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High Society - Liebe in Adelskreisen Sammelband
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Es wird geliebt, gehasst, gewonnen und verloren. Werfen Sie einen Blick in die aufregende Welt der Reichen und Schönen und erleben Sie spannende Verwicklungen! Denn eins wird es in den feinen Kreisen garantiert nie: langweilig!
Was Frauen lieben und wovon sie heimlich träumen, davon erzählen die Romane in High Society - Liebe in Adelskreisen auf mitreißende Weise. Die perfekte Mischung aus Humor, Romantik, Drama und großen Gefühlen lässt den Alltag schon auf Seite 1 in weite Ferne rücken.
Dieser Sammelband enthält die folgenden Romane:
Silvia-Gold 8: Die verbotene Liebe
In Adelskreisen 35: Geheimnis um Schloss Windenburg
Fürsten-Roman 2435: Als er in ihre Augen sah...
Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 250 Taschenbuchseiten.
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Michaela Hansen, Ina Von Hochried, Nina Gregor
High Society 8 - Sammelband
Cover
Impressum
Die verbotene Liebe
Vorschau
Die verbotene Liebe
Eine Frau und ihre unerfüllte Sehnsucht
Von Michaela Hansen
Früher hat Ariane Herzog fest daran geglaubt, dass Liebe etwas ist, das einen Menschen glücklich macht. Liebe, so hat sie gedacht, das ist wie ein ewiger Rauschzustand, etwas Wundervolles, etwas, das den Alltag ganz und gar vergessen lässt.
Jetzt weiß sie, dass es anders ist. Liebe bedeutet für sie nur unerfüllte Sehnsucht, Traurigkeit, Schmerzen und Eifersucht. Ariane ist ein viel zu aufrechter Mensch, um sich ihre Gefühle für Oliver Richter nicht einzugestehen. Doch er darf von ihrer Liebe niemals etwas erfahren!
»Träumst du schon wieder, Ariane?« Lächelnd wandte sich Richard Herzog, der gerade vor dem kleinen Häuschen zwei Rosenstöcke beschnitt, zu seiner Tochter um.
Die neunzehnjährige Ariane saß auf den Steinstufen vor dem Haus. Sie hatte die Ellenbogen auf die angezogenen Knie gestützt und das Kinn auf die Handflächen gelegt. Ein sehnsüchtiger Blick war in den rehbraunen Augen, die das fein geschnittene Gesicht mit der zierlichen Nase und dem so weiblichen zarten Mund vollkommen beherrschten. Das dunkle Haar mit dem kleinen frechen rötlichen Schimmer gab diesem schönen Mädchengesicht eine ganz besondere Note.
Ariane war vollkommen in den Anblick des riesigen Parks versunken, der die in der Ferne liegende alte Villa umgab. Zwei mächtige Säulen begrenzten den Eingang des Siebzigzimmerhauses, und wilder Wein rankte sich bis zum obersten Stockwerk empor.
»Du träumst also tatsächlich«, stellte Richard Herzog fest. Er nahm seinen Gartenhut ab und strich sich über die Stirn. Die Sonne meinte es gut an diesem Spätnachmittag im Mai.
»Ob sie dort drüben heute wohl wieder ein Fest feiern?«, fragte Ariane versonnen. »Den ganzen Tag über haben die Mädchen Fenster geputzt, und der Gärtner hat große Fliedersträuße in die Villa getragen. Wie schön muss es sein, an einem solchen Fest teilzunehmen!«
»Hör auf, Luftschlösser zu bauen, Ariane«, mahnte der Vater. Er legte dem Mädchen die Hand auf die Schulter. »Wunschträume bringen nur Kummer und Unzufriedenheit. Uns geht es doch gut. Warum sollten wir uns etwas wünschen, was für uns unerreichbar ist?«
Ariane blickte den Vater lächelnd an. Sie konnte so bezaubernd lächeln, dass einfach jedes Männerherz bei diesem Anblick schmolz.
»Du hast recht, Papa. Ich will ja auch nicht undankbar sein. Nur manchmal möchte ich auch ein so wundervolles Kleid tragen wie die Damen, die dort drüben zu dem Fest gehen.«
»Du bist wirklich noch ein Kind, Ariane«, schmunzelte der Vater. »Ich glaube, du brauchst all die eleganten Damen, die in die Villa zu einem Fest gehen, nicht zu beneiden. Manche sind in ihrem Herzen vielleicht unglücklicher als du. Ein schönes Kleid, Pelze und Schmuck, das alles macht keine innere Zufriedenheit aus. Wir haben hier unser Häuschen und unseren kleinen Garten. Was wollen wir mehr?«
»Ach, Papa, nur ein einziges Mal möchte ich dabei sein«, seufzte Ariane. Wieder glitt ihr Blick zur Villa hinüber.
»Schlag dir das aus dem Kopf, Kind.« Richard Herzog legte die Gartenschere beiseite und setzte sich einen Augenblick zu seiner Tochter auf die Steinstufen. »Ich bin hier nur Chauffeur und habe mich um den privaten Wagenpark der Richters zu kümmern. Nie im Leben wird dich jemand zu einem Fest in die Villa einladen. Also, hör auf, diesen unerfüllbaren Sehnsüchten nachzuhängen.«
»Wenn man keine Träume mehr hat, ist man wirklich alt, Papa«, sagte Ariane leise. »Ich möchte immer träumen, mein Leben lang.«
»Ich hoffe, du meinst das nicht ernst.« Richard Herzog runzelte die Stirn. »Wenn du immer nur träumst, versäumst du darüber das Glück deines Lebens. Auch deine Wirklichkeit hat viel Schönes zu bieten.«
Ariane legte ihren Arm um die Schultern des Vaters. Sie küsste den Zweiundfünfzigjährigen auf die Wange.
»Ich vergesse ja gar nicht die Wirklichkeit über meinen Träumen«, meinte sie. »Dann wäre ich ja ein weltfremdes Wesen, das nicht in die Zeit passt. Aber manchmal brauche ich meine Träume eben.«
Richard Herzog erhob sich wieder und machte sich an seine Gartenarbeit.
Ariane blickte noch immer zur Villa des Waschmittelfabrikanten Lothar Richter hinüber, für den der Vater arbeitete. Sie hatte das Haus noch nie betreten, aber sie war oft heimlich am Abend zur Villa gegangen und hatte durch die Fenster der Räume geblickt, die zu ebener Erde lagen. Ganz berauscht war sie gewesen von den schönen Dingen, die es da zu sehen gab: kostbare Gemälde, glitzernde Kronleuchter, schwere Orientteppiche und wunderschöne alte Mahagonimöbel. Die hohen Rhododendronbüsche, die jetzt üppig weiß und violett blühten, hatten sie immer rechtzeitig vor den Blicken der Hausbewohner geschützt.
Ariane hatte den Hausherrn an seinem Schreibtisch gesehen, und einmal hatte Oliver Richter, der Sohn des Hauses, so nahe am geöffneten Fenster gestanden, dass Ariane ihn mit der Hand hätte berühren können. Damals hatte sie kaum zu atmen gewagt.
Ariane kannte die Hausmädchen und die Köchin. Auch den Butler hatte sie ein paarmal gesehen, der immer so steif daherging, als hätte er einen Stock verschluckt.
»Ist es nicht Zeit, Abendbrot zu machen?«, fragte Richard Herzog in die Stille hinein. »Eine Portion Bratkartoffeln könnte ich vertragen.«
Ariane sprang auf. Der Vater hatte ja recht, sie in die Wirklichkeit zurückzurufen. Was ging sie schließlich die Familie Richter an mit all ihren Millionen und ihrem Luxus?
»Soll ich dir Spiegeleier zu den Bratkartoffeln machen?«, fragte Ariane. »Oder möchtest du etwas Sülze dazu essen, Papa?« Liebevoll sah Ariane den Vater an.
»Ein Stückchen Sülze wäre mir lieber«, erwiderte Richard Herzog. »Ruf mich, wenn du fertig bist.«
Ariane nickte und lief ins Haus. Das Gebäude wirkte eher wie ein vergrößertes Gartenhaus am Ende des Parks. Es hatte vier Zimmer, ein Bad und eine Küche.
Früher, als Arianes Mutter noch gelebt hatte, hatte diese sich um alles gekümmert. Das Häuschen war immer blitzblank gewesen. Aber vor einem Jahr, gleich, nachdem Ariane ihr Abitur gemacht hatte, war die Mutter nach einer Infektionskrankheit gestorben. Richard Herzog hatte sich nie ganz von diesem Verlust erholt. Er war ein ernster, stiller Mann geworden.
Ariane, die eigentlich Kunstgeschichte hatte studieren wollen, hatte ihre Pläne zunächst aufgegeben. Unmöglich konnte sie den Vater allein lassen, so verzweifelt, wie er gewesen war. Nun sorgte sie für ihn und kümmerte sich um das Haus.
Auch sie hatte lange Zeit gebraucht, den Tod der Mutter zu verwinden.
Ariane lächelte dem Bild der Mutter zu, das über der Sitzecke an der Wand hing. Dann machte sie sich daran, das Abendbrot zuzubereiten.
Nach dem Essen räumte Ariane den Tisch ab und begann, abzuwaschen. Der Vater ging in sein Zimmer und zog sich um. Wenn er ein Mitglied der Familie Richter in die Stadt fahren musste, trug er immer die silbergraue Livree und die Chauffeursmütze. Lothar Richter, der mächtige Seniorchef, wünschte das so.
An diesem Abend musste er Lothar Richter und seine Frau Elisabeth zu einem Empfang fahren. Als Richard Herzog wieder in die Küche kam, hatte Ariane schon den Abwasch beendet. Die Sonne war rot glühend am Horizont versunken, und als Ariane aus dem Fenster blickte, sah sie, wie die hohen Tannen des Parks sich schwarz vom rosavioletten Abendhimmel abhoben.
»Hoffentlich langweilst du dich nicht so allein heute Abend«, sagte der Vater, als er sich von Ariane verabschiedete.
»Ich langweile mich niemals, Papa, das weißt du doch«, erwiderte Ariane lächelnd. »Ich werde Musik hören und malen. Du weißt doch, dass ich das Bild mit den Magnolien noch beenden muss. Ich warte auf dich, bis du zurückkommst.«
»Das kann spät werden, Kind«, sagte Richard Herzog.
»Das macht doch nichts, Papa. Du weißt, dass ich niemals früh zu Bett gehe. Es ist so schön hier draußen um diese Jahreszeit. Die Abende sind so still und friedlich. Es wäre schade, sie zu verschlafen.« Sie küsste den Vater auf die Wange, und Richard Herzog verließ das Haus und ging zu der riesigen Garage hinüber, die hinter einer dicht stehenden Gruppe hoher Blutbuchen lag.
Drei Sportwagen und sechs Luxuslimousinen gehörten zum Wagenpark der Richters. Die Limousinen waren zum Teil sehr ausgefallene Modelle. Drei von ihnen konnte man als Oldtimer bezeichnen, für die Liebhaber hohe Preise gezahlt hätten. Aber niemals hätte Lothar Richter einen seiner Wagen verkauft. Er hing an diesen alten Autos, und sie mussten immer ganz besonders sorgfältig gepflegt werden. Richard Herzog konnte sich über Arbeit nicht beklagen.
An diesem Abend erwartete Lothar Richter die schwere deutsche Limousine, das neueste, kostspieligste Modell.
Schon am Nachmittag hatte Richard den Wagen auf Hochglanz poliert. Sein prüfender Blick glitt über die anderen Autos, ehe er in die Limousine stieg und den Wagen aus der Garage fuhr. Die Limousine glitt am Park vorbei die lange Auffahrt hinauf, die von Platanen gesäumt war.
Der Besitz der Richters glich dem Anwesen einer preußischen Adelsfamilie. Vor der großen Treppe, die zur Villa hinaufführte, hielt die Limousine.
Richard Herzog stieg aus und blieb abwartend neben der Wagentür stehen. Wenn er von hier aus über die sanft abfallenden Rasenflächen blickte, konnte er sein kleines Haus hinter den Tannen und Blutbuchen nicht mehr erkennen. Er dachte an Ariane und musste lächeln.
Was für ein Glück war es doch, dass er eine solche Tochter hatte!
***
Ariane stand vor dem Spiegel in ihrem Zimmer und probierte das Kleid an, das sie sich genäht hatte und das bis auf die Saumlänge fertig war. Sie neigte den Kopf etwas nach rechts und betrachtete sich kritisch. Warf der gelbe Satin nirgendwo eine Falte, wo sie nicht hingehörte?
Die Mutter hatte sie das Nähen gelehrt, und schon mit vierzehn Jahren hatte sie sich die erste eigene Bluse geschneidert. Wie stolz sie darauf gewesen war! Dieses Kleid hatte sie in einer Modezeitschrift entdeckt. Es hatte ihr auf den ersten Blick gefallen.
Die schmale Etuiform passte gut zu ihrer schlanken Figur und wirkte durch die schlichte Linienführung. Das Kleid war ärmellos, und der kleine runde Ausschnitt betonte den langen schmalen Hals des Mädchens.
Ariane biss sich auf die Unterlippe und betrachtete den Ausschnitt. Das Kleid wirkte wirklich überaus schlicht. Doch mit einem Mal hatte sie eine Idee: Da war ja noch die doppelreihige Zuchtperlenkette der Mutter. Die wollte sie zu diesem Kleid tragen.
Aber zunächst musste der Saum gemacht werden, was ein bisschen schwierig war, denn die Länge des Kleides musste stimmen. Die etwas mageren Knie mussten bedeckt sein, dann kamen ihre schlanken Beine besser zur Geltung.
Schnell schlüpfte Ariane in die hochhackigen schwarzen Pumps, die sie schon einige Jahre besaß, aber selten getragen hatte. Dann steckte sie die Saumlänge ab.
Das Fenster ihres kleinen Zimmers war weit geöffnet, und weiche Frühlingsluft strömte herein. Für einen Augenblick trat Ariane ans Fenster und atmete tief diesen Duft ein. Dabei fiel ihr Blick auf den großen Goldregenbusch, der die ersten gelben Blüten entfaltete.
Ariane liebte die Natur, und immer wieder hatte sie sie in ihren zartfarbenen Aquarellen festgehalten. Aber an diesem warmen Nachmittag dachte sie nicht ans Malen. Das Kleid musste fertig werden. Und dann wollte sie in die Stadt fahren, sich in ein Straßencafé setzen und einmal große Dame spielen. Der Vater gab ihr jeden Monat ein ausreichendes Taschengeld, und Ariane war immer sparsam damit umgegangen.
Aber vor ein paar Tagen hatte sie sich einen lang gehegten Wunsch erfüllt. Sie hatte sich einen gewagt großen schwarzen Strohhut gekauft. Als der Vater gerade nicht da war, hatte sie ihn ins Haus gebracht. Jetzt holte sie ihn aus dem Schrank, wo sie ihn versteckt hatte, und setzte ihn auf. Sie war hingerissen. Mit diesem Hut und diesem Kleid sah sie wirklich aus wie eine Dame der Gesellschaft.
Ariana schnitt sich übermütig eine Grimasse. Was der Vater wohl sagen würde, wenn er sie so sah!
Ariane trippelte ein paarmal vor dem Spiegel auf und ab, denn große Schritte ließ der enge Rock nicht zu, und fand, dass das Kleid jeder kritischen Prüfung standhalten konnte.
Vorsichtig nahm sie den Hut ab und legte ihn aufs Bett. Dann streifte sie die Schuhe von den Füßen und zog das Kleid aus. Wenig später saß sie wieder in ihren Jeans und ihrer weißen Hemdbluse an der Nähmaschine. Tausend Träume und Sehnsüchte hatte sie in dieses Kleid mit hineingearbeitet. Der Wunsch, sich zu verändern, einmal jemand anderes zu sein, als sie war, hatte sie beflügelt und angeregt. Ob dieses Kleid ihr Glück bringen würde?
Eine kleine Blaumeise flog auf das Fensterbrett, beobachtete Ariane neugierig, zwitscherte einmal kurz und flog wieder davon.
Ariane musste lächeln. Aber das Lächeln verschwand schnell wieder von ihrem Gesicht. Sie dachte daran, wie abgeschieden sie hier draußen lebte. Besuch aus der Stadt kam selten, und nur manchmal wechselte sie ein paar Worte mit dem jungen Gärtner, der bei den Richters angestellt war und mit ein paar anderen Gehilfen die Pflege des riesigen Parks übernommen hatte.
Wenn Ariane spürte, dass sie es in dem kleinen Haus nicht mehr aushielt, lief sie zur Garage hinüber und lieh sich einen der schönen chromblitzenden Wagen aus. Natürlich tat sie das nur, wenn sie ganz sicher war, dass niemand sie beobachtete und dass an diesem Tag keiner der Familie Richter gerade diesen Wagen benötigte. Dann fuhr sie ein bisschen in der Gegend herum und manchmal auch in die Kleinstadt, um wenigstens vorübergehend unter Menschen zu sein.
Der Vater mochte es gar nicht, wenn sie mit einem der Wagen fuhr. Aber meistens richtete Ariane es so ein, dass er nichts davon erfuhr.
Erwischte er sie dennoch einmal dabei, wies er sie energisch zurecht. Dann machte Ariane immer ein schuldbewusstes Gesicht, hörte sich alles schweigend an und bat den Vater um Verzeihung, was sie aber nicht daran hinderte, sich bei nächster Gelegenheit wieder einen der schönen Wagen auszuleihen.
Nachdem Ariane den Saum mit der Hand vernäht hatte, bügelte sie das Kleid sorgfältig. Sie hängte es auf einen Bügel an den Schrank und betrachtete es lange.
Sie war stolz auf ihre Arbeit, und sie brannte darauf, das Kleid in der Öffentlichkeit zu tragen. Morgen Nachmittag, das wusste sie schon, fuhr der Vater den Seniorchef zum Golfspiel. Seine Frau hatte ihren Bridgenachmittag, zu dem sie immer eine Anzahl älterer Damen erwartete. Für Ariane war die Gelegenheit günstig für einen kleinen Ausflug.
Wenn nur das Wetter schön blieb, damit sie sich den Nachmittag so gestalten konnte, wie sie es sich gedacht hatte! Die Erregung färbte ihre Wangen rosig, als sie an den nächsten Tag dachte.
Tatsächlich kam alles so, wie Ariane erhofft hatte. Der Himmel war strahlend blau, und die Sonne schien ununterbrochen, als würde sie dafür bezahlt. Die warme, trockene Frühsommerluft machte die Menschen heiterer und fröhlicher.
Gegen vier Uhr fuhr Arianes Vater den Seniorchef zum Golfplatz. Da auch ein Sportwagen aus der Garage fehlte, nahm Ariane an, dass Oliver Richter diesen benutzte. Es hätte alles gar nicht günstiger sein können.
Ariane duschte und zog sich an. Ihre Hände zitterten ein bisschen, als sie das mattgelbe Satinkleid überstreifte. Sie legte die Zuchtperlenkette der Mutter an, schlüpfte in die hochhackigen Pumps und setzte dann als Clou den Hut auf.
Mit kleinen vorsichtigen Schritten ging Ariane zur Garage. Diesmal nahm sie die bescheidenste der Limousinen, die aber immer noch sehr anspruchsvoll wirkte. Sie ließ sich hinter das Steuer gleiten und fuhr los.
Auf dem Weg zur Stadt summte Ariane die Melodien mit, die das Radio spielte. Sie war in ausgelassener Stimmung. Fast kam sie sich vor wie ein Vogel, der endlich wieder aus dem Käfig fliegen durfte. Sie parkte den Wagen in einer Seitenstraße und ging dann auf eins der prächtigen Straßencafés zu, das sie kannte. Sie hatte großes Glück, noch einen freien Tisch zu bekommen.
Unter einigen bewundernden Männerblicken setzte sich Ariane und bestellte einen Cappuccino. Ihre wunderschönen braunen Augen standen keine Minute still. Es gab so viel zu sehen! Passanten flanierten an dem Straßencafé vorbei, Wagen brausten vorüber. Benzin und Parfüm vermischten sich zu einem Duft, der Ariane erregte.
Plötzlich hörte sie die Stimme eines Mannes neben sich und blickte auf. Philipp Winter, ein mittelgroßer Mann mit braunschwarzem Haar und hellen Augen, stand neben ihr und lächelte auf sie hinunter. Auch Ariane lächelte. Sie hatte Philipp auf dem Abiturientenball kennengelernt, aber ihn danach nie wiedergesehen. Damals hatte er heftig mit ihr geflirtet.
»Wie schön, dich zu treffen, Ariane.« Ohne große Umstände nahm Philipp auf dem Stuhl Ariane gegenüber Platz. »Du siehst einfach hinreißend aus! Meine Güte, so habe ich dich gar nicht in Erinnerung! Du wirkst wie ein Modell aus einem Modejournal. Was ist das für ein tolles Kleid!«
Wieder lächelte Ariane. Ihre Augen lagen im Halbschatten der breiten Hutkrempe und ließen sie noch verführerischer erscheinen.
»Vielen Dank für die Komplimente«, sagte sie. »Mir hat das Kleid auch so gut gefallen, dass ich es einfach haben musste.«
Der Ober trat an ihren Tisch, und Philipp bestellte sich ebenfalls einen Cappuccino.
»Wie geht es dir, Ariane? Was hast du in der Zwischenzeit gemacht? Ich habe schon oft an dich gedacht, aber ich wusste nicht, wie ich dich erreichen konnte.« Philipp beugte sich etwas vor.
Ariane zögerte kurz mit der Antwort.
»Oh, ich habe mir die Zeit vertrieben«, erwiderte sie dann. »Ich habe sehr viel gemalt, weißt du. Malen war immer mein Hobby.«
»Du malst? Das wusste ich ja gar nicht. Was sind das für Bilder?« Philipp schien sehr interessiert.
»Ich male vorwiegend Aquarelle«, antwortete Ariane.
»Hast du schon welche verkauft?«, fragte Philipp.
»O nein, ich möchte sie auch nicht verkaufen«, erklärte Ariane schnell. »Ich hänge an meinen Bildern. Ich möchte sie alle behalten.«
»Das ist aber ein bisschen egoistisch, wenn die Bilder wirklich gut sind«, bemerkte Philipp lächelnd. Er sah Ariane lange an. Plötzlich fügte er ganz spontan hinzu: »Willst du nicht morgen Abend zu unserer Cocktail-Party kommen? Es sind eine ganze Menge Gäste geladen. Es ist eine Gartenparty. Ich wäre so stolz, dich unseren Bekannten und Geschäftsfreunden vorstellen zu können. Du siehst wirklich so wunderschön aus wie keine andere, Ariane. Bitte, gib mir keinen Korb.«
Mit zierlicher Bewegung führte Ariane die Tasse zum Mund und ließ sich Zeit. Dabei schlug ihr Herz ungewöhnlich stark. Philipps Vater war ein wohlhabender Mann, das wusste sie. Soweit sie sich erinnerte, hatte er ein großes Ex- und Import-Geschäft. Nicht ganz so gigantisch und luxuriös womöglich, aber immerhin. Auch dort traf sich die Gesellschaft, und sie würde dazugehören!
»Nun, was sagst du?«, drängte Philipp. »Hast du morgen Zeit? Ich versichere dir, dass du dich nicht langweilst.«
»Also gut.« Ariane nickte. »Ich werde kommen. Aber ich weiß gar nicht wohin. Ich kenne deine Adresse nicht.«
»Dem kann abgeholfen werden«, antwortete Philipp. Er griff in seine Jackentasche und zog eine Visitenkarte hervor, die er Ariane reichte. Dann beschrieb er ihr den Weg. »Du wirst doch mit dem Wagen kommen, nicht wahr?«
»Ja, selbstverständlich«, entgegnete Ariane. Im Stillen amüsierte sie sich. Philipp glaubte sicher, dass sie ein Mädchen aus vornehmer Familie sei und dass Geld für sie gar keine Rolle spielte. Nun, sie würde ihn in dem Glauben lassen. Sie wusste auch schon, mit welchem Wagen sie morgen zu der Cocktail-Party fahren würde. Ihr armer Vater durfte das aber auf gar keinen Fall erfahren!
»Vielleicht könntest du mir eines deiner Bilder mitbringen«, sagte Philipp. »Ich würde schrecklich gern einen Blick darauf werfen. Ich habe mich nämlich für Malerei schon immer interessiert.«
»Ach, tatsächlich?«, staunte Ariane. »Dann würdest du mir ehrlich sagen, was du von meiner Arbeit hältst?«
»Selbstverständlich«, versprach Philipp. »Auf mein Wort kannst du dich verlassen.«
»Dann werde ich dir eine meiner besten Arbeiten mitbringen«, sagte Ariane. »Ich werde dir das Bild schenken, wenn es dir gefällt.«
»Du bist ein eigenwilliges Mädchen«, bemerkte Philipp. »Verkaufen willst du deine Bilder nicht, aber mir machst du eins zum Geschenk.«
»Das ist doch etwas anderes, verstehst du das nicht?«, fragte Ariane.
Philipp ging es wie vielen, die das hinreißende junge Mädchen mit seinem bezaubernden Lächeln sahen. Er konnte seinen Blick nicht von ihr lösen.
»Du musst mich jetzt entschuldigen, Ariane«, sagte er und winkte dem Ober, um zu zahlen. »Ich bin mit einem Freund verabredet. Aber morgen sehen wir uns ganz bestimmt, nicht wahr? Um achtzehn Uhr beginnt die Party. Aber du kannst kommen, wann du willst, du wirst immer willkommen sein.«
Der Ober kam, und Philipp bezahlte. Ariane reichte ihm ihre schmale Hand.
»Bis morgen also, Philipp«, sagte sie.
»Du lässt mich nicht vergeblich warten?«, fragte er vorsichtshalber noch einmal nach.
»Bestimmt nicht«, versicherte Ariane. »Ich bin viel zu neugierig, was du über das Bild sagst.«
»Und weißt du was, Ariane?«, sagte Philipp lächelnd, ehe er ging. »Du musst dieses Kleid tragen. Es sieht aus, als wäre es eigens für dich gemacht. Erfüllst du mir diesen Wunsch?«
Das Lächeln auf Arianes Gesicht vertiefte sich.
»Wenn ich dir eine Freude damit mache«, erwiderte sie.
Philipp bestätigte das. Dann verließ er das Café und ging zu seinem Sportwagen hinüber, den er auf der anderen Straßenseite geparkt hatte.
***
»Meine Güte, Kind, wie siehst du denn aus? Um ein Haar hätte ich dich nicht erkannt!« Stirnrunzelnd trat Richard Herzog zur Seite und ließ seine Tochter herein. Energisch schloss er hinter Ariane die Haustür. »Du siehst ja aus, als wärest du direkt einem Modejournal entsprungen. Woher, um alles in der Welt, hast du dieses Kleid und diesen Hut?«
»Ach, Papa, sei nicht so streng mit mir«, bat Ariane. Sie nahm den Hut ab und küsste ihren Vater auf die Wange. Dann drehte sie sich lächelnd vor ihm. »Gefällt dir das Kleid?«
»Ich weiß nicht, ob es mir gefällt«, brummte der Vater. »Es passt nicht zu dir. Ein junges Mädchen sollte nicht ein so elegantes Kleid tragen. Du wirkst darin wie … wie …«
»Wie aus einer anderen Welt, nicht wahr?«, half Ariane ihm. »Ich sehe darin aus, als käme ich aus anderen Kreisen. Ist es das, was du sagen wolltest, Papa?«
Der Vater ging ins Wohnzimmer und setzte sich in einen Sessel. Ariane folgte ihm. Abwartend blieb sie vor ihm stehen.
»Es passt jedenfalls nicht zu dir«, wiederholte Richard Herzog. »Wo willst du ein solches Kleid tragen? Und überhaupt, wo warst du heute Nachmittag?«
Ariane setzte sich auf seine Sessellehne.
»Ich war in der Stadt, Papa«, entgegnete sie.
Sofort blickte Richard Herzog auf.
»In der Stadt?«, fragte er. »Wohl nicht zu Fuß, nehme ich an. Mit welchem Wagen bist du diesmal gefahren?«
»Ach, Papa, lassen wir das doch«, bat Ariane. »Es ist doch gar nicht wichtig, welchen Wagen ich genommen habe. Er steht heil und unversehrt wieder in der Garage.«
Richard Herzog schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, dass Ariane zusammenzuckte.
»Ich habe dir schon hundertmal gesagt, dass du die Wagen der Richters nicht fahren sollst«, bemerkte er mit erhobener Stimme. »Die Wagen gehören uns nicht. Was glaubst du, was passiert, wenn einer der Richters dahinterkommt?«
Ariane umschlang den Vater und küsste ihn wieder auf die Wange.
»Nicht böse sein, Papa«, bat sie schmeichelnd. »Es war so ein wunderschöner Sommertag, und ich bin oft so allein hier draußen. Ich musste wieder einmal in die Stadt. Kannst du das nicht verstehen?«
»Mein liebes Kind, ich verstehe dich sehr gut«, antwortete Richard Herzog und löste die Arme seiner Tochter von seinem Hals. »Aber es gibt auch eine andere Möglichkeit, um in die Stadt zu kommen. Nur zehn Minuten von hier entfernt ist eine Bushaltestelle.«
Ariane schmollte. »Liebster Papa«, sagte sie. »Hätte ich denn in diesem Kleid, mit diesem Hut und diesen Schuhen in einen Bus steigen können? Die Leute hätten mich ja mit den Blicken verschlungen.«
»Ich habe dir ja gleich gesagt, dass das Kleid nicht zu dir passt«, ereiferte sich Richard Herzog. »Zu solch einem Kleid gehört ein ganz anderer Rahmen, und den können wir uns nicht leisten.«
Nun sagte sie es ihm doch. Die Worte kamen ihr ganz von selbst auf die Lippen.
»Papa, ich bin zu einer Cocktail-Party eingeladen worden. Ich habe in der Stadt einen Bekannten wiedergetroffen, dem ich auf dem Abiturientenball begegnete. Er hat mich ganz spontan eingeladen. Du hast doch nichts dagegen, Papa, dass ich zu dieser Gesellschaft gehe? Ich freue mich so sehr darauf. Ich habe doch so wenig Gelegenheit, auszugehen.«
Richard Herzog sah seine Tochter nachdenklich an. Ihre Worte bewegten ihn. Eigentlich hatte Ariane ja recht. Sie war ein junges, lebenslustiges Mädchen. Und was führte sie hier für ein Leben?
»Philipp ist ein junger Mann aus gutem Haus. Du musst gar nichts befürchten, Papa«, fuhr Ariane fort, als der Vater schwieg. »Es werden eine ganze Menge Leute da sein. Und dieses Kleid werde ich auf der Party tragen. Philipp hat darauf bestanden. Er sagt, es stände mir so gut, als wäre es eigens für mich gemacht.« Sie lachte auf. »Wenn er wüsste!«
»Wie könnte ich dir verbieten, zu dieser Gesellschaft zu gehen«, erwiderte der Vater ruhig. »Ich verstehe ja, dass du Abwechslung brauchst. In meinem Alter ist das nicht mehr so wichtig. Ich genieße die Stille und den Frieden hier, und ich habe ja meine Arbeit. Aber ein junges Mädchen wie du …«
»Ach, Papa, auch ich fühle mich hier wohl und bin hier zufrieden«, entgegnete Ariane schnell. »Nur manchmal muss ich einfach Menschen um mich haben, muss ich mit Leuten reden können, die …« Sie schwieg verlegen.
»Ich weiß schon, mein Kind. Du sprichst von Leuten, die in deinem Alter sind. Das ist ganz natürlich. Aber dass wir so wenig gesellschaftlichen Umgang haben, liegt wohl auch an der Art meines Berufes. Ich komme ja kaum mit anderen Menschen zusammen. Und die wenigen Verwandten, die wir noch haben, leben nicht hier in der Gegend, das weißt du. Wie also sollen wir diesen Zustand ändern?«
»Wir brauchen gar nichts zu ändern, Papa«, antwortete Ariane. »Es ist alles so in Ordnung. Auch ich fühle mich hier draußen wohl. Wenn ich nur hin und wieder mit anderen Menschen zusammen sein kann, will ich mich gar nicht beklagen. Ich habe ja dich, Papa, und ich habe meine Malerei. Mach dir jetzt keine unnötigen Sorgen.«
Sie hörten, wie sich ein Sportwagen näherte und auf die Garage zukam. Ariane beugte sich zu dem Vater vor.
»Das ist bestimmt Oliver Richter«, flüsterte sie. »Er hat heute den roten Porsche genommen, jedenfalls war er vorhin nicht in der Garage.«
»Am liebsten würde ich die Garagentür vor dir verschließen«, antwortete Richard Herzog. »Aber wie ich dich kenne, würdest du sofort die Schlüssel finden. Es hat überhaupt keinen Zweck, dir etwas zu verbieten.«
Ariane senkte die Augenlider. Unmöglich konnte sie dem Vater jetzt gestehen, dass sie morgen mit dem Rolls-Royce fahren wollte. Das würde ihn nur unnötig aufregen. Sicherlich würde auch morgen alles glattgehen, und der Wagen würde später wieder unversehrt an seinem Platz stehen.
***
Der silbergraue Rolls-Royce war der luxuriöseste Wagen, der vor dem Bungalow der Winters hielt. Auch die anderen Limousinen und Sportwagen waren von erlesener Qualität, doch der Rolls-Royce wirkte unter ihnen wie ein Prinz unter schlichten Adeligen.
Philipp hatte Ariane begeistert begrüßt, als sie angekommen war, und sie gleich seinen Freunden und Bekannten vorgestellt. Die staunten nicht schlecht, als sie das unbekannte Mädchen sahen, das sich mit so graziöser Eleganz und so selbstsicher bewegte, als stammte es aus einer alten vornehmen Familie.
Natürlich trug Ariane wieder das gelbe Kleid und den breitrandigen schwarzen Hut. Für die Cocktail-Party hatte sie sich zusätzlich noch ellenbogenlange schwarze Satinhandschuhe gekauft. Sie hatten zwar ein großes Loch in ihr Sparguthaben gerissen, aber Ariane fand, dass es die Sache wert war.
Trotz ihrer unübersehbaren Aufmachung und ihrer gespielten Selbstsicherheit fühlte Ariane sich schüchtern und hilflos. Es kostete sie große Mühe, das zu überspielen. Schließlich war es das erste Mal, dass sie sich in solchen Kreisen befand!
Nur wer sie ganz genau betrachtete, konnte den etwas verängstigten Ausdruck in ihren rehbraunen Augen entdecken. Immer hatte Ariane Angst, etwas falsch zu machen. Dabei konnte auf dieser Cocktail-Party eigentlich gar nichts schiefgehen. Philipp hatte dafür gesorgt, dass sie gleich zur Begrüßung ein Glas Champagner bekam.
Die Glaswand zur Terrasse war zurückgeschoben, und auch hier standen Gäste der Party und unterhielten sich. Die Sonne schien nur durch leichte Dunstschleier, aber es war recht warm. Ariane nippte an ihrem Champagner und beantwortete artig die Fragen, die Philipps Freund an sie richtete.
Philipp war gerade fortgegangen, um neue Gäste zu begrüßen. Der junge Mann, der ihr als Manuel Kern vorgestellt worden war, überschüttete sie mit Komplimenten, und neugierig versuchte er, herauszufinden, wer sie war und woher sie kam.
Doch Ariane hatte sich darauf vorbereitet und gab nur ausweichende Antworten. Als der junge Mann dann aber nach längerer Betrachtung sagte: »Irgendwo habe ich Sie schon gesehen. Sie kommen mir ungemein bekannt vor«, da erschrak sie doch ein bisschen. Sie beruhigte sich aber sofort wieder, als Manuel Kern fortfuhr: »Ich glaube, es war in Nizza beim Empfang der Marquise de Chantillon. Oder irre ich mich?«
»Ich war noch nie in Nizza«, antwortete Ariane und lächelte ihr süßes Lächeln.
Manuel Kern strich sich verlegen das Haar zurück.
»Dann muss es Sankt Moritz gewesen sein«, meinte er.
»Ich finde Wintersport sehr langweilig«, entgegnete Ariane, »und Sankt Moritz ist so überlaufen, finden Sie nicht auch?«
»Ja, tatsächlich. Im nächsten Winter werde ich mit meinen Eltern wieder nach Sankt Anton ausweichen. Das ist zwar auch kein friedliches Paradies, wie Sie sicherlich wissen, aber immer noch besser.«
»Ja«, antwortete Ariane. Sie sah sich unaufhörlich um. Kam Philipp denn noch nicht zurück? Manuel Kern sprach jetzt über die Karibik, erwähnte auch kurz Kalifornien, und immer sah er Ariane an, als erwartete er, dass sie das alles kannte.
Ariane war nie über Deutschlands Grenzen hinausgekommen, und diese exklusiven Orte, die der junge Mann nannte, waren ihr höchstens aus Zeitschriften ein Begriff. Sie war heilfroh, als noch zwei andere Herren zu ihr traten, sie förmlich mit Blicken verschlangen und sich in das Gespräch mischten. Es tat Ariane gut, so bewundert zu werden. Doch die oberflächlichen Gespräche dieser Party enttäuschten sie. Die Herren sprachen jetzt über Aktien und die besten Investitionsmöglichkeiten.
Mit einem Mal bedauerte Ariane gar nicht mehr, nicht wirklich zu diesem Kreis zu gehören. Gab es für diese Leute denn nur Luxusreisen, Geld und gesellschaftliche Zusammenkünfte? Sie war froh, dass Philipp kam und sie den anderen entführte, sie zu einer neuen Gruppe brachte und bekannt machte.
Eine junge Frau in einem champagnerfarbenen duftigen Nichts aus Chiffon musterte Ariane besonders kritisch. Dabei hob sie hochmütig den Kopf mit dem langen kupferfarbenen Haar. Dass alle Herren so offensichtlich von Ariane angetan waren, schien ihr nicht zu gefallen. Ariane spürte die Blicke der anderen wie kleine Nadelstiche auf ihrer Haut.
Hoffentlich bemerkte niemand, dass sie das Kleid selbst geschneidert hatte. Der Champagner beschwichtigte ihre Nervosität, und als sie das erste Glas geleert hatte, sorgte Philipp schnell für ein neues.
Ariane hatte gerade den ersten Schluck daraus getrunken, als sie den Blick hob und erstarrte. Durch die Terrassentür war ein großer dunkelblonder Mann hereingekommen, den sie nur zu gut kannte. Auf keinen Fall durfte er sie hier entdecken!
Verzweifelt sah sie sich nach einem Fluchtweg um, doch es war unmöglich, einfach zu verschwinden. Sie musste lächeln und freundliche Worte wechseln.
Dass aber auch ausgerechnet Oliver Richter auf dieser Cocktail-Party sein musste! Und wie er sie jetzt ansah! Ariane senkte schnell die Lider und nippte wieder an ihrem Glas. Wie anders ihr Herz jetzt schlug: lauter und ungestümer. Hatte Oliver Richter sie erkannt?
Ariane wandte ihm halb den Rücken zu. Aber sie fühlte auch dort Olivers Blicke, und sie hatte den Eindruck, dass sich ihre Nackenhaare ein bisschen sträubten, dass ein kühler Schauer über ihren Rücken lief. Krampfhaft überlegte sie, ob Oliver Richter sie schon einmal bewusst gesehen hatte. Sie hatte ihn schon ein paarmal beobachtet, aber das war etwas anderes.
Wenn er nun draußen seinen Wagen erkannt hatte? Es wurde Ariane ganz elend bei diesem Gedanken. Wenn er jetzt zu ihr kam und mit ihr sprach, würde sie im Erdboden versinken, das wusste sie genau. Hätte sie nur auf den Vater gehört! Wie oft hatte er ihr gesagt, dass sie sich nicht an den Autos der Richters vergreifen sollte. Aber sie hatte es ja besser gewusst. Sie war ja so fest davon überzeugt gewesen, dass niemand etwas merken würde. Es war nur ganz natürlich, dass sie jetzt ihre Strafe bekam.
Wieder trank Ariane einen Schluck Champagner und sprach ein paar belanglose Worte mit ihrem Nachbarn. Als sie sich umwandte, um nach Philipp zu sehen, stand Oliver Richter plötzlich vor ihr.
Ariane starrte ihn stumm an.
***
»Was für ein herrlicher Tag, um über Land zu fahren, meinen Sie nicht auch, Richard?« Leicht auf seinen Elfenbeinstock gestützt, stand Lothar Richter vor Arianes Vater. Der Fabrikant hatte den Chauffeur per Haustelefon zu sich beordert.
Richard Herzog nickte und lächelte.
»Ich bin bereit, Herr Richter«, antwortete er. »Wohin soll die Fahrt gehen?«
»Ich denke, wir fahren ein bisschen zwischen den Wiesen und Feldern entlang zum See hinaus. Meine Frau liebt den See über alles, wie Sie ja wissen. Und die schöne Landschaft so in Ruhe an sich vorbeigleiten zu sehen, das ist auch etwas für mich. Wenn man in die Jahre kommt, ist man sowieso mehr für die gemächlichere Gangart. Ich glaube, da pflichten Sie mir bei.«
»Durchaus, Herr Richter«, antwortete Arianes Vater. »Vielleicht ist die gnädige Frau an einem kleinen Picknick interessiert?«
»Sie erinnern sich aber auch an alles, Richard«, bemerkte der weißhaarige Großindustrielle schmunzelnd. »Ja, Picknicks hat meine Frau immer geliebt. Sie war ganz versessen darauf, wissen Sie noch? Aber auch das ändert sich mit den Jahren, und heute ist es auch schon ein bisschen spät, um sich irgendwo zu einem Picknick niederzulassen. Ich denke, wir werden ein leichtes Abendessen im Schlosshotel nehmen. Die Seezungen sollen dort hervorragend sein.«
»Wie Sie wünschen, Herr Richter«, sagte Arianes Vater. »Soll ich den Wagen vorfahren? Wünschen Sie, jetzt sofort aufzubrechen?«
»Ich denke ja«, erwiderte Lothar Richter. »Es ist jetzt nicht mehr so heiß, und die Fahrt wird angenehm sein. Heute Nachmittag war es ein bisschen drückend. Ich dachte schon, wir bekommen ein Gewitter. Aber zum Glück haben sich die Wolken wieder verzogen. Vielleicht kann ich meine Frau sogar zu einem kleinen Spaziergang vor dem Abendessen überreden. Zwar kann sie sich hier im Park genug bewegen, aber auf die Dauer wird die Umgebung langweilig. Der See bietet da mehr Abwechslung mit seinen eigenartigen Gewächsen ringsum und den verschiedenen Tierarten, die man gerade um diese Spätnachmittagsstunde beobachten kann. Wissen Sie eigentlich, dass ich in meiner Jugend ein begeisterter Ornithologe war?«
»Nein, das haben Sie mir noch nicht erzählt, Herr Richter«, erwiderte Richard Herzog.
»Ich könnte Ihnen da viele interessante Geschichten erzählen, aber, mein Gott, wann habe ich schon Zeit dazu?« Wieder lächelte der Fabrikant. »Sie wissen ja, die gesellschaftlichen Verpflichtungen nehmen einen stark in Anspruch, und wenn man da noch ein bisschen Sport betreibt wie ich, bleibt nicht mehr viel Zeit übrig. Schließlich bin ich nicht mehr der Jüngste.«
»Sie sind in einer sehr guten Kondition, wenn ich das so sagen darf«, antwortete Richard Herzog. »Manche Männer in Ihrem Alter könnten Sie darum beneiden.«
»Tatsächlich? Finden Sie das wirklich, Richard? Es tut gut, so etwas zu hören. Sie kennen mich ja lange genug, um das beurteilen zu können.« Lothar Richter lächelte geschmeichelt. »Ich werde jetzt meine Frau holen, und dann können wir losfahren.«
Jetzt stellte Richard Herzog eine Frage, die sich als verhängnisvoll erweisen sollte.
»Welchen Wagen wünschen Sie heute, Herr Richter?«, fragte er nämlich.
Lothar Richter legte einen Augenblick den Zeigefinger seiner linken Hand an seine Nase. Er schien zu überlegen und meinte dann: »Nehmen wir heute den Rolls-Royce. Er muss auch mal wieder ausgefahren werden. Wer rastet, der rostet. Das gilt auch für alte Autos.«
Arianes Vater erschrak. Seine Gedanken arbeiteten fieberhaft. Wenn jetzt Ariane da gewesen wäre, sie hätte was erleben können!
»Was ist denn? Stimmt etwas nicht?«, fragte Lothar Richter, als Arianes Vater schwieg.
»Den Rolls können wir heute nicht nehmen, Herr Richter«, bequemte sich Richard Herzog zu einer Antwort. »Er ist nicht in Ordnung, er muss repariert werden.«
Stirnrunzelnd sah der Großindustrielle seinen Chauffeur an.
»Ein größerer Schaden?«, fragte er. »Soweit ich mich erinnere, haben wir den Wagen vor vierzehn Tagen zuletzt gefahren. Ich habe keinen größeren Defekt festgestellt.«
»Es ist nichts Schwerwiegendes«, entgegnete Richard Herzog. »Aber es wäre unvernünftig, mit ihm zu fahren. Außerdem mussten die Bremsbeläge erneuert werden.«
»So, die Bremsbeläge«, meinte Lothar Richter. »Dann haben Sie den Wagen zur Werkstatt gebracht.«
Richard nickte. Er wollte nicht lügen, aber die Wahrheit konnte er auch unmöglich sagen. Diesmal würde Ariane nicht so leicht davonkommen! Erst vorhin hatte er bemerkt, dass sie den teuersten und elegantesten Wagen genommen hatte. Dieses Kind brachte ihn in ungeheure Schwierigkeiten!
»Nun, gerade in diesem Wagen wäre eine Fahrt besonders schön und bequem gewesen. Aber was nicht sein kann, kann eben nicht sein.«
Mit großer Erleichterung sah Richard, dass sein Chef lächelte, und als er jetzt auf einer schweren deutschen Limousine bestand, konnte er zustimmend nicken.
»In fünf Minuten bin ich mit dem Wagen zur Stelle«, erklärte er. »Dann kann die Fahrt losgehen.«
***
»Ich habe noch nicht das Vergnügen gehabt, Ihnen vorgestellt zu werden«, sagte Oliver Richter und nannte seinen Namen. Seine lächelnden grauen Augen ließen Arianes Blick nicht los.
»Herzog«, murmelte Ariane so leise, dass Oliver sie kaum verstehen konnte. Das Herz schlug ihr bis in den Hals hinauf.
»Ich habe Sie noch nie auf einer Party getroffen, darum interessieren Sie mich«, erklärte Oliver unumwunden.
»Ich … ich bin auch nur zu Besuch hier«, versetzte Ariane. Für Sekunden zitterten ihre Augenlider wie Schmetterlingsflügel. Wusste Oliver Richter wirklich nicht, wer sie war? »Ich habe nie Gelegenheit gehabt, auf Partys zu gehen, die hier in der Gegend stattfinden. Außerdem müssen Sie mich jetzt entschuldigen.«
Sie wandte sich um und wollte davongehen, denn zu ihrem größten Schrecken hatte sie bemerkt, dass Philipp und ihr Gesprächspartner von eben zum kalten Büfett hinübergegangen waren. Oliver legte ganz leicht seine Hand auf ihren Arm und hielt sie zurück.
»Warum wollen Sie gehen?«, fragte er. »Langweilen Sie sich so sehr? Ich habe Sie vorhin eine Weile beobachtet. Sehr interessante Gespräche schienen Sie nicht geführt zu haben.«
Ariane atmete tief durch und beruhigte sich.
»Gibt es interessante Gespräche auf dieser Party? Ich hatte nicht den Eindruck. Wenn Sie mir Komplimente machen wollen, vergeuden Sie nur Worte. Ich bin an Schmeicheleien nicht interessiert.«
Oliver lächelte belustigt.
»Ich habe gar nicht vor, Ihnen Komplimente zu machen«, meinte er. »Das wirkt immer so, als verfolgte man ein bestimmtes Ziel. Sie interessieren mich nur, weil sie ein bisschen ungewöhnlich sind und weil ich Sie noch nie gesehen habe. Sie wissen ja, wie das in unseren Kreisen ist: Man trifft immer wieder dieselben Leute. Sie kommen aus Süddeutschland?«
»Ja«, antwortete Ariane kurz. Sie konnte jetzt ganz ruhig sein. Oliver wusste nicht, wer sie war. »Mein Vater hat dort ein großes Fuhrunternehmen.« Wie von selbst hatten sich diese Worte auf ihre Lippen gedrängt.
»Und was machen Sie?«, fragte Oliver.
»Oh«, erwiderte Ariane und drehte das Glas in ihrer Hand. »Ich studiere Kunstgeschichte.«
Die Rehaugen sahen ihn ganz unschuldig an, und Oliver empfand plötzlich mehr als Interesse für dieses Mädchen mit dem schönen zarten Gesicht, das so verletzlich wirkte.
»Ich hoffe, Sie sind keine dieser schrecklich emanzipierten jungen Damen, die immer auf ihr Wissen pochen und dabei jeden Charme verlieren. Solche Frauen sind mir ein Gräuel«, meinte er.
»Haben Sie den Eindruck, dass ich eines dieser Mädchen bin?«, fragte Ariane. Nun lächelte auch sie, und dieses Lächeln nahm Oliver vollends für sie ein.
»Ich bin mir nicht ganz sicher, wie ich Sie einschätzen soll«, bemerkte er. »Aber ich glaube, ich möchte Sie näher kennenlernen.«
Ariane stockte der Atem. Sie musste sich von diesem Mann zurückziehen. Sie musste versuchen, ihm zu entkommen. Dabei fühlte sie unter seinen Blicken ein so süßes Gefühl der Unruhe in ihrem Blut, wie sie es noch nie zuvor gespürt hatte.
»Wir werden kaum Zeit haben, uns näher kennenzulernen«, entgegnete sie spröde. »Ich reise in den nächsten Tagen wieder ab.«
Wieder lächelte Oliver.
»Das sollte kein Problem sein«, sagte er. »Mir stehen alle Verkehrsmittel der Welt zur Verfügung. Sie müssen mir nur sagen, wo ich Sie finden kann.«
»Wahrscheinlich werde ich nächstes Wochenende in Nizza sein«, erklärte Ariane, »oder aber in Sankt Moritz. So genau weiß ich das noch nicht.«
Abermals war da der Spott in Olivers amüsierten Augen.
»Haben Sie denn im Augenblick Semesterferien, dass Sie so in der Welt herumreisen können?«, erkundigte er sich.
»Ja, ja, es sind Semesterferien«, bestätigte Ariane. Sie machte eine lässige Handbewegung. »Meine Eltern möchten, dass ich die Welt kennenlerne. Und wie das in unseren Kreisen so ist, fahre ich zunächst an jene Orte, wo sich die internationale Gesellschaft ein Stelldichein gibt.«
Oliver beobachtete sie noch immer. Irgendetwas stimmte mit diesem Mädchen nicht. Es wirkte so ganz anders als all die anderen jungen Damen, die er bisher bei gesellschaftlichen Anlässen kennengelernt hatte. Was war es nur, was sie von den anderen unterschied?
Obwohl sie sich so weltgewandt gab, wirkte sie doch auf gewisse Weise rührend hilflos. Oliver verspürte plötzlich das dringende Bedürfnis, Ariane in seine Arme zu schließen und zu beschützen. Als er jetzt ihren lächelnden Mund betrachtete, hatte er noch ein ganz anderes Bedürfnis.
»Sehen wir uns also am Wochenende in Nizza?«, fragte er.
Ariane errötete leicht.
»Ach, wissen Sie, ich habe schon so viele Verabredungen für das Wochenende getroffen, dass ich einfach keinen Termin mehr freihabe.« Sie sah Oliver kurz an und senkte dann schnell wieder die Augenlider. »Außerdem spiele ich Golf, ich habe meinen Bridge-Klub und so weiter. Ich bin wirklich vollkommen ausgelastet. Aber es war nett, Sie kennenzulernen.« Sie lächelte Oliver auf die bezaubernde Art, die ihr eigen war, zu und reichte ihm die Hand.
Oliver hielt ihre Hand fest.
»Warum wollen Sie gehen?«, fragte er. »Es sieht ja aus, als würden Sie vor mir fliehen. Gibt es denn gar keine Möglichkeit, Sie wiederzusehen?«
Ariane spürte die neugierigen Blicke, die sie musterten. Sie entzog Oliver schnell ihre Hand.
»Die Welt ist klein«, sagte sie. »Vielleicht sehen wir uns schon eher wieder, als wir denken.«
»Darauf möchte ich mich nicht verlassen«, entgegnete Oliver. »Könnten wir nicht einen konkreteren Zeitpunkt ausmachen?«
Um sie herum plauderten und lachten die Gäste. Gläser stießen aneinander. Man hörte das gedämpfte Geräusch gekonnt geöffneter Champagnerflaschen.