Heimat-Roman Treueband 71 - Sissi Merz - E-Book

Heimat-Roman Treueband 71 E-Book

Sissi Merz

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Beschreibung

Lesen, was glücklich macht. Und das zum Sparpreis!

Seit Jahrzehnten erfreut sich das Genre des Heimat-Bergromans sehr großer Beliebtheit. Je hektischer unser Alltag ist, umso größer wird unsere Sehnsucht nach dem einfachen Leben, wo nur das Plätschern des Brunnens und der Gesang der Amsel die Feierabendstille unterbrechen.
Zwischenmenschliche Konflikte sind ebenso Thema wie Tradition, Bauernstolz und romantische heimliche Abenteuer. Ob es die schöne Magd ist oder der erfolgreiche Großbauer - die Liebe dieser Menschen wird von unseren beliebtesten und erfolgreichsten Autoren mit Gefühl und viel dramatischem Empfinden in Szene gesetzt.

Alle Geschichten werden mit solcher Intensität erzählt, dass sie niemanden unberührt lassen. Reisen Sie mit unseren Helden und Heldinnen in eine herrliche Bergwelt, die sich ihren Zauber bewahrt hat.

Dieser Sammelband enthält die folgenden Romane:

Alpengold 229: Die Bräute des Andreas Holzer
Bergkristall 310: Das Mädchen vom Jägersee
Der Bergdoktor 1815: Gefährliche Mädchenträume
Der Bergdoktor 1816: Der Sonne entgegen
Das Berghotel 166: Höhenangst
Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 320 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 603

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Sissi Merz Carola Martin Andreas Kufsteiner Verena Kufsteiner
Heimat-Roman Treueband 71

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2016/2018 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2024 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © Elina Yevgrashkina / Shutterstock

ISBN: 978-3-7517-7758-2

https://www.bastei.de

https://www.luebbe.de

https://www.lesejury.de

Heimat-Roman Treueband 71

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Alpengold 229

Die Bräute des Andreas Holzer

Bergkristall - Folge 310

Das Mädchen vom Jägersee

Der Bergdoktor 1815

Gefährliche Mädchenträume

Der Bergdoktor 1816

Der Sonne entgegen

Das Berghotel 166

Höhenangst

Guide

Start Reading

Contents

Die Bräute des Andreas Holzer

Wenn einer die Qual der Wahl hat

Von Ursula von Esch

Sie hat ja recht, die Mutter. Er ist wirklich alt genug zum Heiraten! Andreas Holzer seufzt abgrundtief. Aber wen? Nicht etwa, dass es ihm an »Bräuten« gemangelt hätte – ganz im Gegenteil! Er weiß einfach nicht, welcher der Schönen, mit denen er wechselweise so hingebungsvoll zu flirten versteht, er endgültig sein Herz schenken soll. Eigentlich gefällt es ihm nämlich so ganz gut, sein Liebesleben. Mal teilt er es mit der lustigen Friedel, dann mit der flotten Erika oder der raffinierten Rosalie, und eine jede hat ihre besonderen Reize, an denen sich der Andreas gern erfreut.

Aber reicht irgendetwas davon für eine Ehe?

Die Frage beunruhigt Andreas beträchtlich, und eilig schiebt er sie beiseite. Doch sein Herz kennt die Antwort längst, die sein Verstand nicht wahrhaben will: Es gibt nur eine, mit der es sich zu leben – und zu lieben lohnt!

Gertraud Holzer, Bäuerin auf dem Buchenhof, stand am Fenster und schaute nachdenklich hinaus in den Garten.

Wieder einmal wurde es Frühling. Die Knospen an Büschen und Bäumen waren bereits dick und saftig, und zwischen dem braunen Gras des Vorjahres spitzte schon frisches Grün hervor. Unter den noch kahlen Fliederbüschen hatte sie bereits die ersten Schneeglöckerl entdeckt. Die Amseln probten schon eifrig ihr Hochzeitslied, und die Stare hüpften gleichfalls hochzeitlich angetan auf dem Boden umher und suchten zwischen den trockenen Blättern des vergangenen Jahres nach Würmern und Käfern. Die Sonnenstrahlen wärmten schon ein bisserl, und der Himmel war von jenem silbrigen Blau, wie es nur der Frühlingshimmel im Alpenvorland hat.

Unwillkürlich seufzte die Gertraud. Sie war eine stattliche Frau von Anfang fünfzig, in deren dickes, braunes Haar sich nur wenig Grau mischte und deren Gesicht mit den frischen Farben noch kaum Falten zeigte. Ja, man sah ihr an, dass sie einmal die Dorfschönheit gewesen war. Eine Tatsache, die ihr damals die Liebe des reichsten Bauern in der Gegend eingetragen hatte und dies, obwohl sie selbst von einem vergleichsweise kleinen Anwesen stammte.

»Das geht garantiert schief!«, hatten die Neider mehr laut als leise geflüstert. Aber es war nicht schiefgegangen. Obgleich der Hannes Holzer viel älter war als sie, hatten sie gut zusammengelebt und waren mit ihrem Buben, dem Andreas, sehr glücklich gewesen.

Im Winter, vor nunmehr fünfundzwanzig Jahren, hatte der Tod dem Hannes aufgelauert. Hinter einer Ladung Baumstämme hatte er sich verborgen gehabt. Niemand hatte verstanden, wieso die plötzlich ins Rollen gekommen waren. Man hatte sie doch ordnungsgemäß verankert.

Sie hatten den Hannes unter sich begraben, und als die Holzknechte die Stämme endlich weggeräumt hatten, da war der Hannes schon tot gewesen.

Eine schwere Zeit war für die junge Witwe und ihren Buben angebrochen. Nicht zuletzt, weil wieder alle im Dorf den Untergang des alten Buchenhofes prophezeit hatten und auf hinterhältige Art versuchten, das Ihrige dazu zu tun.

Aber die Gertraud Holzer war nicht nur bildhübsch, sie war auch gescheit und tüchtig, und zudem hatte der Herrgott sie mit einer gesunden Menschenkenntnis beschenkt. Eine seltene Gabe, besonders bei einer einsamen, jungen Frau.

Die Mannsbilder, die ihr den Hof machten, und das waren nicht wenige gewesen, hatte sie einen um den anderen freundlich, aber bestimmt abgewiesen. Sie hatte nicht eben viel von Männern gehalten. Auch der Hannes selig war, das hatte sie einmal in der Beichte dem Herrn Pfarrer anvertraut, ein eher schwacher Mensch gewesen, leicht zu beeinflussen und schwer zu einem Entschluss zu bewegen.

Und außerdem war erst die Geschichte mit ihrer Schulfreundin Gisela passiert …

Nach dem Tod vom Hannes war die zu ihr auf den Hof gekommen und hatte sich, dumm und unerfahren, in den reichen Viehhändler Jakob Zimmermann verliebt. Und er sich in sie – das hübsche, fröhliche Madl aus der Stadt. Aber als sie dann schwanger geworden war, hatte er von nix mehr wissen wollen. Von Heirat wäre niemals die Rede gewesen! Und sie sollte nur ja nicht denken, er wär so dumm, dass er sich mit einem Kind erpressen ließ. Er nicht! Und noch ehe das Kindl das Licht der Welt erblickt hatte, hatte er die Tochter vom Ochsenwirt mitsamt ihrem schönen Gasthof geheiratet.

Da hatte die Gisela nichts mehr zu melden gehabt, und sie wollte es auch gar nicht mehr!

Freilich, ins Dorf war sie nie wieder zurückgekehrt. Und das hatte die Gertraud dem Zimmermann-Jakob am meisten übel genommen, denn die Freundin, mit der sie sich so gut verstanden hatte, war ihr nach dem Tod vom Hannes eine große Hilfe gewesen. Von nun an hatte sie zu jedem Treffen in die Stadt fahren müssen, wo die Gisela als Lehrerin in einer Haushaltsschule gearbeitet hatte.

Sie hatten beide nicht geheiratet. Gertraud nicht, weil sie ihr eigener Herr sein wollte und den Verdacht nicht loswurde, dass man mehr auf den Hof als ihr in die nussbraunen Augen schaute, wenn man um sie warb. Und schließlich war der Anderl da gewesen und hatte dafür gesorgt, dass sie sich nicht langweilte – so voller Streiche, wie der Bub steckte!

Die Bäuerin seufzte und schob mit der Hand den Vorhang beiseite, um besser sehen zu können. Schönes, schweres, handgewebtes Leinen mit einer handgeklöppelten Spitze eingefasst. Ja, kostbar und prächtig war die Ausstattung des Buchenhofes, der seit über dreihundert Jahren in Familienbesitz war.

Doch daran dachte die Gertraud im Augenblick nicht, als ein Lächeln auf ihrem Gesicht lag.

Draußen, im Geflügelgehege, fütterte die Trudi das Federvieh.

Trudi, die Tochter von der Gisela und diesem Halunken, war ihr Patenkind und ihr ans Herz gewachsen wie eine eigene Tochter. Vierundzwanzig war das Mädel heut – und eine Freud zum Anschauen: schlank und an den passenden Stellen wohlgerundet, mit himmelblauen Augen – blau wie ein Föhnhimmel über den Bergen! – einem frischen, roten Mund voll gesunder, weißer Zähne und dickem, dunkelblondem Haar, das sie in einem Zopf trug, der ihr über den Rücken hing. Dazu war sie lieb und lustig, tüchtig und fleißig.

Und dumm war sie auch nicht! Nein, sie fiel nicht wie ihre arme Mama auf den erstbesten Halunken rein, sondern sie sparte sich ihr Herz auf.

Gertraud ahnte recht wohl, für wen, aber der …

Ach, waren die Mannsbilder dumm und blind! Kein Wunder, dass sie selber nicht noch mal geheiratet hatte und dass damals auch die Gisela die Nase voll gehabt hatte. Obwohl es bei ihr ja anders gegangen war. Sie war schwer krank geworden, und als sie auf dem Sterbebett gelegen hatte, da hatte sie die Gertraud rufen lassen. In die Hand hatte die ihr damals versprochen, die Trudi zu sich zu nehmen und für sie zu sorgen.

»… und aufpassen tust du, dass es ihr net so geht wie mir«, hatte die Kranke geflüstert, und die Gertraud, mit Tränen in Augen und Stimme, hatte es ihr hoch und heilig versprochen, sodass Gisela ganz beruhigt eingeschlafen war.

Und sie hatte ihr Versprechen gehalten, die Gertraud Holzer.

Trudi war bei der Tante glücklich und zufrieden aufgewachsen, und es hatte ihr an nichts gefehlt. Sogar eine prächtige Aussteuer wartete in schönen, alten Truhen und Kästen nur darauf, dass sie heiratete. Aber da tat sich nix – trotz der vielen Verehrer, die sich um sie bemühten.

Und beim Anderl, dem Sohn und Erben des Buchenhofes, tat sich auch nix in der Richtung. Dabei wurde der demnächst schon dreißig. Da wäre es wirklich allerhöchste Zeit!

Das Lächeln erstarb auf dem schönen Gesicht der Bäuerin, als sie an ihren Sohn dachte. Dreißig Jahr und nix im Kopf als Unsinn!

Nein, das stimmte nicht, das war ungerecht. Anderl war ein tüchtiger Bauer, fleißig, gewissenhaft und zuverlässig. Nur in seinem Privatleben – da ging es drüber und drunter.

Meistens hatte er mehrere Freundinnen gleichzeitig, weil er sich nicht entscheiden konnte. Und garantiert war nie eine drunter, die auf den Hof gepasst hätte. Nicht, dass das heutzutage so einfach gewesen wäre! Der Bauernberuf war trotz all der maschinellen Erleichterungen immer noch schwer. Und im Oberland, wo man hauptsächlich Grünland und Weidewirtschaft betrieb, hatte die Arbeitswoche sieben Tage. Aber als Bäuerin auf einem Hof wie dem Buchenhof musste man sich trotzdem nicht krumm arbeiten. Da hatte man genug Hilfen, und der Maschinenpark war immer auf dem neuesten Stand.

Aber Anderl waren die Bauerntöchter zumeist nicht fesch genug und zu langweilig obendrein.

Vielleicht, wenn er selbst nicht gar so gut aussehen tät, dachte seine Mutter mit heimlichem Stolz, denn laut sagte sie immer nur, dass sein Aussehen für ihn nur Schaden brächte. Aber er sah nun mal sehr gut aus: groß, schlank, dunkel, braun gebrannt, mit dichtem, dunkelblondem Haar und braunen, lustigen Augen. Da warf sich jedes Dirndl in Positur, wenn er vorüberging und ihr ein Lächeln oder Blinzeln schickte. Charme hatte er, lustig war er! Die Bäuerin gestand sich ein, dass sie als junges Ding sich wohl auch in ihn verschaut hätte – nicht anders als die übrigen Mädchen.

Nicht anders als die Trudi.

Aber die sah er gar nicht. Die war nur seine kleine Schwester! Und dabei tät sie so gut passen!

Das fand die Gertraud jedenfalls. Doch sie hütete sich, beim Anderl oder der Trudi eine entsprechende Bemerkung zu machen. Das hätte nur den Widerspruchsgeist der jungen Leute gereizt. Lieber so tun, als merkte man nichts und vielleicht im Hintergrund ein bisserl nachhelfen.

»Servus, Mam! Ich fahr jetzt!« Anderl steckte den Kopf zur Tür herein und zog ihn blitzartig zurück, damit seine Mutter ihm nicht noch was auftragen konnte.

Doch Gertraud kannte ihn, und so war er nicht schnell genug.

»Halt! Wohin gehst du?«

»Mam! Das weißt du doch!«

»Nix weiß ich. Oder ich hab’s vergessen – über wichtigere Dinge. Wo bist du, und wann kommst du wieder? Du weißt, die Bless kalbt in der nächsten Zeit.«

»Ich hab’s dem Tierarzt schon gesagt. Und die Trudi ist ja auch da!«

»Stimmt! Aber es tät sich gehören, dass der Bauer auf dem Hof ist, wenn …«

»Mam! Sei net so altmodisch!«

»Ich und altmodisch«, murmelte Gertraud ärgerlich. »Da hätt ich dich anders erzogen.«

Jetzt kam Anderl ganz herein, lachte sie mit seinen blitzenden Zähnen an, küsste sie herzhaft auf beide Wangen und meinte: »Hast recht, Mutterl, aber jetzt ist es zu spät!«

»Das meinst du!« Gertraud bemühte sich vergeblich, ernst zu bleiben. »Jetzt verrat mir schon, wo du hingehst. Ich mach mir halt Sorgen!«

»Das brauchst du net, Mama!«

»Und ob ich das brauch! Du und deine Weibergeschichten! Wenn doch wenigstens eine drunter wär’, die auf den Hof passen tät!«

Anderl verdrehte die Augen und tat einen abgrundtiefen Seufzer. Jetzt fing sie wieder mit der alten Litanei an!

»Du bist schon dreißig, Anderl!«, mahnte Gertraud bekümmert. »Und ich bin schon fünfundfünfzig!«

»Das ist doch kein Alter!«, rief er, packte sie um die noch immer schlanke Taille und schwenkte sie durch die Luft. »Du verdrehst heut noch jedem Mannsbild den Kopf – wenn du nur magst!«

»Erstens mag ich net«, erwiderte Gertraud und machte sich ungeduldig aus seinem Griff frei, »und zweitens …«

Sie brach ab. Nein, von der Trudi sprach sie lieber nicht, das würde ihn nur störrisch machen.

»Und zweitens?«, wollte Anderl jetzt wissen.

»Das geht dich nix an!«, sagte sie. »Und im Übrigen tust du ja doch, was du magst, und kümmerst dich net um mich oder sonst jemanden.«

»Mama, morgen reden wir drüber, ja? Jetzt muss ich weiter!«

»Und wohin pressiert es so?«

»Ach, du weißt schon. Die Friedel Eigner, die Lehrerin, die hat gesagt, dass drunten in der Stadt so ein guter Film läuft …«

»Lehrerin!«, sagte Gertraud und legte alle nur mögliche Verachtung in ihren Ton.

»Na und? Deine beste Freundin, die Gisela, war auch eine Lehrerin!«, verteidigte Anderl seinen momentanen Schwarm.

»Haushaltslehrerin. Das ist was Vernünftiges. Das kann man auch auf einem Hof brauchen. Und überdies war nie die Rede davon, dass sie auf einen Hof heiraten wollt.«

»Wer wollte net auf einen Hof heiraten?« Die Trudi kam zur Tür herein, sie hatte gerade noch die letzten Worte gehört.

»Deine Mutter«, erwiderte Anderl und betrachtete seine Pflegeschwester wohlgefällig.

»Ach, die arme Mama«, meinte Trudi traurig, und Anderl erntete einen ärgerlichen Blick der Mutter, dass er an diese alte Wunde gerührt hatte.

Aber er wusste, das Madl abzulenken. Er ging zu Trudi hin und legte den Arm um sie.

»Fesch ist sie, unsere Trudi!«, sagte er im liebevollen Ton eines großen Bruders. »Kein Wunder, dass ich mich so hart tu, eine passende Frau zu finden, wo ich so eine hübsche kleine Schwester hab. Die sticht doch eine jede aus, gell, Mama?«

»Da bin ich ausnahmsweise einmal deiner Meinung«, erwiderte Gertraud sachlich.

Trudi sagte nix, sie war ganz rot geworden und wurde noch ein bisserl röter, als Anderl ihr nun auch noch einen brüderlichen Schmatz auf die Wange und einen ebensolchen Klaps auf ihr appetitliches, in ganz knappen Jeans steckendes Hinterteil gab.

»Einen wunderschönen Abend noch, ihr zwei!«, rief der Bursch vergnügt, und diesmal ließ er sich nicht mehr aufhalten.

»Ich komm schon zurecht, mit der Bless«, meinte Trudi leise.

»Ich komm auch mit ihr zurecht, besonders, wenn der Tierarzt schon Bescheid weiß«, erwiderte die Bäuerin ärgerlich. »Aber er hätt ja auch mal dran denken können, dass du vielleicht Lust hättest, mit ins Kino zu gehen.«

»Er hat halt gemeint, wegen dir …«, verteidigte Trudi den Anderl.

»Von wegen!« Gertraud lachte kurz auf. »Wegen der Lehrerin! Weil er zurzeit mit der ein Gspusi hat!«

Trudi wandte sich rasch ab, trat ans Fenster und zupfte von den dort überall stehenden Blumenstöcken ein paar trockene Blätter ab. Zu dumm! Das hätte sie jetzt besser nicht gesagt! Gertraud bedauerte ihre schnellen Worte.

»Ich hab gemeint, die von der Raiffeisenbank«, sagte Trudi leise.

»So? Geht das mit der immer noch?«, bemerkte Gertraud ärgerlich.

»Er war auch erst letztes Wochenende wieder in München!« Man verstand Trudi kaum, so leise sprach sie.

Gertraud gab keine Antwort, sondern presste nur die Lippen zusammen. So ein Schmarrn! Eine Studentin der Landwirtschaft! So eine geht doch net auf einen Bauernhof! Bei der muss es mindestens ein Gut sein – und wenn möglich als Frau des Besitzers! Nein, es war wirklich an der Zeit, dass sie ernsthaft mit dem Anderl redete. Obgleich – wie oft hatte sie es schon probiert? Zwanzigmal garantiert!

Und wenn ein anderer mit ihm sprach? Früher war man zum Herrn Pfarrer gegangen. Aber die heutige Jugend? Und ob der Hochwürdige den richtigen Ton für einen Hallodri wie den Anderl traf? Dazu kam, dass er kein Hiesiger war, aus Polen kam der arme Kerl und hatte es schwer genug hier im Dorf. Nein, er war nichts für eine Aussprache. Aber wer dann?

Ja! Natürlich! Weshalb hatte sie nicht längst an ihn gedacht? Der nette Dr. Bäumler! Der kannte sie alle schon seit Jahren und war selbst in seiner Jugend ein rechter Auftreiber gewesen, der nichts hatte anbrennen lassen. Inzwischen war er sechzig und ruhiger geworden.

»Mit dem werd ich reden!«, schloss sie ihre Gedanken laut ab.

»Mit wem willst du reden?«, fragte Trudi.

»Mit dem Dr. Bäumler«, erwiderte Gertraud freundlich und strich ihr im Vorbeigehen leicht über die Wange. »Ich geh in die Kuchl, das Abendbrot für uns richten.«

Ihr fiel nicht auf, wie entsetzt die Trudi ihr nachschaute. Mit dem Dr. Bäumler, dem Landarzt, wollte die Tante reden? Ja, um Gottes willen, sie war doch net krank?

»Du lieber Heiland«, sagte Trudi halblaut und wandte sich dem schönen alten Kruzifix zu, das im Herrgottswinkel hing, »lass net zu, dass der Tante was fehlt!«

Sie trat hin und rückte den Palmkatzerlbuschen vom vergangenen Jahr, der hinter dem Kreuz steckte, ein wenig zurecht. Dann besprengte sie sich mit dem Weihwasser, das in einem alten Zinnkessel unter den Hinterglasmalereien hing, welche die Jungfrau Maria, den heiligen Josef und noch verschiedene andere auf einem Bauernhof viel beschäftigte Heilige darstellten.

***

Der Anderl kam sehr vergnügt und lange nach Mitternacht nach Hause.

»Grad rechtzeitig, um der Bless und dem Tierarzt beim Kalben zu helfen«, erklärte seine Mutter, schickte die Trudi ins Bett und verabschiedete sich gleichfalls. Es schien alles glattzugehen, und der Sohn hatte sein Vergnügen schließlich gehabt. Sollte er jetzt nur die Arbeit übernehmen!

Der Anderl erriet die Beweggründe seiner Mutter, aber sie regten ihn nicht weiter auf. Er war viel zu gut gelaunt. Und schließlich hatte sie recht: Es war sein Hof! Er war der Bauer!

Es war ein schönes, gesundes Kuhkalberl, das die brave Bless zur Welt brachte, und die drei, der Anderl, die Gertraud und die Trudi, standen am Morgen zufrieden um die Bless herum, die stolz ihr Kälbchen leckte.

»Frühstück ist fertig«, sagte die Bäuerin dann und ging den beiden voran ins Haus.

Die Trudi nahm ihren ganzen Mut zusammen und hielt den Anderl am Ärmel zurück.

»Ich muss mit dir reden«, flüsterte sie.

»Net zu lang!« Er gähnte. »Ich brauch einen ganz starken Kaffee, damit ich richtig wach werd.«

»Nein, nein!«, beschwichtigte sie ihn hastig. »Es ist nur so: Die Tant will mit dem Dr. Bäumler reden.«

»Mit dem Arzt? Mei, warum denn?«, wunderte sich der Anderl.

»Sie hat es mir net verraten, aber ich hatte das Gefühl, dass sie etwas vor uns verheimlicht …«

»Du liebe Zeit!« Jetzt erschrak auch der Anderl. »Du meinst doch net etwa …« Er konnte es nicht aussprechen.

»Weshalb sonst sollte man mit einem Doktor sprechen?«, fand die Trudi bekümmert.

Anderl nickte mit grimmigem Gesicht. Darum war sie gestern auch so komisch gewesen, hatte sich in Andeutungen ergangen …

»Ich frag sie!«

»Sie lässt bestimmt nix raus«, meinte die Trudi. »Sie will net, dass wir uns Sorgen machen.«

Wieder nickte Anderl. Ja, die Mutter behielt die unguten Sachen stets für sich – außer es hatte etwas mit dem Hof zu tun.

»Gut, dass du es mir gesagt hast. Ich merk so was net so schnell. Ich werd mit dem Bäumler reden, wenn die Mutter bei ihm war.«

»Aber das Arztgeheimnis!«, erinnerte ihn Trudi.

»Ach was! Wenn es was Ernstes ist, muss er es mir sagen. Wir brauchen dann ja vielleicht noch jemanden auf dem Hof und so …«

Das war richtig. Trudi seufzte gleichfalls, aber als die Gertraud nun rief: »Beeilt euch! Der Kaffee wird kalt!«, bemühte sie sich um einen fröhlichen Ton. Sie wollte der Tante ja nicht das Herz noch schwerer machen.

»Ich hab heut Nachmittag in der Stadt zu tun!«, erklärte Gertraud nach dem Frühstück, und Trudi und Anderl warfen sich einen bedeutsamen Blick zu.

»Wann kommst du denn wieder?«, erkundigte sich der Anderl. Schließlich hatte er ein Rendezvous mit der Erika Gärtner von der Raiffeisenbank.

Da die Gertraud so etwas vermutete, reagierte sie etwas spitz: »Das kann ich dir net sagen. Teil halt deinem Gspusi mit, dass du die Verabredung verschieben musst.«

Eigentlich wollte sich der Anderl ärgern, aber dann überlegte er sich, dass es ja was Ernstes sein könnte, was der Mutter fehlte, und so erwiderte er im Ton des ewigen Dulders: »Schon recht, Mam! Ich bleib da, bis du zurück bist.«

Unwillkürlich verbiss sich die Bäuerin bei seinem Tonfall ein Lachen. Man konnte ihm einfach net bös sein!

Als das Telefon läutete, sprang Anderl auf. Meistens war er gefragt. Doch heute kam er mit saurem Gesicht zurück.

»Trudi! Für dich!«

Die stand auf, sichtlich verlegen, und ging ans Telefon.

»Wer ist es denn?«, interessierte sich nun die Gertraud.

»Der Sepp vom Kolonialwarengeschäft. Mam, ich bitt dich, der ist doch nix für unsere Trudi!«

»Ach! Warum denn net?«, tat die Gertraud verständnislos. »Der verdient net schlecht, ein kleiner Hof gehört auch noch dazu, und er hat keine Geschwister, mit denen er sich ums Auszahlen streiten muss.«

»Also, Mam, wirklich! Der mit seinem Bauch und dem dummen Gesicht!« Anderl war empört.

»Dick kann ich ihn net finden … Vielleicht net grad schlank, ein g’standnes Mannsbild halt.«

»Ha! Schmarrn! Ein fetter Langweiler!« Anderl bestand darauf, dass der Sepp nix für seine kleine Schwester war. »Sie ist auch noch viel zu jung für so was!«

»Für was?«, fragte die Gertraud betont harmlos. »Fürs Heiraten? Kann ich net finden. Sie ist doch schon vierundzwanzig.«

»Ehrlich?« Anderl war verblüfft. Freilich, natürlich! Wenn er es sich überlegte – sie sah ja auch schon ganz erwachsen aus. »Dann müssen wir noch besser aufpassen, dass sie net an so einem Hanswurst hängen bleibt«, stellte er fest. »Ich fühl mich da verantwortlich. Als älterer Bruder, verstehst du?«

»Wieso Bruder?«, fragte die Gertraud scheinheilig.

»Na ja, wir sind doch wie Geschwister aufgewachsen. Da empfindet man halt so«, erklärte er, und als die Trudi jetzt ins Zimmer kam, sagte er in strengem Ton: »Also, dieser Sepp, der ist nix für dich, Trudi! Du kannst wirklich andere Ansprüche stellen. Ich mag net, wenn du mit solch einem ausgehst. Für dich passt ein großer Bauer oder ein Förster, oder ein Sägewerkbesitzer oder vielleicht ein Tierarzt.« Er starrte in sein Kaffeehaferl, und die beiden Frauen sahen ihn an, die Gertraud belustigt, die Trudi eher verständnislos. »Am besten wäre ein großer Bauer«, schloss er schließlich seine Aufzählung der infrage kommenden Heiratskandidaten. »Weil dir die Bauernarbeit doch Spaß macht und du auch auf einem Hof aufgewachsen bist.« Er sah sie durchdringend an. Und ganz ernst. »Findest du das net auch?«

»Ich hab noch net drüber nachgedacht«, meinte die Trudi nur.

»Das ist das Gescheiteste«, sagte Anderl, nun wieder fröhlich und fast ein bisserl erleichtert. »Du hast ja noch viel Zeit, so jung, wie du bist!«

***

Dr. Alfons Bäumler gehörte zu den alteingesessenen Bürgern der Stadt. Schon sein Vater war hier ein angesehener Landarzt gewesen, und Alfons hatte mal zu den Verehrern der hübschen Gertraud gehört, wenn auch nicht zu ihren heftigsten.

»Ja, die Gertraud Holzer!«, begrüßte er sie deshalb auch sehr herzlich und streckte ihr die Hände entgegen. »Was willst denn du? Gut schaust aus! Wie das blühende Leben. Und älter wirst auch net. Magst mir net mal das Rezept geben?«

Gertraud lachte und schüttelte ihm kräftig die Hand.

»Du alter Hallodri«, sagte sie vergnügt, »du wirst auch nie gescheiter.«

»Ja, wie redest du denn mit einem angesehenen Arzt und Stadtratsmitglied?« Er grinste. »Setz dich und sag, was ich für dich tun kann.«

Gertraud nahm Platz und begann mit ernstem Gesicht.

»Es ist wegen dem Anderl.«

»Wegen dem Anderl?« Der Doktor runzelte die Stirn. »Der schaut doch prachtvoll gesund aus. Ich bin ihm erst kürzlich begegnet. Hat er dir die Grüße net ausgerichtet?«

»Natürlich net. Es geht auch net um seine Gesundheit, sondern …«

»Sondern?«

»Er wird dreißig!«

»Dreißig!«, sagte der Arzt mit einem sehnsüchtigen Seufzer. »Das wär ich auch noch mal gern. Erinnerst du dich noch, Gertraud? War doch eine schöne Zeit damals.«

»Für dich vielleicht«, erinnerte sie ihn. »Für mich weniger – so kurz nach dem Tod vom Hannes.«

»Natürlich, entschuldige.« Dr. Bäumler rief sich ins Gedächtnis, dass sie ja hier war, um ihn um einen Rat zu bitten. »Also …?«

Und nun erzählte Gertraud dem höchst amüsiert und verständnisvoll lauschenden Arzt, was es mit dem Anderl auf sich hatte. »Immer mehrere und keine, die auf den Hof passt! Und nie eine zum Heiraten. Und dabei wär da doch die Trudi …«

»Ja, die Trudi! So ein hübsches Madl. Und tüchtig und lieb außerdem. Merkt er das net?«

»Nein!«, sagte die Gertraud zornig. »Und sagen darf man auch nix, dann wird er gleich störrisch.«

»Aha!«, machte der Doktor. »Und wo soll ich da helfen?«

»Könntest du net zu ihm sagen … Na ja, dass ich krank wär und er an den Hof denken muss und dass ich entlastet werd?«

Nachdenklich schüttelte der Arzt den Kopf.

»Weißt du, so was mach ich net gern. Man soll so was net beschreien.«

»Du brauchst ja net gleich mit einer schweren Krankheit aufzufahren. Ergeh dich in Andeutungen. Das könnt ihr Ärzte doch sowieso so gut!«

»Soso!« Bäumler lachte. »Na schön. Wenn ich ihn mal treffe, dann werde ich mich in Andeutungen ergehen. Dass du bei mir warst und dir Gedanken machst, ob du jemals Enkelkinder haben wirst. So etwa?«

»Ja, genau so!«, freute sich Gertraud. »Das klingt gut. Da wird er schon hinhören.«

»Und von der Trudi soll ich gar nix sagen?«

»Du kannst nach ihr fragen. Ob sie einen festen Freund hat oder so!«

»Hat sie denn einen?«

»Nein.« Gertraud verzog den Mund. »Ich bin ziemlich sicher, dass sie in den Anderl verliebt ist. Aber das bleibt unter uns.«

»Na klar. Nein, da darf man dann nix sagen, sonst kriegt er es gleich in den falschen Hals. Blöd sind wir ja schon, wir Mannsbilder.«

»Wenn du es nur einsiehst! Aber ich möcht net, dass beim Anderl die Einsicht auch so spät kommt wie bei dir«, lachte Gertraud.

»Sei nur recht frech!«, gab Bäumler amüsiert zurück. »Aber du kannst mir net vorwerfen, dass ich net zuletzt die Richtige geheiratet hab.«

»Oder die Richtige dich«, meinte die Gertraud vergnügt.

»Hast auch wieder recht!« Bäumler lachte mit.

»Grüß sie von mir.« Gertraud stand auf. »Und wenn alles so klappt, wie ich es mir wünschen tät …«

»…dann darf ich deinen Besuch als ärztliche Beratung aufschreiben«, schlug Bäumler scherzend vor.

»Nein! Dann darfst du einen der Trauzeugen machen.«

»Das tu ich gern«, versicherte der Arzt und begleitete sie zur Tür des Sprechzimmers. »Der Nächste bitte!«, rief er hinaus.

Gertraud aber überlegte auf der Heimfahrt, was sie zum Anderl und der Trudi sagen würde, wenn die sie nach dem Ergebnis ihres Arztbesuches fragten.

»Gar nix fehlt mir. Nein, das ist net richtig. Nix Besonderes, werd ich sagen. In meinem Alter muss man sich halt hin und wieder durchchecken lassen. Das klingt gut. Nix Besonders. In meinem Alter muss man sich halt hie und da … Ja, genau so!«

***

»Wenn du meine Schwester net in Ruh lässt und ständig hier anrufst und herumwuselst, dann kannst du was erleben!«, brüllte Anderl ins Telefon und schmiss den Hörer auf die Gabel.

So, der würd nimmer so schnell anrufen! Seine Befriedigung wich allerdings einer gewissen Verlegenheit, als er sich umdrehte und sah, dass die Trudi hinter ihm stand und offensichtlich gehört hatte, was er da so lautstark ins Telefon geschrien hatte.

»Entschuldige, ich hab net gewusst, dass du da bist! Ich hab gemeint …«

Ja, was denn?

»Wer war’s denn? Wieder der Sepp?«, fragte die Trudi ganz gelassen.

»Nein, der net!«, war die brummige Antwort, und beinahe wäre es dem Anderl herausgerutscht, dass er den gestern schon abgeschmettert hatte, als er extra, um die Angelegenheit klarzustellen, etwas im Laden eingekauft hatte. Weil die Trudi aber noch wartete, wer angerufen hatte, ließ er es schließlich heraus: »Der Greiner-Hans, der Vetter von der Rosalie Zimmermann. Das weiß doch jeder, dass der säuft!«

Eine Weile sagte die Trudi nichts, dann seufzte sie.

»Ja, das hab ich auch schon gemerkt. Aber trotzdem überlass es in Zukunft mir, wen ich treffen will und wen net.«

Anderl blieb der Mund offen. So energisch hatte er sie noch nie erlebt.

»Ich hab’s doch nur gut gemeint«, murmelte er.

»Das weiß ich. Aber trotzdem«, erwiderte die Trudi. Dann schaute sie aus dem Fenster. »Wo die Tante nur so lange bleibt?«, wechselte sie das Thema.

»Deswegen bin ich ja auch so gereizt«, erklärte Anderl schnell.

»Jetzt hör schon auf!« Nun wurde die Trudi auch noch ärgerlich. »Aber schließlich misch ich mich in deine – hm – Freundschaften auch net ein. Auch wenn mir die eine oder andere net gefällt.«

»Das ist was anderes!«, behauptete der, und sie wären sich womöglich noch richtig in die Haare gekommen, wenn nicht in dem Augenblick der Wagen von der Gertraud in den Hof gefahren wäre.

»Die Mutter!«

»Die Tante!«

Hoffentlich war alles mit ihr in Ordnung!

Als die Gertraud die besorgten Gesichter der beiden sah, hatte sie fast ein schlechtes Gewissen. Doch dann rief sie sich ins Gedächtnis, dass es ja nur zum Wohle der zwei war, was sie sich da ausgedacht hatte, und so nickte sie ihnen freundlich zu.

»Grüßt euch! Was macht ihr denn für Gesichter?«

»Was hat er denn gesagt, der Bäumler?«, fragte Anderl direkt, während die Trudi sie nur mit angstvoll aufgerissenen Augen ansah.

»Was soll er schon gesagt haben.« Sie zuckte die Schultern. »Nix Besonderes!«

»Was heißt das: nix Besonderes?«

»Nix Besonderes eben! In meinem Alter muss man halt hie und da zum Arzt gehen!«

»Hat er gesagt, dass du krank bist, oder hat er gesagt, dass du gesund bist?«, beharrte der Anderl auf einer genaueren Auskunft.

»Nix hat er gesagt!« Nur schnell auf ein anderes Thema überleiten! »Er hat mich gefragt, wann du wohl heiratest, Anderl. Und ob die Trudi schon einen festen Freund hat.«

»Deswegen geht man zum Doktor?« Anderl sah sie misstrauisch an. Wenn die Mutter so herumredete, dann war da ganz sicher etwas nicht in Ordnung. Aber es hatte wohl keinen Sinn, weiter in sie zu dringen. Das Gescheiteste war, er rief den Bäumler an. Nein, er suchte ihn besser auf. Am Telefon wurde man so leicht abgeschoben.

»Also«, sagte er, als sie kurz darauf beim frisch aufgebrühten Kaffee saßen, zu dem die Trudi einen wunderbaren Hefezopf gebacken hatte, »also, ich muss noch in die Stadt. Ich hab da was zu erledigen. Es könnt ein bisserl später werden …«

Warum sollte er schließlich das Gespräch mit dem Doktor nicht mit etwas Angenehmem verbinden, zum Beispiel mit einem Besuch bei der Resi Huber, die hatte er ohnehin ein bisserl vernachlässigt in der letzten Zeit. Und wenn es bei der net passte, war da immer noch die Erika Gärtner.

»Das sind wir ja gewohnt, dass es bei dir spät wird, wenn du in die Stadt fährst«, stellte seine Mutter in ungnädigem Ton fest.

Er sah sie besorgt an.

»Wenn du dich net gut fühlst, Mama, dann kann ich auch …«

»Ach was!«, ärgerte sich die Gertraud. »Fahr nur zu deinen Flitscherln! Es hilft ja doch nix, wenn sie mir net passen!«

Woraufhin Anderl grinste, zustimmend nickte, aufstand und die Stube verließ. Er wollte die unangenehme Geschichte mit dem Doktor schnell hinter sich bringen, dann blieb ihm auch mehr Zeit für die Resi oder die Erika!

Die beiden Frauen tranken eine Weile schweigend ihren Kaffee. Schließlich traute sich die Trudi doch noch zu fragen.

»Es ist aber nix Schlimmes, was der Doktor gefunden hat, Tante, gelt?«

Gertraud tätschelte liebevoll ihre Hand.

»Nein, mein Trudilein. Nix Schlimmes. Ich mach mir halt nur Sorgen, was aus euch einmal wird. Der Anderl wird doch schon dreißig! Und die Freundinnen, die er hat …« Sie schüttelte den Kopf.

»Aber sie sind doch ganz nett«, verteidigte Trudi den Anderl.

»Sie passen net zu uns, net auf einen Bauernhof«, erklärte die Gertraud, und da konnte Trudi nun nicht widersprechen. »Und daran müsst er halt auch denken.«

»Aber die Rosalie passt doch!«

»Ach, du liebe Zeit! Die Beißzang! Was wird dann aus dir, wenn er so ein böses Weibsbild herzieht?«

»Wenn der Anderl heiratet, dann ist es sowieso gescheiter, wenn ich weggeh«, sagte Trudi leise und schaute angestrengt in ihre Kaffeetasse.

»Ach was!« Gertraud schmunzelte und tätschelte ihr nochmals die Hand. »Ich bin auch noch da! Und da wollen wir halt hoffen, dass er die Richtige heimbringt!«

***

»Ja, so was! Der Anderl!« Dr. Bäumler lachte über das ganze Gesicht. Da schien die Gertraud schwer Theater gespielt zu haben. »Wo tut’s denn bei dir weh? Für Herzschmerzen bin ich net zuständig.«

Anderl grinste. Auch er kannte den Ruf des Schwerenöters, der dem Doktor immer noch anhing.

»Na, Herr Doktor, die kurier ich selber!«

»So ist es recht! Alsdann, wo drückt der Schuh?«

»Die Mama, Herr Doktor. Die war doch heut Vormittag bei Ihnen. Und sie ist in letzter Zeit so komisch. Da machen wir uns halt Sorgen, die Trudi und ich.«

»Soso.« Bäumler nahm ein Krankenblatt zur Hand und studierte es eifrig.

»Sie müssen es mir sagen, wenn sie sich schonen muss. Sie wissen ja selbst, die Bauernarbeit ist anstrengend, und meine Mutter ist keine, die zuschauen kann. Da müsst ich um eine zusätzliche Hilfe schauen …« Er sah den Arzt erwartungsvoll an.

»Eine zusätzliche Hilfe – das ist heutzutage net leicht in der Landwirtschaft, net wahr?«

»Na, leider. Aber wenn die Mutter vielleicht nimmer so kann …«

»Hast du schon mal ans Heiraten gedacht, Anderl?«

»Sie meinen statt einer bezahlten Hilfe?«

Dr. Bäumler lachte laut los. Nein, so hatte er es sich nicht gedacht. Ein bisserl Lieb sollte schon dabei sein. Aber es wäre doch, seinem Alter nach, an der Zeit, dass er sich nach einer Frau umsah.

»Ja, schon.« Anderl kratzte sich am Kopf. »Aber ich weiß net, welche die Richtige wär – und nett sind sie halt allesamt.«

»Deine Mutter macht sich aber Gedanken, ob sie noch mal ihre Enkelkinder zu sehen kriegt, weil du so gar keine Anstalten machst zu heiraten!«

Anderl bekam ein entsetztes Gesicht.

»So arg steht es schon mit ihr? Sie meint, sie stirbt, bevor ich Kinder hab?« Und als der Doktor nicht widersprach, stand er auf und sagte sehr ernst: »Also, wenn es so ist, dann frag ich noch heut eine!«

»Und wen fragst du?«, wollte der Arzt wissen.

»Sie verraten mir net, was meiner Mutter genau fehlt, und ich verrat Ihnen net, wen ich fragen geh!« Anderl lachte schon wieder, und auch Dr. Bäumler lachte. »Aber eine Anzeige krieg ich, wenn du heiratest!«

»Sie sind garantiert einer unserer Ehrengäste!«, versicherte Anderl und drückte dem Arzt so herzhaft die Hand, dass der schmerzhaft das Gesicht verzog.

***

Auf dem Heimweg überlegte Anderl das Für und Wider seiner augenblicklichen Freundinnen. Sie gefielen ihm alle – aber welche würde der Mama am besten zusagen? Er konnte sich nicht entscheiden. Doch als er ins Dorf einbog und direkt an der Dorfschule vorbeifuhr, entschloss er sich, die Friedel zu fragen. Die war nett und lustig und außerdem das Leben in einem Dorf gewöhnt.

Vor dem Schulhaus stand ein Wagen mit einer Münchner Nummer. Zu dumm, wenn sie ausgerechnet jetzt Besuch hätte! Na, egal, vielleicht war der Besuch ja auch beim Schulleiter oder dem alten Fräulein Heid.

Die unverheirateten Lehrer wohnten in hübschen Einzimmerapartments über den Schulräumen. Anderl läutete bei dem von der Friedel Eigner. Der Summer ertönte, und er drückte die Tür auf.

Oh je! Womöglich war er verlobt, wenn er wieder herauskam.

Auf der Treppe kam ihm die Friedel schon entgegen. Sie sah zum Anbeißen aus, und sein Vorhaben fiel ihm etwas leichter, als er ihre roten Wangen, das etwas zerzauste, blonde Haar und die lustigen Augen sah.

»Na, du Hallodri!«, begrüßte sie ihn vergnügt. »Was führt dich heute her?«

»Von wegen Hallodri!«, protestierte Anderl. »Ich komme in ganz ernsten Absichten!«

»Aber geh!« Sie lachte. »Wie ernst denn?«

»Sehr ernst. Ich wollt dich fragen, ob …

»Wo bleibst du denn, Friedel?«, erklang von oben eine unbestreitbar männliche Stimme.

»Gleich, gleich!«, rief sie fröhlich zurück.

»Wer ist denn das?«, wollte Anderl wissen.

»Das ist der neue Kollege. Ich hab dir doch von ihm erzählt.«

»Kann mich net erinnern.«

»Wahrscheinlich hast du wieder mal net zugehört«, meinte sie wenig beeindruckt. »Er ist sehr nett. Wir kennen uns schon von früher her.«

»So«, machte der Anderl. »Und wie gut kennt ihr euch?«

Die junge Lehrerin zog die Brauen hoch und schnitt eine Grimasse.

»Frag ich dich, wie gut du die Resi Huber oder die Erika Gärtner oder die bissige Rosalie kennst?«

»Woher weißt du …?« Anderl blieb der Mund offen.

»Na, woher schon! Ich bin doch nicht dumm. Ich hab immer gewusst, was ich an dir hab – und was nicht! Und jetzt denk ich, wo der Hans gekommen ist …«

Da kam der die Treppe herunter, der Hans und wie er sonst noch hieß. Und Anderl musste zugeben, dass er ausgesprochen gut aussah. Auch wenn er eine Brille trug. Er stellte sich neben die Friedel auf den Treppenabsatz und legte einen Arm um ihre Schultern. »Lade deinen Besuch doch ein, mit uns Kaffee zu trinken«, schlug er vor, ganz so, als wäre er der Hausherr.

»Das ist Andreas Holzer. Der wollte sowieso schon wieder gehen«, stellte die Friedel vor, und ihre Augen blitzten jetzt besonders lustig. »Das heißt, du wolltest mir noch was Ernstes sagen?«

»Jetzt nimmer«, erwiderte Anderl grantig, nickte einen kurzen Gruß und verließ das Schulhaus.

So ein Miststück!, dachte er empört. Die hat doch grad … Na ja, sie hatte es ganz ähnlich gemacht wie er selber auch. Nein, so eine war nix als Bäuerin auf den Buchenhof!

***

»Du bist schon da?«, begrüßte Gertraud Holzer ihren Sohn erstaunt.

»Ja«, war seine ganze Antwort.

»Ist was passiert?«, fragte sie besorgt.

Er hob den Kopf und sah seine Mutter nachdenklich an. Krank sah sie nicht aus, aber freilich, das brauchte nichts zu bedeuten.

»Ich hab mir was überlegt, Mama«, begann er. »Komm mit in die Stube, dann können wir es besprechen.«

»So feierlich?« Gertraud unterdrückte ein Schmunzeln, denn natürlich hatte Dr. Bäumler sie angerufen und sie über den Besuch ihres Sohnes informiert. Trotz allem war er ein lieber Bub, dass er sich so aufrichtig Sorgen machte. Wenn er nur nicht so leichtsinnig wäre! Und so blind für die wahren Werte!

Mit einem schweren Seufzer ließ sich Anderl auf die Eckbank unter dem Kruzifix fallen. Und dann schimpfte er los: »Herrschaftszeiten, warum hast du denn net gesagt, dass es dir net gutgeht? Dass du dich schonen musst?«

»Aber es geht mir ja net so schlecht!« Vorsicht! Sie durfte sich nicht verraten. »Ich bin halt nimmer die Jüngste. Und das vergisst man selber gern.«

»Schmarrn! Nimmer die Jüngste! Am Alter liegt das nicht. Aber der Bäumler meint … Also, ich hab mich entschlossen, zu heiraten!«

»Donnerwetter!« Fast hätte sie gelacht. »Weißt du auch schon, wen?«

»Noch net.« Anderl schnitt eine Grimasse. »Aber ich werd mir die Madeln mal ernsthaft daraufhin anschauen.«

»Aha!«, sagte Gertraud. »Da bin ich aber neugierig. Wen schaust du dir denn als Erste an?«

»Ja, das weiß ich im Moment auch net.« Dann kam ihm eine Erleuchtung. Er zog ein Geldstück aus der Hosentasche. »Die Zahl ist die Erika Gärtner, der Adler die Resi Huber!«

»Geh, die Resi! Die aufgebrezelte Modepuppe!«

»Jetzt sei net so, Mama. Warum soll eine Bäuerin net fesch und elegant sein? Ihre Eltern haben halt mal ein Geschäft mit Sportmoden. Und wenn ich die heirate, könnten wir vielleicht ein paar Gästezimmer einrichten, für Winterurlauber. Sie kann dann Skiunterricht geben.«

»Ja, freilich, und die Bankangestellte berät dich, wie du den Verdienst am besten anlegst!«

»Genau!« Anderl lachte und warf die Münze in die Luft.

»Die Erika«, stellte er fest. »Na, warum net?«

Die Bäuerin schüttelte nur wieder den Kopf. Ob das die richtige Art war, eine Frau zu suchen?

»Ich fühl erst mal vor«, versprach Anderl in beruhigendem Ton. »Ich mach ihr net gleich einen Antrag.« Und er dachte mit leisem Schaudern daran, wie knapp er einer Blamage und einem Korb bei der Lehrerin entgangen war. Dann ging er zum Telefon, wählte die Nummer der Bank und ließ sich mit seiner »Zukünftigen« verbinden. »Hast du heut Zeit?«, fragte er.

Natürlich hatte sie Zeit! Gertraud hörte die aufgeregte Stimme, obgleich sie in der Stube saß und der Anderl auf dem Gang telefonierte. Wenn er sich so ins Zeug legte, dann musste auch sie etwas unternehmen. Sonst blieb er womöglich noch an einem von diesen rundherum unpassenden Madeln hängen.

»Ich weiß net, wann ich heut Abend heimkomm«, verabschiedete sich der Anderl wie üblich. »Es könnt später werden.«

»Schon recht«, erwiderte seine Mutter. Aber dann legte sie mit einer besorgten Geste die Hand auf seinen Arm: »Gelt, Anderl, du bist vernünftig? Du übereilst nix? Schau dich erst mal um!«

»Das tu ich schon seit ein paar Jahren, und bisher hast du immer darüber geschimpft.« Er lachte. »Keine Sorge!«

Eine Weile saß die Bäuerin allein in der Stube. Sie hatte die Hände gefaltet und überlegte, welcher der vielen Heiligen für ihr besonderes Problem zuständig war. Da ihr beim besten Willen keiner einfiel, der auf Heiratsvermittlung spezialisiert war, entschloss sie sich, einmal vorsichtig bei der Trudi anzufragen. Sozusagen die Sache selbst in die Hand zu nehmen und auf allgemeinen himmlischen Beistand zu hoffen.

Sie hörte die Trudi in der Kuchl herumwirtschaften. Sie stand auf, um ihr zu sagen, dass der Anderl zum Abendbrot nicht da war. Und dann – vielleicht verriet die Trudi sich … Oder sie hatte eine Eingebung, wie sie das erwünschte Geständnis aus dem Madl herauslocken und sie damit zur Zusammenarbeit gewinnen könnte.

Die Trudi sah ein bisserl blass aus, und ihre Augen waren nicht so klar wie sonst. Gerade so, als hätte sie geweint.

»Geh, Trudi!« Die Bäuerin hatte fast wieder ein schlechtes Gewissen. »Es fehlt mir doch nix! Der Bäumler hat bestimmt übertrieben.«

Das Mädel nickte stumm und begann, das Futter für die Katzen und den Hund in die jeweiligen Schüsseln zu füllen.

»Mir macht ganz was anderes Sorge«, fuhr die Gertraud fort, »und zwar, dass der Anderl einen übereilten Schritt tun und eine heiraten könnt, die net zu ihm passt.«

Wieder sagte die Trudi nichts, sie hob nur den Kopf und warf der Bäuerin einen todtraurigen Blick zu. Sie musste also direkter werden. Das Madl verriet ja nix.

»Sag mal, Trudilein, könnte es sein, dass du den Anderl – gernhast?«

Auf diese Frage hin fiel der Trudi alles aus der Hand. Sie sank auf den nächsten Stuhl, legte den Kopf auf den blank gescheuerten Holztisch und weinte bitterlich.

»Aber Trudi! Des ist doch kein Grund zum Weinen!«, rief die Gertraud, erleichtert, dass sie so schnell und unkompliziert zu einem Geständnis gekommen war. »Wer, meinst du denn, wär mir die liebste Schwiegertochter? Du – und keine andere!«

»Ja, Tante, ich glaub’s dir ja! Aber der Anderl, der sieht mich doch überhaupt net!«

»Das ist auch wieder übertrieben«, fand die Gertraud. »Er sagt doch immer, wie gut du ihm gefällst.«

»Ja! Als kleine Schwester!«

»Na ja. Aber wenn ein anderer kommt, passt es ihm auch net.«

»Weil er eine besonders gute Partie für mich will«, erwiderte die Trudi niedergeschlagen. »Und wenn er jetzt schnell heiraten möcht, damit du noch deine Enkelkinder siehst …«

»Trudi«, unterbrach die Bäuerin sie, »versprich mir in die Hand, dass du nix verrätst?«

»Ich verrat bestimmt nix.« Trudi sah sie aus tränenumflorten Augen an.

»Mir fehlt überhaupt nix. Ich hab das bloß erfunden, damit der Anderl endlich mit diesem Lotterleben aufhört!

»Aber Dr. Bäumler hat doch …«

»Der hat mir geholfen. Ich hab ihn drum gebeten.«

»Ist das auch wirklich wahr?«

»Ganz bestimmt! Aber verrat ja nix dem Anderl. Sonst geht das die nächsten zehn Jahr auch noch so weiter! So liederlich!«

»Nein, ich sag bestimmt nix. Nur – wenn er jetzt die Nächstbeste heiratet …«

»Da müssen wir uns eben was einfallen lassen. Es wäre doch gelacht, wenn wir zwei Weibsleut diesen narrischen Gockel net reinlegen könnten!«

Jetzt musste die Trudi lachen und wischte sich die Tränen ab.

»Ich müsst halt einen Verehrer haben, an dem der Anderl nix aussetzen kann«, meinte sie. »Der eine echte Partie ist! Aber woher nehmen?«

»Tja, ganz was Besonderes müsst der sein, sonst findet der Anderl bestimmt wieder ein Haar in der Suppe. Bei dir ist er nämlich viel wählerischer als bei sich selber.«

»Meinst du, Dr. Bäumler hat eine Idee?«

»Er ist zwar Arzt für Allgemein-Medizin, ob aber auch das noch in sein Fach fällt?« Die Gertraud war sich nicht sicher. Freilich, ein lustiger Bruder war er, der Doktor. Vielleicht ließ er sich was einfallen – aus Gaudi sozusagen.

***

»Du wirst erwartet«, sagte die Kollegin etwas neidisch zur Erika, als die sich noch eine extra Ladung Parfüm darauf sprühte.

»Ich weiß«, erwiderte die Erika großartig.

»Drum bimst du dich so auf«, meinte die Kollegin. »Hoffentlich hilft’s.«

»Pah!«, machte die Erika und schwänzelte aus dem Waschraum mit einem Hüftschwung, als müsste sie Marilyn Monroe ausstechen. Da hätte sie sich aber doch schwergetan, so hübsch, wie sie auch war. Sie trug einen superkurzen Rock, der den Blick auf ihre hübschen Beine lenkte und dazu eine lässige Bluse mit großzügigem Ausschnitt.

Anderl, der im Schalterraum wartete, pfiff anerkennend.

»Fesch, fesch«, stellte er zufrieden fest.

»Ah, geh!«, tat sie und hängte sich dann schnell bei ihm ein. »Was machen wir denn heut?«

»Ich hab mir gedacht, wir gehen essen und – unterhalten uns ein bisserl.«

Das klang gut! Sie hatte schon seit einiger Zeit vor, einmal ernsthaft mit ihm zu reden. Deshalb schlug sie auch ein Lokal vor, das um diese frühe Abendstunde nicht sehr besucht war.

Anderl war das nur recht. Die ganze Fahrt hatte er überlegt, wie er am schlauesten anfangen sollte. Direkt fragen, das war zu gefährlich. Der Schock mit der Lehrerin saß ihm noch in den Knochen. Da hätte er sich beinahe schön blamiert!

Jetzt würde er ganz diplomatisch bei der Erika vorfahren, und dann ebenso diplomatisch bei der Resi, und bevor er sich festlegte, sollte er wohl auch noch mal die Landwirtschaftsstudentin aufsuchen, die vergangenen Sommer auf dem Buchenhof praktiziert hatte und mit der ihn noch immer eine lose Beziehung verband.

»Wie geht’s bei euch auf dem Hof?«, erkundigte sich nun Erika, nachdem sie beide sich einen Zwiebelrostbraten bestellt hatten.

»Gut!«

»Und deiner Mutter?«

»Auch gut.«

»Und deiner Schwester?«

»Meiner Schwester? Ach so, du meinst die Trudi. Ja, der geht es auch gut.«

»Und dir selber?« Sie lachte, weil er so wortkarg war und doch hatte reden wollen. Wahrscheinlich fiel ihm das Anfangen schwer.

»Na ja, mir geht’s auch gut. Aber ich denk halt so gelegentlich an meine Zukunft. Weil ich doch demnächst dreißig werd.«

»Ein interessantes Alter«, fand Erika. »Aber da muss man sich langsam entscheiden, was man mit dem Rest seines Lebens anfangen möchte.«

»Du sagst es!«

Schweigen.

»Möchtest du eigentlich dein ganzes Leben auf dem Hof verbringen?«

»Ja, was denn sonst?« Anderl sah sie verblüfft an.

»Ich hab halt gedacht, weil es in der Landwirtschaft heutzutag so schwierig ist …«

»Ja, schon. Aber der Hof gehört mir nun mal, und wir stehen gut da.«

»Ja, ja, ich weiß!« Sie hatte heimlich seine Unterlagen eingesehen und sich auch über den erfreulichen Kontostand informiert. »Ich dachte, du könntest vielleicht als – landwirtschaftlicher Schätzer arbeiten. Da verdient man einen Haufen Geld.«

»Und der Hof?« Anderl war verwirrt.

»Na ja, ich hab zufällig gehört, dass da jemand einen Pachthof sucht.«

»Und was wird aus der Mutter und der Trudi?« Er starrte sie fassungslos an.

»Da kann man bestimmt was ausmachen, dass die dort wohnen bleiben können, und wir zwei …« Erika legte ihre wohlmanikürte Hand auf seine raue Faust, »wir nehmen uns irgendwo eine schicke Wohnung. Später kaufen wir vielleicht ein hübsches Haus, wenn Kinder kommen. Sag doch ehrlich: Ich passe wirklich net auf einen Bauernhof. Und du, du bist doch auch viel zu modern und aufgeschlossen, um den alten Stiefel weiterzumachen, bloß, weil’s deine Vorfahren seit Generationen gemacht haben. Die Zeiten haben sich geändert.«

Eine Weile starrte er sie sprachlos an, dann räusperte er sich. Da hatte die Erika ihm doch pfeilgrad einen Antrag gemacht und auch gleich ihr gemeinsames Leben festgelegt! Allerdings ein bisserl anders, als er es sich vorstellte.

»Ja«, sagte er, nachdem er sich mehrmals geräuspert hatte, »ich glaub auch net, dass du auf einen Bauernhof passt. Deshalb wollt ich mit dir reden. Denn ich möcht schon ein Bauer bleiben. Ich pass nämlich net auf einen Bürosessel!«

***

Auch heute kam der Andreas früher heim, als er geplant hatte und als man ihn erwartete. Die Bäuerin und die Trudi saßen, nach einer recht ungemütlichen Unterhaltung mit der Rosalie Zimmermann, noch immer in der Stube und warteten darauf, dass ihr ungebetener Besuch sich endlich verabschieden sollte. Doch die Rosalie saß wie angepappt auf ihrem Sessel, und es schien ihr nicht das Geringste auszumachen, dass man zuletzt mehr schwieg als sich unterhielt. Sie war entschlossen zu bleiben, bis der Anderl heimkam.

»Ich glaub net, dass wir den Anderl noch erwarten können«, sagte die Gertraud gerade zum dritten Mal, da hörte man draußen den Wagen.

Die Rosalie blickte triumphierend um sich.

»Schön, dass ich ihn jetzt doch noch treff. Ich wollt ihm nämlich was Persönliches sagen.« Sie war eine hübsche Person mit rabenschwarzen Haaren und flinken, schwarzen Vogelaugen. In ein paar Jahren würde ihre Nase zu spitz und ihr Mund zu schmal sein, aber jetzt war sie jung und durchaus ansehnlich. Besonders, wenn man an ihre Mitgift dachte.

Eigentlich war es ein Wunder, dass sie mit dem zu erwartenden Vermögen noch nicht verheiratet war. Vielleicht lag es daran, dass ihr der Andreas Holzer wirklich gut gefiel und sie echt in ihn verliebt war. Vielleicht auch daran, dass die Burschen ihr messerscharfes Mundwerk fürchteten und keine Lust hatten, nach ihrer Pfeife tanzen zu müssen. Denn einer, der weniger mitbrachte als sie, der würde bei der Rosalie garantiert nichts zu melden haben.

Als sie die Haustür hörte und Anderls festen Schritt, stand sie auf, strich sich Rock und Schürze des neuen Dirndls glatt und wendete sich erwartungsvoll der Stubentür zu.

Gertraud und Trudi wechselten einen Blick. Die war garantiert net die Richtige für den Anderl! Da mochte sie jetzt noch so sanft tun! Das hatte auch wieder einmal das Gespräch gezeigt, das sie zu Beginn des Besuchs geführt hatten.

Da war die Rosalie nämlich hereingefahren wie eine Hex, hatte die Gertraud gerade noch begrüßt und dann gleich nach dem Andreas gefragt. Zur Trudi hatte sie mal so hin genickt, während sie schon über anderes redete. Die Trudi war das von ihr gewöhnt, und es machte ihr nix aus – anders die Gertraud, die sich darüber giftete. Deshalb sagte sie auch mitten in Rosalies Geplapper hinein: »Komisch, wenn man bedenkt, dass ihr zwei Schwestern seid! So verschieden.«

Trudi war einen Moment sprachlos, dann begann sie zu husten, während die Rosalie ein Gesicht zog – unbeschreiblich.

»Halbschwestern«, verbesserte sich die Gertraud, als hätte sie nix gemerkt. »Ihr habt verschiedene Mütter, aber den gleichen Vater!«

Nun, das war kein Geheimnis. Das wussten die zwei Mädels ebenso wie das gesamte Dorf. Aber natürlich legte die Familie Zimmermann keinen Wert darauf, mit so einer notigen, ledigen Tochter verwandt zu sein.

Wenn jemand boshaft die Frau des Viehhändlers darauf ansprach, ob sie eigentlich Kontakt zu ihrer Stieftochter – oder wie immer man die Trudi bezeichnete, hätte, dann zog es sie ganz zusammen. Ihre Nase wurde spitzig wie ein Vogelschnabel und ihre Augen stechend wie zwei Nadelköpf und sie sagte mit einer ganz süßen Stimme: »Mei, das arme Mädel! Es kommt halt ganz auf seine schlampige Mutter raus! Nein, mein Mann hat keine Kontakte mehr zu seinen verschiedenen Jugendsünden. Wo käme man auch hin, wenn er die alle mitziehen müsst! Wo doch auch gar nix bewiesen ist!«

Rosalie war gleichfalls net auf den Mund gefallen, und da man natürlich auch sie schon mehrmals darauf angesprochen hatte, hatte sie auch diesmal eine Antwort parat.

»Das war gar net bewiesen, Buchen-Bäuerin. Und selbst wenn es wahr wäre – wir kommen halt eine jede auf die Mutter raus.« Und damit wandte sie sich mit einem Ruck der unvorbereiteten Trudi zu: »Was wird denn eigentlich aus dir, wenn der Andreas mal eine Bäuerin heimführt?«

Bevor Trudi antworten konnte, erklärte Gertraud energisch: »Die Trudi hat hier das Wohnrecht. Zumindest so lang ich lebe, und das dauert noch einige Zeit!«

»Kriegst du dann ein Austraghäusl?«, wollte die Rosalie wissen.

»Der Hof ist doch groß genug!«, rief die Trudi empört.

»Das mag schon sein, aber zwei Bäuerinnen in der gleichen Kuchl …«, meinte die Rosalie und zuckte die Schultern. »Also, meine Eltern hätten da ein schönes Häusl zu verkaufen. Oder auch zu mieten, wie’s dir passen tät. Ich mein halt … wenn der Andreas mal heiraten tut.«

»Ich denk, es kommt auf die zukünftige Schwiegertochter an, ob ich Lust hab, auf dem Hof zu bleiben oder net«, sagte Gertraud gelassener, als ihr zumute war. Aber sie wollte sich ihren Ärger nicht anmerken lassen. »Und auch, ob ich übergeb oder net.«

Nach diesem Gespräch war gerade wieder eine längere Pause, als der Anderl heimkam.

»Ja, seid ihr noch auf?«, brummte er muffig und ging an den Schrank, wo er sich die Flasche Enzian und ein Stamperl herausholte. Hoffentlich fielen sie jetzt net mit irgendwelchen Fragen über ihn her! Und auf die Rosalie hatte er im Moment auch keine Lust. Zwei Misserfolge an einem Tag, das reichte ihm.

Klar, er konnte eh nur eine heiraten, aber es wär ihm schon lieber, wenn er das bestimmen würd, und vor allem, wenn es net mit so einem garstigen Geschimpf auseinandergehen tät wie heut Abend mit der Erika. Richtig ordinär war sie geworden. Und dabei tat sie doch immer so fein!

»Grüß dich, Andreas«, flötete Rosalie, da er von ihr keine Notiz zu nehmen schien.

»Grüß dich!«, brummte er.

»Du, ich hätt auch Lust auf ein Schnapserl!« Sie kicherte.

Er verzog den Mund, obgleich er es sonst ganz lustig fand, dass die Rosalie so gut mithalten konnte. Er stand also nochmals auf und holte ein zweites Stamperl aus dem schönen, alten Tölzer-Schrank.

»Noch jemand?«, erkundigte er sich nicht gerade freundlich.

»Danke, nein«, sagte Trudi verlegen.

»Das ist nix für uns Weibsleut«, meinte Gertraud. »Wir halten uns lieber an einen schönen Kräuterlikör, gelt, Trudi?«

»Pfui, das pappige Zeug!« Rosalie schüttelte sich.

»Dass du noch da bist?«, stellte der Anderl missmutig fest und sah sie alles andere als freundlich an, doch jemand wie die Rosalie war nicht so schnell entmutigt.

»Jesses! Bist du grantig! Was ist dir denn für eine Laus über die Leber gelaufen?« Sie lachte, und ihre schwarzen Augen blitzten ihn herausfordernd an.

Anderl leerte sein Stamperl auf einen Zug und schenkte sich gleich noch mal ein. Nachdem er auch das ausgetrunken hatte, ging es ihm ein bisserl besser. Er sah, wie gut aufgelegt die Rosalie war und wie besorgt das Gesicht der Mutter, wie ernst das von Trudi. Richtig vorwurfsvoll, die zwei! Er fand die Rosalie eben nett. Die zwei brauchten sie ja net zu heiraten!

Und aus lauter Widerspruch grinste er die Rosalie an, die ja immerhin die beste Partie im Umkreis von zwanzig Kilometern war.

»Du bist mir eine!«, meinte er. »Wie du den Enzian runterkippst!«

»Das hat sie vom Vater«, sagte die Gertraud spitz, schließlich war allgemein bekannt, dass der Viehhändler einen guten Zug hatte.

»Das – und noch eine gute Menge mehr«, erwiderte die Rosalie und schob dem Anderl ihr Stamperl hin. »Trinken wir auf die Zukunft. Ich wollt dich zu meinem Geburtstag einladen. Deshalb bin ich hier. Ich werd nämlich zweiundzwanzig, und weil das eine Schnapszahl ist, wird groß gefeiert. Am kommenden Samstag.«

So was! Da lud sie den Anderl ein, und die Trudi saß daneben, und zu der sagte sie kein Wort! Unmöglich!

Das kam wohl auch dem Anderl so vor, denn er fragte: »Darf ich noch jemanden mitbringen?«

Rosalie warf der Trudi einen spöttischen Blick zu.

»Das geht net. Wir sind schon zweiundzwanzig. Aber wenn jemand absagt, lass ich es dich wissen.«

»Na schön. Dann bis zum Samstag«, sagte Andreas. »Bist du extra deswegen hergekommen?«

»Ich komm doch immer gern zu dir«, kokettierte sie.

»Na, dann hat es sich hoffentlich gelohnt.« Er grinste, stand auf und zog sie hoch. »Ich bring dich zu deinem Wagen.«

»Ich bin zu Fuß da«, sagte sie und sah ihn auffordernd an.

»Da bleibt mir wohl nix andres übrig, als dich heimzubegleiten, damit dir nix passiert.« Die zwei Stamperl und die Avancen, die ihm die Rosalie machte, hatten Andreas’ Laune beträchtlich gehoben.

»Das wär nett«, fand Rosalie. »Gute Nacht!« Sie bemühte sich, ein ganz liebes Gesicht zu machen, als sie sich von Gertraud und Trudi nun verabschiedete. Schließlich beobachtete der Andreas sie ja.

»Gute Nacht«, sagte Trudi leise. Richtig deprimiert klang es. Die Bäuerin aber machte sich am Tisch zu schaffen und tat, als übersähe sie die ausgestreckte Hand.

Rosalie nahm das nicht krumm. Die zwei waren schließlich nicht so wichtig. Man hörte sie und den Anderl noch reden und lachen, als sie schon auf dem Kiesweg gingen, der zum Dorf führte.

»Jetzt können wir ins Bett gehen«, sagte Gertraud alles andere als zufrieden. »So schnell kommt der net heim!«

***

»Ja, Gertraud«, sagte Dr. Bäumler, »jetzt besuchst du mich schon zu Haus? Wo fehlt es denn heut? Komm rein!

Der Arzt saß mit Frau Anna und Tochter Bettina und einem ansprechend aussehenden jungen Mann am Kaffeetisch. Es war Sonntag, und er hatte dienstfrei. Zumindest, bis einer seiner Patienten darauf bestand, von ihm und nicht seiner Vertretung behandelt zu werden.

Nachdem die Bäuerin alle begrüßt hatte, entschuldigte sie sich für die Störung.

»Aber bei uns brennt’s«, erklärte sie. »Ich muss irgendwas unternehmen, sonst heiratet der Hanswurst noch die Rosalie Zimmermann oder die Resi Huber!«

»Aber die Rosalie, die ist doch so eine Beißzang!«, warf jetzt der junge Mann ein, den man Gertraud als Franz Burger vorgestellt hatte, Oberjäger des Grafen Hartung. Er sollte einmal die Nachfolge des alten Forstmeisters antreten, weil dieser in nicht zu ferner Zeit in Pension ging.

»Genau wie ihre Mutter«, stimmte die Gertraud zu und betrachtete ihn wohlwollend. Der wär was – für ihren Plan! »Der Vater taugt ja auch net viel«, fuhr sie fort und lächelte den jungen Mann freundlich an. »Wo kommen Sie denn her?«

»Der Franz war nach dem Studium beim Fürsten Öttingen«, erzählte Anna Bäumler nicht ohne Stolz. »Aber weil er beim Hartung die besseren Aussichten hat, ist er hergekommen. Und uns ist das auch lieber, wenn unsere Bettina nicht so weit weggeht.«

»Ah! Sie sind mit der Bettina verlobt?«, fragte Gertraud. Der junge Mann erschien ihr immer geeigneter für ihr Vorhaben.

»Aber wir reden noch net drüber«, meinte der schmunzelnd.

Das war genau richtig!, fand die Gertraud.

»Wo ist denn dein hoffnungsvoller Sohn?«, fragte Dr. Bäumler, der endlich wissen wollte, was die Gertraud auf dem Herzen hatte. Und dass es mit dem Anderl zusammenhing, war nicht schwer zu erraten.

»Ha! Der ist heut mit der Resi Huber unterwegs.«

»Mit der Resi?«, mischte sich jetzt Bettina ein. »Die macht doch jeden an! Sogar beim Franz hat sie es schon versucht. Die kann doch gar nicht anders, wenn sie ein Mannsbild sieht.«

»Eben«, erwiderte Gertraud. »Drum mach ich mir ja solche Sorgen. Weil der Anderl einfach keine Augen für die Richtige hat!«

»Und wer ist die Richtige?«, fragte Anna Bäumler, etwas belustigt darüber, dass man auch mit diesen Sorgen zu ihrem Mann kam.

»Die Trudi wär ideal! Und so lieb ist die auch noch und viel hübscher als die Rosalie und die Resi zusammen«, fand die Bettina großzügig. Schließlich hatte sie ja ihren Franz.

»Das tät sich auch die Gertraud wünschen«, sagte Alfons Bäumler jetzt.

»Aber der Bub ist einfach blind!«, schimpfte die ärgerlich.

»Man müsst ihm halt die Augen öffnen«, meinte der Franz vergnügt. »Hat diese Trudi denn keine Verehrer?«

»Schon. Aber der Anderl vergrault sie ihr alle. Sie sind ihm alle net gut genug.«

»Das lässt doch eigentlich vermuten, dass er eifersüchtig ist«, meinte Frau Bäumler.

»Ja und nein. Er will halt was Besonderes für seine ›kleine Schwester‹, wie er immer sagt.«.

»So was wie meinen Franz«, sagte Bettina und legte dem verliebt die Hand aufs Knie.

»Ja, so jemanden! Da könnt er beim besten Willen nix aussetzen. Ein Studierter in guter Stellung, mit einer noch besseren in Aussicht. Ja, so einer müsst halt kommen«, seufzte die Gertraud, denn sie traute sich doch nicht, ganz direkt zu werden.

»Und echt interessiert dürfte er auch net sein«, fügte Dr. Bäumler hinzu, »damit zum Schluss die Trudi net noch an ihm hängen bleibt.«

»Genau!«, rief die Gertraud und sah bittend zum Franz Burger hin.

»Na, Franz, hättest du net Lust, da ein gutes Werk zu tun?«, zog der Arzt seinen Schwiegersohn in spe auf.

»Geh, Alfons!« Seine Frau war entsetzt über den Vorschlag.

Auch die Bettina schaute ein bisserl, meinte aber dann: »Wenn es sich net zu lang hinzieht, bis dem Anderl die Augen aufgehen, hätt ich nix dagegen. Schon weil die Resi dich so angemacht hat!«

»Es versucht hat«, verbesserte Franz sie lachend. »Nein, die wär net mein Fall.« Und weil er jung und lustig war, fand er den Vorschlag gar nicht so abwegig. »Aber lang darf’s net dauern. Immerhin hab ich einen Beruf, und die Bettina will ich auch noch hie und da sehen!« Er legte den Arm um die hübsche rothaarige Tochter der Bäumlers und zog sie an sich.

»Das möchte ich aber meinen.« Sie lachte und schmiegte sich an ihn.

»Also, ich weiß net …« Anna Bäumler fand die Idee gar nicht gut.