High Society 7 -Sammelband - Nina Gregor - E-Book

High Society 7 -Sammelband E-Book

Nina Gregor

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Beschreibung

High Society - Liebe in Adelskreisen Sammelband

Leseglück für viele Stunden zum Sparpreis!

Es wird geliebt, gehasst, gewonnen und verloren. Werfen Sie einen Blick in die aufregende Welt der Reichen und Schönen und erleben Sie spannende Verwicklungen! Denn eins wird es in den feinen Kreisen garantiert nie: langweilig!

Was Frauen lieben und wovon sie heimlich träumen, davon erzählen die Romane in High Society - Liebe in Adelskreisen auf mitreißende Weise. Die perfekte Mischung aus Humor, Romantik, Drama und großen Gefühlen lässt den Alltag schon auf Seite 1 in weite Ferne rücken.

Dieser Sammelband enthält die folgenden Romane:

Silvia-Gold 7: War unser Glück nur eine Lüge?
In Adelskreisen 34: Als Entlobte grüßen ...
Fürsten-Roman 2434: Ein Kuss, der mehr als Worte sagt

Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 250 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 327

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2013/2014/2016 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv von © AndreyPopov/iStockphoto ISBN 978-3-7325-8558-8

Nina Gregor

High Society 7 -Sammelband

Inhalt

Nina GregorSilvia-Gold - Folge 007"Wir haben alles versucht, Frau von Heisberg, aber wir konnten Ihren Mann nicht retten", sagt der Arzt mit belegter Stimme. "Und Ihre Frau auch nicht, Herr Wittlich, die Verletzungen waren zu schwer ..." Philip Wittlich zieht scharf die Luft ein, während sich vor Marlenes Augen alles zu drehen beginnt. Gunther ist tot? Nein, das darf nicht wahr sein! Er ist doch ihr Mann, sie braucht ihn! Aber immer wieder hallen die schrecklichen Worte in ihren Ohren wider. Sie sind beide tot, Gunther und seine Begleiterin ... "Er hat nie was davon gesagt, dass eine Kollegin ihn auf seinen Reisen begleitet", murmelt sie. Da lacht Philip Wittlich bitter auf. "Edith war keine Kollegin Ihres Mannes", sagt er. "Meine Frau war seine ..." Er verstummt. Wie betäubt starrt Marlene ihn an. Ihr Herz hat begriffen, aber ihr Verstand weigert sich, der Wahrheit ins Auge zu sehen. Wie soll sie nur mit einem solchen Wissen weiterleben?Jetzt lesen
In Adelskreisen - Folge 34"Als Entlobte grüßen..." Fassungslos starrt Magdalena Fürstin von Olfen auf die Zeitungsanzeige und stößt einen kleinen Schrei aus. Die Buchstaben verschwimmen vor ihren Augen. "Arnim, bitte!", stammelt sie und reicht ihrem Mann das Blatt. Fürst Arnim wirft einen empörten Blick auf die groß aufgemachte Anzeige. "Das ist hoffentlich ein übler Scherz!", donnert seine tiefe Stimme im nächsten Moment. Doch wenig später müssen zwei fürstliche Elternpaare einsehen, dass ihre Kinder den Skandal sehr wohl beabsichtigt haben: Prinzessin Maruschka von Groteck und Prinz Nicolas von Olfen wollen ihre Entlobung sogar mit einem rauschenden Ball feiern...Jetzt lesen
Fürsten-Roman - Folge 2434Als für die bezaubernde Jasmin ein Liebesmärchen Wahrheit wurde. Hand in Hand gehen sie durch die laue Nacht. Leise rauscht das Meer, vom üblichen Touristenrummel ist nichts mehr zu spüren. Als sie vor der Villa, in der Prinzessin Jasmin Urlaub macht, angekommen sind, zieht Leon ihre Hand an die Lippen. Und während er jede einzelne Fingerspitze zärtlich küsst, hat die Prinzessin nur einen Gedanken: Warum nimmt er mich nicht endlich in die Arme? Warum küsst er mich nicht? Ich sehne mich so sehr nach seinen Zärtlichkeiten! Aber Leon hält sich zurück. Er gibt der schönen Prinzessin schon seit Tagen Rätsel auf - dieser Mann, der auf einem einsam gelegenen Haus auf den Klippen lebt und sie ebenso magisch anzieht wie verunsichert. Was ist sein Geheimnis?Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

War unser Glück nur eine Lüge?

Vorschau

War unser Glück nur eine Lüge?

Als für zwei Herzen die Stunde der Wahrheit kam

Von Nina Gregor

»Wir haben alles versucht, Frau von Heisberg, aber wir konnten Ihren Mann nicht retten«, sagt der Arzt mit belegter Stimme. »Und Ihre Frau auch nicht, Herr Wittlich, die Verletzungen waren zu schwer …«

Philip Wittlich zieht scharf die Luft ein, während sich vor Marlenes Augen alles zu drehen beginnt. Gunther ist tot? Nein, das darf nicht wahr sein! Er ist doch ihr Mann, sie braucht ihn!

Aber immer wieder hallen die schrecklichen Worte in ihren Ohren wider. Sie sind beide tot, Gunther und seine Begleiterin …

»Er hat nie was davon gesagt, dass eine Kollegin ihn auf seinen Reisen begleitet«, murmelt sie.

Da lacht Philip Wittlich bitter auf. »Edith war keine Kollegin Ihres Mannes«, sagt er. »Meine Frau war seine …« Er verstummt.

Wie betäubt starrt Marlene ihn an. Ihr Herz hat begriffen, aber ihr Verstand weigert sich, der Wahrheit ins Auge zu sehen. Wie soll sie nur mit einem solchen Wissen weiterleben?

Marlene würde sich nie an Gunters häufige Geschäftsreisen gewöhnen. Er fehlte ihr von der ersten Minute an. Das große Haus, das eher für eine mehrköpfige Familie gedacht war als für ein kinderloses Paar, erschien ihr kalt und seelenlos ohne den geliebten Mann.

Diesmal sehnte sie Gunters Rückkehr besonders ungeduldig herbei, stand doch ihr fünfter Hochzeitstag ins Haus, den sie im klassischen Flitterwochenparadies Venedig stilvoll feiern wollten, sozusagen als verspätete Hochzeitsreise. Schon damals war Gunter beruflich derart eingespannt gewesen, dass der Honeymoon aufgeschoben werden musste.

Damit, dass sie fünf lange Jahre auf ihre Flitterwochen würde warten müssen, hatte Marlene am Hochzeitstag allerdings nicht gerechnet.

Die häufigen Trennungen machten ihr zu schaffen, zumal ihre Ehe bisher kinderlos geblieben war. Wie sehr beneidete sie ihre langjährige Freundin Anna, die inzwischen dreifache Mutter war und genau das glückliche Familienleben führte, nachdem sich Marlene bislang vergebens sehnte!

Mit einem kleinen Seufzer schloss Marlene den Koffer und stellte ihn zu den übrigen Gepäckstücken, die nur darauf warteten ins Taxi gepackt zu werden, um dann im Bauch des Fliegers mit Ziel Venedig zu verschwinden.

Wenn Gunters Job ihren Urlaubsplänen nicht wieder mal einen Strich durch die Rechnung machte wie so oft in den vergangenen Jahren. Marlene konnte sich nicht daran erinnern, dass sie je länger als ein paar Tage am Stück gemeinsam Urlaub hatten machen können.

Gunter drängte sie zwar immer wieder, allein zu fahren, wenn er wieder mal lang geplante Ferien aus beruflichen Gründen absagen musste. Doch ohne ihren Mann mochte Marlene nirgendwohin fahren. Zum einen waren sie ohnehin schon oft genug getrennt, und dann machte es ihr auch einfach keinen Spaß, all die neuen Eindrücke nicht gemeinsam mit Gunter Revue passieren zu lassen.

Marlene warf einen ungeduldigen Blick auf die Uhr. Es würde noch Stunden dauern, bis ihr Mann sie zärtlich in seine Arme schließen und so ungestüm küssen würde, dass es ihr den Atem raubte. Auch nach fünf Jahren Ehe waren sie so verliebt wie ein frischverheiratetes Paar. Die häufigen Trennungen hatten den positiven Effekt, dass sich erst gar keine Gewohnheit in ihren Alltag einschleichen konnte.

Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen, als sie und Gunter sich bezeichnenderweise im Flieger von London nach Düsseldorf kennenlernten. Bei der Landung war ihnen beiden klar, dass das Schicksal persönlich bei dieser Begegnung Regie geführt hatte. Sie hatten geredet, gelacht und sich immer wieder gedankenversunken in die Augen geschaut. Keine Frage also, dass sie sich wiedersehen würden.

Bereits beim zweiten Treffen hatte Gunter ihr einen Heiratsantrag gemacht, und Marlene sagte ohne eine Sekunde zu zögern Ja. Mit diesem Mann wollte sie eine Familie gründen und gemeinsam alt werden. Undenkbar, dass sie noch vor Kurzem eine entschiedene Ehegegnerin gewesen war, die allein ihre Karriere als TV-Moderatorin im Kopf gehabt hatte.

Jetzt erschien ihr die Zukunft mit Gunter als das einzig wahre Glück. Sie träumte von einem beschaulichen Leben mit ihm auf dem Gut seiner Eltern im Bergischen Land, das Irene von Heisberg, seine Tante, leitete. Mit Irene, die sich nach dem frühen Tod seiner Eltern liebevoll um Gunter gekümmert hatte und die auf dem prachtvollen Gestüt die Zügel in der Hand hielt, verstand sich Marlene auf Anhieb. Die Freiin hatte es sich nicht nehmen lassen, dem jungen Paar eine Hochzeitsfeier auszurichten, die im Freundes- und Bekanntenkreis noch lange für Gesprächsstoff sorgte.

Einen Traum hatte Marlene aber noch vor der Hochzeit aufgeben müssen: Gunter dachte gar nicht daran, aus der pulsierenden Großstadt Düsseldorf in die ländliche Idylle des Bergischen Landes zu ziehen.

Schweren Herzens hatte Marlene in den Wochen vor der Hochzeit die repräsentative Jugendstilvilla eingerichtet, die Gunter gekauft hatte, ohne sich dabei mit ihr abzusprechen. Genauso selbstverständlich hatte er vorausgesetzt, dass Marlene nach der Hochzeit ihren geliebten Beruf aufgeben würde, um nur noch für ihn da zu sein.

»Nach einem stressigen Tag im Büro kann es für mich keine bessere Regeneration geben als gemeinsame Stunden mit der Frau, die ich liebe«, hatte er ihr mit diesem Lächeln versichert, dem sie vom ersten Moment ihres Kennenlernens an nicht widerstehen konnte. Und da sie selbst auch keine Sekunde mit Gunter missen mochte, war Marlenes Protest denkbar schwach ausgefallen. Zumal sie ohnehin so schnell wie möglich schwanger werden wollte und gleich nach der Hochzeit die Pille abgesetzt hatte.

Fünf Jahre später war Marlene weder Mutter einer fröhlichen Kinderschar, noch gab es die ersehnten Kuschelabende mit ihrem Ehemann, denn Gunter entpuppte sich als Workaholic, bei dem der Beruf an erster Stelle stand. Erst danach kam sie, Marlene, und irgendwo dahinter rangierte Gut Heisberg, an dem Gunter – zum Leidwesen seiner Frau – wenig Interesse hatte.

Gedankenverloren ging Marlene nach unten, um das Abendessen vorzubereiten. Wenn sie wenigstens ein Kind gehabt hätte, wären ihre Tage wesentlich sinnvoller verlaufen. Doch obwohl sämtliche Gynäkologen, die sie im Laufe der Jahre konsultiert hatte, ihr versichert hatten, dass keine gesundheitlichen Probleme vorlagen, wurde sie einfach nicht schwanger.

Wie auch? Gunter war ja kaum daheim, und demzufolge reduzierten sich zärtliche Stunden auf ein Minimum, überlegte Marlene mit resigniertem Seufzer. Ehe sie diesen Gedanken vertiefen konnte, ließ das Schrillen des Telefons sie zusammenzucken.

Bitte, lass es nicht Gunter sein, der seine Rückkehr um ein oder zwei Tage verschiebt!, schickte sie ein Stoßgebet gen Himmel, während sie den Hörer aufnahm.

Ihre Bitte wurde zwar erhört, aber nicht so, wie sie es sich vorstellte. Eine unbekannte Frauenstimme erkundigte sich, ob sie mit Frau Marlene von Heisberg spreche.

»Die bin ich, ja«, entgegnete Marlene im ersten Moment erleichtert. Doch Sekunden später bereits schien ihr Herz von einer Faust zusammengepresst zu werden, teilte die Fremde ihr doch mit, dass Gunter auf dem Weg von München nach Düsseldorf einen schweren Unfall gehabt hatte …

***

Hinter Marlenes Stirn überschlugen sich die Gedanken, während sie eilig eine Reisetasche mit allem, was man in einer Klinik benötigte, für Gunter packte. In eine zweite Tasche stopfte sie ein paar Sachen für sich selbst, ehe sie das Haus verließ.

Während ihr Wagen aus der Einfahrt rollte, kam es Marlene in den Sinn, dass sie nicht einmal danach gefragt hatte, wie schwer Gunters Verletzungen waren. Sie war nur von dem Wunsch beseelt gewesen, so rasch wie möglich zu ihm zu kommen.

Die Schwester hatte von sich aus keine Angaben gemacht, sondern Marlene lediglich gebeten, so bald wie möglich in die Frankfurter Klinik zu kommen, in die man Gunter eingeliefert hatte.

Bei der Vorstellung, ihr Mann könnte in Lebensgefahr schweben, klopfte Marlenes Herz angstvoll bis zum Hals, ihre Kehle war wie zugeschnürt. Was, wenn er … wenn er …?

Nicht gleich ans Schlimmste denken, versuchte Marlene sich zu beruhigen. Gunter behauptete ohnehin, dass sie dazu neigte, die Dinge zu dramatisieren.

Aber – hatte die Schwester nicht von einem schweren Unfall gesprochen?, wisperte eine innere Stimme.

Ja, hatte sie, aber sahen nicht die meisten Unfälle schlimmer aus, als sie tatsächlich waren?, hielt Marlene dagegen. Bestimmt blieb Gunter lediglich zur Beobachtung ein oder zwei Tage in der Klinik. Am Freitag saßen sie dann wie geplant voller Vorfreude auf Venedig im Flieger nach Italien und würden mit einem Gläschen Sekt auf ihren Hochzeitstag anstoßen. Gunter war ein Liebling der Götter; doch holten diese nicht allzu früh gerade die zu sich, die sie besonders liebten?

Mach dich nicht verrückt, schob Marlene dies erneut von sich. Jeder hat mal einen Unfall. Wenn diese alle tödlich verliefen, wäre Deutschland bald ausgestorben.

Nach einem eher routinemäßigen Blick auf die Tankanzeige verließ Marlene an der nächsten Tankstelle die Autobahn. Sie hatte in der Eile zu tanken vergessen. Den kurzen Stopp nutzte sie, um Irene von Heisberg über den Unfall ihres Neffen zu verständigen.

»Ich mache mich gleich auf den Weg, Lene«, versprach diese. »Bitte ruf mich an, wenn du Näheres weißt.«

»Natürlich melde ich mich«, erwiderte Marlene und fügte betont optimistisch hinzu: »Bestimmt geht es Gunter gut. Du selbst hast doch immer wieder von seinem guten Draht nach oben gesprochen. Es ist gewiss nicht nötig, dass du ebenfalls nach Frankfurt kommst.«

»Ich hätte hier doch keine Ruhe«, versicherte Irene von Heisberg. »Im Übrigen denke ich, dass es Gunter gewiss freut, uns beide zu sehen.«

Eine Stunde später ließ Marlene ihren Wagen auf dem Parkplatz des Klinikums ausrollen und hastete mit erneut wild klopfendem Herzen an den Fahrzeugreihen entlang zum Haupteingang.

Die Schwester an der Pforte tippte Gunters Namen in ihren Computer und erklärte Marlene im nächsten Moment den Weg zur Chirurgie, wohin man das Unfallopfer nach dessen Einlieferung gebracht hatte.

Mit dem typischen Krankenhausgeruch, der Marlene entgegenschlug und beinahe den Atem nahm, wurde ihr wieder bewusst, dass ihr Lebensglück durchaus in größter Gefahr sein konnte. Jetzt hatte sie es mit einem Mal so eilig, zu ihrem Mann zu kommen, dass sie sich nicht die Zeit nahm, auf einen der Aufzüge zu warten, sondern über die Treppe in den zweiten Stock hinaufeilte. Dort trennte sie nur noch eine gläserne Tür und ein schier endlos scheinender Korridor von der Wahrheit, wie immer sie auch aussehen mochte.

»Ich bin Marlene von Heisberg«, erklärte sie einer jungen Schwester, die gerade den OP-Bereich verließ. »Bitte, können Sie mir sagen, wo ich meinen Mann finde? Gunter von Heisberg, er ist heute Vormittag hier eingeliefert worden …«

Atemlos vom schnellen Lauf hielt Marlene inne und fühlte sich von der Schwester prüfend gemustert.

»Tut mir leid, Frau von Heisberg, Ihr Mann wird noch operiert. Ich kann Ihnen nichts zu seinem Zustand sagen. Aber Herr Professor Bornemann wird mit Ihnen sprechen, sobald der Eingriff beendet ist.«

»Können Sie mir nicht wenigstens sagen, ob Gunter schwerverletzt ist?« Marlene hielt die Schwester am Handgelenk zu fassen. »Bitte, ich mache mir große Sorgen«, fügte sie beinahe flehend hinzu.

»Der Herr Professor wird Ihnen all Ihre Fragen beantworten«, versicherte die Schwester erneut. »Und jetzt muss ich wirklich … Sie entschuldigen?«

Marlenes Hand sank herab. »Ja. Ja … natürlich …«

Ihre Kehle war wie zugeschnürt, als sie zum OP-Bereich hinüberblickte. Für Bruchteile von Sekunden war sie versucht, einfach dort hineinzustürmen.

Nein, Marlene machte sich nichts mehr vor. Gunters Unfall war gewiss keine Lappalie, wie sie sich auf der Fahrt hierher noch einzureden versucht hatte. Möglich sogar, dass er in diesem Moment da drinnen um sein Leben kämpfte …

»Bitte setzen Sie sich, Frau von Heisberg«, drang da eine Männerstimme in ihr Bewusstsein. »Sie können sich doch kaum noch auf den Beinen halten.«

Ohne ihre Antwort abzuwarten, nahm der dunkelhaarige Fremde ihren Arm und führte sie zu der Sitzecke in einer Fensternische.

»Danke …« Marlene sank auf einen der grell orangefarbenen Plastikstühle. Warum konnte man solche Wartezonen nicht freundlicher gestalten?

»Ich bin Philip Wittlich«, stellte der Fremde sich vor, während er neben ihr Platz nahm und fortfuhr: »So geht das schon die ganze Zeit über. Niemand will dem Professor vorgreifen. Wir werden uns wohl noch gedulden müssen, so schwer das auch fällt.«

»Philip Wittlich?«, wiederholte Marlene irritiert. »Müsste ich Sie kennen?«

Er schüttelte den Kopf. »Nein. Allerdings – meine Frau und Ihr Mann waren zusammen unterwegs.«

Ein scharfer Schmerz, den sie in diesem Moment nicht wirklich zuordnen konnte, durchzuckte Marlenes Herz.

»Was heißt das …?« Ihre Zunge benetzte die plötzlich trockenen Lippen. »Ich hatte keine Ahnung, dass mein Mann mit einer Kollegin auf Geschäftsreise war.«

Ein seltsames Lächeln huschte über sein gutgeschnittenes Gesicht, und Marlene begann zu ahnen, was er nicht mehr aussprechen konnte.

Denn in diesem Augenblick schwang die Glastür zum OP-Bereich auf, ein hochgewachsener Mittfünfziger kam noch in grüner Operationskleidung auf Marlene von Heisberg und Philip Wittlich zu.

Er stellte sich als Professor Uwe Bornemann vor, und angesichts seiner düsteren Miene griff Marlene unwillkürlich nach Philips Hand.

»Wir haben alles in unserer Macht Stehende getan«, versicherte der Arzt mit belegter Stimme, wobei er den angsterfüllten Blicken der beiden Angehörigen auswich. »Aber es gibt nun mal Fälle, da alle ärztliche Kunst am Ende ist. Es tut mir leid, Frau von Heisberg, Herr Wittlich, wir konnten die beiden Verletzten nicht retten …«

Philip Wittlich sog scharf die Luft ein, während sich in Marlenes Kopf alles zu drehen schien.

Hieß das, Gunter war tot? Nein, das war absolut unvorstellbar, durfte einfach nicht sein …

Marlene griff sich mit einem erstickten Laut an die Stirn, ehe die Beine unter ihr einfach wegknickten.

Sie kam erst wieder auf einer Liege zu sich. Professor Bornemann injizierte ihr gerade eine Beruhigungsspritze.

Noch immer schienen die schrecklichen Worte in Marlenes Ohren zu dröhnen. Sie waren beide tot, Gunter und seine Begleiterin …

Eine Schwester rief nach dem Professor, der mit einer Entschuldigung davoneilte.

Marlenes Blick traf sich mit dem des Fremden, der in diesen Minuten das Gleiche durchlitt, wie sie. Sie verstand das alles noch nicht wirklich.

»Gunter hat nie davon gesprochen, dass eine Kollegin ihn auf seinen Reisen begleitet«, murmelte sie wie zu sich selbst.

»Edith war keine Kollegin Ihres Mannes«, erwiderte Philip Wittlich bitter.

»Nein …?« Marlene schüttelte irritiert den Kopf. Während ihr Herz längst begriffen hatte, weigerte sich ihr Verstand noch, der Wahrheit ins Auge zu sehen. Im nächsten Moment erhob sie sich von der Liege. »Ich möchte ihn sehen. Das ist doch möglich?«

Edith Wittlich und Gunter von Heisberg waren in einem kleinen Raum, der zum OP-Bereich gehörte, aufgebahrt, nur durch einen Wandschirm voneinander getrennt.

Eine Schwester wies Marlene und Philip den Weg.

Marlenes Augen schwammen in Tränen, während sie auf den Stuhl neben Gunter sank. Er sah so friedlich aus, als schliefe er. Fast erwartete sie, dass er die Augen öffnete und ihr dieses unnachahmliche Lächeln schenkte, mit dem er ihr Herz bereits in der ersten Sekunde ihres Kennenlernens an erobert hatte. Seine Hände, die gefaltet auf der Bettdecke lagen, waren noch warm, ebenso seine Lippen, auf die Marlene einen sanften Kuss hauchte.

Dass sie offenbar nicht die einzige Frau in seinem Leben gewesen war, erschien ihr in den Minuten des Abschieds nicht wirklich wichtig.

***

Irgendwann verließ Marlene nach einem letzten Kuss den Raum und traf auf dem Korridor mit Philip Wittlich zusammen.

Sie blieben zögernd voreinander stehen und sahen sich eine Weile wortlos an.

»Lassen Sie uns noch einen Kaffee zusammen trinken«, schlug Philip schließlich vor.

Marlene nickte. »Ja. Es … es gibt da wohl einiges, was wir zu reden haben.«

Die Cafeteria war um diese Zeit kaum besucht.

Philip bestellte Kaffee und dazu, ohne zu fragen, noch einen Cognac.

Den trank Marlene in einem Zug und spürte ihn warm durch ihre Kehle rinnen.

Gleichzeitig wurde ihr bewusst, wie absurd dies alles war. Da hatte sie soeben ihren Mann verloren und saß mit dem Ehemann von Gunters Geliebter zusammen.

»Sie wussten es?« Marlene kämpfte mit den Tränen. Ihre heile Welt war innerhalb kürzester Zeit zusammengebrochen. Als sei es noch nicht genug, dass sie Gunter verloren hatte, erfuhr sie auch noch von der anderen Frau in seinem Leben.

Philip ließ den Löffel sinken, mit dem er bislang gedankenverloren im Kaffee gerührt hatte. Seine Stimme klang rau, als er erwiderte: »Seit etwa einem Jahr. Anfangs wollte ich es nicht wahrhaben. Als ich Edith schließlich direkt darauf ansprach, gab sie alles zu, fast so, als sei sie erleichtert über das Ende ihres Versteckspiels.« Er seufzte leise auf, fuhr sich mit allen Fingern durchs Haar, eine Geste die all seine Resignation ausdrückte.

Ihr Blick hielt den seinen fest.

»Warum haben Sie … ich meine, dachten Sie nie daran …?«

»… mich zu trennen?«, vollendete Philip.

Marlene nickte. »Wenn ich es gewusst hätte …«, begann sie und kämpfte erneut mit den Tränen. »Ach, ich weiß nicht, was ich getan hätte …« Sie fuhr über die nassen Wangen. »Gunter ist … war meine große Liebe. Freitag wollten wir nach Venedig fliegen, um dort unseren fünften Hochzeitstag zu feiern. Die Koffer sind schon gepackt.« Sie schluchzte leise auf. »Und nun … nun ist Gunter tot. Ich sitze hier mit dem Mann seiner Geliebten. Hat er mich nie wirklich geliebt?«

Philip Wittlich griff nach ihren Händen.

»Diese Affäre hatte wohl nichts mit uns beiden zu tun«, erwiderte er besänftigend. »Zumindest hat Edith das versichert. Man kann durchaus zwei Männer lieben, sagte sie. Du bist der Vater meiner Kinder und Gunter der Mann für besondere Stunden.« Philip entrang sich ein bitteres Auflachen. »Ich hielt wegen unserer Kinder an dieser Ehe fest. Selbst ein Scheidungskind wollte ich Nele und Lukas das Trauma einer Scheidung ersparen. Nun haben sie ihre Mutter doch verloren …« Er senkte hastig den Kopf, trotzdem hatte Marlene die Tränen in seinen Augen gesehen.

»Sie lieben Ihre Frau noch immer«, stellte sie verwirrt fest.

Philip fuhr sich über die Augen. »Es ging mir wie Ihnen. Edith war meine erste und bisher einzige Liebe. Mit der Zeit schafften wir es, Freunde zu werden. Sie wird mir fehlen …«

»Ich habe Gunter schon vermisst, wenn er nur auf … auf Geschäftsreise war«, erwiderte Marlene tonlos. »Wie mein Leben nun ganz ohne ihn weitergehen soll? Ich habe keine Ahnung.«

»Man sagt, die Zeit heilt alle Wunden.« Philip Wittlichs Stimme klang brüchig. »Vielleicht haben diese Leute ja recht.«

»Ja, vielleicht …«

Noch konnten sie es beide nicht glauben.

»Marlene, Kind!«

Philip sah eine hochgewachsene schlanke Frau herbeieilen, und im nächsten Moment sprang Marlene auf, um sich aufweinend in deren ausgebreitete Arme zu werfen.

»Irene, o Irene, ist das alles nur ein böser Traum? Er ist nicht vorbei, wenn ich daraus erwache, nein?«

Ihr haltloses Schluchzen schnitt Philip ins Herz. Er wandte den beiden Frauen den Rücken zu, während er selbst mit den Tränen kämpfte. Trotz der unseligen Affäre trauerte er ehrlich um seine Frau, die einen solch schrecklichen Tod ebenso wenig verdient hatte wie Gunter von Heisberg.

»Ach, Lene, mein armes Mädchen.« Irene hielt die junge Frau mütterlich umschlungen, während sie beide um Gunter weinten.

Keine von ihnen hätte sagen können, wie viel Zeit vergangen war, als sie sich langsam beruhigten und sich leise gegenseitig Trost zusprachen.

Irgendwann erinnerte sich Irene von Heisberg des Mannes, mit dem Marlene vorhin zusammengesessen hatte. Ihr fragender Blick traf Philip, der nun mit einer Verbeugung auf sie zutrat.

»Herr Wittlich, ich hatte Sie völlig vergessen, tut mir leid.« Marlene versuchte unter Tränen zu lächeln, ehe sie Irene und Philip miteinander bekannt machte.

Philip Wittlich sprach Gunters Tante sein Beileid aus, ehe er sich von beiden Frauen verabschiedete. Dabei drückte er Marlene seine Karte in die Hand.

»Wenn Ihnen danach ist, rufen Sie mich einfach an.«

Irene von Heisberg sah dem Fremden irritiert hinterher, der nun mit gebeugten Schultern den Raum verließ.

»Philip Wittlich ist der Ehemann von Gunters Geliebter«, kam Marlene ihrer Frage verbittert zuvor. »Sie waren gemeinsam unterwegs und fanden gemeinsam den Tod …«

»Gunter hatte eine Affäre?«, vergewisserte sich Irene fassungslos. »Bist du da wirklich sicher?«

»Wirkte Philip Wittlich auf dich wie ein Lügner?«, gab Marlene mit einem Auflachen zurück, das wie ein Schluchzen klang.

Irene von Heisberg schüttelte erschüttert den Kopf. Es fiel ihr schwer zu glauben, dass Gunter seine Frau offensichtlich über längere Zeit betrogen hatte.

»Gunter hat dich geliebt, daran habe ich absolut keine Zweifel, Lene«, versicherte sie entschieden.

Marlene senkte den Kopf. »Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll. Ist denn Gunters Tod nicht genug, muss es auch noch eine andere geben? Ach, Irene, es tut so weh!«

Irene umarmte die Jüngere erneut.

»Denk nicht daran, sondern behalte deine Ehe mit Gunter so in Erinnerung, wie du sie bis heute erlebt hast. Ihr hattet doch so viele schöne Stunden.«

»Nicht an diese andere denken. Das sagt sich so leicht, Irene«, seufzte Marlene gequält. »Aber … vielleicht ist es tatsächlich der einzige Weg, der mir bleibt, wenn ich Gunter nicht … hassen will.«

Arm in Arm verließen beide Frauen die Cafeteria, und Marlene war froh, dass Irene so tatkräftig wie stets alles Notwendige regelte.

Irgendwann am Ende dieses schrecklichen Tages lag Marlene im Bett eines Hotelzimmers. Ihr Körper forderte sein Recht, sie fiel augenblicklich in einen bleiernen Schlaf, aus dem sie erst erwachte, als eine fahle Sonne zum Fenster hereinschien.

Sekundenbruchteile genügten, und schon stürmte alles wieder auf Marlene ein, was sich gestern ereignet hatte. Gunter war gemeinsam mit seiner Geliebten tödlich verunglückt …

Doch ehe sie sich ihrem Schmerz hingeben konnte, öffnete sich die Verbindungstür zum Nachbarzimmer. Eine übernächtigt wirkende Irene von Heisberg kam herein und nahm sie wortlos in die Arme.

Nicht zum letzten Mal an diesem Tag weinten sie gemeinsam, rührten wenig später von dem Frühstück, das Irene auf ihr Zimmer hatte bringen lassen, kaum etwas an.

Dann fuhren sie noch einmal zur Klinik, wo gerade der Sarg mit Gunters sterblichen Überresten in einen grauen Kombi verladen wurde.

Marlene trat heran und strich mit Tränen in den Augen über das kühle Holz.

Irene sprach kurz mit den Mitarbeitern des Beerdigungsinstitutes, ehe sie Marlene zu ihrem Wagen zurückbrachte.

»Du fährst mit mir«, entschied sie. »Deinen Wagen lassen wir vom Straßendienst nachbringen. Einverstanden?«

Dies alles war Marlene im Moment derart gleichgültig, dass sie gar nicht an Protest dachte.

Es blieb still zwischen den beiden Frauen, als sie Gunter von Heisberg auf seiner letzten Fahrt begleiteten.

Beide hingen ihren Gedanken nach. Und beim Blick auf das graue Heck des Wagens vor ihnen konnte sich Marlene nicht länger der Illusion hingeben, dass dies alles nur ein Traum war, aus dem sie jeden Augenblick erwachen würde.

Es regnete in Strömen, als sie den Friedhof des kleinen Dörfchens im Bergischen Land erreichten. Hier sollte Gunter seine letzte Ruhe finden. Marlene und Irene erlebten Arm in Arm mit, wie der Sarg in der Leichenhalle aufgebahrt wurde.

»Ich möchte noch bleiben.« Marlenes Stimme klang erstaunlich fest, als Irene nach Heisberg weiterfahren wollte.

Ein kurzer, prüfender Blick streifte die junge Witwe, dann nickte Irene. »Wie du möchtest.«

Marlene atmete auf, als die Tür sich hinter Irene und den Männern des Bestattungsunternehmens schloss. Endlich war sie mit Gunter allein, konnte stille Zwiesprache mit ihm führen.

Doch ihr drängte sich immer wieder nur die gleiche Frage auf: »Warum, Gunter? Warum? Was konnte diese andere dir geben, was ich nicht hatte?«

Sie fand Irene in ihrem Arbeitszimmer, als sie gegen Abend nach Heisberg fuhr, ohne eine Antwort auf ihre Fragen erhalten zu haben.

Eine Liste mit all den Menschen, die sie über Gunters Tod in Kenntnis setzen musste, lag vor der Freifrau.

»Alle sind fassungslos«, sagte sie leise, als sich ihr Blick mit dem der jungen Witwe traf. »Sie wünschen dir und mir für die kommenden Tage viel Kraft.«

Marlene war hinter Irene getreten und umarmte sie jetzt leise aufschluchzend.

»Es sind schwere Tage, die vor uns liegen, Lene«, murmelte Irene von Heisberg erstickt.

***

Marlene verließ in den Tagen bis zur Beisetzung ihre Wohnung auf dem Gut nur, um an Gunters Sarg zu sitzen oder mit Irene nach Düsseldorf zu fahren, um all die Dinge zu holen, die sie für die nächste Zeit brauchte.

Das große, elegant eingerichtete Haus erschien ihr an diesem Vormittag noch fremder und abweisender als zu Gunters Lebzeiten. Unvorstellbar, hier nach der Beerdigung allein zu leben!

Als Marlene mit ihrem Gepäck nach unten kam, stand Irene am Wohnzimmerfenster und schaute auf den träge dahinfließenden Strom.

»Allein um diesen Rheinblick habe ich euch beneidet«, sagte sie leise und drehte sich zu Marlene um.

»Ich habe mich hier nie wirklich heimisch gefühlt und es bedauert, nicht mit Gunter auf Heisberg zu leben«, bekannte die junge Witwe tonlos.

Irene von Heisberg drückte sacht ihren Arm. Eine große Trauergesellschaft drängte sich drei Tage später in der Kapelle des Dorffriedhofs von Heisberg. Viele von ihnen kannte Marlene nur flüchtig. Sie waren geschäftlich mit Gunter verbunden gewesen.

Dank der Beruhigungsmittel, die der Hausarzt Marlene verordnet hatte, stand sie die Trauerfeierlichkeiten zumindest äußerlich gefasst durch.

Nur zweimal verlor sie die Fassung: als ihre Freundin Anna und deren Mann sie liebevoll in ihre Arme nahmen, und später, als der schlichte Sarg in der Heimaterde des Toten versank …

Nach der Beerdigung blieb Marlene wie selbstverständlich erst einmal auf Heisberg.

Hier war sie Gunter nahe, die Stille auf dem Land tat ihr gut.

Irene nahm sich viel Zeit für die junge Witwe und überließ die Arbeit auf dem Gestüt weitgehend ihren Angestellten. Die gemeinsame Trauer schmiedete beide Frauen, die sich schon immer gut verstanden hatten, noch enger zusammen. Die Tage vergingen mit langen Gesprächen und ausgedehnten Spaziergängen.

Marlene graute insgeheim vor dem Tag, an dem sie allein in das große, schrecklich leere Haus zurückkehren würde. Aber lange konnte sie die Abreise nicht mehr aufschieben …

»Warum bleibst du nicht einfach hier?«, schlug Irene vor, als hätte sie Marlenes Gedanken gelesen. »Du könntest reiten lernen. Das wolltest du doch schon immer gern. Und was mich angeht, wäre ich für etwas Hilfe wirklich dankbar.«

Marlene durchzuckte tiefe Freude. »Aber ich … ich habe keine Ahnung …«, begann sie ein wenig atemlos.

Irene war an den Koppeln stehen geblieben. Jetzt nahm sie Marlene in ihre Arme.

»Man kann alles lernen, wenn man es nur will. Im Übrigen gehört Heisberg nun ohnehin dir.«

Irene hatte wie erwartet nur das Wohnrecht erhalten, dazu eine lebenslange, großzügige Rente. Das schöne Gestüt mit den edlen Tieren und dem nobel eingerichteten Herrenhaus ging in den Besitz der jungen Witwe über.

Natürlich wäre Marlene nie von sich aus auf den Gedanken gekommen, Irenes Kompetenzen auf das bloße Wohnrecht zu beschränken. Heisberg brauchte Irene – und Irene brauchte das elterliche Gut wie die Luft zum Leben.

»Du weißt, dass ich das nie wollte«, begehrte Marlene auf.

Irene nickte lächelnd und strich ihr sacht über die Wange.

»Gewiss, aber es ist nun mal so üblich. Auch wenn Gunter nie das geringste Interesse an Heisberg hatte, war er der Erbe. Nach seinem Tod wäre alles in den Besitz eures ersten Sohnes übergegangen. Da ihr aber keine Kinder habt, bist nun du die Herrin hier.«

Marlene hatte keine Ahnung, wie man ein solches Anwesen leitete. Aber der Gedanke, hier auf dem Lande noch einmal neu zu beginnen, war verlockend.

Gedankenversunken kehrten die beiden Frauen ins Herrenhaus zurück.

Hier zog sich Irene mit den Worten zurück: »Ich habe bis zum Abendessen noch ein paar Dinge zu erledigen.«

Marlene ahnte, dass sie ihr Zeit zum Nachdenken geben wollte.

Die für zwei viel zu große Tafel war im repräsentativen Speisezimmer gedeckt, in dem eine mindestens zwanzigköpfige Gesellschaft Platz finden konnte.

»Und, hast du es dir überlegt?«, wollte Irene wissen, nachdem Butler Hans das Hauptgericht serviert hatte und nun mit undurchdringlicher Miene im Hintergrund auf weitere Anweisungen wartete.

»Dann ist es dir wirklich ernst damit?«, vergewisserte sich Marlene.

»Was denkst du?«, erwiderte Irene lächelnd. »Dieses Haus ist viel zu groß für mich allein, genauso, wie euer Haus in Düsseldorf es für dich ist. Ich hatte immer noch gehofft, dass Gunter sich noch dazu entschließen würde, hier zu leben, wenn ihr erst Nachwuchs hättet. Doch nun …« Sie hob resigniert beide Hände.

»Ich hätte so gern ein Kind mit Gunter gehabt«, versicherte Marlene mit tränenfeuchten Augen. »Aber es war uns nicht vergönnt.«

Eine Weile blieb es still zwischen den beiden Frauen. Dann ergriff erneut Irene das Wort.

»Mein Angebot steht. Denkst du, du wirst es annehmen?«

Marlene betrachtete schier endlose Augenblicke lang Irenes ausgestreckte Hand. Dann nickte sie und schlug ein.

»Ich bleibe! Und das sehr gern, glaube mir. Im Grunde war Heisberg schon immer mein wahres Zuhause. Ich war sehr enttäuscht darüber, dass Gunter lieber in Düsseldorf leben wollte.«

»Ich freue mich sehr über deinen Entschluss, Lene.« Irene wirkte erleichtert. »Gewiss hast du dir auch schon Gedanken darüber gemacht, was in diesem Fall mit eurem Haus geschehen soll?«

Marlene zuckte die Schultern. »Am besten wäre wohl, ich würde es verkaufen.«

»Überstürze nichts, was du später bereuen könntest«, riet Irene. »Immerhin hast du dort viele glückliche Stunden mit Gunter verlebt.«

Marlenes Augen schimmerten feucht. »Unser Haus ist mir immer fremd geblieben, wenn ich ehrlich bin.«

Irene nickte. »Wenn du dir sicher bist, sollten wir Friedrich mit dem Verkauf beauftragen. Er ist einer von Gunters ältesten Freunden, somit können wir ihm vorbehaltlos vertrauen, denke ich.«

Marlene hatte Friedrich Eckbert als integren Geschäftsmann kennengelernt, als Gunter damals die Villa durch seine Vermittlung erwarb. Darum hatte sie nichts dagegen einzuwenden, wenn er sich nun auch um deren Verkauf kümmerte.

Während Hans den Tisch abdeckte, zog Irene die Nichte aus dem Raum.

»Komm, ich zeige dir etwas.«

Gespannt folgte Marlene ihr in den ersten Stock. Hier öffnete Irene eine zweiflügelige Glastür, durch die beide in eine sehr weiblich eingerichtete Wohnung gelangten.

»Wer hat hier gelebt?«, wollte Marlene interessiert wissen.

»Meine Großmutter Lene.« Schmunzelnd registrierte Irene die Überraschung auf Marlenes Gesicht. »Ja, sie hieß ebenso wie du«, fuhr sie fort. »Und irgendwie, denke ich, wart ihr einander sehr ähnlich.«

Marlene streifte durch die stillen Räume, die zu den schönsten auf dem Gut gehörten.

»Vater wollte nach ihrem Tod nicht, dass jemand von uns hier lebt«, berichtete Irene derweil. »Bis heute haben wir alle dies respektiert. Inzwischen aber, meine ich, ist genug Zeit vergangen, um diesen Räumen neues Leben einzuhauchen. Du kannst hier selbstverständlich schalten und walten, wie es dir gefällt.«

Marlene schüttelte den Kopf. »Ich denke, ich werde kaum etwas verändern. Das alles könnte ich selbst nicht besser eingerichtet haben.«

So wurden in den nächsten Tagen nur die Maler beauftragt, neue Tapeten anzubringen, die Wohnung wurde gründlich durchgelüftet, und einige wenige Möbel, die absolut nicht zu ihrem Stil passten, ließ Marlene auf den Speicher verbannen.

Irene half ihr, den Haushalt in Düsseldorf aufzulösen.

»Du bist dir sicher, es nicht zu bereuen?«, erkundigte sich Irene, als sie ein letztes Mal durch die leeren Zimmer der Villa streiften.

Marlene nickte entschieden. »Wenn auch mit etwas schlechtem Gewissen, weil ich weiß, wie sehr Gunter an diesem Haus gehangen hat.«

»Gunter ist nicht mehr da«, erwiderte Irene leise. »Für deine Zukunft bist nun allein du verantwortlich.«

Die meisten Möbel waren verkauft worden. Nur einige der kostbaren alten Stücke befanden sich auf dem Weg nach Heisberg, um einen Platz in Marlenes neuer Wohnung zu finden.

Als Marlene ein letztes Mal die Haustür ihres bisherigen Heims verschloss, verspürte sie fast so etwas wie Erleichterung.

Mein neues Zuhause würde dir gefallen, wenn du es sehen könntest, versicherte sie bei ihrem nächsten Besuch an Gunters Grab. Sei nicht böse, aber Heisberg ist mein wahres Zuhause …

Ein Sonnenstrahl, der zwischen den Wolken hindurchblitzte, erschien ihr in diesem Moment wie ein Lächeln ihres Mannes.

***

Nach der Beisetzung seiner Frau bemühte sich Philip Wittlich, so rasch wie möglich wieder so etwas wie Normalität in sein und das Leben seiner Kinder zu bringen.

Edith war unter großer Anteilnahme der Familie und des Freundeskreises zu Grabe getragen worden.

Gemeinsam mit dem Vater und den Großeltern nahmen auch Nele und Lukas von ihrer Mutter Abschied.

Als er die Todesnachricht erhielt, hatte Philips größte Sorge seinen Kindern und der Frage gegolten, wie sie Ediths Verlust aufnehmen würden.

Inzwischen waren einige Wochen vergangen, und er konnte mit einer gewissen Erleichterung feststellen, dass Kindern einen derartigen Verlust leichter kompensierten als Erwachsene.

Gewiss gab es immer wieder Momente, in denen Nele und Lukas in Tränen ausbrachen. Beispielsweise am Grabe der Mutter oder abends, wenn sie Edith in ihr Nachtgebet einschlossen.

Die Befürchtungen seiner Schwiegereltern, dass er mit der Erziehung seiner Kinder und deren Betreuung hoffnungslos überfordert sein würde, bewahrheiteten sich Gott sei Dank nicht.

Helen und Gerhard Blume hatten dem jungen Witwer angeboten, mit den Enkeln in ihr großes Haus zu ziehen.

»Dann wäre jederzeit jemand von uns für die beiden da«, argumentierte Helen Blume. »Und du hättest mehr Ruhe zum Arbeiten, Philip. Im Übrigen ist ein Haus mit Garten wesentlich besser für die Kinder als eure Wohnung mitten in der Stadt.«

Nele und Lukas protestierten aber entschieden dagegen, nach ihrer Mutter nun auch noch Freunde und Schulkameraden zu verlieren.

Im ersten Moment reagierte das Ehepaar Blume verschnupft auf die Ablehnung von Vater und Kindern, hatte es sich die gemeinsame Zeit mit den Enkeln doch bereits bildlich vorgestellt. Wenn sie schon die einzige Tochter verloren hatten, würde es ihnen wenigstens vergönnt sein, Nele und Lukas aufwachsen zu sehen.

Letztlich sahen sie aber doch ein, dass Philip als freiberuflicher Kinderbuchillustrator seinen Nachwuchs bestens allein versorgen konnte. An freier Zeit mangelte es ihm nicht, die konnte er sich schließlich einteilen. So arbeitete er, wenn die beiden in der Schule waren oder schliefen. Im Übrigen hatte Edith ihm die Kindererziehung in den letzten Jahren ohnehin fast vollständig überlassen, um in ihrem Beruf als Architektin Karriere zu machen.

Philips Tage waren ausgefüllt. An den Abenden allerdings vermisste er Ediths Gesellschaft. Wenn die Liebe sich auch davongeschlichen hatte, so waren sie doch Freunde geblieben und hatten oft nächtelang geplaudert oder debattiert.

Aufseufzend deckte Philip den Frühstückstisch und lauschte nach oben. Wieder mal dachten Nele und Lukas nicht daran, auf seine ersten zögerlichen Weckversuche zu reagieren.

Erst, als er mit nassen Waschlappen an ihre Betten trat, flehten sie um Gnade und sprangen aus den Federn.

Philip genoss diese erste gemeinsame Mahlzeit mit seinen Kindern, bei der sie sich stets viel zu erzählen hatten. Heute aber herrschte ungewöhnliche Stille. Als Nele über Magenschmerzen klagte und Lukas hinzufügte, wie schlecht er geschlafen habe, begriff Philip, dass wieder einmal Klassenarbeiten anstanden. Darum hielt sich sein Mitgefühl auch in Grenzen, und er bestand unerbittlich darauf, die beiden zur Schule zu chauffieren. Sonst benutzten sie meist die Räder, da sie es nicht weit hatten.

Bis zuletzt hofften Nele und Lukas, ihren Vater noch erweichen zu können. Doch Philip blieb hart und stoppte direkt vor dem weit offen stehenden Tor zum Schulgelände.

Woraufhin Nele ihn abstrafte, in dem sie ihm den Abschiedskuss verweigerte und Lukas das Abschiedszeremoniell auf ein knappes »Tschüß!«, abkürzte.

Mit einem kleinen Lächeln sah Philip den beiden hinterher. Er kannte das alles noch gut genug aus seiner eigenen Schulzeit. Manchmal mussten Eltern eben unpopuläre Entscheidungen durchziehen.

Auf dem Heimweg erledigte Philip noch den wöchentlichen Großeinkauf. Es ging schon auf Mittag zu, als er vor dem schlichten Mehrfamilienhaus ausrollte und seine Sachen in den dritten Stock hinauftrug. Natürlich war gerade heute wieder mal der Fahrstuhl außer Betrieb …

Als er die Wohnungstür öffnete, wehte ihm noch immer ein feiner Hauch von Ediths Lieblingsparfüm entgegen. Auch im Schlafzimmer und Bad roch es nach dieser raffinierten Mischung aus Lavendel und Rosenblüten, die so perfekt zu Edith passte.

Er würde noch eine Weile brauchen, ehe er ihren Verlust verarbeitet hatte, wusste Philip und packte seine Einkäufe in Kühl- und Vorratsschrank.

Als er danach Bad und Schlafzimmer aufräumte, stand er eine Weile gedankenverloren vor Ediths Teil des Kleiderschrankes. Seine Schwiegermutter hatte ihm angeboten, die schicken Designerstücke in einen Secondhandshop zu bringen, in dem Edith selbst ihre Kleider schon zu Lebzeiten ge- und verkauft hatte.

Philip hatte abgelehnt. Er war einfach noch nicht so weit. Auch diesmal schloss er den Kleiderschrank unverrichteter Dinge.

Rasch ging er wieder nach unten und überlegte, ob er das Mittagessen zubereiten sollte oder zuvor noch eine Zeichnung für das neue Buch von Ingrid Leitner vollendete, mit der er meist zusammenarbeitete.

Schließlich entschied er, dass es heute nur eine schnelle Pizza und Tomatensalat geben würde. So blieb für die Arbeit gerade noch genügend Zeit, ehe er losfuhr, um den Nachwuchs abzuholen.

Lukas war gutgelaunt. Er hatte bei seiner Mathearbeit ein gutes Gefühl, während Nele seufzend schniefte: »Französisch ist nun mal nicht mein Ding, Papa.«

Seine Pizzen wurden als Belohnung und Trost gleichermaßen entgegengenommen.

Der Nachmittag gehörte den Hausaufgaben und der Gartenarbeit.

Erst als die Kinder im Bett lagen, kam Philip dazu, sich einsam zu fühlen.

Das Glas Rotwein, mit dem er sich auf die Terrasse zurückzog, wollte ihm dieses Mal nicht so recht munden, obwohl es sich um einen edlen Tropfen handelte, den er selbst in Burgund beim Winzer gekauft hatte.

In seine Überlegung hinein, noch einen Rundgang um den Block zu machen, läutete das Telefon.

Erfreut angelte Philip nach dem Hörer. Bestimmt war es Ingrid, die mit ihm eine Idee für ihr neues Buch durchsprechen wollte.

Nachdem er sich gemeldet hatte, klang allerdings nicht die sympathische Stimme der Autorin an sein Ohr, sondern eine Frauenstimme, die er bisher nur einmal gehört hatte, die ihm aber trotzdem noch merkwürdig vertraut war …

***