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Ein schwarzhumoriger Krimi voller skurriler Wendungen! Die Privatdetektivin Carolin wird in die abgelegene Pension Waldfrieden gerufen, um das Verschwinden der Besitzerin Marisa aufzuklären. Was als vermeintliche Entführung beginnt, führt bald zu einem viel größeren Rätsel – und einem tödlichen Mordmotiv, das hinter jeder Tür lauern könnte. Die bunt zusammengewürfelten, teilweise exzentrischen Gäste wirken auf den ersten Blick harmlos, doch Carolin merkt schnell, dass der erste Eindruck trügerisch ist. Mit einem feinen Gespür für Geheimnisse, ihrer unkonventionellen Art und einer Prise schwarzem Humor deckt sie Schicht um Schicht die düstere Wahrheit auf. Ein Muss für Fans skurriler Kriminalgeschichten mit einer Portion Humor und Spannung.
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Seitenzahl: 135
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Gudrun Leyendecker ist seit 1995 Buchautorin. Sie wurde 1948 in Bonn geboren.
Siehe Wikipedia.
Sie veröffentlichte bisher circa 100 Bücher, unter anderem Sachbücher, Kriminalromane, Liebesromane, und Satire. Leyendecker schreibt auch als Ghostwriterin für namhafte Regisseure. Sie ist Mitglied in schriftstellerischen Verbänden und in einem italienischen Kulturverein. Erfahrungen für ihre Tätigkeit sammelte sie auch in ihrer Jahrzehntelangen Tätigkeit als Lebensberaterin.
Ein Krimi, skurril, mit einem Hauch von buntem und einer Prise schwarzem Humor.
Die private Ermittlerin Carolin wird beauftragt in der Pension Waldfrieden einen Kriminalfall zu untersuchen. Marisa, die Inhaberin und Betreiberin der Pension ist spurlos verschwunden, und die Bewohner des Hauses verhalten sich mehr als nur verdächtig. Obwohl die meisten Gäste Carolin freundlich entgegenkommen, misstraut sie dem vermeintlichen Frieden, denn sie entdeckt bald ein außerordentlich interessantes Mordmotiv, das jeden zu einer solchen Tat verleitet haben kann.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
„Kannst du mir sagen, wo es hier zur Pension Döpfner geht?“ frage ich den Jungen mit den dunklen Locken, der auf dem Gehsteig Fußball spielt. „Ich bin die ganze Straße jetzt schon zweimal auf und ab gegangen, konnte aber nur Einfamilienhäuser entdecken.“
Der Kleine grinst. „Das liegt daran, dass Sie hier die Waldstraße absuchen. Pension Döpfner gibt es aber nur auf dem Waldweg, und der ist am anderen Ende des Dorfs.“
Ich atme auf. „Da bin ich beruhigt. Ich dachte schon, ich sei im falschen Ort gelandet.“
„Nee, da sind Sie schon richtig. Aber ob Sie in der Pension Döpfner richtig sind, da bin ich nicht so sicher“, orakelt er.
Ich verschweige ihm, dass ich mich als verdeckte Ermittlerin dort einmieten will, um vor Ort nach der verschwundenen Marisa zu suchen und stelle mich unwissend. „Ist damit etwas nicht in Ordnung? Ich dachte, das sei eine Pension, in der man ein Zimmer mieten kann, um die schöne Gegend hier zu genießen.“
Er verzieht das Gesicht und hebt die Augenbrauen. „Wirklich? So viele Urlauber wohnen da nicht. Die meisten Gäste sind Montagearbeiter. Seit ein paar Monaten wohnen dort auch ein paar Handwerker aus der nahen Großstadt. Sie mussten dahin ausweichen, weil es in einem Mehrfamilienhaus einen Brand gab.“
„Das tut mir für diese Menschen leid“, bemerke ich. „Aber ich denke, diese Gäste und ich, wir werden uns nicht gegenseitig stören.“
Er grinst wieder. „Das kann man nie wissen. Die Besitzerin dieser Pension ist nämlich plötzlich verschwunden, und keiner weiß, wo sie ist. Frau Hintermeier, die dort arbeitet, fürchtet, dass ihrer Chefin irgendetwas passiert ist.“
Jetzt wird es für mich interessant. Ob er mehr weiß?
„Verschwunden? Einfach so? Seit wann denn?“ stelle ich mich unwissend.
Er legt den Fußball an die Seite. „Einfach so? Das weiß man nicht. Es ist jetzt eine Woche her, und das Komische ist, dass sie weg ist, ohne etwas mitzunehmen. Soll ich dir zeigen, wo das Haus ist?“
„Das wäre prima“, stimme ich ihm zu und hoffe auf viele Informationen. „Ich bin die Carolin und will ein paar Tage hierbleiben. Und wer bist du?“
Er hebt den Fußball auf und wirft ihn hinter den Zaun in einen Garten. „Ich bin Tobi und wohne hier in diesem frischgestrichenen Haus. Das müssen wir immer mal wieder machen, auch wenn es viel Geld kostet. Mama sagt, wo Touristen hinkommen, müssen die Häuser immer hübsch aussehen.“
Er scheint gesprächig zu sein, und ich freue mich darüber. „Dann vermietet ihr auch an Gäste?“
„Ja, das machen hier fast alle, aber die meisten haben nur so ein oder zwei Zimmer für Fremde. Marisa ist die Einzige, die ein richtig großes Gästehaus hat.“ Mit strammen Schritten marschiert er los, und ich folge ihm eilig.
„Und die Zimmer sind dann auch immer alle voll?“ frage ich interessiert.“
„Fast immer“, weiß er. „Es ist ein ziemlich neues Haus, mit supermodernen Duschen und Minibars. Das hat nicht jeder hier im Dorf für die Touristen. Viele Zimmer sind noch ganz einfach.“
„Dann ist sie bestimmt eine nette Frau, wenn sie so viel für ihre Gäste tut“, versuche ich, ihn weiter zum Sprechen zu bewegen.
„Sehr nett“, teilt er mir bereitwillig seine Meinung mit. „Sie macht alles für ihre Gäste. Es gibt da sogar einen großen Spiele-Salon, da gibt es oft lustige Abende. Und im Sommer macht sie draußen Terrassenpartys und Grillfeste. Das hat natürlich nicht allen Leuten hier gefallen.“
„Nein, nicht?“ frage ich naiv. „Es ist doch schön, wenn sich Menschen freuen und lustig sind. Oder waren sie nachts zu laut?“
Er schüttelt den Kopf. „Nein, zu laut waren sie nicht. Die Pension ist doch ziemlich weit draußen. Da hört man nicht alles bis zum Dorf. Aber manchmal sind auch Gäste zu ihr gekommen, die vorher woanders im Dorf übernachtet haben. Das fanden natürlich nicht alle schön.“
„Sie hat Gäste abgeworben?“ Ich werde hellhörig. „Wie ist das denn abgelaufen? Hat sie jemanden deswegen angesprochen?“
„Das brauchte sie gar nicht. Im Dorf-Gasthof und im Café haben sich die Touristen natürlich unterhalten und sich auch gegenseitig erzählt, wie und wo sie untergebracht sind. Und dann ist es natürlich herausgekommen. Sie kümmert sich eben sehr gut um alle, die zu ihr kommen.“
„Ich denke, die anderen sind bestimmt nicht brotlos geworden. Es gibt ja auch Urlauber, die ihr eigenes Programm haben und gar keinen Anschluss im Urlaub suchen. Ich denke da an Paare, die für sich sein wollen, oder die Wanderer, die morgens früh schon losziehen und dann abends spät zurückkommen. Die brauchen bestimmt kein Unterhaltungsprogramm und sind dann sicher auch mit einer anderen Pension völlig zufrieden.“
„Ja, die wohnen alle noch im Ort. Und bei Marisa wohnen hauptsächlich Singles, auch die Dauer-Gäste sind Einzelpersonen.“
„Aha, dann hat sie wohl mehr Einzelzimmer. Die sind in anderen Gegenden ziemlich rar. Wahrscheinlich ist sie eine gute Geschäftsfrau. Kennst du ein paar von den Dauergästen?“
Tobi grinst. „Na klar, die kommen doch auch immer ins Dorf runter, wenn sie sich in dem kleinen Laden etwas kaufen wollen oder abends im Gasthof ein Bier trinken. Die kennt hier schon jeder.“
„Hoffentlich sind es nette Leute“, fahre ich banal fort. „Eine so nette Frau sollte auch nette Gäste haben.“
„Manche sind ab und zu länger weg und kommen dann für ein Wochenende zurück, und andere sind am Wochenende unterwegs. Jochen arbeitet im Kanalbau und kommt jeden Abend von der Arbeit zurück in die Pension. Am Wochenende wohnt er dann wieder bei seiner Frau.“
„Der ist bestimmt abends auch zu müde, um nach der Arbeit noch groß zu feiern“, vermute ich.
Tobi nickt. „Manchmal geht er abends noch in die Wirtschaft, um da zu essen. Bei Marisa kann man nämlich nur einen kleinen Imbiss bestellen, wenn man mag.“
„Wenn sie sonst so viel für die Leute tut, ist es erklärbar, dass sie nicht auch noch für alle kochen kann“, finde ich. „Möglicherweise hat von den Gästen auch jeder einen anderen Geschmack. Da braucht man dann schon eine Hotelküche.“
„Maximilian, der Schornsteinfeger, wohnt im Augenblick auch dort. Er lässt sich gerade scheiden und hat noch keine neue Wohnung“, verrät Tobi.
„Dann ist er bestimmt riesig froh, dass er für den Übergang so ein nettes Zuhause gefunden hat“, spekuliere ich.
„Im Moment ist der überhaupt nicht froh“, weiß der Junge. „Er ist ziemlich sauer über die Scheidung und im Moment ziemlich schlecht gelaunt. Meine Mama sagt immer, es wird Zeit, dass ihm ein anderer Schornsteinfeger einmal die Hand gibt.“
Ich sehe ihn erstaunt an. „Und was soll das ändern?“
Er lacht. „Es bringt Glück, wenn man einem Schornsteinfeger die Hand gibt. Jetzt braucht er einen anderen Kollegen, damit er selbst wieder Glück hat. Denn im Augenblick möchte ihm keiner die Hand reichen. Er hat schon einmal in der Wirtschaft randaliert, als er zu viel getrunken hatte.“
„Hat Marisa etwa noch mehr solcher Gäste?“ wage ich eine Nachfrage. „Da kann man sie ja beinah verstehen, wenn sie sich einmal ein paar Tage Urlaub nimmt.“
„Wenn man in den Urlaub fährt, packt man sich einen Koffer“, erinnert er mich. „Und ohne Geld und Papiere wird das auch nichts.“
Ich seufze leicht. „Du hast recht. Das war wohl ein schlechter Scherz. Hast du denn eine Ahnung, warum sie fort ist, und wohin sie sein kann?“
„Nein, obwohl ich auch ziemlich viel darüber nachdenke. Ich glaube, jemand hat sie entführt.“
Jetzt bin ich ganz durcheinander. „Entführt? Gab es denn Anzeichen dafür? Möchte jemand Lösegeld? Und wenn ja, von wem?“
„Sie hat keine Verwandten und auch keinen Partner. Also, mit Lösegeld kann das nicht zu tun haben. Aber ich habe einmal in den Nachrichten gehört, dass Menschen auch aus ganz vielen anderen Gründen entführt werden.“
„Sehr interessant“, finde ich. „Darüber musst du mir mehr erzählen!“
Wir sind an einem großen weißen Haus angekommen, das mit vielen bunt bepflanzten Blumenkästen einen einladenden Eindruck erweckt.
„Wenn Sie noch länger hierbleiben, können wir uns mal darüber unterhalten“, bietet er mir an. „Jetzt allerdings muss ich erst mal nach Hause. Meine Mutter wartet bestimmt schon mit dem Mittagessen.“
„Dann mach‘s gut Tobi“ rufe ich ihm zu, denn er hat sich schon herumgedreht und eilt davon.
Er wendet sich noch einmal zu mir um und winkt mir zu. „Wir haben jetzt Ferien, ich bin immer zu Hause.“
Frau Hintermeier führt mich in ein helles, modern eingerichtetes Zimmer, in dem ich auf den ersten Blick alles sehe, was in einem Hotelzimmer gebraucht wird. Ich finde ein modernes französisches Bett neben einem großen Nachttisch, auf dem sich nicht nur eine stilvolle Lampe, sondern auch eine Konfekt-Schale mit Pralinen befindet. Auf dem Tisch sehe ich Blumen und einen Korb mit Obst, und auf dem Schreibtisch entdecke ich allerlei nützliche Utensilien, einen Schreibblock, Stifte und ein paar Zeitschriften.
„Alle rufen mich hier nur Elli, obwohl ich Elinor heiße,“ teilt mir Frau Hintermeier mit. „Das gilt auch für Sie. Über das Haus-Telefon bin ich erreichbar, aber Sie können mich auch aufsuchen, wenn Sie etwas brauchen. Mein kleines Appartement befindet sich direkt neben dem Gemeinschaftsraum.“
Aufmerksam betrachte ich die schlanke Frau mittleren Alters, die sich schlicht, aber elegant in ein dunkelblaues Kostüm gekleidet hat. „Ich hoffe, dass ich Sie nicht so oft stören muss. Ich bin nicht sehr anspruchsvoll und möchte einfach einmal ein paar Tage ausspannen. Dazu scheint mir dieses hübsche Haus in der idyllischen Gegend geradezu prädestiniert.“
Ein fast unhörbarer Seufzer flieht aus ihrem Mund. „Sie hatten im Internet gebucht, und ich hoffe, dass Sie bereits durch die Medien informiert sind, in welcher etwas zweifelhaften Lage wir uns momentan befinden?“
Ich versuche, möglichst locker zu bleiben. „Sie meinen, weil sich Ihre Chefin gerade eine Auszeit genommen hat? Manchmal muss man einfach einmal alle Zäune durchbrechen und ein bisschen andere Luft schnuppern. Ich kann das nur allzu gut verstehen, denn ich mache gerade nichts anderes.“
Elli hebt die Augenbrauen. „Ich wünschte, Sie hätten Recht. Aber mich plagen da Zweifel. Es lief hier alles gerade sehr gut, und Marisa hatte Erfolg mit ihrem Konzept. Die Gäste kamen gern zu ihr, und auch die Dauer-Gäste sind zufrieden. Wenn sie freiwillig fortgegangen wäre, hätte sie mir vorher Bescheid gesagt.“
Ich hänge meine Jacke an den Kleiderhaken. „Dann waren Sie also eng mit ihr befreundet? Sie wissen alles über Ihre Freundin?“
„Freundinnen waren wir nicht, aber wir hatten auch keine Geheimnisse voreinander. Schließlich haben wir viele Stunden des Tags miteinander verbracht. Aber ich möchte Sie mit diesen Geschichten jetzt nicht länger belästigen. Sie möchten hier Urlaub machen, und dazu brauchen Sie Ruhe,“ glaubt sie.
„Ein Schwätzchen gehört auch zum Urlaub“, beruhige ich sie. „Wenn ich meine Ruhe brauche, werde ich ein bisschen in der Natur herumspazieren.“ Ich überlege, wie ich sie weiter in ein Gespräch ziehen kann. „Darf man die Küche auch benutzen?“
„Sie haben hier eine kleine Ess-Ecke, in der sie sich schnelle kalte Speisen und am Automaten warme Getränke zubereiten können. Aber die große Gemeinschaftsküche dürfen Sie auch benutzen. Das machen die meisten Gäste hier, und es fördert die Gemeinsamkeit. Wenn Sie aber einmal gar keine Lust haben, sich etwas zu kochen, dann springe ich auch mal gern ein.“
Ich sehe sie erfreut an. „Das hört sich gut an. Vielen Dank! Wenn ich Sie Elli nennen darf, können Sie auch ruhig Carolin zu mir sagen. Und ich habe auch nichts gegen ein Du.“
Sie lächelt flüchtig. „Das ist nett. Im Augenblick freue mich über jede seelische und moralische Unterstützung.“
„Gibt es denn keinen Gast, der dich ein bisschen aufmunternd kann?“ versuche ich, sie weiter in ein Gespräch zu verwickeln.
„Doch, den gibt es hier auch. Das ist Tonio, ein Journalist, der sich gerade hier einen längeren Urlaub erlaubt, um ein Buch zu schreiben. Er ist immer zu Scherzen aufgelegt, und den kannst du überhaupt nicht ernst nehmen.“
„Dann ist er sozusagen eine Art Pausenclown?“ frage ich nach.
„Ja, bei ihm weiß man nie, ob er es ernst meint oder nur so zum Spaß sagt. Dagegen ist Matthias, der Höhlenforscher nie zum Scherzen aufgelegt. Er spricht kaum, wundere dich also nicht, wenn er eine Distanz zu dir hält.“
Ich sehe sie verwundert an. „Da gibt es also den Schornsteinfeger Maximilian, der die dunklen Kaminschächte reinigt, den Kanalbauer Jochen, der in der Erde herumkrabbelt und den Höhlenforscher Matthias, der gern in der dunklen Erde verschwindet, sind das nicht alles etwas abwegige Berufe, im wahrsten Sinne des Wortes? Und der Journalist geht gerade seine eigenen Abwege?“
„Ich denke, du wirst dich gut mit Tonio verstehen, denn er hat auch solche abwegigen Gedanken wie du. Zu den Dauergästen gehören aber auch noch zwei Frauen.“
„Lass mich raten! Die eine ist Archäologin und die andere arbeitet im dunklen Kino als Platzanweiserin?“
Elli schmunzelt. „Nein, Anna war bis jetzt Lehrerin und hat sich frühpensionieren lassen, weil sie gemobbt wurde. Hier versucht sie jetzt, etwas zu Ruhe zu finden. Die andere, das ist Nadine. Sie ist Sozialarbeiterin und erholt sich gerade von einem Burnout, der sie lange berufsunfähig machte. Inzwischen geht es ihr schon besser, und sie wird wohl schon bald wieder arbeiten können.“
„Dieses hübsche Haus in der traumhaften Alpen-Gegend ist gut geeignet für Menschen, die sich sammeln wollen oder erholen müssen“, finde ich.
Elli hüstelt verlegen. „Eine Sache gäbe es da noch, die du vielleicht vorher wissen müsstest, bevor du deine Koffer auspackst.“
„Du kannst mir alles sagen!“ schlage ich ihr vor.
Sie zögert. „Ich hoffe, du magst Tiere. Also nicht so die Hühnchen zum Essen, die gibt es natürlich auch ab und zu bei uns, sondern lebende Tiere.“
„Im Allgemeinen bin ich ein Tierfreund“, verrate ich ihr. „Aber meine Sympathie ist da schon unterschiedlich ausgeprägt.“
Elli sieht mich erwartungsvoll an. „Dann hoffe ich, dass du die zwei Bewohner dieser Gartenanlage magst: Nadine besitzt nämlich eine Ente, die ihr während ihrer Therapie immer sehr geholfen hat. Es ist schon möglich, dass sie dir ab und zu einmal über den Weg läuft. Und Tonios Kuscheltier ist schon etwas größer: Es handelt sich um einen kleinen Tiger.“
Nachdem mir mein Chef am Telefon glaubhaft versichert hat, dass er von diesen tierischen Mitbewohnern nichts wusste, packe ich meinen Koffer aus und versuche, meine Gedanken zu ordnen.
Ich frage mich, ob einer der mir bereits avisierten Mitbewohner dieser Pension einen Grund haben kann, Marisa aus dem Weg zu räumen, aber auf Anhieb fällt mir da nichts ein.
Also gibt es nur eins, ich muss mich in die Höhle des Löwen, pardon, des Tigers wagen und der Gefahr ins Auge sehen. Mit einem Joghurt aus meiner Reiseproviant-Dose bewaffnet suche ich die Gemeinschaftsküche auf und treffe auf eine Frau, die eine Ente im Arm trägt.
Dieser Anblick erinnert mich an ein historisches Gemälde, auf dem eine hübsche rotwangige Frau gerade im Begriff ist, einen Fasan zu rupfen, und ich hoffe inständig, dass sie jetzt nicht in die Messerschublade greift.
Die blonde, engelhafte Schönheit reicht mir jedoch ihre rechte Hand und begrüßt mich freundlich.
„Hallo! Ich bin Nadine und genieße diese Umgebung schon seit einiger Zeit. Darf ich dir Flatter, meine Kuschel-Ente vorstellen?“
Wie gut, dass mich Elli schon ein wenig vorbereitet hat! Aber wie begrüßt man eine Ente? In meinem Repertoire der ungewöhnlichsten Etikette finde ich in den unergründlichen Gefilden meiner grauen Zellen keine Anweisung.