Heimat-Roman Treueband 53 - Sissi Merz - E-Book

Heimat-Roman Treueband 53 E-Book

Sissi Merz

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Beschreibung

Lesen, was glücklich macht. Und das zum Sparpreis!

Seit Jahrzehnten erfreut sich das Genre des Heimat-Bergromans sehr großer Beliebtheit. Je hektischer unser Alltag ist, umso größer wird unsere Sehnsucht nach dem einfachen Leben, wo nur das Plätschern des Brunnens und der Gesang der Amsel die Feierabendstille unterbrechen.
Zwischenmenschliche Konflikte sind ebenso Thema wie Tradition, Bauernstolz und romantische heimliche Abenteuer. Ob es die schöne Magd ist oder der erfolgreiche Großbauer - die Liebe dieser Menschen wird von unseren beliebtesten und erfolgreichsten Autoren mit Gefühl und viel dramatischem Empfinden in Szene gesetzt.

Alle Geschichten werden mit solcher Intensität erzählt, dass sie niemanden unberührt lassen. Reisen Sie mit unseren Helden und Heldinnen in eine herrliche Bergwelt, die sich ihren Zauber bewahrt hat.

Dieser Sammelband enthält die folgenden Romane:

Alpengold 211: Gerdi hat die Männer satt
Bergkristall 292: Denn ihr Ruf war in Gefahr
Der Bergdoktor 1779: Wenn die Liebe fehlt ...
Der Bergdoktor 1780: Du hast uns so gefehlt!
Das Berghotel 148: Treffpunkt: Rosengarten

Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 320 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 618

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Sissi Merz Lothar Eschbach Andreas Kufsteiner Verena Kufsteiner
Heimat-Roman Treueband 53

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2015/2016/2017 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2023 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © Bastei Verlag / A.v.Sarosdy

ISBN: 978-3-7517-4696-0

https://www.bastei.de

https://www.sinclair.de

https://www.luebbe.de

https://www.lesejury.de

Heimat-Roman Treueband 53

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Alpengold 211

Gerdi hat die Männer satt

Bergkristall - Folge XXXX

Denn ihr Ruf war in Gefahr

Der Bergdoktor 1779

Wenn die Liebe fehlt ...

Der Bergdoktor 1780

Du hast uns so gefehlt!

Das Berghotel 148

Treffpunkt: Rosengarten

Guide

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Contents

Gerdi hat die Männer satt

Warum ein bildschönes Madel von der Liebe nichts mehr wissen will

Von Sissi Merz

Die bildhübsche Gerdi Baumgartner kann sich zwar vor Verehrern kaum retten, doch die wahre Liebe hat sie noch nie kennengelernt. Immer wieder fällt sie auf Burschen herein, für die Treue ein Fremdwort ist. Ihre Verlobung mit Tobias Hirnacker ging deswegen in die Brüche, und kürzlich hat sie Matthias Gruber in flagranti mit einer anderen erwischt.

Nun hat Gerdi von Männern endgültig die Nase voll! Doch es scheint, als ob ihre kühle Unnahbarkeit den Jagdtrieb der Burschen, die sie als Freiwild betrachten, nur noch mehr anstachelt …

»Da schau, Schatzerl, genau über der Spitze vom Wendelstein blinkt ein ganz besonders heller Stern. Ich glaub, das könnte unser Glücksstern sein. Magst du dir nix wünschen?«

Gerdi Baumgartner schmiegte sich an ihren Liebsten und schüttelte den Kopf.

»Das brauch ich net. Ich hab ja schon alles, was man sich wünschen kann«, verriet sie ihm leise.

Matthias Gruber schenkte dem bildsauberen, blonden Dirndl mit den klaren blauen Augen ein inniges Busserl, das kaum ein Ende nehmen wollte. Ganz selbstvergessen und eng aneinandergeschmiegt stand das junge Paar vor Gerdis Kammerfenster und betrachtete die Sterne am samtdunklen Winterhimmel.

Als der Bursche sein Madel nun freigab, strahlte Gerdi pure Seligkeit aus den schönen Augen. Sie war so verliebt in Matthias! Das Glück, das er ihr schenkte, schien perfekt. Dabei hatte sie noch vor Kurzem nicht recht gewusst, ob sie ihm tatsächlich über den Weg trauen konnte.

»Es ist spät«, stellte der hochgewachsene, sportliche Bursche mit dem braunen Lockenkopf und den eisblauen Augen nun bekümmert fest. »Ich muss mich langsam auf den Heimweg machen. Mei, Liebes, ich wünschte, ich müsste dich jetzt net allein lassen.«

»Wir sehen uns doch morgen schon wieder«, tröstete sie ihn und auch ein wenig sich selbst.

»Die Zeit ohne dich wird mir lang.« Er stahl ihr noch ein Busserl und schaute ihr tief in die Augen. »Ich sehn den Tag herbei, wenn wir immer beisammen sind und unser Leben teilen.«

»Ja, darauf freu ich mich auch«, versicherte sie ihm mit einem seligen Lächeln. Dass er es tatsächlich ernst meinte … Selbst jetzt wunderte Gerdi sich im Stillen noch darüber.

»Im Frühling wird geheiratet«, bestimmte Matthias spontan. »Ich mag einfach nimmer länger warten.«

»Aber zuerst müssen wir mal Verlobung feiern«, erinnerte das Madel ihn, und es war, als fiele ein Schatten auf sein schönes Gesicht.

Gerdi war nämlich schon einmal verlobt gewesen. Sie hatte an die Liebe geglaubt, an das Glück fürs Leben, von dem Tobias Hirnacker so oft gesprochen hatte. Der Jungbauer aus dem Nachbarort Niedertal hatte fleißig Zukunftspläne mit ihr geschmiedet und ebenso fleißig des Nachts die Jungmägde auf dem elterlichen Hof besucht. Als sie ihm auf die Schliche gekommen war, war es aus gewesen zwischen ihnen. Nichts war für Gerdi ärger als ein untreuer Bursche.

Matthias, der fesche Hofsohn, hatte ebenfalls einen Ruf als Schürzenjäger. Er sah gut aus, war bei der Bergwacht und hatte schon manchen aus einer Bergnot gerettet. Zudem war er der heimliche Star bei den jährlichen lokalen Skimeisterschaften und stets von sauberen Madeln umgeben, die ihn anhimmelten. Mit seiner athletischen Figur brachte er die Dirndln reihenweise um den Verstand.

Doch seit er Gerdi liebte, schaute er keine andere mehr an, das hatte er ihr geschworen. Er wusste ja schließlich, wie sie über Untreue dachte und dass es aus war, wenn er auf Abwege geriet.

Dass sie zögerte, sich fest an ihn zu binden, konnte er verstehen. Hinnehmen wollte er das jedoch nicht.

»Wir feiern bald Verlobung. Aber von mir aus können wir auch gleich heiraten, Hauptsache, wir sind beisammen.«

Sie lächelte nachsichtig.

»Verlobung müssen wir schon feiern, das gehört sich so. Die Eltern und alle anderen erwarten das schließlich.«

»Und darauf gibst du etwas, mein kleiner Wildfang?«, wunderte er sich. Gerdi war tatsächlich ein Madel mit Ecken und Kanten. Sie fuhr gern Motorrad und hatte ihre Freiheit sehr geschätzt. Für Matthias hatte sie diese aufgegeben, denn er bedeutete ihr mehr als alles andere auf der Welt. Und dass sie nun durchaus auch etwas auf die Konventionen gab, bewies ihre Antwort.

»Freilich. Man lebt ja net auf seinem eigenen Planeten und muss auch danach fragen, was die anderen sagen.«

»Soso.« Matthias grinste. »Nur gut, dass du nix auf das Gerede über mich gegeben hast. Sonst hätten wir zwei gewiss net unser Glück gefunden.«

»Ich hab mir halt meine eigene Meinung über dich gebildet.«

»Und wie schaut die aus? Magst du sie mir verraten?«

Das Madel lächelte verschmitzt.

»Du gehst wohl auf Komplimente aus. Aber ich sag’s dir lieber, wie es ist, damit du auf dem Boden der Tatsachen bleibst. Am Wochenende werde ich ein wachsames Auge auf deine weiblichen Verehrerinnen haben. Und wehe, eine kommt dir zu nah …«

»Keine Sorge«, versicherte Matthias lachend. »Ich werde damit beschäftigt sein, meinen Titel zu verteidigen. Die Konkurrenz ist in diesem Jahr recht stark beim Abfahrtslauf.«

»Ich drück dir die Daumen. Außerdem ist keiner so schnell wie du. Du bist der beste Skiläufer im Tal von Langenbach.«

»Doch noch ein Kompliment, wie schön«, freute er sich. »In den nächsten Tagen muss ich noch ein bisserl trainieren. Wenn du magst, komm doch an die Strecke und schau mir zu. Deine Anwesenheit beflügelt mich bestimmt.«

»Mal sehen, ob ich es einrichten kann.«

Sie verließen Hand in Hand Gerdis Kammer und gingen über die Stiege hinunter ins Erdgeschoss des großen Bauernhauses. Die Familie Baumgartner bewirtschaftete den Erbhof zu Füßen des Wendelsteins nahe dem oberbayerischen Bayrischzell schon seit vielen Generationen. Man war alteingesessen und bodenständig, wie es in diesem Landstrich von jeher der Sitte entsprach.

Alois Baumgartner, Gerdis Vater, stand heuer im sechzigsten Lebensjahr. Er hatte seit einer Weile Probleme mit dem Herzen, die ihn dazu zwangen, kürzerzutreten. Deshalb hatte der Altbauer den Hof bereits an Gerdis Zwillingsbruder Hans übergeben, der ihn seit drei Jahren bewirtschaftete.

Hans war ein umsichtiger und fleißiger Mensch, der immer auf das Urteil des Vaters Wert legte und diesen nach wie vor an allen wichtigen Entscheidungen beteiligte. Alois wusste das sehr zu schätzen, so fühlte er sich noch nicht ganz dem alten Eisen zugehörig. Der Bauer war seit Langem verwitwet, denn seine Frau Katharina, die große Liebe seines Lebens, war bei der Geburt der Zwillinge an Komplikationen und zu hohem Blutverlust gestorben.

Lange hatte Alois unter dem Verlust gelitten, und er vermisste seine Frau auch heute, fünfundzwanzig Jahre später, wie am ersten Tag. Deshalb hatte er sich nicht mehr gebunden.

Hans und Gerdi waren damals von einer Amme genährt und von der Hauserin Lina aufgezogen worden. Die beiden hingen noch immer mit inniger Liebe an der herzensguten Lina und waren, wie das bei Zwillingen oft der Fall ist, ein Herz und eine Seele.

Gerdi begleitete Matthias noch zur Haustür, wo er sich mit einem langen, zärtlichen Busserl von ihr verabschiedete.

»Dann bis morgen, mein Engerl. Träum von mir«, flüsterte er ihr ins Ohr und schaute ihr dabei tief in die Augen.

»Das muss ich mir erst noch überlegen«, scherzte das Madel. Rasch schloss Gerdi die schwere Holztür hinter ihrem Liebsten, denn draußen war es bitterkalt.

Der Februar hatte so angefangen, wie der Januar aufgehört hatte: mit klaren Tagen voller Sonnenschein, der die tief verschneite Landschaft rund um den Wendelstein wie Diamantstaub funkeln ließ, und eisigen Nächten.

Gerdi ging in die Küche, wo ihre Schwägerin noch aufräumte. Vor drei Jahren hatte Hans die hübsche und kluge Tochter des Ochsenwirts, Marianne Zerbacher, heimgeführt. Die patente Jungbäuerin verstand sich gut mit Schwiegervater und Schwägerin und wirtschaftete reibungslos mit Gerdi zusammen.

»Kann ich noch was helfen?«, fragte das Madel.

»Nein. Setz dich her, wir trinken ein Haferl Kaffee, und du erzählst mir, was es Neues gibt im Paradies der Verliebten«, erwiderte Marianne.

Gerdi musste schmunzeln.

»Wo ist denn der Hans?«

»Er ist noch mal rüber in den Stall und schaut nach der Kuh, die den ganzen Tag gefiebert hat. Du kennst ihn doch. Wenn er weiß, dass es einem von den Viechern net gut geht, findet er keine Ruhe.«

»Und der Vater ist gewiss auch dabei«, vermutete Gerdi.

»Freilich.« Marianne stellte zwei Haferln mit Kaffee auf den Tisch und setzte sich zu ihrer Schwägerin auf die Eckbank. Hier brannte im Herrgottswinkel stets ein ewiges Licht vor dem Bild der verstorbenen Bäuerin. Katharina Baumgartner war eine sehr schöne Frau gewesen, und Gerdi hatte die Schönheit von ihrer Mutter geerbt.

Marianne verblasste daneben ein wenig, auch wenn ihr kastanienbraunes Haar seidig schimmerte und ihre rehbraunen Augen einen warmen Glanz hatten.

»Also, wann wird Verlobung gefeiert?«, fragte die Bäuerin.

»Steht noch net fest.« Gerdi seufzte. »Ehrlich gesagt würde ich gern noch ein bisserl warten. Der Matthias drängt mich zwar, aber ich glaub, es ist besser, nix zu überstürzen. Schließlich hab ich aus meinen Fehlern gelernt.«

»Der Hans hat mir erzählt, dass du früher nur über die Burschen gelacht hast, die dir nachgestellt haben. Stimmt das?«

»Ja, schon«, meinte Gerdi schmunzelnd. Wenn sie an ihre »wilde Phase« dachte, kam es ihr manchmal so vor, als ob sie das gar nicht selbst gewesen wäre.

»Der Hans war schon als Bub vernünftig. Er hat sich allerweil für die Landwirtschaft interessiert und wusste immer genau, was er wollte. Das war bei mir net der Fall. Ich hab vieles ausprobiert, bis mir klar wurde, dass ich für mein Leben gern koche und backe und im Haus wirtschafte. Die Lina hat mir das alles nähergebracht. Aber bis ich mich entschlossen hatte, die Haushaltsschule zu besuchen und auch Köchin zu lernen, das war ein weiter Weg. Der Vater hatte Geduld, er hat mich net gedrängt. Dafür bin ich ihm im Nachhinein dankbar. Denn bis vor ein paar Jahren war ich schon eine rechte Rebellin und wollte mit dem Kopf durch die Wand.«

»Und wann hat sich das geändert?«

»Es mag seltsam klingen, aber das war, als du auf unseren Hof gekommen bist. Ich hab gesehen, wie glücklich ihr zwei miteinander seid, der Hans und du. Und als euer kleiner Stopferl auf die Welt kam, da wusste ich plötzlich, dass ich eine eigene Familie haben will. Mei, ihr seid sozusagen meine Vorbilder.«

»Und mit dem Matthias magst du diese Familie gründen?« Das klang ein klein wenig skeptisch, wie Gerdi feststellte.

»Er redet ständig davon. Ich glaub, er hat sich geändert, ist erwachsen geworden. Die anderen Madeln reizen ihn nimmer, er mag sich sein Leben jetzt einrichten. So wie ich.«

»Das klingt net schlecht«, erwiderte Marianne und nickte. »Ich denk mir aber, du hast recht, wenn du es langsam angehst. Ob sich ein Mensch wirklich so grundlegend ändern kann, da bin ich mir nämlich net ganz sicher. Aber ich wünsche es dir.« Marianne erhob sich, denn ihr einjähriger Sohn meldete in diesem Moment Hunger an.

»Dann gute Nacht und bis morgen, Gerdi«, sagte sie und schenkte ihrer Schwägerin ein liebes Lächeln.

»Schlaf gut«, murmelte diese versonnen. Mariannes Worte hatten Gerdi nachdenklich gemacht. Sie saß noch eine Weile in der Küche und grübelte darüber nach, ob sie tatsächlich das Richtige tat. Sie hatte Matthias lieb und er sie auch. War das nicht das Wichtigste? Im Grunde schon. Doch ein letzter Zweifel blieb …

***

Golden stieg die Wintersonne am nächsten Morgen über den Gipfel des Wendelsteins und verwandelte das Tal von Langenbach in ein wahres Postkartenidyll.

Die kleine, kaum hundert Seelen zählende Gemeinde nördlich von Bayrischzell schimmerte im feinsten Winterweiß unter dem klaren Blau des wolkenlosen Himmels. Eine schmale Landstraße, die von Süden kommend die Dörfer und Weiler des Tals verband, führte durch eine Landschaft von seltenem Reiz. Im Norden erhoben sich der Kleine Traithen und der Seeberg, gegenüber der Stocker mit seinen schrundigen Karen, der Hausberg von Langenbach. Daneben, hinter dem Wendelstein, fanden sich Geitau und Niedertal.

Klare, von Gletscherwasser gespeiste Seen wechselten sich mit Weiden, Wiesen und landwirtschaftlichen Flächen ab.

Es gab einen über zweihundert Jahre alten Forst, in dessen gesunder Mischkultur sich mächtige Eichen, schlanke Buchen, Bergkiefern und auch himmelhohe Föhren fanden. Der Wildbestand war gesund, neben Hirsch und Wildschwein lebten auf den weitläufigen Waldflächen, die sich zum Teil auch an der Westseite des Wendelsteins bis zur Baumgrenze zogen, sogar wieder Luchse und Wildkatzen. Und ab und an streifte ein brummiger Braunbär auf seiner Wanderung gen Süden durch das Revier.

Die Menschen in Langenbach lebten hauptsächlich von der Landwirtschaft, das freie Bauerntum hatte hier Tradition. Es gab aber auch zwei Fremdenpensionen, und man konnte auf einigen Höfen seinen Urlaub verbringen.

Langenbach war zu abgelegen für große Touristenströme. Die einzige Skiabfahrt war nur über einen langen Steig zu erreichen, einen Lift suchte man vergeblich. Bürgermeister und Gemeinderat legten Wert darauf, die Schönheiten ihrer Bergwelt möglichst ursprünglich zu erhalten. Man war hier der Meinung, dass es nicht unbedingt von besonderer Weisheit zeugte, jeden Trend mitzumachen oder jeder Neuheit hinterherzurennen.

Auch auf dem Erbhof der Familie Baumgartner war diese Philosophie lebendiger Bestandteil des täglichen Lebens. Seit Alois sich in den Austrag zurückgezogen hatte, ging es ihm gesundheitlich wieder besser. Das Herz machte ihm kaum noch Probleme, er brauchte auch keine Medikamente mehr. Nach wie vor war der Altbauer das Oberhaupt der Familie, und Hans behandelte seinen Vater mit Respekt. Etwas anderes wäre ihm nie in den Sinn gekommen.

An diesem klaren Wintermorgen hielten Vater und Sohn sich noch vor dem Frühstück im Stall auf. Am Vorabend hatte der Jungbauer eine kranke Kuh mit einem homöopathischen Mittel behandelt, was sein Vater eher kritisch sah. Alois verließ sich lieber auf die Medikamente, die der Tierarzt verschrieb. Doch er stellte nun fest, dass es dem Tier besser ging. Die Temperatur war wieder normal, und die Kuh fraß gierig ihr Heu.

»Ich geb zu, du hattest recht«, gestand Alois seinem Sohn zu und klopfte ihm auf die Schulter. Die beiden Mannsbilder waren ungefähr gleich groß, mit breitem Kreuz und Händen, die zupacken konnten. Hans hatte das blonde Haar der Mutter geerbt, es war widerspenstig und ließ sich kaum bändigen. Sein Vater war mittlerweile ergraut, doch in der Jugend hatte er den Madeln mit seinem dunklen Haar und den tiefblauen Augen gut gefallen.

Noch immer hielt Alois sich gerade. Manchmal bedauerte er, nicht mehr so zupacken zu können wie früher, denn die körperliche Arbeit hatte ihm stets Spaß gemacht. Nun musste er diese den Jungen überlassen. Doch er wusste den Hof bei Hans in den besten Händen, und das tröstete ihn ein wenig.

»Dass diese Mittel etwas bewirken, ist mir allerdings immer noch ein Rätsel. Ich mein, im Grunde ist ja gar nix mehr drin von dem Wirkstoff, net wahr?«

»Ja, das stimmt schon. Aber einen Nutzen haben diese Mittel, sonst ginge es der Kuh jetzt net besser.« Hans lächelte verhalten. »Sie lässt sich nix einreden wie wir Menschen.«

»Stimmt auch wieder. Ich hab was dazugelernt.« Alois erwiderte das Lächeln seines Sohnes. »Gut gemacht.«

»Ich dank dir für das Lob, Vater. Aber ich wollt dich noch was anderes fragen. Der Matthias war doch gestern wieder bei der Gerdi. Was hältst du von der Sache? Die Marianne sagt, es sei den beiden ernst. Wenn du mich fragst, macht die Gerdi gerade wieder den gleichen Fehler wie mit dem Tobias.«

Der Altbauer rieb sich nachdenklich das Kinn.

»Ich halt mich da raus, die Gerdi wird schon wissen, was recht für sie ist.«

Sie verließen den Stall und gingen hinüber zum Haupthaus, das zusammen mit den Nebengebäuden ein U formte, in dessen Mitte der kunstvoll gepflasterte Wirtschaftshof lag. Eine mächtige Kastanie bildete seinen Mittelpunkt. Nun aber verschwand das Pflaster unter dem Schnee, und die Kastanie zeigte nur ihr kahles Astgerüst. Hans bedachte den Vater mit einem kurzen Seitenblick.

»Du musst doch eine Meinung dazu haben. Der junge Gruber ist ein bekannter Schürzenjäger im Tal. Ich kann mir einfach net denken, dass er es mit der Gerdi ernst meint. Und weil sie doch schon eine Enttäuschung hinter sich hat, mach ich mir Sorgen um sie. Mein Schwesterherz hat ein seltenes Talent, sich die falschen Burschen auszusuchen.«

Alois sah das anders.

»Das denkst du. Vielleicht ist der Matthias ja doch der Rechte für sie. Die wahre Liebe läutert ein jedes Herz, auch das unstete und rastlose.«

»Mei, Vater, ich bitt dich. Das klingt nach Poesiealbum.«

»Das ist aus dem Poesiealbum«, sagte der Altbauer lachend. »Aber mal im Ernst. Begeistert bin ich net grad, wenn ich an den jungen Gruber denke. Es hat lange gedauert, bis die Gerdi erwachsen und vernünftig geworden ist. Die Lina hat deine Schwester zu sehr verwöhnt. Mei, so ist das halt oft bei mutterlosen Kindern …«

»Ich war ja auch mutterlos«, warf Hans ein.

»Du warst ein Bub und schon damals vernünftig.«

»Hätte ich gewusst, dass man mehr verwöhnt wird, wenn man unvernünftig ist, gewiss hätte ich auch mal öfter über die Stränge geschlagen«, meinte der Jungbauer seufzend.

»Die Gerdi hat mir oft Sorgen gemacht. Damals, als sie sich das Motorradel gekauft hat und damit wie narrisch umeinander gebraust ist. Da hatte ich kaum eine ruhige Minute, das kannst du mir glauben. Zum Glück hat ihr Schutzengerl gut aufgepasst.«

»Das müssen schon mehrere gewesen sein bei ihrem Fahrstil.«

Alois musste schmunzeln.

»Allerdings … Aber jetzt ist deine Schwester ein vernünftiger Mensch. Sie muss ihre eigenen Entscheidungen treffen und ihre eigenen Fehler machen. Wir können sie net vor dem Leben beschützen.«

»Vor einem, der es net ehrlich meint, aber schon.«

Sie betraten das Haus, Alois wandte sich an seinen Sohn und schaute ihn besonnen an. In seinen tiefblauen Augen lag ein großer Ernst.

»Lass gut sein«, bat er ihn. »Ich verstehe dich. Du hängst sehr an deiner Schwester. Und ich möchte natürlich auch nur das Beste für sie. Offenbar hat sie den Matthias lieb. Wenn er net der Rechte ist, wird sie das rausfinden. Dabei können wir ihr kaum helfen. Und vielleicht stimmt es ja diesmal. Dann sollten wir uns mit der Gerdi freuen …«

***

Auf dem Erbhof war es Tradition, dass Bauersleute und Gesinde die Mahlzeiten gemeinsam einnahmen. Man versammelte sich dreimal am Tag um den großen Tisch im Esszimmer, wobei es meist recht munter zuging. Die Mägde schwatzten und lachten, der Bauer hatte oft etwas mit Hans oder dem Großknecht Andi zu besprechen, und Gerdi und Marianne unterhielten sich.

Der kleine Christoph war ebenfalls mit von der Partie. Er hockte in seiner Babywippe zwischen Mama und Tante und beobachtete interessiert, was sich in seiner Umgebung so abspielte.

An diesem Morgen war das jüngste Mitglied der Familie Baumgartner allerdings unleidlich. Christoph bekam nämlich einen neuen Zahn. Und das gefiel ihm ganz und gar nicht. Während er sonst fröhlich krähte und mit seinen kleinen Händchen patschte, quengelte er nun, und seine großen blauen Babyaugen waren verdächtig feucht.

Gerdi, die ihren kleinen Neffen vom ersten Moment an ins Herz geschlossen hatte, tunkte ihren Finger ab und an in ein kleines Schälchen mit Honig, den sie dem Buben dann behutsam auf den Gaumen schmierte. Es war ein altes Hausrezept, das sich bereits bei vielen Generationen der Baumgartners bewährt hatte.

Auch Christoph schien die goldgelbe Süßigkeit, die im großen Nutzgarten hinter dem Bauernhaus von fleißigen Bienen gesammelt worden war, gut zu tun. Er schmatzte leise vor sich hin und entspannte sich ein wenig.

»Du bist sehr geschickt mit dem Kleinen«, lobte Marianne das Madel. »Mich hat er die halbe Nacht wach gehalten. Und von Honig wollte er leider auch nix wissen.«

»Wenn die Tante Gerdi ihn aufs Zahnfleisch schmiert, schmeckt er halt besser«, sagte das Madel lachend. »Da kannst du einen jeden fragen, Marianne. Was von der Köchin kommt, schmeckt immer.«

Die Jungbäuerin musste schmunzeln.

»Es wird Zeit, dass du deine eigene Familie gründest, Gerdi«, warf Hans nicht ganz ernst ein. »Sonst machst du uns noch unseren Stopferl abspenstig.«

»Sie ist ja munter dabei, net wahr?« Alois zwinkerte seiner Tochter lustig zu. »Man hört so allerlei von dir und deinem Frauenschwarm. Wann soll es denn so weit sein?«

»Mei, Vaterl, du weißt, ich mag es net, wenn du so redest. Und was den Matthias und mich angeht, das wird schon. Wir lassen uns Zeit. Es soll ja schließlich für immer sein.«

»Ich find das vernünftig«, lobte der Altbauer, doch sein Sohn schien anderer Meinung zu sein.

»Ich würde es vernünftiger finden, wenn du dir einen anderen Burschen zum Heiraten aussuchen tätst, Schwesterherz. Der Matthias taugt net als Familienvater. Der kann keiner treu sein. Auch wenn er dir schön tut, auf Dauer hält er das nicht durch. Er wird ausbrechen und dich unglücklich machen.«

»Du bist wohl neuerdings unter die Hellseher gegangen«, spöttelte das Madel.

»Ich kenn den Matthias. Wir sind zusammen bei der Bergwacht, ich hab schon einiges mitbekommen, das …«

»Lass gut sein, Hans«, bat seine Frau ihn da nachdrücklich. »Die Gerdi weiß schon, was sie macht. Außerdem kann auch aus einem Schürzenjäger ein treuer Ehemann werden. Er muss nur die richtige Frau finden.«

Der Jungbauer schwieg, denn es ging ihm zuwider, mit Marianne zu streiten. Doch an seiner Meinung änderte das nichts. Und das sagte er seiner Frau auch später am Tag, als sie unter sich waren. Gerdi war an diesem Vormittag mit der Wäsche beschäftigt, weshalb Marianne das Kochen übernahm. Als Hans die Küche betrat, um sich ein Haferl Kaffee zu holen, kam er noch einmal auf das Thema zurück, das ihm die ganze Zeit durch den Kopf ging.

»Der Matthias ist net der Rechte für die Gerdi«, beharrte er. »Ich hab selbst erlebt, wie abfällig er über die Madeln redet. Für den sind sie nur Beute, die in sein Schema passen muss. Und von Treue hat der noch nie was gehört.«

Marianne knetete einen Nudelteig und machte dabei ein nachdenkliches Gesicht.

»Vielleicht hast du recht«, gestand sie ihrem Mann zu. »Du kennst den Matthias schließlich besser. Aber ich glaub, es ist net nötig, sich einzumischen. Nach der Pleite mit dem Tobias ist die Gerdi doch schlauer geworden. Sie ist in den Matthias verliebt, aber sie ist net blind vor Liebe.«

»Hat sie denn was zu dir gesagt?«

»Freilich, gestern Abend. Der Matthias möchte sich recht bald verloben, doch deine Schwester hat es nicht so eilig. Ich denke, bei ihr spielt net nur das Herz mit, sondern auch der Verstand. Sie wird den Matthias nur heiraten, wenn sie sicher sein kann, dass er es auch wirklich ernst meint.«

»Er kann ihr viel erzählen.« Hans nahm sein gefülltes Haferl und seufzte. »Ich muss mich wieder an die Lohnabrechnungen setzen. Bis später.« Er schenkte seiner Frau ein Busserl und kehrte ins Arbeitszimmer zurück.

Hinter dem wuchtigen Schreibtisch aus Wurzelholz hatten schon viele Baumgartners gesessen. Hans wusste sich in einer langen Tradition und verspürte einen gewissen Stolz darauf. Trotzdem hätte er auf die Schreibarbeit gern verzichtet, denn die lag ihm gar nicht. Lieber stand er im Stall und schaufelte stundenlang Mist, als auf den Computermonitor zu starren. Und dabei schweiften seine Gedanken wieder ab und kehrten zu seiner Schwester zurück.

Wenn Gerdi nur bald merkte, dass Matthias nicht der richtige Mann zum Heiraten war. Je früher, desto besser …

Tatsächlich beschäftigten sich auch Gerdis Gedanken an diesem Vormittag mit Matthias. Sie dachte über die mahnenden Worte ihres Bruders beim Frühstück nach, denn sie wusste, dass Hans nie leichtfertig etwas dahinsagte. Wenn er sich äußerte, dann mit Bedacht und guten Absichten.

Waren seine Bedenken vielleicht gerechtfertigt? Er kannte Matthias von klein auf, die beiden waren in der Schule Spezln gewesen. Und er wusste vielleicht Dinge von dem Hofsohn, die ihr verborgen blieben. Dass Hans nur das Beste für seine Schwester wollte, erschien dieser selbstverständlich, darüber musste sie gar nicht erst nachdenken.

In ihrem Herzen wuchsen ganz allmählich die Zweifel. Wenn Matthias bei ihr war, dann fühlte Gerdi sich wunschlos glücklich und zufrieden. Dachte sie aber mit Abstand über ihre Beziehung nach, kamen ihr gleich wieder Bedenken. Hatte Hans nicht recht? Konnte ein Schürzenjäger wie Matthias treu sein, selbst wenn er es wirklich wollte?

Auf diese Fragen fand Gerdi allein keine Antworten. Sie beschloss, am Nachmittag für eine Stunde zum Skihang zu gehen und Matthias beim Training zuzuschauen. Wenn jemand ihre Zweifel zerstreuen konnte, dann war das nur ihr Liebster. Sie nahm sich auch vor, ihn wirklich kritisch im Auge zu behalten, denn sie wusste, dass sie nicht die einzige weibliche Zuschauerin bei diesem Training sein würde …

***

Bis zum Wochenende absolvierte Matthias täglich zwei Stunden Training am Skihang.

Gerdi schaffte es nicht immer zuzuschauen. Wenn sie aber dabei war, hatte der Bursche nur Augen für sie, und das war nicht aufgesetzt. Sie registrierte, dass die anderen Madeln ihm ganz einerlei waren. Nicht mal einen Blick riskierte er. Da konnten die Dorfschönen noch so laut kreischen und klatschen, wenn er eine elegante Kehre hinlegte, sein siegessicheres Lächeln gehörte allein Gerdi.

Dann war es so weit, und die Regionalmeisterschaften im Abfahrtslauf begannen. Durch die guten Ergebnisse der Vorjahre hatte Matthias sich bereits qualifiziert und musste nur an den Endläufen teilnehmen.

Er war am Sonntagnachmittag an der Reihe. Gerdi jubelte ihm zu, als er – wie konnte es auch anders sein – mit Abstand als Erster durchs Ziel fuhr. Natürlich ließ er sich feiern, und sein Madel musste dabei stets an seiner Seite sein. Am frühen Abend, als die Nachfeier im Sportlerheim so richtig in Schwung kam, musste Gerdi allerdings heim. Matthias verstand die Welt nicht mehr.

»Wieso willst du weg? Du kannst mich doch jetzt net allein lassen«, beschwerte er sich.

»Ich hab der Marianne versprochen, zwei Stunden auf den Kleinen aufzupassen. Sie und mein Bruder fahren heut ins Bauerntheater. Das gastiert nur an diesem Wochenende in Bayrischzell. Keine Sorge, ich komm später wieder zurück.«

Matthias war beleidigt.

»Kann net eine Magd auf das Kind aufpassen? Ich sollte dir doch ein bisserl wichtiger sein«, beschwerte er sich verstimmt.

»Ich hab das der Marianne schon vor Wochen zugesagt. Es war net leicht, Karten zu kriegen und …«

»Ist schon recht.« Matthias hob gespielt lässig die breiten Schultern. »Wenn du jetzt gehst, sehen wir uns halt morgen.«

»Ich komme doch zurück, versprochen.«

»Du hängst viel zu sehr an dem Butzerl. Wenn du bei dem Kleinen hockst, wirst du alles andere vergessen, das kennt man doch. Also, füat di!« Offenbar glaubte er ihr nicht, dass sie später zurückkommen würde. Er stürzte sich wieder ins Getümmel und war im Handumdrehen der Mittelpunkt der Feier.

Gerdi hatte das ungute Gefühl, dass er sie überhaupt nicht vermisste. Oder tat er nur so, um sich seine wahren Gefühle nicht anmerken zu lassen? Wie auch immer, sie wollte sich an ihr Versprechen halten und noch vor Mitternacht ins Sportlerheim zurückkehren. Dann konnten sie zusammen bis zum Abwinken feiern, und Matthias hatte keinen Grund mehr, sich zu beschweren. Dass dieser Abend ganz anders enden sollte als in einem feuchtfröhlichen Beisammensein, ahnte Gerdi nicht …

Marianne war erstaunt, als ihre Schwägerin wenig später heimkam.

»Du bist schon da? Ich dachte, du bleibst beim Matthias, der lässt sich doch gewiss den ganzen Abend feiern.«

»Ich hab’s dir versprochen. Und was ich verspreche, das halte ich auch«, erwiderte Gerdi ganz selbstverständlich.

»War er denn net sauer, als du gegangen bist?«

»Ein bisserl. Aber das schadet net.« Das Madel lächelte vielsagend. »Er wird sich gewiss nicht langweilen.«

Die Jungbäuerin war unsicher.

»Ich will dir aber auch nicht den Abend verderben. Die Lina würde auch nach dem Stopferl schauen, ich hab sie gerade gefragt. Wenn du also lieber wieder zur Siegesfeier gehen magst …«

»Ich bleib da und kümmere mich um meinen kleinen Neffen, wie abgemacht«, entschied Gerdi.

Dann wandte sie sich an die alte Hauserin, die gerade hereingekommen war. Lina war mittlerweile im Ruhestand und bewohnte zwei gemütliche Zimmer im Gesindehaus. Sie half noch hier und da, wenn es nötig wurde, und sie kümmerte sich mit Hingabe um das jüngste Mitglied der Familie Baumgartner. Allerdings machte ihr das Rheuma zunehmend zu schaffen, und auch an diesem kalten Winterabend litt sie unter Gelenkschmerzen.

»Geh nur und leg dich ein bisserl hin, Lina«, bat Gerdi sie. »Du brauchst Ruhe. Der Doktor hat gesagt, wenn du Schmerzen hast, helfen Wärme und Ruhe am besten. Ich bin jetzt da und schau nach dem Kleinen.«

»Ich dank dir, Madel«, seufzte Lina. »Ich fühle mich wirklich net besonders. Dann gute Nacht allerseits.«

Hans schaute in die Stube und tippte mit Blick auf Marianne auf seine Uhr.

»Ich bin sofort fertig. Wir können losfahren«, versicherte sie ihm.

»Nach dem Theater kommen wir gleich heim«, versprach Hans seiner Schwester. »Dann kannst du noch ein bisserl feiern gehen, wenn du magst.«

»Das hab ich vor. Amüsiert euch gut!« Gerdi schaute nach Christoph, der friedlich in seiner Wiege schlummerte. Anschließend setzte sie sich in einen Sessel und las eine Weile.

Später kam ihr Vater vorbei. Er hatte im Fernsehen nichts nach seinem Geschmack gefunden und verbrachte lieber etwas Zeit mit Gerdi. Sie unterhielten sich leise, so verging der Abend recht kurzweilig. Der kleine Bub wollte zwischendurch gefüttert und gewickelt werden und tat dies lautstark kund.

Schließlich kehrten Marianne und Hans wie versprochen heim, und Gerdi konnte sich wieder auf den Weg zum Sportlerheim machen.

Es war erst kurz nach elf Uhr, die Feier noch in vollem Gange. Gerdi wollte soeben das Gebäude am Dorfrand betreten, als ihr Lucy Freilinger entgegenkam. Sie war eine von Matthias’ Verflossenen und schien ihm noch immer nachzutrauern. Jedes Mal, wenn Gerdi ihr über den Weg lief, hagelte es böse Blicke. An diesem Abend aber klebte ein überhebliches Lächeln voller Genugtuung auf ihrem ebenmäßigen Gesicht, und ihre hellen Augen blitzten nur so.

»Da schau her, dass du dich noch hierher traust!«, meinte sie. »Ich wundere mich echt, wie du mit dem Geweih durch die Tür passt.« Sie prustete und hielt die Hand vor den Mund, um sich gleich darauf vor Lachen richtiggehend auszuschütten.

Gerdi blickte das Madel kühl an.

»Darf ich mal vorbei?«

»Ich weiß net, darfst du?« Wieder folgte eine alberne Lachsalve. Lucy musste sich am Türrahmen festhalten, um nicht aus ihren hochhackigen Schuhen zu kippen.

»Geh lieber heim und schlaf deinen Rausch aus«, riet Gerdi ihr und wollte sich an ihr vorbeidrücken. Doch das Madel hatte etwas dagegen. Es grabschte Gerdis Arm und hielt ihn fest umklammert.

»Falls du den Matthias suchst, schau mal in der Umkleide nach«, flüsterte Lucy. »Ich wette, er amüsiert sich wunderbar mit der Leitner-Christel. Die beiden haben die ganze Zeit Busserln getauscht. Und dann sind sie ganz einfach verschwunden. Auweh!« Sie lachte Gerdi ins Gesicht. Diese machte sich von ihr los und eilte ins Sportlerheim.

Nachdem die Glastür hinter ihr ins Schloss gefallen war, musste Gerdi erst einmal tief durchatmen. Lucys Fahne war nicht besonders angenehm gewesen. Schlimmer als dieser Auftritt erschien ihr allerdings die Vorstellung, dass sie recht haben könnte. Freilich war sie schon seit einer Weile darauf aus, sich an Gerdi zu rächen. Schließlich hatte Matthias mit ihr Schluss gemacht, als er sich in Gerdi verliebt hatte. Aber würde sie so etwas einfach erfinden, wenn es nicht stimmte?

Gerdis Herz begann so heftig gegen die Rippen zu klopfen, dass es fast schmerzhaft war. Aus dem Saal hörte sie Musik, Gespräche und Lachen. Sie wünschte sich, dass Matthias dort bei den anderen stand und auf sie gewartet hatte. Doch eine leise Stimme in ihrem Hinterkopf mahnte sie, der Wahrheit nicht auszuweichen. Es hatte keinen Sinn, die Tatsachen zu ignorieren, sie musste sich Gewissheit verschaffen.

Entschlossen steuerte das Madel die Umkleidekabinen an. Dort sollte sich eigentlich um diese Zeit niemand aufhalten. Sie wurden nur von Sportlern benutzt, die in der Turnhalle oder draußen auf dem Platz trainierten. Allerdings herrschte zurzeit Winterpause. Gerdi gab sich einen Ruck und drückte die Tür auf. Die langen Bänke mit den Kleiderhaken waren allesamt leer. Trotzdem brannte hier Licht.

Das Madel blieb in der offenen Tür stehen und lauschte. Aus dem hinteren Teil der Räumlichkeiten klang gedämpftes Lachen an ihr Ohr.

Gerdi spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. Sie wollte nicht dorthin gehen, sie wollte nicht sehen, wer sich dort aufhielt. Aber sie musste es tun.

Gerdi biss sich auf die Lippen. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Sie hatte das Gefühl zu ersticken. Schwindel überkam sie. Hätte sie sich nicht an einer Bank festgehalten, sie wäre gefallen.

Ein paar Sekunden lang blieb sie stehen, schloss die Augen und atmete tief durch. Dabei wünschte sie sich von Herzen, nicht zur Feier zurückgekehrt zu sein.

Nun konnte sie der Wahrheit nicht mehr ausweichen. Und nichts würde mehr so sein wie vorher, das spürte Gerdi ganz genau. Tränen sammelten sich in ihren Augen, als sie die letzte Distanz überwand und die Schwingtür aufstieß, die in eine separate Kammer führte. Sie war für den Trainer reserviert und etwas wohnlicher eingerichtet. Es gab einen Schrank und eine bequeme Liege. Und diese hatte das junge Paar sich ausgesucht, um sich leidenschaftlich zu lieben.

Gerdi stand wie versteinert da. Matthias in den Armen einer anderen zu sehen versetzte ihr einen regelrechten Schock. Es war nicht nur die Enttäuschung, dass er sie betrog und dass seine Treueschwüre nichts wert waren. Es war viel mehr.

Das Madel musste an die Nacht denken, in der es seinen Verlobten Tobias Hirnacker mit einer anderen erwischt hatte. Der Schmerz, der ihr damals fast das Herz gebrochen hatte, war plötzlich wieder da. Doch nun war es schlimmer, viel schlimmer.

Gerdi fühlte sich wie eine Närrin. Noch einmal hatte sie vertraut, und noch einmal war sie enttäuscht worden. Sollte es denn immer so weitergehen?

Scham und Verzweiflung schlugen wie eine dunkle Woge über ihr zusammen. Ohne nachzudenken, machte Gerdi auf dem Absatz kehrt und rannte, so schnell die Füße sie trugen, davon. Sie wollte nur fort, fort von diesem Ort ihrer Erniedrigung, fort von den Menschen, die bald mit dem Finger auf sie zeigen und sie auslachen würden. Und vor allem fort von dem Burschen, der sie so bitter enttäuscht hatte. Nur fort …

***

Hans schaute seine Frau ratlos an.

»Hat sie dir was gesagt?«

»Ja, es ist, wie wir vermutet haben. Leider.« Die Jungbäuerin seufzte leise und mitleidig. »Sie hat den Matthias mit einer anderen erwischt. So ein Hundling! Das Blaue hat er ihr vom Himmel versprochen. Ich hab es auch schon fast glauben mögen, dass er sich geändert hat und nur der Gerdi treu ist. Aber kaum dreht sie ihm den Rücken zu, schnappt er sich eine andere. Und ausgerechnet die Leitner-Christel, diese gehässige Kuh. Die wird im ganzen Tal ihren Triumph ausbreiten und die Gerdi schlecht dastehen lassen. Ich versteh’s net.«

Alois betrat die gute Stube, wo das junge Ehepaar sich aufhielt, und wollte wissen, wie es Gerdi ging. Seit seine Tochter am Vorabend völlig durchgefroren, verheult und apathisch heimgewankt war, hatte er sie nicht mehr zu Gesicht bekommen. Hans hatte sich um seine Schwester kümmern wollen, doch die mochte niemanden sehen, nicht mal ihren Zwillingsbruder.

Bis zum Morgen hatte sie sich in ihrer Kammer eingeschlossen und war dann mit blassem, verschlossenem Gesicht in der Küche aufgetaucht, um ihren Pflichten nachzukommen. Mit niemandem sprach sie ein Wort und ignorierte die gut gemeinte Anteilnahme von Vater, Bruder und Schwägerin.

Erst jetzt, am frühen Abend, war Marianne zu dem Madel vorgedrungen, das ihr schließlich sein Herz ausgeschüttet hatte.

»Sie ist sehr unglücklich«, sagte die Jungbäuerin zu ihrem Schwiegervater. »Sie hat dem Matthias vertraut und daran gedacht, mit ihm eine Familie zu gründen. Jetzt ist alles aus und vorbei, sie will ihn nimmer sehen. Es wird eine Weile dauern, bis sie diese zweite Enttäuschung verwunden hat.«

»Dieser Malefiz, wenn ich den in die Finger kriege«, knurrte der Altbauer und ballte seine Hände zu Fäusten. »Ich werde ihm das Fell gerben, dass ihm Hören und Sehen vergeht!«

In diesem Moment wurde draußen am Klingelstrang gezogen. Marianne verließ die Stube, um zu öffnen.

»Beruhige dich lieber, das ist net gut für dein Herz«, riet Hans seinem Vater. »Außerdem hilft es der Gerdi herzlich wenig, wenn du dich am Matthias vergreifst. Dadurch wird ihr Kummer net kleiner.«

»Aber der Hundling hat sich eine Strafe mehr als verdient«, beharrte Alois.

»Ich kann dir net widersprechen, Bauer«, sagte in diesem Moment jemand von der Tür her. »Wenn du dich danach besser fühlst, kannst du mir gerne eine reinhauen. Von mir aus auch zwei. Aber größere Vorwürfe als die, die ich mir selbst mache, kannst du mir auch net machen.«

Alois starrte den Burschen fassungslos an.

»Ich bin gekommen, um mich bei der Gerdi zu entschuldigen«, fügte Matthias mit gesenktem Blick hinzu und trat näher. »Ich möchte aber auch, dass ihr Bescheid wisst. Was da gestern Abend passiert ist, das war nix anderes als ein Rückfall in alte Zeiten. Ich hatte zu viel getrunken und war sauer auf die Gerdi, weil sie einfach heim ist, statt mit mir zusammen meinen Sieg zu feiern. Ich will mich net rausreden … Es kam halt eins zum anderen, und ich bereu es zutiefst.«

»Hundling«, zischte Alois und verpasste dem Burschen zwei schallende Ohrfeigen. Danach verzog er den Mund und brummte: »Hast recht, Hans, besser fühl ich mich jetzt auch net. Die Gerdi hätte sich nie mit einem wie dir einlassen dürfen, Gruber. Ihr Bruder hat das von Anfang an gesagt. Leider hat er recht behalten. Und jetzt schleich di, hier hast du nix mehr zu suchen, nachdem du meine Tochter so gemein betrogen hast.«

»Ich geh net, ohne mit der Gerdi gesprochen zu haben«, beharrte Matthias. »Es ist ja alles nur ein Missverständnis gewesen. Deshalb kann es zwischen uns net aus sein!«

»Doch, das ist es.« Gerdi war unbemerkt in die offene Tür zur guten Stube getreten. Als sie Matthias reden hörte, wäre sie am liebsten sofort weggelaufen. Die Bilder der vergangenen Nacht spukten durch ihren Kopf und ließen sich einfach nicht vertreiben. Allein die Erinnerung an den schlimmen Vertrauensbruch trieb dem Madel schon wieder die Tränen in die Augen.

Gerdi war dennoch klar, dass es keinen Sinn hatte, auszuweichen und wegzurennen. Der Wahrheit konnte sie nicht entkommen. Und sie wollte einen klaren Strich unter die Vergangenheit ziehen. Nach dem, was geschehen war, sah sie keine gemeinsame Zukunft mehr für sich und Matthias. Als sie dem Burschen das nun klipp und klar sagte, fiel er vor ihr auf die Knie.

»Sei net so hart, Gerdi!«, flehte er. »Ich weiß, ich hab einen schweren Fehler begangen, und ich bereue es zutiefst. Gib mir nur noch eine Chance, dann will ich dir beweisen, dass du mir vertrauen kannst. Nie wieder will ich mir was zuschulden kommen lassen, das schwöre ich dir bei allem, was mir heilig ist!«

»Übertreib net so«, forderte sie unwillig, denn sein Auftritt war ihr peinlich. »Du hast gewusst, was ich von Untreue halte. Wenn du sauer auf mich warst, hättest du dir einen Rausch ansaufen oder mit einer anderen flirten können. Aber gleich mit der ersten Besten ins Bett zu gehen, ne, Matthias, das kann ich dir net verzeihen, das geht zu weit. Ich hab kein Vertrauen mehr zu dir. Es ist vorbei, ich mag dich nimmer sehen.«

Er kniete noch immer vor ihr und starrte sie so fanatisch an, dass ihr ganz seltsam zumute wurde.

»Gerdi, du darfst mich net verlassen«, murmelte er. »Du bist die Liebe meines Lebens. Ohne dich hat für mich alles keinen Sinn mehr. Wegen eines Ausrutschers darfst du mich nicht von dir stoßen. Ich will es wieder gutmachen. Ich tu alles, was du willst, alles …«

»Ich will gar nix mehr von dir«, stellte sie reserviert klar. »Geh und komm nicht wieder. Bitte, Matthias, es hat keinen Sinn, sieh das doch ein!«

»Du hast sie gehört, jetzt schleich di«, forderte Hans streng.

Der Bursche stand auf und blickte mit einem seltsam abwesenden Ausdruck in die Runde. Dann schien es, als ginge ein Ruck durch seinen athletischen Körper.

»Ich geh, weil die Gerdi es so will«, erklärte er und hob den Kopf. »Ich lass ihr Zeit, ich hab Geduld. Irgendwann wird sie mir verzeihen.« Er lächelte nun siegessicher. »Ich kämpfe für unsere Liebe, Schatzerl. Und ich werde am Ende ebenso der Sieger sein wie gestern beim Abfahrtslauf!« Damit eilte er aus der Stube, und gleich darauf fiel die Haustür hinter ihm ins Schloss.

»Der Kerl spinnt«, stellte Alois fest. Er kräuselte die Stirn und zog die buschigen Augenbrauen zusammen. »Ich hatte fast den Eindruck, als ob er das alles gar net ernst nimmt. Ihm muss doch klar sein, dass er die Gerdi mit so ein bisserl aufgesetztem Schmierentheater nimmer für sich gewinnen kann.«

»Der Matthias ist sehr von sich selbst überzeugt«, gab Hans zu bedenken. »Er hält sich offenbar für unwiderstehlich.« Der Bauer legte einen Arm um seine Schwester und lächelte ihr aufmunternd zu. »Aber in dem Fall wird er umdenken müssen, denn noch mal wirst du ganz gewiss net auf ihn reinfallen, gelt?«

Das Madel lächelte freudlos.

»Was ich letzte Nacht erlebt hab, das werde ich sicher nie vergessen. Ich glaub net, dass ich noch mal einem Burschen vertrauen kann. Und dem Matthias gleich zweimal net. Das ist vorbei. Ein für alle Mal!«

***

Ein paar Tage vergingen, ohne dass Gerdi noch einmal von Matthias hörte. Sie hoffte, dass er ihre Entscheidung nun, bei Licht und klarem Verstand besehen, akzeptiert hatte. Gerdi war furchtbar unglücklich, und das Herz tat ihr weh. Die Zeit schien diesmal keine Wunden zu heilen, denn an jedem Morgen fühlte sie sich ebenso einsam und jämmerlich wie am Tag zuvor. Nach und nach begriff sie, dass sie Matthias wirklich lieb gehabt und dass er ihr viel bedeutet hatte. Und nun war alles vorbei, der Traum von Liebe, Heirat und Familie ausgeträumt.

Das Madel wollte den Kopf nicht hängen lassen, zumal ihre Lieben sich große Mühe gaben, ihr beizustehen und sie nach Kräften aufzumuntern. Selbst der kleine Christoph lachte, wenn Tante Gerdi nur in seine Nähe kam, und krähte auf ihrem Arm noch fröhlicher als sonst.

Als die neue Woche begann, brachte ein Bote einen verschwenderischen Strauß tiefroter Rosen.

»Ich werde Dich immer lieben. Auf ewig, Matthias«, stand auf der beigelegten Karte.

Gerdi schenkte die Blumen ihrer Schwägerin und kümmerte sich nicht weiter darum. Am nächsten Tag wurde der zweite Strauß gebracht. Und so ging es weiter, bis die gute Stube des Erbhofes am Wochenende dem Gewächshaus eines Rosenzüchters glich.

Matthias hatte kleine Gedichte und heiße, innige Liebesschwüre auf die Karten geschrieben. Als Gerdi nicht reagierte, fing er an, sie ständig anzurufen. Er beteuerte, dass er ohne sie nicht mehr leben könne, und sprach sogar von Selbstmord.

»Ich spring in die Stocker-Klamm, wenn du mich nimmer willst«, sagte er immer wieder.

Bislang hatte Gerdi ihm zwar zugehört, ihm jedoch keine Antwort gegeben.

»Wie stellst du dir das vor, wenn ich nur zu dir zurückkomme, damit du dich net umbringst?«, fragte sie ihn, als seine Drohungen nicht aufhörten. »Glaubst du, das ist eine Basis für ein gemeinsames Leben?«

»Ich will, dass du zu mir zurückkommst«, forderte er mit unterdrückter Wut. »Wie, ist mir einerlei. Ohne dich kann ich nimmer leben, Gerdi, es geht einfach net!«

»Das hättest du dir überlegen sollen, bevor du die Christel verführt hast. Und jetzt lass mich in Ruh. Ich hab dir schon tausend Mal gesagt, es ist aus. Daran änderst du nix, wenn du mir am Tag hundert Rosen schickst oder mich alle fünf Minuten anrufst. Ich will dich nimmer, weil ich kein Vertrauen mehr zu dir habe. Merk dir das!«

Nach diesem offenen Telefonat herrschte wieder eine ganze Weile Funkstille. Gerdi atmete allmählich auf. Enttäuschung und Schmerz über das jähe Ende ihrer Beziehung waren von einem anderen Gefühl verdrängt worden: Unbehagen. Matthias’ Verhalten war so extrem und übertrieben, dass Gerdi befürchtet hatte, es würde immer so weitergehen.

»Ich hab schon gedacht, er wird zum Stalker«, sagte sie zu ihrer Schwägerin. »Es war so, als ob er mich zwingen wollte, ihm zu verzeihen. Das war ziemlich seltsam und richtig unheimlich.«

Marianne konnte ihr nicht widersprechen.

»Er hat einen starken Willen. Und er konnte es net akzeptieren, dass ein Madel mit ihm Schluss macht. Bis jetzt war das wohl immer umgekehrt. Sei froh, dass du ihn endlich los bist. Jetzt kannst du mit der Sache abschließen. Irgendwann wird es besser.«

»Ich weiß net … Ich kann mir gar nicht vorstellen, noch mal einem Burschen zu vertrauen. Ich glaub, von der Liebe will ich in absehbarer Zeit nix mehr wissen. Aber ich bin trotzdem erleichtert, dass der Matthias mich jetzt in Ruh lässt.«

Dabei sollte es allerdings nicht bleiben …

Einige Tage später, Gerdi war in der Küche gerade damit beschäftigt, das Frühstück zu richten, klingelte ihr Handy. Auf dem Display erschien keine Nummer. Und als sie sich meldete, blieb es am anderen Ende still. Das Madel lauschte einen Moment lang, dann hob es die Schultern und unterbrach die Verbindung.

Kaum zwei Minuten später das gleiche Spiel. Und als ihr Handy dann zum dritten Mal klingelte, schrak Gerdi zusammen und hätte beinahe die volle Kaffeekanne fallen lassen. Ärgerlich schaltete sie das kleine Telefon aus und ging ins Esszimmer, um den Tisch zu decken. Kurze Zeit später klingelte das Telefon in der Diele. Gerdi seufzte. Sie war eben auf dem Rückweg in die Küche und nahm im Vorbeigehen den Hörer ab.

»Hallo? Wer ist denn da?«, rief sie entnervt, denn kein Anrufer meldete sich. Als sie auflegte, fing das Telefon sofort wieder an zu klingeln.

Alois, der an diesem Morgen etwas länger geschlafen hatte, kam die Stiege herunter und machte ein verständnisloses Gesicht.

»Was ist denn da los? Wer ruft hier ständig an?«, fragte er.

»Das würde ich auch gern wissen. Es meldet sich aber keiner«, erwiderte das Madel ärgerlich.

Der Vater bedeutete Gerdi, ihm das zu überlassen. Er nahm den Hörer und meldete sich mit strenger Stimme. Kurz lauschte er, dann stellte er fest: »Aufgelegt. Sollte wohl eine Gaudi sein.«

»Ha, ha«, machte seine Tochter ohne einen Anflug von Humor.

Nach dem Frühstück hatte Gerdi in der Waschküche zu tun. Wieder fing ihr Handy an zu klingeln, wieder meldete sich niemand. Nach dem vierten Versuch stellte sie das Telefon ab, um in Ruhe arbeiten zu können. Kaum eine halbe Stunde später erschien ihre Freundin Lisa von nebenan und beschwerte sich, dass Gerdi nicht zu erreichen war.

»Wir wollten doch am Samstag zusammen nach Bayrischzell zum Einkaufen fahren«, erinnerte sie Gerdi. »Oder hast du keine Lust? Ich find, du solltest mal raus. Nach der Sache mit dem Matthias brauchst du ein bisserl Abwechslung.«

»Ich wette, halb Langenbach lacht sich tot über mich.«

»So ein Schmarrn. Dass der Matthias ein Hundling ist, dafür kannst du doch nix. Und du bist net die Erste, die auf ihn hereingefallen ist. Keine Sorge, die Meisten fühlen mit dir.«

»Na ja … Jedenfalls hab ich keine Lust auf eine Einkaufstour. Sei mir net bös. Wir holen das ein anderes Mal nach, ja?«

»Okay. Aber schalte bitte dein Handy wieder ein, damit ich dich anrufen kann, wenn es was Neues gibt. Wieso hattest du es überhaupt ausgeschaltet? Oder war der Akku leer?«

»Na, ich krieg ständig anonyme Anrufe. Das nervt.«

Lisa bekam große Augen. »Obszöne?«

»Anonyme«, buchstabierte Gerdi unwillig. »Net der Rede wert.«

»Vielleicht hast du ja einen heimlichen Verehrer. Jetzt, wo du wieder solo bist, ist schließlich alles möglich …«

Gerdi äußerte sich dazu nicht. Allerdings stand ihr momentan nicht der Sinn nach Romantik und Geheimnissen. Und die Anrufe, die ständig kamen, gingen ihr lediglich auf die Nerven.

Für den Rest des Tages schwiegen die Telefone. Als das Madel am Abend zu Bett gehen wollte und noch einen Blick aus seinem Kammerfenster warf, meinte es allerdings, eine Person neben dem Stall gesehen zu haben. Gerdi stutzte. Das sah aus, als ob da jemand halb im Schatten der Stadelwand verborgen zu ihr hinaufstarren würde. Eine dunkle Gestalt, groß und unheimlich.

Gerdi wich zurück. Sie stieß sich das Bein am Nachttisch und stöhnte leise auf. Dann sank sie aufs Bett und rieb sich die schmerzende Stelle. Dabei dachte sie nach. Was, wenn dort unten tatsächlich jemand stand und das Haus beobachtete? Womöglich ein Einbrecher? Man sah doch immer wieder im Fernsehen, wie leicht solche Kerle in Häuser eindringen, die Bewohner bedrohen und ausrauben konnten.

In Langenbach gab es eigentlich keine Kriminalität, jedenfalls hatte Gerdi noch nie von einem Einbruch oder Überfall in ihrem Heimatdorf gehört. Doch ausgeschlossen war es nicht. Sollte sie nicht besser ihren Bruder wecken, damit der nachsehen konnte, was es mit dem verdächtigen Schatten auf sich hatte?

Das erschien dem Madel sinnvoll. Vorher wollte Gerdi aber selbst noch einen Blick auf den vermeintlichen Einbrecher werfen. Zuerst schaltete sie das Licht in ihrer Kammer aus, damit sie von draußen nicht gesehen werden konnte.

Als sie dann hinter das Fenster trat, schien es ihr allerdings so, als ob sie sich getäuscht hatte. Die Stelle, an der sie gerade eben noch den Unhold vermutet hatte, war leer. Genau wie der gesamte Wirtschaftshof. Niemand hielt sich zu dieser späten Stunde noch draußen auf.

Das Madel war erleichtert. Mit einem leisen Seufzer ließ Gerdi sich ins Bett fallen und schloss die Augen.

Der Bursche, der heimlich ihr Kammerfenster beobachtet hatte, wartete noch eine ganze Weile, bis er wieder aus dem Schatten der Stadelwand hervortrat. Dann holte er eine Leiter aus der Remise und stellte sie an die Hauswand. All das geschah lautlos, denn Matthias Gruber kannte sich auf dem Erbhof sehr gut aus.

Flink wie ein Wiesel kletterte der athletische Bursche die Sprossen hinauf und stand gleich darauf vor Gerdis Fenster. Im Licht des vollen Wintermondes konnte er das entspannte Gesicht des schönen Madels genau erkennen. Eine ganze Weile stand er reglos auf der Leiter und starrte die Schlafende an.

Dann zeichnete sich ein schmales Lächeln auf seinem markanten Gesicht ab, das die Augen aber nicht erreichte. Die blieben kalt wie Gletschereis.

»Du gehörst mir«, flüsterte er. »Ich geb dich net her, Gerdi Baumgartner. Niemals …«

***

In den nun folgenden Wochen kam Gerdi nicht zur Ruhe. Ihr Liebeskummer trat weiter in den Hintergrund, denn etwas anderes wurde wichtiger und bestimmte bald ihr ganzes Leben: das Gefühl von Unbehagen, ja Angst.

Die anonymen Anrufe rissen nicht ab. Wenn Gerdi ein Telefon ausschaltete, klingelte ein anderes. Es kam so weit, dass sie bei jedem Klingelton, und war er auch noch so leise, heftig zusammenzuckte und sogar anfing zu weinen.

Dann kamen Briefe. Täglich mehrere. Sie waren alle an Gerdi adressiert, aber ohne Absender und auch ohne Inhalt. Meist steckte im Umschlag nur ein leeres Blatt. Manchmal aber war auch ein schwarzes Kreuz darauf gemalt, ein weinender Engel oder eine Grabinschrift. Diese Briefe versetzten das Madel regelrecht in Panik. Zudem fühlte Gerdi sich auf Schritt und Tritt verfolgt und beobachtet. Vor allem gegen Abend und auch in der Nacht litt das Madel unter sich stetig verschlimmernden Ängsten.

Bald konnte Gerdi nicht mehr schlafen, wenn das Licht ausgeschaltet war. Beim leisesten Geräusch schreckte sie auf. Oft fiel ihr in der Küche etwas aus der Hand, weil sie ständig nervös und fahrig war. Wollte Marianne ihr helfen, reagierte sie ärgerlich und zunehmend aggressiv.

Einmal hatte Gerdi gerade die Eier im Hühnerhaus eingesammelt und wollte ins Haus zurückkehren. Es war früh am Morgen und draußen noch dunkel. Da packte sie neben dem Stall jemand und zerrte sie nach hinten. Sie wollte schreien, doch eine starke Hand presste sich auf ihren Mund und erstickte jeden Laut. Gerdi konnte den Angreifer nicht sehen, denn der blieb hinter ihr. Als seine Hände sich um ihren Hals legten und zudrückten, verlor sie das Bewusstsein.

Vater und Bruder suchten später zusammen mit den Knechten die gesamte Umgebung ab, ohne eine Spur von dem rätselhaften Angreifer zu finden. Gerdi aber hatte einen leichten Schock erlitten. Der Doktor verordnete ihr ein paar Tage Bettruhe. Bleich und völlig erschöpft lag sie in ihren Kissen.

»Das geht so net weiter«, stellte Marianne entschieden fest. »Da will dich einer fertigmachen. Und es ist freilich nicht schwer zu erraten, wer das ist. Das darfst du dir net gefallen lassen, Gerdi!«

»Was soll ich denn dagegen tun?«, fragte sie matt. »Wenn der Matthias mir das alles antut, wie soll ich ihn stoppen? Ich kann ja net mal beweisen, dass er dahintersteckt.«

»Ich spreche mit dem Vater. Er soll zu den Grubers gehen und die Leute zur Rede stellen. Sie müssen auf ihren Sohn einwirken. Wenn sie sich weigern, dann gehst du zum Gendarmen und machst eine Anzeige.«

»Ich weiß net …«

»Stalking ist ein Verbrechen. Ich hab erst neulich in der Zeitung darüber gelesen. Schau dich doch an, Gerdi. Du kannst nimmer lang so weitermachen. Willst du es vielleicht darauf ankommen lassen, dass du einen Nervenzusammenbruch erleidest? Oder, dass der Matthias dir was richtig Schlimmes antut? Der scheint doch tatsächlich zu allem fähig zu sein.«

»Ja, vielleicht hast du recht. Wenn der Vater vernünftig mit dem alten Gruber redet … Und er soll den Hans mitnehmen.«

»Ich sag’s ihm gleich«, versprach Marianne und verließ Gerdis Kammer. Das Madel seufzte leise und schloss erschöpft die Augen. Sie wünschte sich von Herzen, dass Vater und Bruder etwas erreichten, dass der Spuk endlich ein Ende hatte. Doch das Gefühl sagte ihr, so leicht würde es nicht gehen. Die Grubers glaubten Alois und Hans gewiss nicht, denn sie waren stolz auf ihren Sohn und ließen nichts auf ihn kommen.

»Vielleicht hat der Matthias ja selbst ein Einsehen«, sagte Gerdi, aber wirklich daran glauben konnte sie nicht …

Anna und Sepp Gruber besaßen einen schönen Hof. Der Bauer war zudem ehrenamtlicher Bürgermeister von Langenbach, und seine Frau hatte eine Sägemühle und Wald mit in die Ehe gebracht. Die Grubers waren wohlhabende Bauern und bildeten sich einiges auf diesen Umstand ein. Sie waren mit der Wahl ihres Sohnes einverstanden gewesen, denn Gerdi Baumgartner erschien ihnen eine passende Partie zu sein. Außerdem war die Bäuerin der Meinung, dass es für ihren Sohn an der Zeit sei, eine Familie zu gründen. Er hatte sich lange genug »die Hörner abgestoßen«, wie ihr Mann es nannte.

Matthias hatte den Eltern noch nichts von der Trennung erzählt, und diese fielen aus allen Wolken, als sie nun von Alois darüber informiert wurden. Der Bauer berichtete auch gleich in aller Ausführlichkeit über Matthias’ Versuche, sich mit Gerdi zu versöhnen, und den Terror, den er ausgeübt hatte, nachdem sie nicht darauf eingegangen war.

»Ich möchte euch bitten, einmal streng mit eurem Buben zu reden. Das hat aufzuhören, die Gerdi ist schon mit den Nerven am Ende. Der Matthias wird einsehen, dass sie ihm diesen Betrug net verzeihen kann. Sie hat schon einmal so etwas erleben müssen und ist in der Beziehung empfindlich. Er soll sie einfach in Ruhe lassen, dann wollen wir die Sache vergessen.«

Sepp Gruber machte ein nachdenkliches Gesicht.

»Ich weiß wirklich net, was ich davon halten soll, Alois«, gab er bedächtig zu. »Das alles, was du da gerade erzählt hast, das passt so gar net zu unserem Buben. Er kann doch eine jede haben, die Madeln fliegen nur so auf ihn. Dass er die Gerdi zwingen will, obwohl sie ihm nimmer gut ist, kann ich mir einfach net vorstellen.«

»Nennst du mich einen Lügner?«, brauste Alois auf.

»Bitte, Vater, wir wollen doch sachlich bleiben«, bat Hans ihn da. »Es geht hier schließlich um die Gerdi. Und sie ist wirklich schon sehr mitgenommen durch diesen Terror.«

»Ihr seid sicher, dass der Matthias dahintersteckt? Ich mein, habt ihr ihn vielleicht bei was erwischt?«, wollte Sepp Gruber argwöhnisch wissen. »Ihr erhebt da schwere Anschuldigungen.«

»Die anonymen Anrufe, die Belästigungen bis hin zum tätlichen Überfall haben angefangen, nachdem meine Schwester den Matthias endgültig abgewiesen hat. Denkt ihr, das ist ein Zufall?«

»Der Bub würde so was nie tun«, stieß nun auch Anna Gruber in das gleiche Horn wie ihr Mann. »Er hat die Gerdi lieb. Aber ihm ist gewiss klar, dass man Liebe net erzwingen kann. Wenn sie sich von ihm getrennt hat, dann akzeptiert er das. Unser Sohn ist doch kein Krimineller!« Nun schwang eine gewisse Empörung in ihrer Stimme mit.

»Am besten fragen wir den Matthias mal selbst, was er zu dieser Sache zu sagen hat«, meinte der Gruber da jovial. »Geh, Anna, sag ihm doch Bescheid, dass wir Besuch haben.«

»Ist schon recht.« Sie bedachte die Baumgartners mit einem kühlen Blick und verließ die Stube. Die Bäuerin schien ihren Sohn bereits auf das vorbereitet zu haben, was ihn erwartete, denn Matthias gab sich lässig und selbstsicher.

»Ich hab nix dergleichen gemacht«, behauptete er, nachdem Alois seine Anschuldigungen wiederholt hatte. »Freilich macht es mir zu schaffen, dass ich die Gerdi verloren habe. Ich hab sie noch immer lieb, damit muss ich leben. Schließlich war es meine eigene Schuld. Ich wusste ja, dass sie keine Untreue duldet.«

»Du willst uns also erzählen, dass sich rein zufällig ein anderer Stalker bei uns herumtreibt und die Gerdi fertigmacht?«

»Ich hab damit jedenfalls nix zu tun. Und ich kann mir net vorstellen, dass ich mir solche Anschuldigungen gefallen lassen muss. Es gibt doch so was wie üble Nachrede, oder?« Matthias musterte Hans und seinen Vater kalt. »Ihr solltet jetzt besser verschwinden. Ich leid es net, dass ihr mich in meinem Elternhaus und vor Mutter und Vater beschuldigt.«

»Das ist doch …« Alois brummte widerwillig, als Hans ihn bat zu gehen.

»Es hat keinen Sinn, Vater. Mit den Grubers ist offenbar net vernünftig zu reden.« Der Jungbauer erwiderte den Blick seines ehemaligen Schulfreundes entschlossen. »Ich warn dich, Matthias. Du kommst net damit durch, wenn du meine Schwester weiterhin fertigmachst. Sollte der Terror nicht auf der Stelle aufhören, wird die Gerdi dich anzeigen.« Er hielt Matthias die Faust unter die Nase. »Und davon wirst du auch was zu schmecken kriegen. Das sind keine leeren Versprechungen …«

Nachdem die Baumgartners gegangen waren, wollte Matthias die gute Stube verlassen, doch sein Vater hatte etwas dagegen.

Er packte den Burschen am Schlafittchen und starrte ihm streng in die Augen. Sepp Gruber war ebenso groß wie sein Sohn, dazu massig und nicht zimperlich, wenn es darum ging, seinen Willen durchzusetzen. Er war der einzige Mensch, vor dem Matthias wirklich Respekt hatte.

»Du weißt, dass wir nach außen zusammenhalten, Bursche. Ich würde es nie zulassen, dass einer schlecht über uns Grubers redet. Wir sind angesehen im Tal, und das soll auch so bleiben. Aber jetzt will ich die Wahrheit hören. Hast du die Gerdi terrorisiert? Raus mit der Sprache!«

»Freilich net. Wofür hältst du mich?«, antwortete der Hofsohn recht großspurig mit einer Gegenfrage.

Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten und erfolgte in Form zweier heftiger Watschen. Anna Gruber verließ rasch die Stube.

»Raus mit der Sprache, du verstockter Kerl!«, herrschte der Alte ihn an, als Vater und Sohn allein waren. »Was hast du dir wieder zuschulden kommen lassen? Hab ich net schon oft genug ein Auge zugedrückt? Soll das allerweil so weitergehen?«

»Ich hab nix gemacht«, beharrte Matthias.

»Ach ja?« Sepp Gruber bekam schmale Augen. »Genauso wenig wie bei der Theres, die du aus dem fahrenden Auto geworfen hast, weil es net nach deinem Willen ging? Oder so wie bei der Ursel, die du grün und blau geschlagen hast aus Wut? Ich warn dich, Junge, bist du net bald ehrlich zu mir, kannst du was erleben!«

»Also schön, ich hab die Gerdi ein bisserl geärgert«, gab Matthias da widerwillig zu. »Das wird ja wohl noch erlaubt sein. Immerhin hat sie mich eiskalt abserviert. So was ist net ganz leicht zu verkraften.«

Der Großbauer maß seinen Sohn mit einem verächtlichen Blick.

»Schleich di. Und lass das Madel in Ruh. Kommt mir noch mal was zu Ohren, dann kannst du mich aber mal von einer ganz neuen Seite kennenlernen, kapiert?«

»Schon recht«, knurrte der Junge und verließ die Stube wie ein geprügelter Hund. Als er dann allein war, knurrte er: »Na wart, Gerdi, das wirst du mir büßen. Für diesen Ärger zahlst du …«

***