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Nicht nur die Sommernächte können in Bonn extrem heiß sein. Auch im Spätherbst entdeckt Single Frau Clio, dass es auf dem Kopfsteinpflaster der alten Bonner Innenstadt einige kriminelle Spuren zu entdecken gibt. Kommissar Horst Wintertag hat alle Mühe, die junge Buchbinderin an ihren geheimen Ermittlungen zu hindern. Er könnte da ganz anders durchgreifen, wenn nicht gerade Clios Freundin Anna seine Traumfrau wäre.
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Seitenzahl: 155
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Gudrun Leyendecker ist seit 1995 Buchautorin. Sie wurde 1948 in Bonn geboren.
Siehe Wikipedia.
Sie veröffentlichte bisher circa 100 Bücher, unter anderem Sachbücher, Kriminalromane, Liebesromane, und Satire. Leyendecker schreibt auch als Ghostwriterin für namhafte Regisseure. Sie ist Mitglied in schriftstellerischen Verbänden und in einem italienischen Kulturverein. Erfahrungen für ihre Tätigkeit sammelte sie auch in ihrer Jahrzehntelangen Tätigkeit als Lebensberaterin.
Wer gern den Tätern auf der Spur ist, kommt hier auf seine Kosten! Der Inhalt: Nicht nur die Sommernächte können in Bonn extrem heiß sein. Auch im Spätherbst entdeckt Single Frau Clio, dass es auf dem Kopfsteinpflaster der alten Bonner Innenstadt einige kriminelle Spuren zu entdecken gibt. Kommissar Horst Wintertag hat alle Mühe, die junge Buchbinderin an ihren geheimen Ermittlungen zu hindern. Er könnte da ganz anders durchgreifen, wenn nicht gerade Clios Freundin Anna seine Traumfrau wäre …
In diesem historischen Kriminalroman sind zwar die Personen und Handlungen frei erfunden, findet der Leser jedoch Hinweise auf das Bonn 1974, dem Jahr, in dem ein Bundeskanzler wegen einer Spionageaffäre zurücktrat. Die angespannte politische Situation führte in Bonn zu einem unruhigen Wohnklima. Interessant für die Leser dürfte auch sein, dass das erste Handy erst im Jahre 1992 auf den deutschen Markt kam, also im Jahr 1974 noch nicht zur Verfügung stand.
Für meine liebe Freundin Dagi
Danke für die lange und liebe Freundschaft!
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Nachschrift
Den ganzen verregneten Nachmittag lang lässt mir der Gedanke an den gefundenen Schnipsel aus Papier keine Ruhe: Da gibt es im Jahr 1974 immer noch Menschen, die mit Füller und Tinte schreiben!
Mein Blick haftet auf dem Rest eines Briefbogens. Zwischen den verlaufenen blauen Flecken lese ich die Worte „… alles verraten, was ich weiß …“ und neben einem riesigen blauen Tintenklecks, der wie ein Glücksschwein aussieht, zeigen sich die Worte „… mir nicht entkommen …“. Ganz rechts in einer Zeile, mehr verschwommen als deutlich, springen mir die Worte „letzte Warnung“ ins Auge.
Ich habe ein Faible für Handschriften und entdecke, dass die großen Buchstaben nicht nur extreme Höhen und Längen aufweisen, sondern mit Schwung und vermutlich voller Emotionen geschrieben wurden.
Dieser Papierfetzen wirft eine ganze Menge Fragen auf. Wer schrieb diese Sätze und warum? Und weshalb wurde das Blatt zerrissen und achtlos weggeworfen?
Mitten in meine Gedanken hinein erinnert mich die Türglocke, dass mir meine Freundin ihren Besuch angekündigt hat.
Ich eile zur Eingangstür und werde von Maja und einer Flasche Rotwein gedrückt.
„Du hättest es besser haben können“, schimpft sie. „Du wolltest ja meine Einladung ins Restaurant nicht annehmen, sondern unbedingt selbst kochen.“
Ich führe sie in die Küche. „Das hat der Herd jetzt schon für mich erledigt. Der Nudelauflauf ist schon fertig und kann gegessen werden, wann immer du Appetit hast.“
„Ich habe einen riesigen Hunger“, gesteht sie mir und greift zum Flaschenöffner. „Willst du Glühwein aus diesem Getränk fabrizieren?“
Ich betrachte das Etikett. „Nein, dazu ist dieser Bardolo zu schade. Du kannst dich gleich hier aufwärmen, mein Vermieter hat die Heizung seit Oktober ziemlich gut auf diese kühlen Außen-Temperaturen eingestellt.“
Sie setzt sich an den gedeckten Küchentisch. „Es ist schon komisch, wenn man sich hier an den gedeckten Tisch setzt. Seit meine Eltern so ohne alles dasitzen, kommt einem nicht einmal ein einfacher Kaffeelöffel selbstverständlich vor.“
„Stehen sie immer noch unter Schock?“ wage ich sie zu fragen und stelle den Auflauf auf den Tisch.
Maja bedient sich. „Ganz bestimmt, sie sind zwar für ein paar Tage jetzt in diesem Hotel gut aufgehoben, aber dann müssen sie ernsthaft darüber nachdenken, wo sie danach ihre Bleibe finden.“
„Es wird sicher lange dauern, bis sie das Haus wieder aufbauen können“, vermute ich.
Sie stöhnt. „Oh ja! Jetzt muss erst einmal die Brandursache geklärt werden, da sind die Gutachter der Versicherung im Spiel, die Polizei und die Feuerwehr sind ebenfalls reichlich beschäftigt, und bis jetzt ist die ganze Sache noch ein großes Rätsel.“
„Das schöne Haus auf dem Venusberg!“ sage ich bedauernd.
„Du bist doch auch darin aufgewachsen. Wie fühlst du dich denn jetzt?“
„Das kann man kaum beschreiben. Ich hatte bisher immer gedacht, dass ich nicht so sehr an materiellen Dingen hänge, aber in diesem Haus stecken all meine Kindheitserinnerungen mit allem, was man auch so selbst gestaltet hat. Ich kann noch gar nicht begreifen, dass alles weg ist, was auch mein Vater mit so viel Mühe für meine Mutter geschaffen hat.“
„Und die Polizei hat noch gar nichts gesagt, sie haben noch keine Verdächtigen?“ Ich fülle den Wein in die Gläser.
„Sie rätseln alle noch, zuerst haben sie behauptet, meine Mutter habe sicher vergessen, eine Heizdecke auszuschalten. Aber sie hatte gar keine.“
„Dann hätte es doch viel eher angefangen zu brennen“, entgegne ich. „Schließlich waren deine Eltern zu diesem Zeitpunkt schon drei Tage in Urlaub. So lange braucht kein Funken, um ein Haus anzuzünden.“
„Sicher nicht“, stimmt mir Maja zu. „Sie raten wirklich in alle Richtungen, aber bisher hat alles weder Hand noch Fuß.“ Sie hebt das Glas. „Lass uns darauf trinken, dass alles gut wird! Und irgendwie bin ich froh, dass meine Eltern zu dem Zeitpunkt gerade weit weg waren. Wie gut, dass ihnen nichts Schlimmeres passiert ist!“
Unsere Gläser klingen aneinander. „Sie werden jetzt viel Hilfe brauchen“, vermute ich. „Sie haben ja weder ein Bett noch genügend Sachen zum Anziehen. Und ich glaube nicht, dass die Versicherung etwas zahlt, bevor der Fall geklärt ist.“
„Es gruselt mich immer, wenn ich daran denke. Ein Bekannter hatte uns in dieser Nacht geweckt und Leopold und ich, wir sind sofort zum Tatort gefahren. Es war bereits alles gelöscht, aber zwei Feuerwehrautos standen noch zur Nachtwache bereit. Die ganze Luft stank nach Rauch, dem verkohlten Inventar und dem Löschwasser. Um die schwarzen Trümmer herum schwebten die November-Nebel.“
„Du wirst auch einige Zeit brauchen, um das zu verstehen“, fürchte ich. „Ich hoffe, dass sich deine Lieben gut gegenseitig trösten können.“
Maja nickt. „Verstehen kann man das nicht. Die Familie hält gut zusammen, aber der Pfarrer, der nebenan wohnt und uns von Kind an kennt, der konnte mich gar nicht verstehen, als ich weinte. Er meinte, das sei kein Grund, um traurig zu sein, da seien ja doch nur materielle Dinge verbrannt.“
Ich atme tief. „Na, der hat gut reden. Diese ganzen Dinge in eurem Haus haben auch ihren ideellen Wert. Ich weiß doch, dass ihr ganz viel selbst gemacht habt, und einer hat es für den anderen getan. Da steckt viel Liebe drin.“
Sie nickt. „Oh ja, wir haben gestickt, gestrickt, genäht, gebastelt, gemalt und getöpfert. Mein Vater bastelte Lampen für meine Mutter und schenkte ihr einen selbst gefertigten mit Mosaik-Steinen ausgelegten Tisch.“ Sie wischt sich eine Träne aus dem Augenwinkel. „Dein Nudelauflauf schmeckt übrigens köstlich.“
„Den habe ich auch extra für dich gemacht“, sage ich schmunzelnd und lege ihr eine Portion nach.
„Aber was ist jetzt mit dem komischen Zettel?“ kommt sie auf mein Fundstück zurück. „Wo hast du diesen Fetzen eigentlich her?“
„Du kennst doch bestimmt das Römer-Plätzchen hier in Bonn, auf dem täglich ein Blumenmarkt stattfindet. Dort ist ein kleines Büdchen, in dem man auch Zeitschriften kaufen kann. Und genau daneben befindet sich ein Papierkorb. Unweit davon leuchtete der Papierschnipsel auf dem Boden und veranlasste mich, ihn aufzuheben.“
Maja grinst. „Seit wann hebst du Papierschnipsel auf?“
„Normalerweise nicht, es sei denn sie sehen aus wie Geldscheine. Aber die blaue Tintenschrift lockte mich und machte mich neugierig.“
„Und du glaubst jetzt, du hättest einen Hinweis auf eine fürchterliche, kriminelle Tat gefunden?! Wer weiß, wie alt dieses Papier schon ist?! Möglicherweise hat jemand dort seinen alten Müll aus dem Keller entsorgt.“
„Ich bin gestern denselben Weg zum Markt gegangen, zu diesem Zeitpunkt war gerade das Kehrmännchen mit seinem Wagen unterwegs, alles war blitzeblank. Es wird also ständig gereinigt.“
Meine Freundin seufzt und nimmt einen großen Schluck Wein. „Du hast zu viel Fantasie, wahrscheinlich studierst du jetzt jeden Tag die Zeitung und wartest auf die Ankündigung eines Mordes.“
„Also, zu viel Fantasie habe ich wirklich nicht. Was ist in diesem Jahr nicht schon alles passiert?! Denk nur an die Festnahme des berühmten DDR-Spiones, der den Sturz unseres Bundeskanzlers verursacht hat! Und danach gab es hier in Bonn schon eine ganze Menge brandgefährlicher Momente.“
Sie nickt. „Du hast ja Recht! Und jetzt der Brand meines Elternhauses, der so viele Rätsel aufgibt. Immerhin wohnt auf dem hinten angrenzenden Grundstück ebenfalls ein bekannter Politiker. Möglicherweise handelt es sich auch um einen Anschlag auf diesen berühmten Mann. Tatsächlich scheint es an verschiedenen Ecken zu brennen.“
„Merkwürdig ist das schon alles.“ Ich hebe erneut das Glas. „Dann trinken wir jetzt darauf, dass sich alles bald klärt und dass es dir und deiner Familie bald besser geht!“
Sie stößt mit mir an. „Und auf uns“, fügt sie hinzu. „Und was machst du jetzt mit dem Papierschnipsel. Gehst du damit zur Polizei?“
„Nein, mit der habe ich auch schon weniger gute Erfahrungen gemacht. Mich hat einmal ein Mann bis zur Wohnungstür verfolgt und wollte mich dort hineindrängen. Tatsächlich habe ich ihn nur abschütteln können, weil ich laut nach der Nachbarin gerufen habe. Als ich diesen Mann später bei der Polizei angezeigt habe, fragten sie mich, ob ich einen Minirock getragen hätte. Was sagst du dazu?“
„Nicht sehr feinfühlig“, findet sie. „Aber da hast du noch einmal Glück gehabt, weil du schnell geschaltet hast. Selbst ist die Frau! Dann hoffe ich für dich jetzt nur, dass in der nächsten Zeit kein Mord geschieht, sonst wirst du sicher ins Grübeln geraten.“
„Das ist wohl so“, antwortete ich seufzend. „Aber viel wichtiger bist du, sind jetzt deine Eltern. Möchtest du ihnen eine Portion Auflauf mitnehmen?“
„Danke, nein!“ lehnt sie ab. „Im Augenblick gibt es noch ganz viele helfende Hände. Das große Feinkostgeschäft auf dem Venusberg hat unserer Familie einen riesigen Korb voller leckerer Sachen geschickt. Ich denke, am Anfang ist das immer so mit der Hilfe. Aber später, nach und nach, kehrt der Alltag wieder ein, und die Aufmerksamkeit lässt nach. Dann werde ich auf dein Angebot wieder zurückkommen.“
„Okay“, gebe ich nach. „Dann erzähle mir etwas von Leonard oder deinen beiden Kindern. Ich habe sie lange nicht mehr gesehen. Sind die Kleinen jetzt bei deiner Schwiegermutter?“
„Ja, sie freut sich immer, wenn sie die Kinder sieht, und dann werden sie verwöhnt. Aber von Leonard gibt es nicht allzu viel zu erzählen. Er macht tagsüber seinen Job und dann genießt er seinen Feierabend. Er gehört noch nicht zu den neumodischen Männern, die ihren Frauen im Haushalt oder bei der Kindererziehung beistehen. Ich möchte mich mit dir lieber bei einem anderen Thema entspannen. Sprechen wir von unserem Traumreisen, die wir irgendwann einmal machen werden.“
Ich seufze leise. „Ja, davon können wir im Moment nur träumen. Aber irgendwann wird es auch für uns beide besser werden, das weiß ich genau.“
In der darauffolgenden Vollmondnacht finde ich kaum Schlaf, und ich frage mich, warum viele Menschen den Einfluss des Mondes so hartnäckig bestreiten. Natürlich, da gibt es Statistiken, mit deren Ergebnissen die Gegner der Vollmondwirkung behaupten, von hundert Menschen unter Beobachtung hätten beim runden Mond fünfzig prächtig geschlafen.
Aber wie will man wirklich herausfinden, ob ein Mensch aus persönlichen Gründen nicht schlafen kann, oder ob der Vollmond sein Quäntchen dazu tut?! Meines Erachtens sind es sowieso ausgewählt sensible Menschen, die auf die Mondphasen in einer bestimmten Art und Weise reagieren.
Nachdem ich diese Gedanken während einer ausgiebigen Dusche sorgfältig durchgegangen bin, überlege ich, ob ich meinen Plan für den Samstag verändern soll.
Der Papierschnipsel ist mir wieder eingefallen und lässt mir immer noch keine Ruhe. Ich erinnere mich, dass der Mann meiner ehemaligen Vermieterin, ein Herr Schütte, bei der Kriminalpolizei arbeitet und nehme mir vor, seiner Frau einen Überraschungsbesuch abzustatten.
Wenn ich mir von einer Aktion auch nur halbwegs einen Erfolg verspreche, fackele ich nicht lange, sondern setze meinen Plan umgehend in die Tat um. Deshalb fahre ich nach einem knappen Frühstück mit dem Bus nach Bonn-Ippendorf.
Das Glück ist heute auf meiner Seite, ich finde nicht nur Frau Alicia Schütte in ihrem Vorgarten, sondern auch Peter, ihren Mann.
Als mich meine ehemalige Mieterin erkennt, zieht sie sich sofort ihre Gartenhandschuhe aus und begrüßt mich freudig. „Soll ich Ihnen einen Kaffee machen?“ bietet sie mir an.
Ich lehne dankend ab. „Ich habe nur eine kurze Frage, die Sie mir, als Gattin eines Kommissars vielleicht schon beantworten können.“
Sie sieht mich erstaunt an. „Eigentlich habe ich gar keine Ahnung von dem, was mein Mann so täglich schafft. Aber wenn es eine allgemeine Frage ist, kann ich möglicherweise helfen.“
Ich berichte ihr kurz von meinem Fund und füge hinzu. „Und jetzt bin ich etwas ratlos. Kann man in diesem Fall irgendetwas Vorbeugendes tun?“
Frau Schütte verzieht das Gesicht. „Ich glaube nicht, aber wir haben ja einen Fachmann hier, den können wir direkt fragen.“
Die hilfsbereite Frau eilt zu ihrem Mann, erzählt ihm von meinem Fund und bittet ihn, mir ein paar Worte dazu zu sagen.
Seinem ernsten und faltigen Gesicht entnehme ich, dass er sich häufig viele sorgenvolle Gedanken macht. Zwei tiefe Grübel-Falten haben sich zwischen seinen Augen auf der Stirn eingegraben.
Er wirkt etwas genervt, als er mich begrüßt und zu meinem Anliegen Stellung nimmt. „Es tut mir leid, liebe Clio! So wie die Sache aussieht, kann Ihnen momentan niemand helfen. Da gibt es einfach zu viele Möglichkeiten, woher der Papier-Schnipsel stammen kann. Ja, vielleicht ist er wirklich von einem Einwohner aus Bonn und der Umgebung. Aber von wem? Und die zweite wichtige Frage ist: Um was handelt es sich wirklich? Ist es ein neuer oder vielleicht auch ein sehr alter Brief, der nun entsorgt wurde? Ist es ein Stück aus einem vorgeschriebenen Roman oder der Bericht über den Inhalt eines Films oder eines Theaterstückes. Und das sind jetzt nur ein paar herausgehobene Möglichkeiten.“
Frau Schütte ergänzt die Worte ihres Mannes. „Die Polizei kann nicht jeden Bürger fragen, ob er der Verfasser dieser Worte ist.“
Er nickt. „Selbst wenn das eine Morddrohung sein sollte, haben wir keine konkreten Angaben, um etwas unternehmen zu können.“
Ich seufze. „Dann haben wir wieder einmal das übliche Klischee: Man kann immer erst etwas tun, wenn ein Kriminalfall eingetroffen ist.“
Sein Blick mustert mich ernsthaft. „Natürlich unternimmt die Polizei auch einiges zur Vorbeugung, aber hier können wir nichts tun.“
Frau Schütte hat eine Idee. „Und wenn man den Zettel in der Zeitung veröffentlicht und nach dem Verfasser sucht?“
„Das könnte Schwierigkeiten geben“, vermutet Herr Schütte. „Wenn der Schreiber dieses Briefes sein Werk zur Vernichtung in den Müll gesteckt hat, hat ein anderer nichts daran verloren.“
„Aber das Papier war nicht mehr im Mülleimer“, gibt seine Frau zu bedenken.
„Ich nehme an, einer der nicht Sesshaften hat im Papierkorb nach alten Flaschen oder Essensresten gesucht. Dabei wird der Schnipsel dann wohl zu Boden gefallen sein.“
„Ein Vogel kann es auch gewesen sein“, findet seine Frau eine weitere Möglichkeit. „Ich habe einmal in einer Doku gesehen, wie schlau unsere gefiederten Freunde sind. Sie öffnen sich sogar Dosen oder knacken die Nüsse.“
„Davon habe ich auch schon gehört“, bestätige ich ihr und wende mich an Herrn Schütte. „Könnten Sie nicht wenigstens auf den Polizei-Revieren Bescheid geben, damit man in der nächsten Zeit auf verdächtige Dinge achtet?“ schlage ich ihm vor.
Er sieht mich mitleidig an. „In Bonn sind viele Streifen unterwegs, und sie haben sowieso schon genug zu tun. Bestimmt wissen Sie, dass hier die politische Lage in Bonn aktuell sehr brenzlig ist?! Oder haben Sie noch nicht mitbekommen, dass wir momentan mit sehr extremen Strömungen zu kämpfen haben?“
Meine Augenbrauen heben sich automatisch. „Oh doch! Das Elternhaus meiner Freundin, das auf dem Venusberg neben der Villa eines Politikers stand, ist vor ein paar Tagen in Flammen aufgegangen, obwohl die Besitzer in Urlaub waren. Da kommen einem schon einmal Gedanken, auch an irgendwelche politischen Zusammenhänge.“
„Das sagen Sie lieber nicht laut!“ rät er mir. „Mit den Demonstrationen hat die Polizei momentan genug zu tun. Diese Untergrundbewegung sollte man nicht unterschätzen.“
„Oh, ich habe dazu gar keine Meinung“, bekenne ich. „Ich habe weder die Qualifikation eines Gutachters der Versicherung, noch kenne ich mich aus mit den Hinweisen, die vermutlich die Feuerwehr entdeckt hat oder noch entdecken wird. Das Auffinden einer Brandursache ist nicht meine Spezialität, ich bin keine Fachfrau.“
„Trotzdem scheinen Sie Ihre Spürnase gern in anderer Leute Angelegenheiten zu stecken“, unterstellt er mir. „Tun Sie das lieber nicht!“
„Man kann leicht ins Kreuzfeuer geraten, Clio“, fügt seine Frau leise warnend hinzu.
„Und was soll ich Ihrer Meinung nach jetzt tun?“ frage ich die beiden.
„Gar nichts“, rät er mir und zeigt auf seinen Garten. „Ich weiß bei meiner Arbeit auch, wo meine Grenzen liegen. Meine Frau erwartet von mir, dass ich mit ihr ein angenehmes Wochenende verbringe. Und selbst wenn sie etwas über meine Arbeit hören wollte, ich kann und ich darf ihr nichts sagen. Denken Sie einfach an etwas anderes!“
„Sie können nicht die ganze Welt retten“, versucht Frau Schütte, mich zu trösten. „Im Leben muss man immer Prioritäten setzen. Helfen Sie dort, wo es sinnvoll ist.
Ein mögliches Verbrechen zu verhindern, wenn man nicht weiß, wer es begehen wird und wo die Tat stattfinden soll, das ist ein unmögliches Vorhaben.“
Seufzend gebe ich auf. „Ja dann werde ich diesen Schnipsel wohl einrahmen. Ich wünsche Ihnen noch ein entspanntes Wochenende und auf Wiedersehen!“
Die beiden erwidern meinen Abschiedsgruß, und ich habe das Gefühl, dass sie froh sind, mich wieder los zu sein.
Doch obwohl ich mich bemühe, an andere Dinge zu denken, schiebt sich der Schnipsel immer wieder vor meine inneren Augen, zündet Gedanken an und schickt meine Fantasie auf abenteuerliche Wege.
Maja hat die glänzende Idee, sich mit mir an dem Ausflugs-Lokal Waldau zu treffen.
„Als Kind war ich hier schon mit meinen Eltern“, erzählt sie mir, „das war nach dem Krieg, und man bekam hier Buttermilch in Schalen und dazu Zwieback. Das war eine Köstlichkeit.“
„Seitdem hat sich viel verändert“, finde ich und betrachte das renovierte Gebäude und die vielen Gartentische und Stühle, auf denen gut gekleidete Menschen sitzen.
„Aber das Haus auf unserem Grundstück sieht aus wie nach dem Krieg“, gesteht sie mir. „Ich habe viele Städte mit ihren Trümmern gesehen, als ich Kind war, das war schon sehr schlimm, und ich konnte es nie vergessen, aber wenn es einen selbst betrifft, empfindet man es doch noch stärker. Meine Eltern haben ein Angebot bekommen für eine zwischenzeitliche Möglichkeit, ein kleines Dach über dem Kopf zu haben.“