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Dinah Meinradt gibt heute ihr Bestes. Nie haben ihre Lieder so gefühlvoll, so überzeugend geklungen. Ihr ganzes Herz liegt in ihrem Gesang, und dafür gibt es eine simple Erklärung: Sie singt nur für ihn, diesen gut aussehenden Fremden in der ersten Reihe.
Je länger das Konzert dauert, desto mehr spürt Dinah die einzigartige Magie zwischen sich und dem Mann im Publikum - und den Hass der Frau an seiner Seite ...
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Seitenzahl: 114
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Das Unausgesprochene zwischen uns
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Impressum
Das Unausgesprochene zwischen uns
Wie ein einziger Moment ihr ganzes Leben verändert
Von Nina Gregor
Dinah Meinradt gibt heute ihr Bestes. Nie haben ihre Lieder so gefühlvoll, so überzeugend geklungen. Ihr ganzes Herz liegt in ihrem Gesang, und dafür gibt es eine simple Erklärung: Sie singt nur für ihn, diesen gut aussehenden Fremden in der ersten Reihe.
Je länger das Konzert dauert, desto mehr spürt Dinah die einzigartige Magie zwischen sich und dem Mann im Publikum – und den Hass der Frau an seiner Seite ...
»Himmel, wo bleibst du denn?« Marcel von Alkens Stimme klang ungeduldig. »Wenn du dich nicht beeilst, beginnt der Liederabend ohne uns!«
Julia seufzte auf und warf einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel. Hübsch sah sie aus in dem schwarzen Korsagenkleid, dessen weiter Rock um ihre schönen Beine schwang.
Das kastanienbraune Haar trug sie locker aufgesteckt, was ihr klares Profil und den schlanken Hals besonders zur Geltung brachte.
Warum war er bloß so ungeduldig? Für die Fahrt in die nahe Kreisstadt brauchten sie knapp zwanzig Minuten. Sie hatten also noch genügend Zeit!
Marcel lief draußen auf dem Korridor ungeduldig auf und ab. Als sie ihr Zimmer verließ, blieb er stehen und betrachtete sie kritisch.
»Schon wieder das Schwarze?«, bemerkte er dann. »Du hast es doch erst kürzlich getragen.«
Julia unterdrückte einen Seufzer. Mal war es das Kleid, dann wieder die Frisur, oder ihr Mann fand, dass sie blässlich wirkte. Wann sie zum letzten Mal ein spontanes Kompliment von ihm gehört hatte, daran konnte sie sich nicht erinnern.
Dabei hatte vor drei Jahren, als sie heirateten, der Himmel für sie voller Geigen gehangen. Es war Liebe auf den ersten Blick zwischen ihnen gewesen. Und sie waren beide sicher gewesen, dass sich daran nie etwas ändern würde. Doch inzwischen machten sich immer deutlicher Alltagsfrust und eine gewisse Langeweile breit, wie Julia besorgt registrierte.
Sie musste unbedingt etwas für ihre Ehe tun, damit wieder ein frischer Wind wehte. Vielleicht waren ein paar Urlaubstage das richtige Mittel?
Aber sie waren beide mit dem Reiterhof und dem Tenniscenter so eingespannt, dass an Ferien gar nicht zu denken war. Gerade jetzt, wo die Sommersaison nach dem langen Lockdown richtig losging, war die Arbeit kaum noch zu bewältigen.
»Wenn ich da an Patricia von Fechter denke!«, murrte Marcel in ihre Gedanken hinein. »Eine tolle Frau, immer nach der neuesten Mode gekleidet! Die weiß, was ihr steht und wie sie ihre Vorzüge zur Geltung bringt!«
»Das kommt den guten Andreas auch verdammt teuer, mein Lieber!«, gab Julia im gleichen Tonfall zurück.
»Du willst doch nicht etwa behaupten, dass wir am Hungertuch nagen müssten, wenn du dir ein paar neue Kleider zulegen würdest?«, brauste Marcel auf.
»Um Himmels willen, nein, Marcel!«, lenkte Julia hastig ein. »Ich verspreche dir, gleich morgen nach München zu fahren und mich total neu einzukleiden! Und jetzt wollen wir wirklich los. Sonst kommen wir tatsächlich noch zu spät.«
Auf der Fahrt in die Stadt sprachen Julia und Marcel nur wenig. Dabei fragte sie sich, wohin das führen sollte. Sie hatten ja jetzt schon kaum Gemeinsamkeiten, redeten so oft aneinander vorbei.
Ob ein Kind da heilsam gewesen wäre? Ein Schatten huschte über das Gesicht der jungen Frau. Es war ihr großer Kummer, dass sie keine Kinder bekommen konnte. Zahlreiche Ärzte hatten es ihr bestätigt, als sie ein Jahr nach der Hochzeit immer noch nicht schwanger geworden war.
Inzwischen hatte Julia sich mit dem Gedanken, kinderlos zu bleiben, abgefunden. Was blieb ihr auch anderes übrig? Vor allem, da Marcel sich standhaft weigerte, ein Kind zu adoptieren.
Doch sie hatte einen Trost! Der kleine Florian von Fechtner vom nahe gelegenen Gut Fechtenau kam oft zu ihr herüber und vertrieb mit seinen Späßen und dem fröhlichen Kinderlachen ihren Trübsinn.
Wie beneidete sie Patricia um dieses muntere, aufgeweckte Kerlchen! Und wie wenig wusste die schöne Nachbarin ihr Mutterglück zu schätzen!
Denn Patricia reiste die halbe Zeit um den Erdball, um Modeaufnahmen zu machen. Sie war ein gefragtes Fotomodell und dachte nicht daran, der Familie zuliebe ihren Job aufzugeben oder auch nur einzuschränken.
Marcel stoppte den Wagen vor dem Kulturhaus der Stadt, und Julia wurde aus ihren Gedanken gerissen.
»Wir sind schon da?«, murmelte sie überrascht. »Das ging aber rasch!«
Sie wollte aus dem Wagen steigen, doch Marcel hielt sie zurück. Ein Lächeln spielte dabei um seinen Mund.
»Es tut mir leid, Liebes, dass ich eben ein wenig heftig und ungeduldig war ...«
Julia erwiderte sein Lächeln. »Schon vergessen, Schatz! Das soll uns den Abend nicht verderben.«
Wieder mal gab sie nach, wie so oft ...
♥♥♥
Im Foyer der Stadthalle hatten sich elegant gekleidete Konzertbesucher versammelt. Auf einen Blick stellte Julia fest, dass auch einige ihrer Bekannten anwesend waren. Beispielsweise das Ehepaar von Fechtner.
Jetzt winkte Patricia herüber. Sie sagte etwas zu ihrem Mann und bahnte sich durch die übrigen Konzertbesucher einen Weg.
»Julia, Marcel! Wie schön, euch wieder einmal zu sehen!«
Mit einem strahlenden Lächeln umarmte Patricia Julia und ließ sich dann von Marcel auf beide Wangen küssen.
Mit charmantem Lächeln versicherte er: »Sie reißen mich wieder mal zu Begeisterungsausbrüchen hin, Patricia! Wie schaffen Sie es nur, stets auszusehen wie ein Hollywood-Superstar?«
Patricia lächelte geschmeichelt. »Wenn ich Sie nicht besser kennen würde, Marcel, würde ich Sie für einen Süßholzraspler halten. Aber weil Sie es sind, danke ich für das Kompliment!«
Julia verfolgte das Geplänkel der beiden mit einem nachsichtigen Lächeln. Marcel war wieder ganz im Element! Er sprühte nur so vor Charme und Witz. Ja, das war der Marcel von Alken, in den sie sich gleich bei der ersten Begegnung verliebt hatte.
Auch Andreas von Fechtner kam jetzt heran. Die beiden Männer begrüßten sich mit freundschaftlichem Händedruck. Dann nahm er Julias Hand.
»Schön, Sie zu sehen!« Das klang nicht wie eine Phrase, sondern aufrichtig. »Übrigens geht es Florian schon wieder viel besser. Eine typische Sommergrippe – nicht weiter tragisch.«
»Na, dann werde ich ja nicht allzu lange auf seine Besuche verzichten müssen«, freute sich Julia. »Sagen Sie ihm, dass ich ihn sehr vermisse!«
»Er vermisst Sie auch!«, gab Andreas zurück. »Sie sind so eine Art Ersatzmutter für den Bengel, wenn Patricia unterwegs ist. Manchmal wüsste ich nicht, wie ich ohne Sie mit ihm zurechtkommen sollte! Sie sind sozusagen Florians guter Engel, Julia!«
»Übertreiben Sie jetzt nicht maßlos, Andreas?«, wehrte Julia beinahe verlegen ab. Doch sie musste zugeben, dass seine Worte sie freuten. Längst hatte sie sich so an Florian und seine häufigen Besuche auf Alken gewöhnt, dass sie sich ein Leben ohne das Kind kaum mehr vorstellen konnte.
»He, ihr zwei! Wenn ich es nicht besser wüsste, müsste ich eifersüchtig sein!«, erklang Patricias helle Stimme. »Was gab es denn so Interessantes, dass ihr alles um euch herum vergessen habt?«
»Für Andreas und mich gibt es nur ein Thema!« Julias Augen leuchteten. »Florian!«
»Florian?!«, echote Patricia irritiert. Es schien ihr unbegreiflich zu sein, wie man dem Kleinen ein derartiges Interesse schenken konnte. Sie war jedenfalls froh, wenn er abends in seinem Bett lag und sein Mündchen einmal stillstand.
Aber sie hatte dieses Kind ja auch nicht gewollt. Andreas dagegen war überglücklich gewesen, als sie schon kurz nach der Hochzeit schwanger geworden war. Und das trotz Pille!
Als Patricia nach der Geburt wieder arbeiten wollte, hatte er optimistisch gemeint: »Ein paar Wochen im Jahr werden Florian und ich auch allein zurechtkommen, Liebes. So ein richtiger Männerhaushalt hat auch etwas für sich!«
Doch dann war alles anders gekommen. Patricia war nicht einige Wochen lang unterwegs gewesen, sondern die meisten Monate des Jahres. Anfangs hatte Andreas ihr Vorhaltungen gemacht. Als er aber einsehen musste, dass sie damit nicht zu beeindrucken war, gab er es auf, ihren Lebensstil ändern zu wollen.
Außerdem hatte er gar keine andere Wahl, als sich zu gedulden, wenn er sich nicht von Patricia trennen wollte. Und vor diesem Schritt schreckte er immer wieder zurück. Wie er seinen Freund Marcel um dessen häusliche Ehefrau Julia beneidete! Wenn Patricia sich doch ein einziges Mal so um Florian gekümmert hätte, wie die kinderliebe Julia es tat!
Patricia schreckte meist zurück, wenn Florian sie ungestüm umarmen wollte. Und sie hörte kaum hin, wenn er ihr seine kleinen Abenteuer und Sorgen mitteilte.
Florian spürte das natürlich und hatte seinen Vater sogar einmal gefragt, warum seine Mama nicht so lieb zu ihm war wie Tante Julia.
Andreas hatte versucht, ihn über diese Enttäuschung hinwegzutrösten. Er hatte auch versucht, in seinem kleinen Sohn Verständnis für den anstrengenden Job seiner Mutter zu wecken.
Florian hatte das eingesehen, aber gnadenlos kommentiert: »Mami muss das ja nicht machen! Wenn sie uns wirklich lieb hätte, würde sie bei uns bleiben! Oder hat sie uns auch so lieb, Papi?«
»Aber ja, mein Schatz!«, hatte Andreas hastig geantwortet, war sich aber nicht sicher gewesen, welcher Art die Gefühle waren, die Patricia für ihre kleine Familie empfand. Manchmal glaubte er gar, dass Mann und Sohn ihr lästig waren ...
»Ich denke, wir gehen hinein!«, mahnte jetzt Marcel von Alken. »Sonst fängt Dinah Meinradt noch ohne uns an!«
»Das wäre unverzeihlich!«, stimmte Patricia ihm eifrig zu. »Sie hat in den vergangenen Monaten ausgezeichnete Kritiken bekommen. Wir sollten sie uns nicht entgehen lassen!«
Julia saß zwischen Marcel und Andreas. Sie freute sich auf den Abend mit Dinah Meinradt. Noch ahnte sie nicht, dass dieser der Anfang vom Ende ihrer Ehe war ...
♥♥♥
Es wurde dämmrig im Saal, und ein Scheinwerferkegel leuchtete die Bühne aus, richtete sich auf die schlanke, zerbrechlich wirkende Gestalt, die jetzt ins Rampenlicht trat.
Stürmischer Beifall brandete auf, und Julia, die Dinah Meinradt nur von einigen Plakaten her kannte, musste neidlos zugeben, dass die Sängerin eine Schönheit war.
Blonde Locken rieselten um Gesicht und Schultern, leuchteten im Scheinwerferlicht auf wie flüssiges Gold. Die schlanke, aber wohlproportionierte Figur brachte ein schlichtes schwarzes Abendkleid voll zur Geltung.
Marcel von Alken sprach spontan aus, was alle dachten: »Was für eine Frau, absolut atemberaubend!«
Er spürte nicht den raschen Blick, den Julia ihm zuwarf, sondern verfolgte hingerissen jede Bewegung der schönen Sängerin.
Dinah Meinradt bedankte sich für den rauschenden Applaus mit einer graziösen, aber sparsamen Verbeugung. Dabei lächelte sie, und dieses Lächeln schlug Marcel von Alken vollends in Bann.
Ihre Stimme klang ein wenig rauchig, als sie sich jetzt mit einigen freundlichen Worten für den herzlichen Empfang bedankte, und Marcel von Alken meinte, nie eine faszinierendere Frauenstimme gehört zu haben.
Als Dinah zu singen begann, kam der Reiz ihrer einzigartigen Stimme voll zur Geltung. Bis in den letzten Winkel erfüllte sie den Saal.
Es entging der Sängerin nicht, dass dort in der ersten Reihe ein Mann saß, der jede ihrer Gesten fasziniert verfolgte, der ihre Lieder geradezu in sich aufzusaugen schien, der atemlos an ihren Lippen hing ...
Sie war derartig offensichtliche Bewunderung gewohnt und hätte nicht länger darüber nachgedacht. Doch bei diesem gut aussehenden Fremden war es irgendwie anders.
Plötzlich hatte Dinah an diesem denkwürdigen Abend das Gefühl, nur für ihn zu singen, nur ihm zuzulächeln, ihn ebenso wenig aus den Augen zu lassen, wie er es tat.
Was war nur los mit ihr? Es war doch nicht das erste Mal, dass ein begeisterter Verehrer direkt unterhalb der Bühne saß und sie nicht aus den Augen ließ. Sie hatte stets mit einem Lächeln darauf reagiert.
Doch an diesem Abend fühlte sie Verwirrung in sich aufsteigen, bemühte sich immer wieder, sich loszureißen. Aber dann wanderten ihre Blicke zu dem markaten Männergesicht, und ihr Herz begann rascher zu schlagen.
Sie sang hingebungsvoll von Liebe und Leid, von den kleinen Freuden und Kümmernissen des Alltags, von einem Spaziergang am Meer, vom Schmerz einer soeben beendeten Beziehung ...
Wieder trafen sich ihre Blicke, wieder verspürte Dinah eine beinahe greifbare Spannung, die zwischen ihnen lag – und dann entdeckte sie die Frau an seiner Seite.
Warum störte sie der Gedanke, dass er möglicherweise nicht frei war? Sie kannte ihn nicht, würde ihn vergessen haben, wenn dieser Abend erst beendet war.
Und doch verspürte sie einen Stich in der Herzgegend, sooft ihr Blick die zierliche junge Frau streifte.
Dinah übertraf sich an diesem Abend selbst. Immer wieder riss sie das Publikum zu wahren Beifallsstürmen hin, und als sie dann noch einige französische Chansons zum Besten gab, erhoben sich die Zuhörer zu stehenden Ovationen.
Auch der Fremde applaudierte ihr frenetisch, und Dinah glaubte, in seinem leuchtenden Blick versinken zu müssen, ehe sie völlig aufgewühlt die Bühne verließ. Doch diesmal war nicht wie sonst, der stürmische Beifall daran schuld, sondern die offensichtliche Begeisterung dieses Mannes.
»Du warst besser denn je, Dinah!«, begeisterte sich ihr Manager und Vertrauter Karel Ventlin. »Ich habe dein ,Herz in Flammen' nie schöner gehört!« Er umarmte sie und führte sie fürsorglich in ihre Garderobe. »Übrigens möchten dich einige der Gäste persönlich kennenlernen. Man hat ein Büfett aufbauen lassen und bittet dich, an einer kleinen Feier dir zu Ehren teilzunehmen!«
»Wie nett«, murmelte Dinah zerstreut und dachte nur an ihn, den Mann aus dem Publikum.
Vielleicht hatte sie Gelegenheit, ihn zu treffen. Möglich, dass man sie einander vorstellte und sie miteinander sprechen konnten ...
Als sie den kleinen Raum betrat, in dem man ein rustikales Büfett und eine kleine Bar aufgebaut hatte, sah sie ihn sofort.
Er unterhielt sich gerade mit der jungen Frau, die Dinah auch während ihres Vortrags an seiner Seite entdeckt hatte.
Doch dann bemerkte er sie – und verstummte mitten im Satz.
Fasziniert starrte er ihr entgegen. Dinah erwiderte diesen Blick.
Was geschieht nur mit mir?, fragte sie sich verwirrt. Sie konnte sich nicht daran erinnern, wann ein Mann sie zum letzten Mal derart beeindruckt hatte. Sie hörte kaum hin, was Karel zu ihr sagte, wen er ihr vorstellte. Ständig hatte sie das Gefühl, Marcels Blicke, die ihr folgten, beinahe körperlich zu spüren. Ein- oder zweimal wandte sie wie unter einem Zwang den Kopf und versank in seinem aufleuchtenden Blick ...