Hirtenherz - Frank Krause - E-Book

Hirtenherz E-Book

Frank Krause

4,8

Beschreibung

„Da stehe ich also barfuß auf den Rockschößen Gottes … in der Atmosphäre seiner alles füllenden Gegenwart … in dem Geruch des Räucherwerks und dem Licht seines Scheinens …“ Damit beginnt das Abenteuer einer tiefen Begegnung des Autors mit dem dreieinigen Gott. Die Frage nach der „wahren Hirtenschaft“ hat ihn in diese Begegnung getrieben, nachdem er durch seine eigenen Erfahrungen im pastoralen Dienst eher desillusioniert war. Wie immer, wenn Menschen Gott tief begegnen, werden sie zunächst selbst verändert, so auch der Autor. Und dann kann ihm Gott Schritt für Schritt seine Perspektive, sein Herz offenbaren, was seine Beziehung zu uns, unsere Beziehung zu ihm, Hirtenschaft, Gemeindeleben und andere spannende Themen angeht. Lassen Sie sich mit hineinnehmen ins Hirtenherz Gottes. Lassen Sie Ihr eigenes Herz mit Gottes Gedanken und seiner Liebe durchdringen. Die ausdrucksvollen Zeichnungen von Bettina Pradella tun das Übrige, damit dies gelingt.

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Frank Krause

Hirtenherz

Eine himmlische Vision

GloryWorld-Medien

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1. E-Book-Auflage 2016

© 2009 Frank Krause

© 2009 GloryWorld-Medien, Xanten, Germany, www.gloryworld.de

Alle Rechte vorbehalten

Bibelzitate sind, falls nicht anders gekennzeichnet, der Elberfelder Bibel, Revidierte Fassung von 1985, entnommen.

Das Buch folgt den Regeln der Deutschen Rechtschreibreform. Die Bibelzitate wurden diesen Rechtschreibregeln angepasst.

Lektorat/Satz: Manfred MayerKorrektorat: Das gute Wort, GünzburgUmschlaggestaltung: Kerstin & Karl Gerd Striepecke, www.vision-c.deFoto: istockphotoIllustrationen: Bettina Pradella

ISBN (epub): 978-3-95578-139-2

ISBN (Druck): 978-3-936322-39-2

 

 

Inhalt

 

Prolog

1. Heilung des verwundeten Hirten

2. Die Schafe des Herrn

3. Das System

4. Der Bote

5. Wenn ihr nicht wie die Kinder werdet …

6. In der Wüste

7. Substanz

Epilog

Anmerkungen

 

 

Prolog

Und ich werde euch Hirten geben nach meinem Herzen, die werden euch weiden mit Einsicht und Weisheit (Jeremia 3,15).

Nachdem ich eine Gemeinde gegründet und viele Jahre lang als ihr Leiter gedient hatte, war ich sowohl ausgebrannt als auch ernüchtert. Und nicht nur ich, meine Frau ebenso, die sich immer sehr für die Belange der Gemeinde eingesetzt hatte. Die Arbeit mit Menschen ist anspruchsvoll und braucht einen langen Atem. Auch wenn in den christlichen Kreisen, in denen ich arbeitete, ständig über Veränderung und Erneuerung geredet wurde, vollzog sich doch jede selbst noch so geringe Veränderung scheinbar nur im Schneckentempo und forderte einen immensen Aufwand an Kraft und Einsatz. Nach bald zwei Jahrzehnten im pastoralen Dienst waren die Ergebnisse für mich aufs Ganze gesehen einfach nur niederschmetternd. In der folgenden Auszeit fand ich langsam zu mir selbst und auch zu Jesus zurück, ohne mich und ihn ständig missbrauchen zu müssen für den Betrieb eines religiösen Systems mit seinem Programm und Erfolgsdruck.

Zu einem bestimmten Zeitpunkt wies mich der Herr an zu schreiben, und ich begann an mehreren Texten gleichzeitig zu arbeiten. Einer dieser Texte ist die folgende „innere Reise“, in der ich sowohl einige der gemachten Erfahrungen im geistlichen Dienst verarbeite als auch eine Reihe von überaus aufschlussreichen Inspirationen empfing, die der Herr mir im Zusammenhang mit der Frage nach dem „wahren“ Dienst eines Hirten gab. Dabei geht es Jesus offensichtlich weniger um Methodik und Struktur kirchlicher Arbeit, sondern um die Beschaffenheit der Person des Hirten selbst. Wie ist ein Mensch beschaffen, der ein „Hirte“ ist? Wie ist es, wenn er nicht nur etwas darüber weiß, sondern wenn er es tatsächlich ist?

Immer wieder und von allen Seiten wird die dringende Notwendigkeit von quantitativ mehr und qualitativ besserer Leiterschaft hervorgehoben, wenn unsre Gemeinden gedeihen sollen. Tatsächlich ist ja jeder Mensch dazu gerufen, in einem ihm bestimmten Maß Führung auszuüben, zumindest über sich selbst, was Selbstverantwortung bedeutet. Darum sind die folgenden Kapitel sicher für alle nach Einsicht und Weisheit für die eigene Lebensführung Fragenden interessant zu lesen.

Die Suche nach verlässlichen Mentoren gerade im geistlichen Bereich ist groß. Jemand stellte darüber sehr treffend fest: „In jedem Christen schlummert die Sehnsucht nach geistlicher Wegweisung. Wir wollen die Routen durch die gefährlichen Landschaften des Lebens kennen. Wir wollen wissen, wie wir ans Ziel unserer Reise kommen. Wir brauchen eine Landkarte, die uns auf unserem Weg Orientierung gibt. Jedoch gibt es auch eine Sehnsucht, die nicht durch die gewöhnlichen Mittel des persönlichen Studiums, des Gebets und des Gottesdienstes befriedigt wird. Es ist ein Verlangen nach mehr; nach einem Mehr, das unmöglich zu definieren oder zu erklären ist; eine Sehnsucht, den Reichtum des ‚tieferen Lebens‘ oder des ‚reifen Glaubens‘ oder der ‚geistlichen Kraft‘ kennenzulernen.“

Ich gehe davon aus, dass diese Sehnsucht nicht nur in jedem „Christen“ schlummert, sondern überhaupt in jedem Menschen. Die Schlussfolgerung, die der Autor dieses Textes zieht, ist, dass unsere Suche nach „mehr“ die Hilfe von geistlichen Begleitern erfordert, „die nicht alles besser wissen als wir, aber ein Stück weiter auf dem Wege vorausgegangen sind, um uns nun weiter zu führen, als wir aus eigener Kraft gehen können. Ihre Stimmen helfen uns, die ermutigende Wahrheit zu entdecken, dass Gott in unserem Leben bereits am Wirken ist, uns als seine geliebten Kinder zu einer tieferen Nähe zu sich einlädt und uns befähigt, unsere eigene, einzigartige Berufung zu entdecken.“1

Auch wer nicht im pastoralen Dienst ist, wird von den hier niedergeschriebenen Einsichten profitieren und sicherlich seine Sicht vom Christsein und geistlichen Dienst grundsätzlich überprüfen. Viele „Krankheiten“ der modernen Kirche sind ja leider grundlegender Natur und nicht mit etwas kosmetischer Behandlung zu korrigieren. Es braucht eine umfassende Herzenshinwendung zu Jesus, die zwar an vielen Orten propagiert, aber an wenigen ernsthaft betrieben wird, weil sie das Risiko in sich birgt, dass Jesus alles Herkömmliche und Gewohnte durcheinanderbringt – so wie er es auch zum Ärger der Pharisäer und Schriftgelehrten vor 2 000 Jahren tat. Die Reaktion damals wie heute ist die gleiche: Was nicht in die gewohnten Konzepte des Systems passt, wird aussortiert und instinktiv als „falsch“ zurückgewiesen.

So finden wir das Phänomen vor, dass heute zwar sehr viel über – aber sehr wenig mit Jesus geredet wird. Die Theologie weiß alles über ihn, aber nichts von ihm. Die Begegnung von Herz zu Herz, von Angesicht zu Angesicht, um die es eigentlich geht, ist wie vergraben unter endlosen Veranstaltungen, Verwaltung und frommem Getue. Aber darum geht es: eine echte Begegnung mit Jesus, die uns in sein Bild verwandelt von Herrlichkeit zu Herrlichkeit. Dies kann man aber weder veranstalten noch verwalten, noch mit frommem Habitus produzieren. Die Vereinigung mit Gott war, ist und wird immer ein Geheimnis bleiben, welches sich menschlicher Machbarkeit und Kontrolle entzieht und nur von den Liebenden erfahren werden kann.

In einer Reihe von visionären Erfahrungen ließ Jesus mich einiges von diesem Geheimnis sehen und erleben. Denn der erste Schritt jeder Erneuerung besteht darin, mit neuen Augen zu sehen.

Zum besseren Verständnis für die Art des Textes möchte ich noch Folgendes voranstellen:

Offenbarung und Eingebung haben nichts mit Logik und Objektivität zu tun. Sie sprechen ihre eigene Sprache und richten sich weniger an den Kopf, als vielmehr an das Herz. Vor lauter Kopflastigkeit kann uns heutzutage der Zugang zu unserem Herzen verloren gehen, und damit verlieren wir den Kontakt mit uns selbst und auch mit Gott, denn er redet zu unserem Herzen.

Ulrich Schaffer schreibt: „Die Reise nach innen ist nicht die Reise in eine totale Subjektivität, in eine Abtrennung von der Außenwelt, sondern die Reise in die Verantwortung sich selbst und anderen gegenüber. Ich glaube, dass die Nöte der Welt an vielen Stellen von einer Vernachlässigung der Innenwelt des Einzelnen stammen …“2

Ein „wahrer Hirte“ ist einer, der selbst in dem Geheimnis dieser Reise lebt und der anderen dabei helfen kann, aufzubrechen und in der Gegenwart Gottes zu anderen Menschen zu werden.

 

Frank Krause

 

1„Mentoring als geistliche Freundschaft“, Autor ist mir unbekannt.

2 Ulrich Schaffer, Die Reise ins eigene Herz, Herder, Freiburg 2005; aus dem Vorwort.

Kapitel 1: Heilung des verwundeten Hirten

Im Todesjahr des Königs Usija, da sah ich den Herrn sitzen auf hohem und erhabenem Thron, und die Säume seines Gewandes füllten den Tempel (Jesaja 6,1).

Ich weiß nicht genau, wie ich hierhergekommen bin. Ich war im Gebet und erinnere mich auf einmal an diese Bibelstelle in Jesaja 6 und im nächsten Moment bin ich im Geiste dort. Ich stehe auf der Schwelle des Tempels, der ganz erfüllt ist von Gott – von ihm allein. Aber „in ihm“, in seinem Haus ist Raum für mich und ich kann eintreten.

Ich sehe den von seinen Gewandfalten gefüllten Tempelraum vor mir. So viel Stoff! Ich kann nicht eintreten in diesen Raum, es sei denn, ich trete auf die Säume seines Gewandes. Das ist schon etwas seltsam, und dass dies nicht mit Schuhen geschehen kann, ist klar. Ich ziehe meine Schuhe aus, und die direkte Berührung mit dem Stoff bewirkt in mir eine noch tiefere Verbundenheit mit diesem Ort und dem „erhabenen Thron“.

Da stehe ich also barfuß auf den Rockschößen Gottes … in der Atmosphäre seiner alles füllenden Gegenwart … in dem Geruch des Räucherwerks und dem Licht seines Scheinens … Ich stehe in der Erschütterung und in der Verwandlung seiner Worte. Ich kann hier nur sein, weil mein Sein nicht getrennt ist von dem seinen. Nur weil ich eins bin mit Gott, versöhnt und vereint, kann ich hier stehen.

 

 

 

Überwältigt von alledem lege ich mich auf seinem Gewand hin und will einfach nur „da sein“ in dieser alles umfassenden und durchdringenden Herrlichkeit. Ich erinnere mich, wie Jesus inmitten eines Sturmes hinten im Schiff schlief.1 Er war wohl weniger im Sturm, als vielmehr hier im Tempel. Oder vielleicht war es auch so, dass er viel größer als der Sturm war in der Kraft des Tempels und auf diese Weise nicht auf die Idee kam, sich zu fürchten und zu verzweifeln, so wie seine Jünger, die mit Panik reagierten und ihren Untergang vor Augen hatten.

„Was zeigst du mir hier im Tempel – deinem Tempel – auf deinem Gewand?“, bete ich zu Gott. „Dies ist ja dein Haus – und auch wenn ich schon lange wiedergeboren bin, muss ich doch zugeben, sehr wenig über diesen Ort zu wissen.“

Ich habe Bibelstellen wie die in Jesaja 6 als Geschichten gelesen, als einmalige und längst vergangene ‚Begebenheiten‘, die nur etwas illustrieren. Aber sie gleichen einer Einladung, einer Einladung, das Gleiche zu erleben wie ein Jesaja. Zwar gibt es auch im Neuen Testament zahlreiche Einladungen, zum ‚Thron der Gnade‘ zu kommen, aber dass dies für mich zu einer wirklichen Erfahrung in der Kraft des Heiligen Geistes werden soll, daran hatte ich nicht gedacht und auch keine Erwartung gehabt, dass dies möglich ist.

Zwei Engel treten zu mir, wie ich da so auf dem Gewand liege und bete. Sie sind nicht bedrohlich oder strahlen eine überirdische Aura aus, wie ich mir das vorgestellt hätte. Von ihnen geht Liebe und Annahme mir gegenüber aus und sie sind offenbar zu mir gesandt, um mir beizustehen – welche Ehre! Einer von beiden hat einen Hirtenstab in der Hand und sie helfen mir freundlich auf. Sie stützen mich, einer links und einer rechts, und wir gehen gemeinsam weiter auf dem Gewand Gottes.

„So weit, wie du bisher gekommen bist, das ist noch der Eingangsbereich des Hauses. Komm doch weiter, komm tiefer he­rein!“

Ich scheine willkommen zu sein, und diese freundlichen Engel helfen mir, weiterzugehen. Warum hat wohl der eine einen Hirtenstab dabei? Ich überlege mir, ihn danach zu fragen, wer er ist oder warum er diesen Stab dabeihat.

„Du bist ein Engel, der mir hilft, weiterzugehen und tiefer hi­neinzukommen in den Thronraum Gottes, nicht wahr? Und dieser Stab da in deiner Hand, was hat es damit auf sich?“

„Du sagst es“, meint er lächelnd. „Und den Stab trage ich für dich so lange, bis du ihn selber halten und benutzen kannst.“ Auf dem Stab steht geschrieben: Weide meine Lämmer!

„Je tiefer du in den Tempel Gottes hineingehst, desto mehr wirst du dich mit diesem Haus identifizieren und die Geheimnissen Gottes und des Reiches Gottes entdecken. Dies macht dich zu einem ‚guten Hirten‘. Weißt du, viele Hirten sind gar keine Hirten. Sie verstehen die Aufgabe ganz falsch. Sie kommen nicht weiter hinein und betrachten diesen Ort gar nicht als ihr Zuhause und als den eigentlichen Ort ihres Wirkens. Sie sind ganz in der Welt zu Hause und versuchen Menschen mit menschlichen Mitteln beizustehen oder Theologie zu betreiben.

HIER aber interessiert nur das, was der Vater zu sagen, zu zeigen und zu tun hat. Vaterschaft zu den Schafen zu bringen und die Schafe hierher in die Vaterschaft, darum geht es. Gott zu empfangen und von ihm überzufließen – von seiner Gegenwart, seiner Schönheit, dem Duft, von seinen Worten und der Pracht; überzufließen von seinem Licht, der Bewegung und Kraft – das ist es, wofür du hier bist, und hierher sollen die Schafe von den menschlichen Unterhirten gebracht werden. Was die Schafe brauchen, ist diese Gegenwart des Heiligen. Dann kommen sie zur Ruhe und verwandeln sich in Gottes Bild von Herrlichkeit zu Herrlichkeit. Sie brauchen in Wahrheit gar nicht so viel Betreuung und Pflege, wie die Gemeinden sich das gerne vorstellen und wofür sie zahllose Programme organisieren, bis sich am Ende alles um die Schafe und nichts mehr um Gott dreht. Menschen brauchen GOTT. Sie brauchen jemand, der sie den Weg hierher führen kann. Das reicht!“

„Was ist dann aber das ‚weiden‘?“ frage ich. Ich hänge in meiner Erkenntnis fest an dem Punkt, dass die Schafe alle abhängig werden von den Pastoren und Leitern und nie selbstständig und reif. Dass sie ihre Bedürfnisse alle auf ihre Leiter projizieren und diese Leiter dann geradezu auffressen …

Ich schaue die Engel hilflos an und bin froh, dass sie mich zu zweit stützen, denn ich fühle mich bei diesen Gedanken auf einmal ganz schwach und ohnmächtig – was gar nicht zu diesem wundervollen Ort passt.

„Das ist es“, meint einer der Engel. „Du siehst die Sache in einer Weise, die gar nicht zu diesem Ort passt. Daran zeigt sich die Falschheit der gewohnten Sicht, denn alles dreht sich darum, hierher zu kommen und mit dem Himmel eins zu werden. Hier sind die Schafe ganz anders, als du sie kennst, wenn sie nicht hier sind. Sieh noch einmal hin, was da auf dem Hirtenstab geschrieben steht: ‚Weide meine … Lämmer‘. Es geht um die Kleinen und Neugeborenen, die Anfänger und Starter. Sie brauchen deine Hand und Führung und auch Belehrung, wie das Leben mit Jesus und das Leben im Geist funktioniert. Ja, sie brauchen Hirten, die sie weiden!“, sagt der Engel mit fester Stimme.

Wir gehen ein Stück weiter, während ich das Gesagte bedenke. Da kommen wir an einen großen Spiegel, und ich sehe mich darin in meiner jahrelang ausgeübten Hirtenschaft. Ich bin übersät mit Wunden, auf denen „Falsche Hirtenschaft!“ steht. Es ist wie ein Kommentar bei den Wunden, woher sie stammen.

Alles falsche Hirtenschaft?!

Im gängigen Gemeindealltag geschehen viele Verletzungen: Man verletzt sich selbst, indem man ein frommer Schauspieler wird und viele Kompromisse mit einem scheinchristlichen Leben und Dienst schließt, der nicht von Jesus, sondern von der Kirche und Tradition definiert wird. Das klerikale System verletzt einen, indem es einen zu einem Funktionär in einer hierarchisch geordneten Organisation macht, die an ganz weltlichen Machtstrukturen orientiert ist, in der Menschen über Menschen herrschen. Und auch Gott scheint einen zu verletzen, indem er nicht alles so absegnet, wie man das gerne hätte, damit man als „erfolgreicher“ Leiter einer „erfolgreichen“ Gemeinde dasteht. Es ist, als stünde über dem Ganzen dieser so betriebenen „Geistlichkeit“ das Urteil: „Falsche Hirtenschaft!“.

Während ich vor dem Spiegel auf einer Art Sofa Platz nehme, erinnere ich mich an die heftigen Konflikte, die Jesus mit den Pharisäern und Schriftgelehrten hatte, weil er sie beschuldigte, falsche Hirtenschaft auszuüben. Das veranlasste sie, ihn zu töten.

Gottes Klage über die falsche Hirtenschaft fasst sich im Propheten Hesekiel, im 34. Kapitel, zusammen und gilt für alle Zeiten. Dort wirft er den Hirten vor, sich selbst zu ernennen und weder ihn – Gott – noch seine Wege zu kennen. Er wirft ihnen vor, dass es ihnen nur um sich selbst geht und darum, wie sie sich an der Herde bereichern können:

Das Schwache habt ihr nicht gestärkt und das Kranke nicht geheilt und das Gebrochene nicht verbunden und das Versprengte nicht zurückgebracht und das Verlorene nicht gesucht, sondern mit Härte habt ihr über sie geherrscht und mit Gewalt. Und sie zerstreuten sich, weil sie ohne Hirten waren …2

Und dann kommt mir die Erklärung für diesen haarsträubenden und nie enden wollenden Missstand falscher Hirtenschaft in den Sinn: Die Hirten meinen, die Schafe gehörten ihnen, ihre Gemeinden seien ihre Schafe, über die sie von Gott legitimierte Macht ausüben – natürlich nur zu deren Wohl … Sie tun ihren Dienst gar nicht in direkter Verantwortung vor dem Herrn, sondern im Namen ihrer Organisation, die ihnen vorschreibt, wie es zu laufen hat. Sie beziehen den Dienst so auf sich, als habe Gott ihn ganz in ihre Hände oder in die ihrer Dienstherren gelegt, und handeln auf der Basis ihrer kirchlichen Konventionen eigenmächtig und selbstherrlich. Riesige Imperien und Verwaltungsapparate werden errichtet, die dicke, bürokratische „Handbücher“ herausgeben, in denen haarklein geregelt ist, was zu glauben ist und wie es ausgeführt werden soll. Die vollkommene, „heilige“ Kontrolle wird als „Frieden“ deklariert. In den Dienstbeschreibungen und Regelungen des Verhältnisses der Gemeindemitglieder zum Pastor und umgekehrt kommt Gott nur marginal vor und Bibelstellen werden aus dem Zusammenhang genommen, um Machtverhältnisse zu rechtfertigen, die im Neuen Testament gar nicht zu finden sind und dem Geist Jesu diametral entgegenlaufen.

Wo Religion zum großen Geschäft wird, sagt Gott:

Siehe, ich bin es, und ich will nach meinen Schafen fragen und mich ihrer annehmen wie ein Hirte … ICH SELBST werde meine Schafe weiden und ICH SELBST will sie lagern, spricht der Herr, HERR.3

„Ja“, sagt der andere Engel, als sei er es gewesen, der mir diese Eingebung hat zukommen lassen, „das ist es, was du begreifen musst. Kein Mensch ist Hirte, keinem Menschen mehr gehören die Schafe. Keiner hat Autorität über den anderen und herrscht über ihn. Die ‚Schafe‘ werden jetzt von Gott selbst geweidet und gelagert. Er allein hat die Macht. Er selbst kümmert sich. Dass ihr seine Hirten seid, bedeutet nicht, dass ihr ihm die Aufgabe abnehmen sollt. Das ist euer Kardinalfehler, dass ihr meint, Gott übergebe die Aufgabe an euch. Damit verderbt ihr alles. Gott übergibt euch weder die Aufgabe noch die Macht, er beteiligt euch lediglich daran, wie ein Vater seine Kinder an seinen Aufgaben beteiligt und sie mitarbeiten lässt. Beteiligung ist etwas anderes als Übergabe. Nirgendwo steht, dass Menschen beauftragt werden, Gemeinde zu bauen, sondern es steht geschrieben, dass Jesus seine Gemeinde baut. Denn er ist der eine Hirte. Und er sammelt eine Herde. Alles muss ganz allein Gottes Eigentum und Sache bleiben, sonst kommt dabei wieder das alte System der Anmaßung heraus, in dem Menschen über Menschen herrschen. Sieh dich um: Alles hier im Tempel ist Gott. Und er wird sein ‚alles und in allen‘. Das ist das Ziel.

Nun haben die getäuschten Hirten falsche Hirtenschaft ausgeübt und die Herde ist zerstreut! Alle rennen in verschiedene Richtungen, wie es den Ansichten ihrer Denominationen entspricht. Wenige Diener bringen die Lämmer konsequent hierher, und viele von diesen Dienern sind keine Pastoren, wie ihr euch Pastoren vorstellt. Die Schafe gehören Gott! Er hat sie erkauft mit dem Blut seines Sohnes. Eure Hirtenschaft besteht darin, die Kleinen auf ihrem – nicht eurem – Weg mit Gott zu stärken, zu schützen, zu motivieren usw., bis sie euch als Mentoren nicht mehr brauchen, da sie selbst den Weg kennen und selbst in der Lage sind, Gott zu fragen. Seine Schafe hören seine Stimme. Die menschlichen Hirten sind lediglich Helfer des wahren Hirten, aber nicht seine Stellvertreter oder Könige über die Gemeinden. Dies führt zu viel Missbrauch und vielen Verletzungen. Nur einer ist König; ihr alle aber seid Brüder.

Die irdische, eigenmächtige und angemaßte Hirtenschaft hat die Schafe in Unmündigkeit gehalten – zu allen Zeiten. Die Hirten haben die Herde missbraucht, um sich selbst und ihre Organisationen groß zu machen. Du aber bist hierhergekommen, um die wahre Hirtenschaft zu erkennen, und darum helfen wir dir dabei.“

Ich sehe mir in dem Spiegel meine Wunden an und frage die Engel, ob diese Wunden wohl jemals heilen werden. „Hier wird alles heil“, antworten sie. „Darum bist du ja hier.“