Heimat-Roman Treueband 65 - Sissi Merz - E-Book

Heimat-Roman Treueband 65 E-Book

Sissi Merz

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Beschreibung

Lesen, was glücklich macht. Und das zum Sparpreis!

Seit Jahrzehnten erfreut sich das Genre des Heimat-Bergromans sehr großer Beliebtheit. Je hektischer unser Alltag ist, umso größer wird unsere Sehnsucht nach dem einfachen Leben, wo nur das Plätschern des Brunnens und der Gesang der Amsel die Feierabendstille unterbrechen.
Zwischenmenschliche Konflikte sind ebenso Thema wie Tradition, Bauernstolz und romantische heimliche Abenteuer. Ob es die schöne Magd ist oder der erfolgreiche Großbauer - die Liebe dieser Menschen wird von unseren beliebtesten und erfolgreichsten Autoren mit Gefühl und viel dramatischem Empfinden in Szene gesetzt.

Alle Geschichten werden mit solcher Intensität erzählt, dass sie niemanden unberührt lassen. Reisen Sie mit unseren Helden und Heldinnen in eine herrliche Bergwelt, die sich ihren Zauber bewahrt hat.

Dieser Sammelband enthält die folgenden Romane:

Alpengold 223: Die unehrliche Freundin
Bergkristall 304: Verliebt in eine Namenlose
Der Bergdoktor 1803: Geschenkte Zeit
Der Bergdoktor 1804: Die gute und die böse Tat
Das Berghotel 160: Ein unerwarteter Gast
Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 320 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 606

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Sissi Merz Andreas Kufsteiner Verena Kufsteiner
Heimat-Roman Treueband 65

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2016/2018 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2024 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © PeopleImages.com - Yuri A / Shutterstock

ISBN: 978-3-7517-6501-5

https://www.bastei.de

https://www.sinclair.de

https://www.luebbe.de

https://www.lesejury.de

Heimat-Roman Treueband 65

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Alpengold 223

Die unehrliche Freundin

Bergkristall - Folge 304

Verliebt in eine Namenlose

Der Bergdoktor 1803

Geschenkte Zeit

Der Bergdoktor 1804

Die gute und die böse Tat

Das Berghotel 160

Ein unerwarteter Gast

Guide

Start Reading

Contents

Die unehrliche Freundin

In ihrem eifersüchtigen Herzen wuchs ein teuflischer Plan

Von Sissi Merz

Als der junge Förster Sebastian Schubert die Stelle ihres Vaters übernimmt und ins Forsthaus zieht, ist es um die hübsche Schneeberger-Katharina gleich geschehen! Sebastian ist der Bursch, auf den sie ihr Leben lang gewartet hat, und auch er verliebt sich auf den allerersten Blick in seine schöne Hauserin. Für die beiden Frischverliebten hängt der Himmel voller Geigen – bis plötzlich im Forst seltsame Dinge vor sich gehen: Ein brutal erlegter Zwölfender, sinnlos zerschlagene Hochsitze und so manch anderer übler »Zwischenfall« bringen den neuen Förster bei seinen Vorgesetzten in Misskredit – und bald stehen seine Stelle und seine Zukunft im schönen Nessler Tal auf dem Spiel! Doch niemand ahnt, wie groß die Gefahr wirklich ist, in der Sebastian und seine Liebste schweben! Ausgerechnet Katharinas beste Freundin Stefanie ist’s, die ihr nach dem Leben trachtet! Von blinder Eifersucht getrieben, hat Stefanie einen perfiden Plan ersonnen, die Rivalin im Kampf um Sebastians Herz ein für alle Mal zu beseitigen …

Die Sonne war eben aufgegangen, in den Talmulden lag noch zäher Nebel, und der klare Herbsthimmel leuchtete in jenem zarten Blassblau, das der dritten Jahreszeit in Grafenberg im Oberbayerischen eigen war.

Die kleine Gemeinde am Fuße des Wendelsteins lag in einem waldreichen Tal. Im Norden erhob sich die charakteristische Spitze des Kleinen Traithen auf eine Höhe von über 1700 Metern. Sie war das ganze Jahr über schneebedeckt, und ihr Gipfelkreuz strahlte bei Sonnenschein weit ins Land.

Südlich erstreckte sich Bayrischzell, die nahe Kreisstadt. In westlicher Richtung gelangte man über die schmale Landstraße nach Osterhofen, dem Nachbardorf von Grafenberg.

Im Osten schließlich fand sich der Stocker, der Hausberg des Ortes. An seinem Fuß lag das Nessler Tal, ein vom Klima sehr begünstigter Flecken, besonders gut für die Landwirtschaft geeignet. Aber hier gab es auch zwei Fremdenpensionen, denn die liebliche Landschaft stand bei Wanderern und Kletterern hoch im Kurs.

An der Westseite des Stocker führte Sepp Angerer seit einigen Jahren eine Kletterschule. Mit eher bescheidenem Erfolg, wie man sich in Grafenberg erzählte.

Die Angerers stammten nicht aus dem Tal, Sepp und seine drei Söhne waren nicht sonderlich beliebt, denn keiner von ihnen hatte die Arbeit erfunden, und alle waren dabei, wenn sich die Gelegenheit bot, einen schnellen Euro zu machen. Ob dies dann auf legale Weise geschah oder nicht, schien ihnen herzlich egal zu sein.

Bis zu Trude Angerers Tod vor ein paar Jahren hatte Sepp sich zumindest noch den Anstrich von Seriosität gegeben. Nun war es ihm einerlei, was die Leute von ihm dachten. Und dass seine drei Sprösslinge ausgemachte Hallodris waren, störte ihn ebenso wenig.

Ganz in der Nähe des Nessler Tals, südlich von Grafenberg, lag das Forsthaus. Inmitten eines himmelhohen Föhrenwaldes fand sich das rustikale Gebäude, das aus massiven Holzbohlen errichtet war und mit dem schindelgedeckten Dach und den kleinen Fenstern einen urigen Eindruck machte.

Der Weg bis zum Dorf dauerte zu Fuß etwa eine halbe Stunde. Mit dem Auto erreichte man vom Forsthaus aus nur in der warmen Jahreszeit Grafenberg, denn im Winter war der breite Waldweg, der herführte, meist mehrere Meter hoch zugeschneit. Und die Räumfahrzeuge der Gemeinde kamen nicht bis hierher.

An diesem sonnigen Herbstmorgen war es angenehm warm im Forst. Die Sonne hatte genügend Kraft, um den Tau auf den Blättern zu trocknen, die sich allmählich bunt verfärbten. Golden drang das Sonnenlicht zwischen den mächtigen Ästen der Föhren bis hinunter auf den Boden und ließ Spinnenweben funkeln und rote und blaue Beeren leuchten. Nach einigen Regentagen lugten bereits die ersten Pilze aus dem Moos. Bräunlich, hell oder knallrot mit weißen Tupfen schoben sie sich aus der Erde.

Bergfinken, Amseln und Meisen begrüßten jubilierend den neuen Tag. Und auch die vorwitzigen Bergdohlen mischten sich mit ihrem munteren Krächzen in das allmorgendliche Vogelkonzert ein.

Katharina Schneeberger hatte das Küchenfenster geöffnet, um dem Lied der Natur besser lauschen zu können. Das bildhübsche Madel war Haushälterin im Forsthaus und die Tochter von Dominik Schneeberger, dem Förster.

Seit über dreißig Jahren versah der bereits sein Amt, und nun war der Ruhestand für den kernigen Gebirgler näher gerückt. Bald sollte sein Nachfolger nach Grafenberg kommen. Dominik würde den Neuen noch einarbeiten, aber dann endete seine Berufslaufbahn.

Katharina, die alle nur Kat nannten, wusste, dass ihrem Vater dieser Umstand nicht wirklich behagte. Er war Forstmann mit Leib und Seele. Mit seinen sechzig Lenzen hätte er gut und gern noch ein paar Jahre lang sein Amt ausüben können. Er war körperlich auf der Höhe und hatte über die Jahre einen wirklich reichen Erfahrungsschatz gesammelt.

Doch die Forstverwaltung wollte es anders. Dominik war froh, dass er seinen Nachfolger zumindest noch in seine Pflichten einführen konnte.

Als er seinerzeit das Amt übernommen hatte, war er recht unbedarft an diese Aufgabe herangegangen und hatte aus seinen Fehlern lernen müssen. Das würde nun anders, denn der umsichtige Waidmann war fest entschlossen, dem jungen Kollegen einen guten Start zu verschaffen.

Danach hieß es für Dominik dann aber auch nicht, nur noch Däumchen zu drehen und auf der Ofenbank zu sitzen, denn er hatte durchaus noch Pläne.

Katharina schob einen Brotlaib in den Ofen und richtete das Frühstück für zwei. Der Vater machte seine Runde durchs Revier, wie jeden Morgen seit über dreißig Jahren. Wenn er zurückkam, frühstückten sie gemeinsam. Auch das hatte Tradition.

Das blonde Madel mit dem ebenmäßigen Gesicht und den klaren, himmelblauen Augen war im Forsthaus geboren und aufgewachsen. Katharina hatte die Grundschule in Grafenberg besucht und dann in Bayrischzell die Mittlere Reife abgelegt, um danach auf die Haushaltsschule zu wechseln. Sie hatte schon als kleines Madel Spaß am Kochen und Backen gefunden und der Mutter neugierig über die Schulter geschaut.

Als diese vor fast zehn Jahren bei einem Unfall ums Leben gekommen war, hatte das ihrer aller Leben einschneidend verändert. Der Vater, bis dahin für das Madel eine Art unverrückbarer Fels in der Brandung des Lebens, war völlig zusammengebrochen. Er hatte lange gebraucht, um den Verlust der innig geliebten Frau zu verwinden.

Katharina, damals gerade vierzehn, hatte ihm nach Kräften beigestanden. So war aus Vater und Tochter eine eingeschworene Gemeinschaft geworden, die bis auf den heutigen Tag Bestand hatte.

Dominik wusste, dass er sein Leben nur der liebenden Fürsorge seiner Tochter zu verdanken hatte. Ohne sie wäre er gewiss verzweifelt. So war er stolz und glücklich gewesen, als Katharina sich entschlossen hatte, den Haushalt im Forsthaus zu übernehmen. Und beide hatten diese Entscheidung nie bereut. Sie verstanden sich gut und wollten auch nach Dominiks Pensionierung weiter an einem Strang ziehen.

Der Förster hatte nämlich vor, in den Betrieb seines Cousins Matthias einzusteigen. Matthias Schneeberger und seine Frau Rita führten einen Ökohof in Grafenberg. Sie verdienten mit biologisch erzeugter Milch, Eiern und Fleisch ihren Lebensunterhalt und kamen recht gut über die Runden.

Vor einer Weile hatte Matthias seinem Cousin vorgeschlagen, sich mit ihm zusammenzutun, wenn dessen Dienst im Forsthaus endete. Die beiden Mannsbilder verstanden sich von Kindesbeinen an gut, und auch Katharina war mit dessen Tochter Stefanie befreundet, solange sie zurückdenken konnte. Wenn der Vater auf den Biohof zog, würde sie ihn begleiten.

Sie wollte zwar ihre Stelle als Hauserin im Forsthaus behalten, um aber kein Gerede aufkommen zu lassen, hatte sie sich entschlossen, bei den Verwandten einzuziehen. Dort gab es genügend Platz, Katharina hatte sich bereits eine eigene kleine Wohnung eingerichtet, und sie freute sich zudem darauf, mit Stefanie unter einem Dach zu leben.

Die beiden Madeln hatten ähnliche Interessen und verbrachten auch gern ihre Freizeit zusammen. Sie liebten beide die Natur ihres Heimattals, gingen oft wandern und versäumten keinen Tanz beim Ochsenwirt.

Stefanie war ein hübsches Madel mit haselnussbraunen Locken und klaren, rehbraunen Augen. Sie arbeitete als Kindergärtnerin. Allerdings hatte sie, im Gegensatz zu Katharina, eine etwas leichtlebige Ader. Sie sammelte Verehrer wie andere Briefmarken und sonnte sich gerne in der Bewunderung der Burschen. Deshalb dachte sie auch nicht daran, sich zu binden, sehr zum Leidwesen ihrer Eltern, die sich einen ordentlichen Schwiegersohn wünschten. Aber damit wollte Stefanie nicht dienen, sie liebte ihre Freiheit und tat, was ihr in den Dickschädel kam.

Katharina hingegen träumte im Stillen von der großen Liebe. Dass ihr irgendwann der Rechte über den Weg laufen würde, stand für sie fest. Und dass sie dies gleich auf den ersten Blick wissen würde, auch. Stefanie lachte ihre Großcousine nur aus, wenn diese davon sprach, und nannte sie »hoffnungslos romantisch«. In dem Punkt dachten die Madeln also grundverschieden, auch wenn sie sonst beste Freundinnen waren.

Sie blickte aus dem Fenster, als der Jeep des Vaters vor dem Haus hielt. Gleich darauf hörte sie den festen, wohlvertrauten Schritt in der Diele. Dominik kam herein, seinen treuen Wurzel dabei, einen fünfjährigen Deutsch Drahthaar. Der Vater brachte den Duft der frischen Herbstluft mit und einen ordentlichen Appetit.

»Wie schaut’s aus im Revier?«, fragte seine Tochter ihn, als sie am Tisch zusammensaßen.

»Alles in Ordnung«, erwiderte der Förster mit einem leisen Seufzer. Deutlich spiegelte sich die Wehmut in seinen Augen, und Katharina drückte leicht und tröstend seine Hand. Er hielt sie einen Moment lang fest, lächelte und meinte: »Es wird Herbst, das ist nimmer zu übersehen. Dann ist der Forst am schönsten. Mei, ich muss zugeben, es fällt mir net leicht, meinen Platz hier zu räumen. Ich bin halt ein sentimentaler Depp.«

»Du bist weder sentimental noch ein Depp, Vater«, widersprach sie ihm mit liebevoller Nachsicht. »Ich weiß doch, wie du an deiner Aufgabe hier hängst. Über dreißig Jahre lang hast du den Forst in Schuss gehalten, nie hat es eine Beschwerde gegeben. Das wird der Neue dir erst mal nachmachen müssen.«

»Ein bisserl neugierig bin ich schon auf den Burschen. Er kommt auch vom Land, ich hoffe, dass er mit so viel Elan und Sachverstand an seine Aufgaben geht, wie es nötig ist. Nur gut, dass sie uns keinen Städter geschickt haben.«

Sie lächelte. »Die Forstverwaltung weiß schon, was sie tut. Freust dich denn net schon ein bisserl auf deine neue Aufgabe?«

»Freilich. Als der Matthias auf Bio umgestellt hat, wäre ich seinerzeit gern gleich bei ihm eingestiegen, weil mich das gereizt hat. Und jetzt wird es gewiss auch noch Spaß machen. Richtig zupacken, das ist nach meinem Geschmack. Aber der Forst wird mir trotzdem fehlen. So rasch stellt man sich net um.«

»Das dauert halt seine Zeit. Übrigens hat die Tante Rita uns für heut zum Nachtmahl eingeladen. Der Onkel Matthias mag noch einiges mit dir besprechen wegen der alten Hühnerrassen.«

Dominik musste schmunzeln, als Wurzel leise fiepte, und meinte dann launig: »Ja, mein Guter, bald heißt es für uns beide nur noch Eier zählen und Küken einfangen. Das wird ein Spaß!«

Als hätte der treue Vierbeiner ihn verstanden, bellte er einmal mit Nachdruck und legte den Kopf schief, womit er Katharina und ihren Vater zu einem herzlichen, befreienden Lachen reizte. Es war ihnen beiden eben doch eher gemischt zumute, so wie das bei einem Abschied oft der Fall war. Sie gingen mit einem lachenden und einem weinenden Auge aus dem Alten ins Neue …

***

Der Schneeberger-Hof lag etwas außerhalb von Grafenberg, Richtung Oberbach. Das traditionsreiche Anwesen befand sich seit vielen Generationen im Familienbesitz und beeindruckte allein schon durch seine Größe und Ausdehnung. Man gelangte über eine Privatstraße zum Hof, die von der Landstraße abzweigte und von Bäumen gesäumt wurde. Im Sommer spendete diese Allee angenehmen Schatten.

Zu beiden Seiten befanden sich weit ausgedehnte Weideflächen und auch Pferdekoppeln. Die Tiere, die sich hier frei bewegen konnten, nutzten den Schatten an heißen Sommertagen für eine ausgiebige Siesta.

Das Haupthaus im oberbayerischen Stil wurde von Gesindehaus, Stallungen und Nebengebäuden wie Remise oder Heuschober eingerahmt. In der Mitte des kunstvoll gepflasterten Wirtschaftshofs stand eine alte Kastanie, um deren mächtigen Stamm eine Baumbank gebaut worden war. Hier saß man im lichten Schatten, die Bauersleute und auch das Gesinde nutzten diesen Platz gern, um am Feierabend gesellig beisammen zu sein.

Matthias und seine Frau Rita legten großen Wert auf ein freundliches Miteinander, alle Bewohner des Hofes nahmen die Mahlzeiten gemeinsam ein. Der Bauer besprach die anfallenden Arbeiten nicht nur mit dem Großknecht, sondern hörte sich gern von jedem, der eine Idee hatte, Vorschläge an. Auf diese Weise band er seine Angestellten an ihre jeweilige Aufgabe und gestand jedem eine gewisse Selbstständigkeit zu. Bei der oft mühsamen Arbeit in der biologischen Landwirtschaft war dies Motivation und Antrieb, sich zu engagieren.

Diese Einstellung gefiel auch Dominik, der sich um den Hühnerstall kümmern sollte. Schon seit einer Weile befasste der Förster sich mit der Materie, lernte alles über alte Rassen, die weniger anfällig für Krankheiten waren und in der Freilandhaltung gut zurechtkamen.

Matthias freute sich bereits darauf, wenn sein Cousin ihn bei der Hofarbeit unterstützen würde.

Als der am Abend zusammen mit seiner Tochter auf dem Hof erschien, fiel die Begrüßung wie immer sehr herzlich aus. Matthias war ein paar Jahre jünger als Dominik und sah im Stillen den älteren Bruder in ihm, den er nie gehabt hatte.

Gleich hockten die beiden sich zusammen und begannen mit dem Fachsimpeln, während Katharina der Bäuerin bei den letzten Vorbereitungen fürs Abendessen gern zur Hand ging.

Rita Schneeberger war eine zarte Blondine mit hellem Teint und klaren Augen. Ihr sanftes, liebes Wesen hatte sich als perfekte Ergänzung zum erdigen, manchmal etwas schroffen Charakter ihres Mannes erwiesen. Sie drückte Katharina zur Begrüßung und umfing das Madel mit einem sehr wohlwollenden Blick.

»Ist die Steffi net daheim?«, wollte Katharina wissen.

»Sie ist noch mal kurz ins Dorf.« Rita machte kein glückliches Gesicht. »Vermutlich hat sie eine Verabredung. Leider vergeht kein Tag, an dem sie net einen ihrer Verehrer an der Nase herumführen muss.«

»Aber Tante Rita, so arg ist die Steffi doch net!«

»Noch ärger, wenn du mich fragst.« Sie seufzte. »Wenn sie sich nur mal ein Beispiel an dir nehmen tät!«

»Die Menschen sind halt verschieden. Die Steffi flirtet gern und verdreht den Burschen den Kopf. Das ist net meine Art, aber ich finde es auch net wirklich schlimm. Sie meint es ja nie ernst.«

»Eben drum. Ihr zwei seit über zwanzig, da sollte man doch wirklich erwachsen sein. Und dafür, dass das möglich ist, bist du der lebende Beweis. Aber unser Madel benimmt sich wie ein dummes Kind, das von allem net genug bekommen kann. Ich sag es dir, Kat, eines Tages wird die Steffi ganz allein stehen, weil ein jeder, der sie kennengelernt hat, ihre Tricks und Schliche durchschaut und nix mehr mit ihr zu tun haben will. Denk an meine Worte!«

»Sie wird sich gewiss für den Rechten entscheiden, wenn es mal so weit ist«, meinte das Madel nachsichtig. »Auswahl hat sie ja schließlich genug.«

Wenig später saßen Bauersleute und Gesinde um den großen Holztisch im Esszimmer und nahmen gemeinsam das Nachtmahl ein. Es wurde viel erzählt und gelacht und es herrschte eine lockere, freundliche Atmosphäre, in der man sich wohlfühlen konnte.

Stefanie erschien eine halbe Stunde zu spät. Sie schmuggelte sich erfolglos neben Katharina, die ihr einem verschwörerischen Blick zuwarf. Den Vorwürfen der Mutter entging das lebenslustige Madel allerdings nicht. Doch Stefanie machte sich herzlich wenig daraus, als Rita ihr vorhielt, unhöflich zu sein und nur an sich selbst zu denken.

»Die Kat und der Onkel Dominik werden ja bald hier wohnen. Deshalb sind sie streng genommen gar kein Besuch, und ich hab keinen versetzt«, meinte Stefanie schnippisch, hängte sich bei ihrer Großcousine ein und schlug vor: »Gehen wir in dein neues Reich, da haben wir wenigstens unsere Ruhe!«

Katharina wechselte einen kurzen Blick mit der Bäuerin, der diese um Verzeihung bat. Doch Rita hatte sich ja nicht über sie geärgert, sondern wieder einmal über Stefanies unmögliches Verhalten. Und nicht zum ersten Mal wünschte sie sich heimlich Katharina zur Tochter …

»Wo warst du denn auch so lange?«, wollte diese wissen, als sie zusammen auf ihrem Sofa in der kleinen, aber gemütlichen guten Stube ihrer neuen Wohnung saßen. »Deine Mama meinte, du hättest mal wieder eine Verabredung gehabt.«

»Was die alles weiß! Aber diesmal lag sie richtig.« Stefanie blitzte der Schalk aus den rehbraunen Augen. »Ich war im Nessler Tal, beim Lukas. Mei, es war wirklich recht nett.«

»Bei den Angerers? Das kann doch net dein Ernst sein!«

»Und warum net? Ich mag den Lukas. Er ist schon okay, wenigstens kein so öder Spießer wie die meisten Junglandwirte im Tal. Er hat Ideen und traut sich auch, sie umzusetzen.«

»Darauf wette ich«, kam es ein wenig abwertend von Katharina.

»Was meinst du? Gibst du vielleicht auch was auf das dumme Gerede über die Angerers? Das ist doch alles nur ein Schmarren.«

»Ich weiß net … Mein Vater sagt, der alte Angerer war seinerzeit ein fleißiger Wildschütz. Bis der Gendarm ihm auf die Schliche gekommen ist, hat er den Ochsenwirt ganz schon angeschmiert mit seinen »Hammelkoteletts«. Und seine Söhne sollen auch rechte Schlitzohren sein. Von denen geht doch keiner einer geregelten Arbeit nach.«

»Na und? Sie kommen auch so über die Runden. Ich mein, das zählt, oder?« Stefanie lächelte versonnen. »Der Lukas ist schon okay, ich fühl mich wohl bei ihm, und es wird niemals langweilig, wenn wir beisammen sind.«

»Und was sagen deine Eltern dazu? Oder hast du es ihnen verschwiegen?«

»Freilich. Die dürfen nix davon wissen. Was glaubst du, wäre los, wenn sie erfahren, dass ich den Lukas gern hab!«

»Deine Eltern sind doch keine Spießer. Sie würden es vielleicht sogar verstehen. Ich finde, es käme auf einen Versuch an. Falls du es wirklich ernst meinst mit dem Lukas …«

»Ernst?« Stefanie lachte prustend. »Das fehlte noch! Ich bin gern mit ihm beisammen. Jedenfalls im Moment. Wie das in vier Wochen ausschauen wird, ist eine ganz andere Frage. Und wozu sich deshalb Ärger mit den Eltern einhandeln?«

»Mei, Steffi, du hast es faustdick hinter den Ohren. Manchmal verstehe ich dich wirklich net«, musste Katharina zugeben.

»Und ich versteh dich gleich zweimal net«, scherzte das Madel locker. »Wir sind doch nur einmal jung. Irgendwann ist das vorbei. Dann wird es ernst, dann musst du ein ›vernünftiges‹ Leben anfangen. Die Zeit, die einem bis dahin bleibt, sollte man nutzen. Sonst ist man später nur unzufrieden und denkt, man hätte was Wichtiges versäumt.«

»Was soll man denn versäumt haben? Den Lukas Angerer? Also, auf den verzichte ich gern.«

»Net ein jeder hockt wie die Prinzessin auf der Erbse und wartet auf seinen Traumprinzen. Schließlich muss man doch auch mal am Sahnetopf schlecken, bevor man den Kuchen isst.«

»Steffi!« Das Madel konnte nur noch den Kopf schütteln.

»Schon recht, vergiss es! Jeder wie er mag. Aber wenn ich das nächste Mal mit dem Lukas ausgehe, dann komm doch mit! Seine Brüder sind auch ganz nett. Wir machen uns einen lustigen Abend. Hernach wirst du einsehen, dass ich gar net so falschgelegen hab, und alles vielleicht auch mal ein bisserl lockerer sehen.«

Katharina machte ein skeptisches Gesicht. »Ich glaub net, dass das nach meinem Geschmack wäre.«

»Na schön, wie du willst. Aber verrat mich bitt schön net bei den Eltern!«

»Keine Sorge, ich kann schweigen. Wozu hat man schließlich Freunde?«

»Du bist lieb«, kam es spontan von Stefanie. Und verschmitzt fügte sie gleich noch hinzu: »Fast zu lieb, finde ich …«

***

Eine Woche später kam Sebastian Schubert nach Grafenberg. Der junge Förster, der bislang in Berchtesgaden gewohnt und gearbeitet hatte, traf mit dem Zug in Bayrischzell ein und fuhr von dort aus mit dem Bus weiter. Sebastian besaß kein eigenes Auto, denn bislang hatte er keines gebraucht. In Berchtesgaden konnte er die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen und hatte sich so daran gewöhnt, dass er auch zu seiner neuen Anstellung mit Bus und Bahn reiste.

Der Bursch stammte aus einfachen Verhältnissen, von einem kleinen Hof in Schlehbusch, einem winzigen Flecken im Berchtesgadener Land. Dort war er mit seinen fünf Geschwistern aufgewachsen. Seine Brüder waren alle bei anderen Bauern eingestanden, seine Schwester Resi, ein besonders hübsches Madel, hatte einheiraten können. Ihr ging es nun besser, aus ihr war eine angesehene Bäuerin geworden.

Als Sebastian seinerzeit den Wunsch geäußert hatte, in den Forstdienst zu gehen, hatte der Vater ihn als Waldarbeiter unterbringen wollen. Doch der kluge und ehrgeizige Bursch wollte mehr. Da er von seinen Eltern keine Unterstützung erwarten konnte, hatte Sebastian schon als Schüler nebenher gejobbt und sich später so auch sein Studium verdient.

Freilich waren die Eltern sehr stolz auf ihn. Und dass er nun sein eigenes Forstrevier bekam, hatten sie kaum glauben können. Gerührt dachte er daran, wie die Mutter bei seinem letzten Besuch daheim ein Foto von ihm im grünen Loden im Herrgottswinkel aufgestellt und andächtig betrachtet hatte.

Sebastian war es also von klein auf gewöhnt, sparsam und fleißig zu sein. Er entbehrte dabei nichts, denn sein Beruf füllte ihn aus. Förster zu werden war zugleich sein Ziel und sein großer Traum, den er nun erreicht hatte.

Während des Studiums hatte der Bursch stets diszipliniert und ausdauernd gelernt. Wenn seine Kollegen ausgingen und feierten, blieb er in seinem winzigen möblierten Zimmer und bereitete sich auf seine Kurse vor. So hatte er bald den Ruf eines Strebers und einer Spaßbremse weg, doch das war ihm einerlei. Er hatte ein Ziel, das es zu erreichen galt.

So manches Madel hatte bereits während der Studienzeit ein Auge auf den feschen, hochgewachsenen Burschen mit dem dunklen Haar und den tiefblauen Augen geworfen. Sebastian war einem Flirt nicht abgeneigt. Doch den meisten Madeln war er zu ernst und strebsam. Sie verloren bald das Interesse, wandten sich lieber anderen zu, die feierten und das Geld mit vollen Händen ausgaben.

Sebastian hatte die Erfahrung gemacht, dass seine ernsthafte Art nicht sehr gefragt war, dass viele Madeln es eher oberflächlich liebten. Das wiederum mochte er nicht, und deshalb war er mit Ende zwanzig noch einschichtig.

Trotzdem war er überzeugt, dass es irgendwo ein Madel gab, das so war wie er. Ein Madel, das nicht nur die Oberfläche sah, sondern auch hinter die Dinge schaute, das ernst und klug war und zugleich wusste, wie schön das Leben sein konnte. Sollte ihm dieses Madel eines Tages über den Weg laufen, dann würde auch er sein Glück finden, das glaubte er fest.

Freilich sprach er nie darüber, nicht mit Freunden und schon gar nicht mit seinen Brüdern oder seinem Vater. Er wusste, dass die ihn nur ausgelacht hätten. Sie nahmen das Leben, wie es kam, und waren der Meinung, dass man möglichst viel erleben sollte, um nicht zu kurz zu kommen. Für tiefschürfende Gedanken blieb da kein Platz.

Während Sebastian nun mit seinem Koffer vom Marktplatz aus zum Forsthaus marschierte, schaute er sich mit offenen Augen um und stellte fest, dass Grafenberg und seine Umgebung ein herrliches Fleckerl Erde waren. Der weite Himmel, die Berge, die klare Luft, die tiefen Wälder; all das erinnerte ihn an daheim und war doch ganz anders.

Das Berchtesgadener Land mit all seinem Liebreiz stach von der spröden Schönheit des Tals am Fuße des Wendelsteins ab. Hier war alles viel ursprünglicher. Der Bursch fühlte sich gleich wohl. Er grüßte jeden freundlich, der ihm über den Weg lief, und störte sich nicht an den neugierigen, teils auch misstrauischen Blicken der Einheimischen. Schließlich war er ein Fremder im Tal von Grafenberg und musste sich erst einleben.

Doch das sollte ihm gelingen, das hatte er sich fest vorgenommen. Sebastian wollte in seiner ersten Anstellung alles geben und mit Leib und Seele seine Arbeit tun. Sein Vorgänger sollte stolz auf ihn sein, die Gemeinde und das Forstamt zufrieden. Das war sein Ziel, und er war entschlossen, es zu erreichen. Mit forschem Schritt folgte der junge Waidmann dem Waldweg, der zum Forsthaus führte.

Am Vortag hatte er mit Dominik Schneeberger telefoniert, der ihm ausführlich den Weg beschrieben hatte, sodass er nun keine Schwierigkeiten hatte, sich zurechtzufinden. Es war ein sonniger und noch angenehm warmer Herbsttag. Unter dem Dach der himmelhohen Föhren blieb die Luft kühler. Sie war ein wenig feucht und schmeckte würzig nach Moos, Baumrinde und Fichtennadeln. Sebastian atmete tief durch und fühlte sich wie befreit. Nirgendwo sonst war die Luft so frisch und rein wie im Forst.

Er liebte diese Umgebung, solange er denken konnte. Und das war auch einer der Gründe, weshalb er diesen Beruf ergriffen hatte. Nach einem Marsch von einer knappen halben Stunde hatte der Bursch sein Ziel erreicht. Einen Moment lang blieb er stehen und schaute sich das Forsthaus an, nachdem die Föhren zurückgeblieben waren.

Gemütlich und anheimelnd schaute es aus, so, als hätte es schon immer hier an diesem Platz gestanden. Einladend wirkten die späten Sommerblumen in den Fensterkästen. Ein Duft von frischgebackenem Kuchen stieg dem Ankommenden in die Nase. Und gleich darauf schlug ein Hund an, meldete Sebastians Ankunft.

Nur einen Augenblick später trat ein Madel in die Haustür und schaute sich um. Ihr Anblick traf Sebastian wie der sprichwörtliche Blitz aus heiterem Himmel.

Zauberhaft schaute sie aus, schön wie ein Engerl. Das blonde Haar war zu einem lockeren Knoten hochgesteckt. Über einer hellen Bluse und Jeans trug sie eine Schürze. Offenbar hatte sie gerade noch in der Küche zu tun gehabt. Als sie Sebastian bemerkte, der noch ein Stück entfernt war, zeigte sich ein freundliches Lächeln auf ihren ebenmäßigen Zügen. Ihre Blicke trafen sich, versponnen sich ineinander, und für eine wundersame, kleine Ewigkeit schienen ihre Seelen einander zu erkennen.

Dann setzte der Bursch sich in Bewegung und ging auf Katharina zu. Sie zog rasch die Schürze aus und streckte ihm die Hand entgegen. Wurzel trabte auf den Besucher zu, beschnüffelte ihn und wedelte dann zutraulich mit dem Schwanz.

»Der Herr Schubert, nehme ich an«, sagte sie herzlich. »Grüß Gott und herzlich willkommen im Forsthaus von Grafenberg! Ich bin die Katharina Schneeberger, die Hauserin da herinnen.«

Sebastian schaltete gleich. Katharina war offenbar die Tochter seines Kollegen. Er wusste, dass es ihm hier gefallen würde.

»Grüß Gott! Ein netter Empfang ist das.«

»Ich hab eigentlich auf ein Auto gelauscht. Dass Sie zu Fuß kommen, damit hab ich net gerechnet.«

»Auf Schusters Rappen erkundet man die Welt intensiver«, scherzte er und betrachtete sie auf eine Weise, die ihr Herz unruhig schlagen ließ. »Es ist sehr schön hier.« Dabei hielt sein Blick sie umfangen, was Katharina noch verlegener machte.

»Kommen Sie nur herein und stellen Sie Ihren Koffer ab!«, bat sie und senkte die Lider. »Der Vater wird bald zurück sein, er musste im Forst nach dem Rechten sehen.«

»Worum ging es denn?«, fragte Sebastian interessiert.

»Die Waldarbeiter schneiden einen alten Wanderweg frei. An einer Stelle sind sie nimmer weitergekommen. Der Vater kennt sich genau aus, der wird ihnen zeigen, wo es langgeht. Wissen Sie, unser Verschönerungsverein will eine aktuelle Wanderkarte herausgeben. Die Leut sollen neue Strecken erkunden, aber im Grunde sind die Wege alle alt.«

Der Bursch stellte seinen Koffer in der Diele ab und folgte Katharina in die Küche, wo sie nach ihrem Hefezopf schaute.

»Ach, gehen Sie nur in die gute Stube!«, bat sie ihn. »Die letzte Tür auf der rechten Seite. Ich komme gleich nach. Sie trinken doch ein Haferl Kaffee mit mir, bis der Vater kommt, net wahr?«

Er lächelte ihr jungenhaft zu. »Da sag ich net Nein.«

***

Als Katharina allein war, atmete sie ganz tief durch. Was sie gerade erlebt hatte, wollte zunächst einmal verdaut werden. Denn sie hatte das deutliche Empfinden, ihrem Traumprinzen begegnet zu sein. Ein Blick in Sebastians Augen hatte genügt, um diese Gewissheit in ihr entstehen zu lassen. Doch es war natürlich nicht ihre Art, sich einem Burschen an den Hals zu werfen, den sie gerade erst seit fünf Minuten kannte. Ein so spontanes Verhalten hätte vielleicht zu Stefanie gepasst, nicht aber zu Katharina.

Also nutzte sie die kurze Zeitspanne, in der sie Kaffee und Kuchen auf einem Tablett anrichtete, um ihre in Unordnung geratenen Gefühle wieder in ruhigere Bahnen zu lenken. So ganz wollte ihr das aber nicht gelingen, denn ihr Herz pochte allein bei dem Gedanken an den Gast in der guten Stube überaus ungestüm und sehnsüchtig.

Dass es Sebastian nicht anders erging, konnte Katharina freilich nicht ahnen. Sie hielt seine erste Reaktion für reine Freundlichkeit und seine Blicke für ganz normales Interesse. Doch mit dieser Einschätzung lag das Madel falsch. Denn auch das Herz des jungen Försters war auf den ersten Blick entflammt.

Als Katharina mit ihrem Tablett die gute Stube betrat, erhob Sebastian sich gleich, um sie von ihrer Last zu befreien. Dabei berührten sich ihre Hände, und es war beiden, als träfe sie ein leichter elektrischer Schlag. Erschrocken zuckte Katharina zurück. Glücklicherweise hatte Sebastian das Tablett bereits fest im Griff, sonst wären der Kaffee und der süß duftende Hefezopf gewiss auf den Holzdielen und dem Fleckerl gelandet.

»Hm, riecht das gut!«, lobte der Bursch. Sein jungenhaftes Lächeln machte Katharina schon wieder verlegen. »Da habe ich wohl Glück mit meiner Hauserin.« Er griff gerne zu, und sie stellte klar: »Wenn Sie die regionale Küche mögen, schon. Und Backen ist eines meiner liebsten Hobbys.«

»Das trifft sich gut. Ich liebe nämlich Süßigkeiten, müssen Sie wissen. Wenn die Mama früher das Weihnachtsgebäck im Backofen hatte, war ich der Erste, der sich den Mund verbrannt hat.«

Das Madel musste lachen. »Plätzchen, Kuchen und süße Nachspeisen sind meine Spezialität.«

Sebastian zwinkerte ihr verschwörerisch zu und meinte locker: »Gut zu wissen.«

Seine natürliche Art nahm ihr die Befangenheit, und es dauerte nicht lange, dann saßen sie beisammen wie alte Freunde und plauderten ganz entspannt miteinander. Trotzdem war es mit Sebastian für Katharina anders als mit allen anderen. Er war ihr zugleich fremd und vertraut. Oft wusste sie schon, was er sagen wollte, noch bevor er es aussprach. Und dann traf sie ein Blick oder ein Wort von ihm wieder unvorbereitet mitten ins Herz.

Der Bursch aber fühlte sich bei ihr sogleich ganz daheim. Süß und bezaubernd war ihre Nähe für ihn, und ein Gefühl von tiefem, innigem Glück erfüllte sein Herz.

Für beide hätte dieser Nachmittag kein Ende haben müssen, denn sie genossen jede Minute. Doch bald kehrte Dominik aus dem Forst zurück und begrüßte seinen jungen Kollegen freundlich. Nun war es an Katharina, sich zurückzuziehen. Widerwillig verließ sie mit dem Hinweis aufs Nachtmahl die gute Stube. Und der Blick, den Sebastian ihr zuwarf, verriet ihr, dass er ebenso empfand. Da ging sie leichten Herzens und ganz beschwingt hinaus.

Die Kollegen hockten sich im Arbeitszimmer zusammen und fanden auf Anhieb den rechten Tonfall. So wie Sebastian sich bei Katharina spontan wohl und daheim gefühlt hatte, so herrschte zwischen ihm und dem älteren Kollegen sogleich Harmonie.

Dominik konnte feststellen, dass Sebastian eine Menge von der Materie verstand. Und auch wenn er bislang noch kein eigenes Revier geleitet hatte, waren seine Ideen und Vorstellungen doch klug und hatten Hand und Fuß. Der Bursch zeigte sich allerdings überrascht, als er erfuhr, wie modern sein Kollege dachte.

»Nachhaltige Forstwirtschaft wird an der Uni noch als Trend und zukunftsweisend gehandelt«, meinte er. »Ich seh, Sie setzen dieses Prinzip hier bereits seit ein paar Jahrzehnten um. Meinen Respekt, Herr Kollege. Das hab ich wirklich net erwartet.«

Dominik lächelte angedeutet. »Praxis geht vor Theorie.«

»Das seh ich jetzt. Hätten Sie denn Zeit, mir gleich das Revier zu zeigen? Ich muss zugeben, dass ich so recht drauf brenn, mir alles anzuschauen.«

»Freilich, das verstehe ich. Aber in einer halben Stunde gibt’s Abendbrot, da ist die Kat eisern. Und es empfiehlt sich net, die Hauserin zu verärgern«, scherzte der alte Förster. »Hernach haben wir nimmer lang genug Tageslicht. Deshalb würde ich vorschlagen, Sie zügeln Ihren Elan bis morgen früh. Dann können wir gleich nach dem Frühstück zu einer ausgiebigen Revierbegehung aufbrechen, einverstanden?«

Sebastian dachte an Katharina und nickte. »Einverstanden.«

Beim gemeinsamen Abendessen fragte Dominik den neuen Kollegen ein wenig aus. Dieser nahm ihm das kleine Verhör nicht übel und gab bereitwillig Auskunft. So erfuhr Katharina einiges über den Burschen, was ihn ihr noch sympathischer machte; wenn das überhaupt möglich war. Das Madel beteiligte sich kaum an dem Gespräch, es hörte lieber zu.

Nach dem Essen nahm Dominik eine Flasche Enzian und zwei Stamperln aus dem Schrank und bot Sebastian das Du an. Dieser stieß gern mit dem älteren Kollegen an und freute sich, dass man es ihm im Forsthaus so leicht machte, sich einzufügen.

»Wenn du mit der Kat auch ein Stamperl leeren magst, Sebastian, ich hab nix dagegen«, scherzte Dominik gut aufgelegt. Er war froh, es mit seinem Nachfolger so gut getroffen zu haben. Katharina wurde rot und bedachte ihren Vater mit einem tadelnden Blick, woraufhin der nur lachte.

In diesem Moment wurde draußen am Klingelstrang gezogen.

»Das wird die Steffi sein, wir wollten nachher auf der Lichtung am Kreuzkogel nach den ersten Schwammerln schauen«, meinte das Madel, erleichtert und zugleich enttäuscht.

»Ich räum nur vorher noch rasch den Tisch ab.«

»Hast du im Gastzimmer alles für den Sebastian gerichtet?«, wollte der Vater wissen, bevor sie die Stube verließ.

»Ja, freilich. Wenn Sie kurz warten, zeig ich Ihnen das Zimmer«, bot sie dem Burschen freundlich an.

»Ich hab Zeit«, versetzte der mit einem wohlwollenden Blick, der Dominik keineswegs entging. Der alte Förster steckte sein Feierabendpfeiferl in Brand und machte sich so seine eigenen Gedanken …

Katharina hatte derweil ihrer Großcousine die Haustür geöffnet und berichtete, was es Neues gab, während sie das Geschirr in die Spülmaschine räumte. Stefanie zeigte sofort Interesse.

»Ein fescher Bursch, sagst? Den muss ich mir anschauen.«

»Ich zeig ihm gleich sein Zimmer, dann kannst du ihn kennenlernen, wenn du magst«, bot Katharina arglos an.

Stefanie lächelte hintergründig. »Und ob ich mag!«

Freilich gefiel Sebastian dem Madel auf Anhieb. Stefanie scheute sich nicht, mit dem fremden Burschen sofort eine lockere Unterhaltung anzuknüpfen. Und sie stellte sich dabei so geschickt an, dass Sebastian ihr nicht gleich wieder auskam und Katharina keine Gelegenheit hatte, sich an dem Gespräch zu beteiligen. Schließlich mahnte diese ihre Großcousine, dass man nun aufbrechen müsse, solange es noch hell sei.

Und als Stefanie sie nur verständnislos musterte, erinnerte das Madel sie mit leichtem Tadel: »Die Schwammerln …«

»Ach so, ja stimmt.« Sie schenkte dem jungen Förster ein schmelzendes Lächeln. »Dann bis bald! Man sieht sich, gelt?«

»Gewiss«, versetzte der, leicht genervt. Dieses Madel war zwar hübsch, aber für seinen Geschmack eine Spur zu aufdringlich. Zumal es Sebastian davon abhielt, mit Katharina allein zu sein.

Die Freundinnen verließen gleich darauf das Forsthaus. Die Sonne war bereits untergegangen, mehr als eine Stunde Tageslicht blieb ihnen nicht. Doch die Lichtung am Kreuzkogel lag ganz in der Nähe und war schnell erreicht. Dort überließ Stefanie es allerdings Katharina, nach Schwammerln Ausschau zu halten.

»Was ist denn los mit dir? Du bist so still«, wunderte diese sich. »Geht dir was im Kopf herum?« Dass Stefanie mit den Gedanken noch bei Sebastian und der Frage war, wie sie ihn für sich gewinnen konnte, ahnte Katharina nicht. Schließlich war sie es gewohnt, dass ihre Großcousine ständig flirtete, und dachte sich nichts dabei. »Hast dich vielleicht mit dem Lukas gestritten?«

»Was? Schmarren! Ich frag mich, ob dein neuer Chef gebunden ist. Meinst, da kommt noch eine Verlobte oder Ehefrau nach?«

»Der Sebastian ist noch einschichtig.«

»Das glaubst du doch selbst net. Dass so ein Prachtexemplar noch frei herumläuft.« Sie begegnete dem tadelnden Blick der Freundin und tat harmlos. »War nur ein Scherz.«

»Gefällt er dir?«

»Nicht schlecht. Er würde sich gut in meiner Sammlung von Verehrern machen«, sinnierte das Madel.

Katharina lächelte spöttisch. »So einer ist der Sebastian net, glaub ich. Er ist viel zu ernst und bodenständig für dich.«

»So? Ich glaub, da kann man geteilter Meinung sein.«

***

Als Sebastian am nächsten Morgen erwachte, fühlte er sich wie neu geboren. Die Sonne war eben aufgegangen und schickte ihre goldenen Strahlen in seine Schlafkammer. Mit Schwung stand der Bursch auf, trat hinter das Fenster und öffnete beide Flügel weit. Tief atmete er die frische, würzige Morgenluft ein, lauschte auf das betörende Vogelkonzert und spürte ein Glück und eine Zufriedenheit in sich aufsteigen wie nie zuvor. Zugleich hatte er das deutliche Gefühl, heimgekommen zu sein.

Das Haus im Forst hatte ihm auf Anhieb gefallen, hier hatte er sich spontan wohlgefühlt. Und das war auch jetzt noch der Fall. In der Nacht hatte der Bursch tief geschlafen, und nun war er voller Elan. Die neue Aufgabe, die auf ihn wartete, wollte er sogleich anpacken.

Rasch ging Sebastian unter die Dusche und kleidete sich an. Als er wenig später die Küche betrat, duftete es dort bereits nach frischem Kaffee und Pfannkuchen.

Katharina stand im Herd, lächelte ihm lieb zu und erschien ihm schöner als zuvor. Ihr blondes Haar leuchtete im Morgenlicht wie pures Gold. Die klaren Augen strahlten. Und sie trug ein reizendes Dirndl, das ihre schlanke, gut gewachsene Figur sehr vorteilhaft zur Geltung brachte. Hatte sie sich für ihn so hübsch gemacht? Bei diesem Gedanken schlug sein Herz gleich höher.

»Gut geschlafen?«, fragte sie, während sie den Tisch deckte und ihm schon ein Haferl Kaffee eingoss. »Sie wissen doch bestimmt, wie es heißt. Dass das, was man in der ersten Nacht in einem fremden Bett träumt, in Erfüllung geht.«

Der junge Förster lächelte vielsagend. Er erinnerte sich an einen Traum, in dem Katharina die Hauptrolle gespielt hatte … »Ich hoffe sehr, dass dieser Spruch der Wahrheit entspricht«, gab er mit einem ausgeprägten Schmunzeln zu.

In diesem Moment betrat Dominik die Küche. Die beiden Förster unterhielten sich während des Frühstücks über die anstehende Waldbegehung und die Aufgaben, die an diesem Tag zu erledigen waren. Katharina hielt sich aus dem Gespräch heraus. Bevor Sebastian und ihr Vater aber das Haus verließen, fragte sie den Burschen, ob er einen besonderen Wunsch fürs Mittagsmahl habe.

»Ich lass mich überraschen«, beschloss er mit einem charmanten Lächeln. »Vor allem, was die Nachspeise angeht.«

Das Madel errötete ein wenig und erwiderte sein Lächeln. »Da wird mir schon was einfallen«, versprach sie.

Katharina kramte ihr Kochbuch heraus, denn sie wollte an diesem Tag etwas Besonderes zubereiten. Den Krustenbraten mit Knödeln und Blaukraut hatte sie bereits anfangs der Woche eingeplant. Doch die Süßspeise sollte etwas ausgefallener sein. Und es dauerte nicht lange, dann wurde die junge Hauserin fündig. Mandelcreme mit eingelegten Kirschen, die würde Sebastian ganz gewiss munden.

Geschwind machte Katharina sich ans Werk. Sie summte die ganze Zeit ein fröhliches Lied vor sich hin.

Am Mittag stand Stefanie vor der Tür. Offenbar hatte sie Mittagspause. Katharina musterte die Freundin verdutzt. »Ist was passiert? Mit dir hab ich gar net gerechnet«, wunderte sie sich.

Stefanie folgte ihr in die Küche, wo es bereits verführerisch duftete, und musste schlucken. »Mei, riecht das fein! Du bist ja eine Meisterköchin, Kat. Und ich krieg net einmal ein gescheites G’röstel zustande.«

»Wenn du magst, kannst mitessen, es ist genug da.«

»Gern. Ich hab heut Nachmittag frei, mein Urlaub fängt ja morgen an. Und daheim ist es mir zu hektisch. Der Vater baut den Hühnerstall aus, die neuen Freiläufe sind auch noch net ganz fertig. Da hab ich mir gedacht, bevor ich noch helfen muss, besuche ich lieber die Kat. Wo ist denn die Neuerwerbung?«

Katharina warf dem Madel einen strengen Blick zu.

»Tut mir leid, ich will versuchen, meine Zunge im Zaum zu halten. Kann ich dir vielleicht was helfen?«

»Bleib nur sitzen, wo du bist! Mit deinem Talent wirst du mir noch die Mandelcreme zum Gerinnen bringen.«

»Mandelcreme mit eingelegten Herzkirschen? Mei, du willst dich beim neuen Förster wohl unentbehrlich machen. Oder hast du dich an den Spruch erinnert, dass Liebe durch den Magen geht?«

»Geh, red net so daher! Ich tu hier nur meine Arbeit«, stellte Katharina ein wenig ungehalten klar.

»Ist schon recht.« Stefanie musterte sie hinterlistig. Wie es schien, hatte Katharina ein Auge auf den feschen Sebastian geworfen. Kein Wunder, er war ja auch nicht zu übersehen. Doch Stefanie hatte längst beschlossen, dass sie den neuen Förster für sich gewinnen würde. Da konnte sie auf Katharina keine Rücksicht nehmen. Zudem war das selbstbewusste Madel fest davon überzeugt, dass sie Sebastian viel besser gefiel als ihre zurückhaltende Großcousine …

Als die beiden Förster zur Mittagszeit heimkamen, war Sebastian noch ganz erfüllt von all den Eindrücken der Waldbegehung. Er berichtete Katharina mit Feuereifer, was er alles gesehen hatte, und übersah Stefanie dabei völlig. Diese behielt ihn mit einem eher missmutigen Blick im Auge. Nicht nur, dass er sie ignorierte, er benahm sich auch recht langweilig. Was konnte denn an ein paar Bäumen und einem Haufen Unkraut so faszinierend sein?

Fast schien es Stefanie, als hätte sie sich im neuen Förster getäuscht. Auch wenn er sehr attraktiv war, machte er nun doch den Eindruck eines ausgemachten Langeweilers auf sie. Katharina hingegen lauschte ihm fast andächtig. Wäre Stefanie nicht so eitel und selbstverliebt gewesen, hätte sie Sebastian nach diesem Tag wohl keines Blickes mehr gewürdigt und sich wieder all jenen Burschen zugewandt, die ihr wie treu ergebene Sklaven folgten.

Doch Sebastian gefiel ihr vor allem äußerlich. Und das bedeutete, sie musste ihn haben. Sie würde erst zufrieden sein, wenn er zu der Schar ihrer Verehrer gehörte, selbst wenn sie sich dann gar nicht mehr für ihn interessieren sollte.

Also wartete sie einen günstigen Moment ab und folgte dem Burschen dann, um mit ihm allein zu sein. Sebastian, der einige Unterlagen aus dem Büro holte, musterte sie irritiert, als sie die Tür hinter sich schloss und sich mit einem verführerischen Lächeln dagegen lehnte. Wollte er das Büro verlassen, dann musste er an ihr vorbei, einen anderen Weg gab es nicht.

»Die Kat hat mir erzählt, dass du noch einschichtig bist«, sagte sie und ging gleich zu der vertraulichen Anrede über. »Wie kommt’s? Bist du vielleicht zu wählerisch oder zu schüchtern?«

»Weder noch. Ich hab nur noch net das richtige Madel gefunden«, erwiderte er ruhig. »Und jetzt würde ich gern wieder in die gute Stube gehen.«

»So? Und wer hindert dich daran?«

Er trat neben sie, legte die Hand auf die Türklinke und verzog leicht den Mund, als Stefanie sich an ihn schmiegte. Ihr verheißungsvoller Blick sprach Bände. Behutsam, aber entschieden schob er sie von sich und wollte die Tür öffnen.

»Du bist net schüchtern, sondern unhöflich«, stellte sie da in beleidigtem Tonfall fest. »Magst du vielleicht keine Madeln?«

Der junge Förster lächelte schmal. »Wer dich net mag, der mag keine Madeln, so denkst du doch, oder?«

Ihre Augen blitzten ihn wütend an. »So eine Frechheit! Was bildest du dir ein! Ich hab’s net nötig, mich beleidigen zu lassen, bloß weil ich freundlich zu dir gewesen bin. Weißt du was? Ich werde der Kat man ein Lichterl aufstecken, was dich betrifft. Du bildest dir anscheinend ein, dass du bei ihr landen kannst. Wenn du dich da nur net täuschst. Sie hat nämlich einen ganz erlesenen Geschmack.«

»Du meinst, du bist weniger wählerisch?«

Stefanie setzte eine hochmütige Miene auf, als sie entgegnete: »Du wirst dich noch wundern, Sebastian. In Grafenberg gibt es keinen Burschen, der mir net zu Füßen liegt. Und du bildest da auch keine Ausnahme, warte es nur ab!« Damit drehte sie sich um und stolzierte hoch erhobenen Hauptes aus der Stube.

Der junge Förster lächelte verächtlich. Wenn das tatsächlich stimmte, dann rannten die Burschen des Dorfes wohl dem falschen Madel nach. Doch das konnte ihm nur recht sein. Denn sein Herz schlug eindeutig für die Richtige!

***

»Na, was denkst? Geht das so?« Matthias wies über die neu eingezäunten Freilaufflächen hinter dem Hühnerhaus.

Dominik nickte zufrieden. »Wunderbar. Und hier wachsen genau die Wildkräuter, die für den besonders feinen Geschmack der Eier so wichtig sind. Da hast du die rechten Wiesen ausgesucht.«

»Dann kannst ja bald loslegen mit deiner neuen Arbeit bei uns auf dem Hof«, meinte der Biobauer.

»Eine Weile bleib ich noch im Forsthaus, bis der Sebastian in allem firm ist. Aber ich schau schon mal jeden Tag hier vorbei«, versprach der alte Förster und lächelte schmal. »Das macht mir den Übergang ein bisserl leichter.«

»Ist schon recht.« Matthias vergrub die Hände in den Hosentaschen und schlenderte neben seinem Cousin zurück zum Haus. »Wie macht er sich denn so, der Neue? Die Stefanie erzählt wahre Wunderdinge über ihn. Ich werde den Eindruck net los, dass sie einen Narren an dem Burschen gefressen hat.«

»Mag sein. Aber er schaut mehr nach der Kat«, wusste Dominik.

»Aha, am End ist er noch ein Schürzenjäger im grünen Rock.«

»Das gewiss net.« Sein Lächeln vertiefte sich. »Der weiß schon, was er will.«

Matthias machte ein nachdenkliches Gesicht. »Unser Madel verbringt die meiste Zeit im Forsthaus. Es hat fast den Anschein, als ginge sie auf den Sebastian aus. Eigentlich hat sie im Urlaub verreisen wollen. Aber jetzt hat sie nur noch eines im Sinn. Ob das was zu bedeuten hat?«

»Ihr wünscht euch einen soliden Schwiegersohn, gelt? Aber der Sebastian kümmert sich net um die Steffi. Er hat nur Augen für meine Kat. Das war vom ersten Moment an so.«

»Wenn das so ist, warum rennt unser Madel allerweil ins Forsthaus?«, wunderte der Bauer sich. »Sie ist noch nie einem Burschen nachgelaufen. Es war immer andersherum.«

Dominik hob die Schultern und gab zu bedenken: »Die Dinge können sich ändern.«

Tatsächlich verbrachte Stefanie auch diesen Tag im Forsthaus. Eine Woche war nun vergangen, seit sie Sebastian Schubert zum ersten Mal begegnet war. Das hübsche Madel hatte bereits alle Register seiner Verführungskunst gezogen, ohne bei seinem Auserwählten auch nur einen Schritt weitergekommen zu sein.

Der junge Förster strafte sie mit Nichtbeachtung. Und wenn es gar nicht anders ging, dann fertigte er sie mit ein paar knappen Sätzen ab. Er ließ sich auf nichts ein und zeigte ihr bei jeder sich bietenden Gelegenheit überdeutlich, dass er kein Interesse an ihr hatte. Dabei konnte Sebastian nicht ahnen, dass er das Madel mit seinem Verhalten nur immer mehr reizte. Stefanie wollte und konnte nicht begreifen, dass es einen Burschen gab, der ihr gefiel und der nichts von ihr wissen wollte.

Freilich achtete sie darauf, sich vor Katharina keine Blöße zu geben. Wenn sie Sebastian Avancen machte, dann nur, sobald ihre Großcousine nicht in der Nähe war. Katharina sollte nicht merken, welches gemeine Spiel sie spielte. Für sie war und blieb Stefanie die beste Freundin. Und Sebastian war es zuwider, hinter ihrem Rücken über Steffi zu reden. Er schwieg und spielte dem hinterlistigen Madel damit in die Hände.

Katharina hatte Waschtag. Sie verbrachte den Vormittag in der Waschküche und auf dem Trockenplatz hinter dem Haus und machte sich dann schleunigst daran, das Mittagsmahl vorzubereiten. Stefanie gab vor, ihr helfen zu wollen. Doch als die junge Hauserin sie in den Keller schickte, um Eingemachtes für den Nachtisch zu holen, blieb sie fürs Erste verschwunden. Angeblich hatte sie die Kellertür mit der zum Arbeitszimmer »verwechselt« und sich dann unverfroren auf Sebastians Schreibtisch gesetzt.

Der war gerade dabei, sich in eine etwas umfangreichere Materie einzuarbeiten, und hatte keinen Sinn für Stefanies Spielchen. Er bedachte sie nur mit einem unfreundlichen Blick und schwieg, als sie zwitscherte: »Bist den ganzen Tag nur bei der Arbeit. Mach dich mal ein bisserl locker! Soll ich dir vielleicht den Nacken massieren?« Sie legte eine Hand auf seinen Arm und schaute ihm tief in die Augen. »Das kann ich gut …«

»Das ist net mein Nacken und dem fehlt auch nix«, knurrte er und machte sich von ihrem Griff frei.

»Mei, hast du eine Laune! In diesem Haus wird allerweil nur geschuftet. Das kann doch net gesund sein. Seit du hier bist, ist die Kat auch so angespannt. Bist ein rechter Sklaventreiber, net wahr? Würde mich nicht wundern, wenn du deine Hauserin bald loswirst. Bei uns auf dem Hof geht es halt sehr viel gemütlicher zu.« Damit hatte sie endlich Sebastians Aufmerksamkeit errungen. Der junge Förster musterte sie fragend.

»Ja, schau nur, ich sag dir die Wahrheit ins Gesicht!«, setzte sie gleich noch eins drauf. »Die Kat beschwert sich den lieben langen Tag darüber, wie anspruchsvoll du als Chef bist. Bei ihrem Vater hat sie schalten und walten können, wie es ihr gepasst hat. Das waren noch andere Zeiten …«

»Worauf willst du eigentlich hinaus?«, fragte der Bursch unfreundlich und schob Stefanie von seinem Schreibtisch.

Sie lächelte abfällig. »Auf gar nix. Ich hab dich bloß darauf aufmerksam machen wollen, dass die Kat hier mit dir unglücklich ist. Wir haben ja net einmal Zeit, gemeinsam was zu unternehmen. Wandern wollten wir gehen und mal in die Stadt fahren. Aber das arme Ding kommt vor lauter Arbeit zu rein gar nix mehr.«

»Katharina hat sich also bei dir beschwert?«

»Freilich! Sie jammert andauernd«, behauptete Stefanie dreist. »Sie wünscht sich die Zeit zurück, als sie hier nur ihren Vater hat bekochen können.«

»Dann sollte ich wohl mal mit ihr reden«, entschied Sebastian und erhob sich. Damit schien das Madel nicht gerechnet zu haben.

»Schmarren! Dir gegenüber wird sie nix zugeben, dazu ist sie viel zu bescheiden. Deshalb hab ich es dir ja erzählt«, versicherte sie mit falscher Liebenswürdigkeit. »Bin ich net eine gute Freundin?«

»Ich glaub net, dass man das sagen kann. Weil ich dir nämlich kein Wort abkaufe. Außerdem wird es wohl Zeit, dass wir zwei mal offen miteinander reden. Ich …«

»Zum Streiten hab ich keine Lust«, rief Stefanie schnell.

»Es geht hier net ums Streiten, sondern um die Wahrheit, die dir doch angeblich auch am Herzen liegt«, beharrte er. »Also …«

In diesem Moment erschien Katharina und machte ein verdutztes Gesicht. »Da bist du. Ich warte auf die Marillen …«

»Ach, Kat, sei mir net bös. Ich hab eben in den Keller gehen wollen, da hab ich den Sebastian fluchen gehört. Er hat sich am Papier in den Finger geschnitten und kein Pflaster zur Hand gehabt.« Sie lächelte falsch. »Ich hab ihn rasch verarztet, wir sind ins Plaudern gekommen, ja mei, so was kommt vor. Aber jetzt hol ich gleich das Eingemachte. In zwei Minuten hast alles, was du brauchst.«

Sie bedachte den jungen Förster mit einem schnippischen Blick und verließ das Büro. Katharina folgte ihr, drehte sich in der offenen Tür noch einmal um und schaute Sebastian unsicher an. Am liebsten hätte er die Situation da sofort aufgeklärt und Stefanie bloßgestellt. Er war es leid, ständig von dem aufdringlichen Madel belästigt zu werden. Und dass Katharina nun vielleicht auch noch einen falschen Eindruck von ihm bekam, das war ihm ganz zuwider. Doch sie wandte sich bereits zum Gehen, und er wusste nicht, wie er die Lage so rasch entschärfen sollte.

Also bat er: »Kat, warten Sie doch kurz mal!«

Und als sie ihn fragend musterte, bat er: »Ich würde gern heut Abend noch einen kurzen Gang durch den Forst machen. Hätten Sie vielleicht Lust, mich zu begleiten? Nach dem Nachtmahl, dachte ich mir.« Er sah, wie ihre Augen aufleuchteten, und sein Herz klopfte ihr stürmisch entgegen.

»Gern«, sagte sie leise und mit einem verschämten Lächeln, das ihn völlig bezauberte.

Stefanie, die ganz in der Nähe stand und lauschte, biss sich auf die Lippen. Dieser Hundling ging doch tatsächlich darauf aus, mit Katharina anzubändeln! Mit ihrer langweiligen Großcousine wollte er spazieren gehen, und sie stieß er ständig vor den Kopf! War denn das zu glauben?

Als Katharina in die Küche zurückkehrte, lief Stefanie rasch in den Keller, griff sich zwei Gläser mit eingemachten Marillen und eilte dann wieder nach oben.

»Bist du sicher, dass du das willst?«, fragte sie Katharina, die ihr einen verständnislosen Blick zuwarf.

»Dass ich was will? Du sprichst in Rätseln, Steffi«, meinte diese lächelnd. »Die Marillen brauch ich fürs Kompott.«

»Wer redet denn von den Marillen?«, fauchte Stefanie. »Der Schubert ist net der Rechte für dich. Halt dich lieber von dem fern! Ich kann dir nur sagen, mir läuft es kalt den Buckel runter, wenn der nur in der Nähe ist.«

Die junge Hauserin schaute das Madel aufmerksam an. »Dafür, dass du den Sebastian offenbar net leiden kannst, hältst du dich aber auffällig oft in seiner Nähe auf.«

»Red keinen Schmarren! Er war mir von Anfang an suspekt. Ich hab versucht, mehr über ihn herauszukriegen, aber er schweigt beharrlich. Der hat was zu verbergen. Ehrlich, Kat, ich hab Angst um dich, wenn du mit dem allein bist!«

»Jetzt redest du aber einen Schmarren. Der Sebastian ist ein sehr netter Mensch. Und mehr will ich dazu nimmer sagen.«

»Na schön, wie du denkst.« Stefanie musterte sie kalt. »Du wirst schon sehen, was du davon hast …«

***

Dominik wunderte sich, dass Sebastian an diesem Tag so pünktlich Feierabend machte. Als er den jungen Kollegen dann aber in trauter Zweisamkeit mit Katharina das Forsthaus verlassen sah, machte er sich seinen eigenen Reim darauf. Wie es schien, hatte er sich nicht geirrt. Die beiden mochten sich. Und so, wie sie einander anschauten, konnte aus dieser Sympathie durchaus mehr werden.

Der alter Förster hatte nichts dagegen, im Gegenteil. Er kam nicht nur mit dem Kollegen aus, er wusste sein Revier bei Sebastian auch in guten Händen. Der Bursch war ehrlich, klug und strebsam. Und dass seine Absichten Katharina gegenüber aufrichtig waren, erschien Dominik selbstverständlich.

»Ja, Wurzel, jetzt wird es wohl bald eine neue Generation im Forsthaus von Grafenberg geben. Aber wir zwei gehen trotzdem noch lang net aufs Altenteil, gelt?«, sagte er zu seinem treuen Vierbeiner, der ihn unverwandt ansah und nun wie zur Bestätigung einmal bellte.

Dominik lachte und steckte sich sein wohlverdientes Feierabendpfeiferl an. Ganz zufrieden mit sich und der Welt paffte er bläuliche Rauchwölkchen gegen die getäfelte Stubendecke und kraulte Wurzel ausgiebig die Ohren.

Katharina und ihr Begleiter folgten derweil einem Waldweg, der vom Forsthaus weg zur Lichtung am Kreuzkogel führte und dann weiter hinüber ins Nessler Tal. Nach einem sonnigen Tag war es noch recht lange hell, doch im Forst stiegen bereits die Nebel. Sie schufen eine verwunschene Stimmung inmitten der dicken Stämme von Föhren, Eichen und Lärchen. Golden schimmerten die Lärchennadeln, die Eichen hatten eben erst angefangen, ihr Laub tiefgelb zu färben.

Dazwischen leuchtete das dunkle Grün der Föhren. Am Wegesrand blühte hier und da noch ein Wildkraut, und im Gebüsch glänzten die saftigen Früchte der Heckenrosen neben späten Brom- und Heidelbeeren. Eine Amsel sang ihr melodisches Schlaflied vom höchsten Wipfel einer Föhre. Katharina empfand die romantische Stimmung in der Natur intensiver als sonst.

Und als die Abendglocken vom Dorf her schlugen, sagte Sebastian: »Es ist schon eine rechte Idylle hier, net wahr?« Damit sprach er ihr aus dem Herzen. Sie nickte ihm lächelnd zu.

»Ich hab noch was klarstellen wollen«, begann er dann zögerlich. »Deshalb hab ich Sie auch gebeten, mich auf meinem Abendspaziergang zu begleiten, Kat.« Er bemerkte eine Spur von Enttäuschung auf ihren ebenmäßigen Zügen, weshalb er rasch hinzufügte: »Freilich hätte ich Sie sowieso darum gebeten, weil … na ja, weil ich halt so gern mit Ihnen beisammen bin. Und tagsüber gibt es da ja leider net allzu viel Gelegenheit. Sie haben immer so viel zu tun.«

»Sie doch auch. Jeder muss halt seine Arbeit erledigen.«

Er lauschte ihren Worten nach und dachte: Das klingt nicht unbedingt nach Stress. Offenbar hatte Stefanie ihn angeschwindelt. Trotzdem fragte er direkt: »Wird es Ihnen auch net zu viel? Ich mein, alles, was Sie im Forsthaus so zu tun haben, ist das zu schaffen?«

»Haben Sie Grund für eine Beanstandung?«, antwortete sie unsicher mit einer Gegenfrage. »Hab ich was versäumt?«

Sebastian blieb stehen und seufzte. »Freilich net! Es ist nur … Ach, was soll’s? Ihre Großcousine hat angedeutet, dass Sie zu viel zu tun haben und unter Stress stehen. Und dass Sie sich mehr Freizeit wünschen, um auch mal ausgehen zu können.«

»Aber das kann ich ja, wenn ich mag.« Sie wirkte verdutzt. »Die Steffi hat so was gesagt? Wie kommt sie denn dazu?«

»Ich weiß auch nicht. Sie meinte, dass ich Sie ausbeute.«

Nun musste Katharina lachen. »So ein Schmarren! Die Steffi hat aber auch manchmal Ideen! Also, da brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen. Ich hab net den geringsten Grund, mich zu beschweren.«

»Das freut mich.« Er druckste ein wenig herum, eh er zugab: »Ich hab aber noch etwas auf dem Herzen. Heut Mittag haben Sie, glaub ich, einen falschen Eindruck bekommen. Die Stefanie scheint mich zu mögen, sie hält sich jedenfalls öfter in meiner Nähe auf. Aber Sie sollen wissen, dass das ganz und gar net auf Gegenseitigkeit beruht. Es wäre mir leid, wenn Sie daraus falsche Schlüsse ziehen würden, Kat.«

Sie lächelte ihm lieb zu, als sie versicherte: »Ich hab schon den rechten Eindruck von Ihnen, keine Sorge.«

»Tatsächlich?« Behutsam nahm er ihre Hände in seine und suchte ihren Blick. »Dann haben Sie vielleicht auch schon gemerkt, dass ich Sie sehr mag?«

Das Herz pochte Katharina mit einem Mal bis zum Hals. Sie konnte nicht sagen, ob es an Sebastians Berührung lag oder an seinen Worten. Sie war ganz verzaubert und brachte kein Wort heraus. Deshalb nickte sie nur und senkte dann verlegen die Lider.

»Wissen Sie, ich mache net leichtfertig solche Geständnisse. Ehrlich gesagt, ist es mir auch ein bisserl schwergefallen. Aber ich find, Sie sollten einfach wissen, wie ich zu Ihnen steh, Kat. Sie sind nämlich etwas ganz Besonderes für mich.«

»Das haben Sie schön gesagt«, seufzte sie. »Und mir geht’s ebenso, schon vom ersten Moment an. Oder hätte ich das net einfach so zugeben sollen?«

»Freilich. Denn es macht mir sehr glücklich.« Zärtlich nahm er sie da in seine starken Arme und verschloss ihre weichen Lippen mit einem Busserl, das kaum ein Ende nehmen wollte. Und als er sie schließlich freigab, da strahlte ihm die Liebe aus ihren klaren Augen entgegen und ließ sein Herz jubeln.

»Ich hab dich lieb, Kat«, gestand er ihr leise und innig. »Du sollst wissen, dass du die Einzige für mich bist.«

Sie schmiegte sich lächelnd an ihn und flüsterte: »Ja, das weiß ich. Und du bist für mich auch der Einzige.«

So spazierte das junge Paar noch eine Weile durch den milden Herbstabend und war sich selbst genug. Immer wieder blieben sie stehen, um ein verliebtes Busserl zu tauschen. Der Weg konnte ihnen nicht lang genug sein, und es war bereits dunkel, als sie zum Forsthaus zurückkehrten.

Sebastian wurde das Herz ganz leicht und weit, als die anheimelnd erleuchteten Fenster, hinter denen für ihn nun das Glück daheim war, in Sichtweite kamen. Vom ersten Moment an hatte er sich im Forsthaus von Grafenberg wohl und heimisch gefühlt. Und jetzt, da er hier seinen Schatz gefunden hatte, wünschte er sich nur eins: nie wieder fortgehen zu müssen, sein Leben an diesem Ort verbringen zu können, der für ihn die Welt war, weil er nach nichts anderem mehr verlangte.

Das junge Paar ahnte nicht, dass es beobachtet wurde. Im Schatten der Hauswand wartete ein heimlicher Lauscher. Stefanie war nach dem Nachtmahl noch einmal zum Forsthaus gekommen, in der Hoffnung, den geplanten Spaziergang verhindern zu können. Als Dominik ihr erzählt hatte, dass Katharina und Sebastian bereits fort waren, hatte sie sich nichts anmerken lassen und sich angeblich auf den Heimweg gemacht. Doch sie dachte nicht daran, kampflos das Feld zu räumen.

Wütend und eifersüchtig hatte sie darauf gewartet, dass die beiden endlich zurückkamen. Je später es wurde, desto übler war ihre Laune geworden. Und als sie dann die Frischverliebten Hand in Hand erblickte, schoss die Eifersucht noch einmal wie eine helle Flamme in ihr hoch.

Stefanie dachte nicht mehr daran, dass Katharina angeblich ihre beste Freundin war. Und sie dachte auch nicht daran, der Großcousine das Glück zu gönnen, das sie gerade eben erst gefunden hatte. Sie dachte nicht an ihre vielen Verehrer. Und nicht zuletzt vergaß sie auch ihre sowieso eher schwach ausgeprägten Skrupel. Sie sah nur eins: einen Burschen, der ihr gefiel, und der ihr eine andere vorzog. Das war bislang noch niemals passiert. Und Stefanie würde dies auch nicht dulden!

Nachdem Katharina und Sebastian noch ein Busserl getauscht hatten und im Haus verschwunden waren, machte das Madel sich endlich auf den Heimweg. Dabei gingen Stefanie eine ganze Menge Gedanken im Kopf herum. Angestrengt, ja fieberhaft suchte sie nach einer Möglichkeit, die eben aufgekeimte Liebe ihrer Großcousine zu zerstören. Mit Stumpf und Stiel wollte sie das zarte Pflänzchen ausreißen und zertreten.

Bei dieser Vorstellung grinste sie hämisch. Sebastian Schubert würde sich noch wundern!

Er hatte ja nicht auf sie hören wollen. Was nun geschah, hatte er sich ganz allein selbst zuzuschreiben!

***