagte die reine Wahrheit, und obendrein hatte er Mrs. Wagners Ehre gerettet.

»Wenn Sie meinen, Sir.« Robins Stimme klang eisig. Daniel warf ihm einen flüchtigen Blick zu.

Für einen Moment hatte er ein heftiges Gefühl der Abneigung gegen seinen neuen Assistenten. Das war umso seltsamer, da Robin ein hervorragender Mitarbeiter war, der beste, den er je gehabt hatte. Er hatte viel Talent in Sachen Public Relations und hielt ihm den Rücken frei.

Robin schrieb Artikel und betrieb seine Social-Media-Kanäle. Alles Aufgaben, vor denen sich Daniel liebend gern drückte. Er war Architekt, und das war seine ganze Leidenschaft. Er wollte Räume schaffen. Räume für Menschen. Alles andere, vor allem seine eigene Berühmtheit, war ihm suspekt.

Robin war also perfekt, zudem sah er gut aus, das fanden zumindest seine weiblichen Angestellten, abgesehen natürlich von der guten alten Mrs. Wagner.

Was nur ist es, überlegte Daniel, was mich an Robin dennoch so stört?