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„Was ist Wahrheit?“ (Pilatus) Die Frage nach der Wahrheit ist so alt wie die Menschheit. Sie beschäftigt Historiker und Juristen so gut wie Psychologen und Philosophen. Trotz all der Experten hat die Wahrheit bis heute ihre Geheimnisse, die sich nur dem erschließen, der sie sucht. Ist es in einer subjektiven Welt überhaupt möglich, objektive Wahrheit zu erkennen? Der Autor meint: Menschlich gesehen nein, göttlich gesehen ja. Da Gott außerhalb des menschlichen Systems steht und seine Einsicht sowohl zeitlos als auch vollumfassend ist, kann er uns die „letzte Wahrheit“ von allem offenbaren. Darum kann er auch das „letzte Gericht“ abhalten, in dem jeder Mensch korrekt beurteilt und angemessen behandelt wird. Die Absicht des wahren und gerechten Gottes ist es, uns zu wahren und gerechten Menschen zu machen. Das Buch stellt eine spannende Reise in das Mysterium der Wahrheit dar, die uns zugleich in die Dimension der Gerechtigkeit leitet. Gott führt uns aus der Illusion in die Wirklichkeit, vom Schein zum Sein.
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Seitenzahl: 210
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Frank Krause
Das Geheimnis der Wahrheit
Vom Schein zum Sein
GloryWorld-Medien
1. Auflage 2025
© 2025 Frank Krause
© 2025 GloryWorld-Medien, Xanten, Germany; www.gloryworld.de
Alle Rechte vorbehalten
Bibelzitate sind, falls nicht anders gekennzeichnet, der Elberfelder Bibel, Revidierte Fassung von 2006, entnommen. Hervorhebungen und in Klammern gesetzte Ergänzungen stammen vom Autor. Weitere Bibelübersetzungen:
GNB: Gute Nachricht Bibel, 2002HfA: Hoffnung für alle, Copyright © 1983, 1996, 2002, 2015 by Biblica, Inc.LUT: Lutherbibel, Revidierte Fassung von 2017DBU: „Das Buch“. Neues Testament – übersetzt von Roland Werner, © 2009 SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH, Witten
Das Buch folgt den Regeln der Deutschen Rechtschreibreform. Die Bibelzitate wurden diesen Rechtschreibregeln angepasst.
Anmerkung zu Zitaten: Die vom Autor benutzten Zitate dienen ausschließlich der Erläuterung, Bereicherung und Untermauerung des eigenen Textes. Sie sollen zum Nachdenken anregen, inspirieren, Gedankengänge zusammenfassen und, je nachdem, den Text auflockern und den Leser zum Schmunzeln bringen. Er weist ausdrücklich darauf hin, dass er weder alle Werke der von ihm zitierten Autoren kennt noch zwingend deren Weltanschauungen oder sonstigen Ansichten teilt.
Lektorat: Brigitte Krause, Manfred MayerSatz: Manfred MayerUmschlaggestaltung: Kerstin & Karl Gerd Striepecke, www.vision-c.deUmschlagmotiv: Freepik
ISBN (epub): 978-3-95578-748-6
ISBN (Druck): 978-3-95578-648-9
Verlag:
GloryWorld-MedienBeit-Sahour-Str. 4D-46509 XantenTel.: 02801-9854003Fax: [email protected]
1 Was ist Wahrheit?
2 Wem es um die Wahrheit geht …
3 Augen auf!
4 Die Zumutung der Wahrheit
5 Gesetz und Gnade
6 Der Weg des Geliebten
7 Kinder des Lichts
8 Treu und Wahrhaftig
9 Gottes- oder Götzendienst?
Nachwort: Die ganze Wahrheit
Über den Autor
Als Zeugen vor Gericht schwören wir, die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu sagen.
Pilatus spricht zu Jesus: Was ist Wahrheit?
Johannes 18,38
Der Eingangsspruch von Seite 7 ist der berühmte Dreiteiler, wie er im Gericht Anwendung findet. Denn für ein rechtes Urteil braucht man eine genaue Erkenntnis des Sachverhaltes, der Zusammenhänge und Hergänge. Von daher ist die Wahrheit die Grundlage der Gerechtigkeit, die wiederum der Ausgangspunkt von Frieden ist.
Die „ganze Wahrheit“ verlangt einerseits, dass nicht nur Teilwahrheiten präsentiert werden – unter Weglassung unvorteilhafter Aspekte. Vieles, was heute von den Medien verbreitet wird, ist richtig, lässt aber wesentliche Punkte einfach weg. So nimmt der Leser oder Hörer sie auch nicht wahr. Für ihn sind die verschwiegenen Aspekte in der Folge gar nicht existent, „sonst wären sie in den Nachrichten ja gesagt worden“. Das heißt, die Wahrnehmung wird durch das Hervorheben oder Weglassen von Teilen der Wirklichkeit manipuliert.
Alle Ideologien dieser Welt arbeiten mit gelenkter Wahrheit. Ganze Ministerien und Presseredaktionen arbeiten an der von Interessengruppen bestimmten „Aufbereitung“ der Wahrheit für die Massen. Wer nach „der ganzen Wahrheit“ fragt, macht sich schnell verdächtig, denn er glaubt offenbar nicht den „von Faktencheckern geprüften“ Vorgaben der „neutralen und unabhängigen“ Medien und deren „wissenschaftlichen Quellen“. Als könne es im Kosmos der Menschen so etwas wie Neutralität, Unabhängigkeit oder gar Objektivität überhaupt geben.
Der Begriff „Nichts als die Wahrheit“ verlangt andererseits das Weglassen von Hinzufügungen. Man kann ja einer Wahrheit so viele Kommentare und Erklärungen beilegen, dass man sie gar nicht mehr erkennen kann. Das ist u. a. das Problem der theologischen Tradition, die die Wahrheit dermaßen verwirrt und verkompliziert, dass sie niemand mehr versteht – außer vielleicht die „Experten“, die den „Laien“ gegen eine Gebühr die Kommentare kommentieren und Erklärungen erklären. Da kann man nur gemeinsam mit Pilatus seufzen: „Was ist Wahrheit?“
Wikipedia definiert Wahrheit u. a. folgendermaßen:
Der Begriff der Wahrheit wird in verschiedenen Zusammenhängen gebraucht und unterschiedlich gefasst. Gemeinhin wird die Übereinstimmung von Aussagen oder Urteilen mit einem Sachverhalt, einer Tatsache oder der Wirklichkeit im Sinne einer korrekten Wiedergabe als Wahrheit bezeichnet.1
Hier kommt der meiner Meinung nach wichtigste Begriff ins Spiel, um den es bei der Wahrheit geht: die Wirklichkeit. Natürlich bezweifeln viele Philosophen und Wissenschaftler, dass es so etwas, wie „die Wirklichkeit“, überhaupt gibt. Alles ist Ansichtssache, Interpretation, subjektiv und fragmentarisch. Jeder „bastelt“ sich seine eigene Wirklichkeit, also Wahrheit, zurecht, wie er sie versteht bzw. verstehen will. Dabei wird das meiste „Wissen“ von Elternhaus, Schule und den Medien übernommen. Die Mühe, die Wahrheit selbst zu entdecken und die Wirklichkeit für sich persönlich zu durchdringen, braucht man sich nicht zu machen, alles wird einem fix und fertig vorgesetzt. Vieles wird uns als „faktisch“ verkauft, was reine Theorie ist. Die braucht nur lang genug wiederholt und durch „wissenschaftlichen Konsens“ belegt zu werden – und schon wurde eine neue „Wahrheit“ postuliert und Realität erfunden, die von allen „zu glauben“ ist, denn „98% der Experten“ können sich ja wohl nicht irren.
Die Menschen glauben viel leichter eine Lüge, die sie schon hundertmal gehört haben, als eine Wahrheit, die ihnen völlig neu ist.2
Als Christen gehen wir allerdings davon aus, dass es eine „höhere“ bzw. „ganzheitlichere“ Wirklichkeit gibt, die uns natürlicherweise unzugänglich ist. Auch den Experten. Sie hat zu tun mit Gott und dem Himmel, unsichtbaren Dimensionen und Realitäten, die wir nur durch Offenbarung erkennen können. Abgekoppelt von diesen die irdische, materielle Realität sowohl konstituierenden als auch übersteigenden und unendlich umfassenderen Aspekten der Wirklichkeit, ist der Mensch geradezu „blind“, so beschränkt ist seine Wahrnehmung. Ohne dass ihm die „Augen des Herzens“ geöffnet werden und Gottes Licht hineinfällt, was einer Erleuchtung gleichkommt, kann er nur ausgesprochen wenig von der Gesamt-Wirklichkeit erkennen. Hier gilt der bekannte und schöne Satz von Antoine de Saint-Exupéry:
Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.3
Schon die fünf physischen Sinne des Menschen nehmen nur einen Teilaspekt des jeweiligen Sinnes-Spektrums wahr. Er lebt darum wie in einem Dämmerlicht, wo er keine „letzte Klarheit“ gewinnen kann – genau genommen über gar nichts. Wie schon Aristoteles gesagt haben soll: „Je mehr ich weiß, umso mehr weiß ich, dass ich nichts weiß“4. Entsprechend desorientiert lebt der Mensch und richtet sich in einer winzigen, zwielichtigen „Hütte“ ein, die er sich weltanschaulich zurechtzimmert und zu „seiner Wahrheit“ erklärt. Wer damit nicht übereinstimmt, wird gemieden und als Störfaktor für den „Frieden“ in der konstruierten Scheinwirklichkeit betrachtet.
So kämpfen die Ideologien, zu denen ich auch und gerade die Religionen zähle, um die Deutungshoheit der Wirklichkeit. Ideologen sind die Architekten der Matrix, also der „Gedankengebäude“, die sie errichten, um die Menschen darin festzuhalten und nach ihren Vorstellungen zu steuern. Sie geben vor, was als wahr zu gelten hat und zu glauben ist. Wer das nicht annimmt, wird als gesetzlos bezeichnet und verfolgt.
Denn es sind nicht rein menschliche Waffen, die wir in unserem Kampf einsetzen, sondern Waffen, die sich im Einsatz für Gott als mächtig erweisen, um Bollwerke zu schleifen und weltanschauliche Gedankengebäude abzureißen. Ja, wir demontieren auch hochtrabende Theorien, die sich gegen die Erkenntnis Gottes erheben, und stellen jeden Gedanken unter den Gehorsam gegenüber dem Messias (2 Kor 10,4-5 DBU)
Kämpfen wir für die Wahrheit, kämpfen wir automatisch gegen die Lüge. Da sie in der Welt umfassend etabliert und in weiten Teilen gesetzlich verankert ist und der „Gehorsam“ der Menschen ihr gegenüber akribisch überwacht wird, ist das ein großer Konflikt, in dem wir stehen. Wir decken in dem Namen Jesu und durch die Offenbarung des Heiligen Geistes die Wahrheit auf, die Welt jedoch deckt sie zu, weil sie sie nicht wahrhaben will.
In vielen „weltanschaulichen Gedankengebäuden“ (Ideologien) gibt es keinen Raum für Gott und eine „höhere Wirklichkeit“ (Transzendenz). Da sie nicht kontrolliert werden kann, wird sie ausgeschlossen. Andere Konzepte räumen Gott einen bestimmten, regulierten Bereich im weltanschaulichen Gefüge ein, in dem religiös oder esoterisch interessierte Menschen unter der Aufsicht von verschiedenartigen „Klerikern“ und „Meistern“ und deren Organisationen eine gewisse Spiritualität ausleben können. Diese muss jedoch nicht zwingend etwas mit der Wirklichkeit zu tun haben.
Wenn die meisten sich schon armseliger Kleider und Möbel schämen, wieviel mehr sollten wir uns da erst armseliger Ideen und Weltanschauungen schämen.5
Wikipedia definiert „Wahrheit“ weiter:
Das zugrundeliegende Adjektiv „wahr“ kann auch die Echtheit, Richtigkeit, Reinheit oder Authentizität einer Sache, einer Handlung oder einer Person, gemessen an einem bestimmten Begriff, beschreiben („Ein wahrer Freund“). Alltagssprachlich kann man die „Wahrheit“ von der Lüge als absichtlicher Äußerung der Unwahrheit und dem Irrtum als dem fälschlichen Fürwahrhalten abgrenzen.
Die Wahrheit kann nur von jemandem erkannt werden, welcher der Wahrhaftigkeit hinterher ist. Wer auf seine persönliche Echtheit, Richtigkeit, Reinheit und Authentizität achtet, ist für den „Geist der Wahrheit“ attraktiv. Er findet göttliche Unterstützung darin, den Weg der Integrität zu gehen. Dabei wird er natürlich mit dem geballten Ausmaß an systemischer Lüge und gut begründeter Irrtümer konfrontiert, die ihn umgeben. Das kann dazu führen, aus der Welt fliehen zu wollen und sich zurückzuziehen. In gewisser Weise tun das auch die meisten Wahrheitssucher, zumindest für eine Zeit lang, denn die Welt und ihre „Wahrheiten“ sind überaus trügerisch und man hat alle Hände voll zu tun, sich durch den Nebel der Illusionen und des Wahns zu kämpfen, die als „normal“ präsentiert und anerkannt werden. Die Wahrheit ist nicht bequem.
Für jene, die der allgemeinen sowie persönlichen Echtheit, Richtigkeit, Reinheit und Authentizität folgen, kommt erschwerend hinzu, dass so viele Menschen augenfällig desinteressiert an der Wahrheit sind und erschreckend ignorant in Bezug auf die Wirklichkeit. Die Wahrheit ist nicht beliebt.
Wahrheit heißt der Pullover, den manche gern im Schrank lassen, weil er ziemlich kratzen kann.6
Was den christlichen Wahrheitsbegriff betrifft, fasst Wikipedia, mit Hinweisen auf eine Menge Bibelstellen, folgende grundlegende Punkte zusammen:
Im Neuen Testament wird der Wahrheitsbegriff vor allem bei Paulus und im Johannesevangelium theologisch bedeutsam. Paulus tritt mit dem Anspruch auf, die Wahrheit zu verkündigen (2 Kor 4,2). Wahrheit und Evangelium werden bei ihm gleichgesetzt. Die Wahrheit ist „Jesus“ (Eph 4,21); es gilt, ihr zu gehorchen (Gal 5,7). Liebe zur Wahrheit bedeutet gleichzeitig eine Absage an Ungerechtigkeit und Bosheit (2 Thess 2,10 ff.). Paulus spricht in den Pastoralbriefen auch von einer „Erkenntnis der Wahrheit“. Wahrheit wird bei ihm zum Synonym für die Orthodoxie, die gegen falsche „Irrlehren“ verteidigt werden muss.Im Johannesevangelium ist der Wahrheitsbegriff stark christologisch konnotiert. Jesus spricht von sich als der „Wahrheit“. Er sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6). Auch alle Worte, die Jesus gesprochen hat, sind Wahrheit. Die Erkenntnis dieser Wahrheit, das Annehmen und Bleiben in dieser Wahrheit führt zu „Freiheit“ und „Leben“ (Joh 8,31-32). Diese Wahrheit setzt eine Empfänglichkeit der Menschen voraus, verlangt aber auch, dass sie sich im Tun bewährt (1 Joh 1,6; 2,4; 3,18). Der Geist der Wahrheit (auch Heiliger Geist genannt) (Joh 14,17; 1 Joh 5,7) setzt das Heilswerk Christi fort (Joh 16,13); er wirkt in den Jüngern weiter und führt sie, um gegenüber der Welt Zeugnis für Jesus Christus abzugeben (Joh 15,26-27).Das Johannesevangelium (Joh 18) berichtet, wie Jesus von Pilatus verhört wurde. Pilatus: „So bist du dennoch ein König?“, Jesus: „Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit zeugen soll. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme.“ Pilatus winkt ab: „Was ist Wahrheit?“ – Das Zitat wird auch als Hinweis auf die Beschränktheit der menschlichen Erkenntnis gedeutet, die nur durch Glauben oder Offenbarung überwunden werden kann.
Im Christentum rückt also die Wahrheit als eine Person in den Mittelpunkt. Nicht eine Lehre, eine Meinung, eine Interpretation, eine Auslegung, eine Dogmatik, ein ausgeklügeltes Gedankengebäude religiöser, ideologischer oder philosophischer Natur ist die Wahrheit, sondern JEMAND. Das ist dermaßen schwer zu begreifen, dass auch die Kirche im Allgemeinen nicht auf Jesus, sondern auf die üblichen Erkenntniswege zurückgreift. Das aber sind die rein rationalen Methoden, die starr und nicht beweglich sind, statisch und nicht dynamisch; Buchstaben, die töten, und nicht Geist, der lebendig macht.
Wehe euch Gesetzesgelehrten! Denn ihr habt den Schlüssel der Erkenntnis weggenommen; ihr selbst seid nicht hineingegangen, und die hineingehen wollten, habt ihr gehindert (Lk 11,52).
Auf die „wissenschaftliche“ Weise gelangen die Theologen nicht zur Erkenntnis der wahren Wahrheit und führen auch niemanden hinein. Denn wären sie wahrhaftige Zeugen Jesu, wären sie nicht mehr dieselben. Die lebendige Wahrheit hätte sie verwandelt. Und zwar durch und durch. Die Augen wären ihnen geöffnet worden wie einst den Emmaus-Jüngern und die Schrift wäre ihnen von Christus selbst auf solch eine Weise offenbart worden, dass es ihr Herz in Brand gesteckt hätte.
Sie sagten zueinander: „Brannte es nicht wie ein Feuer in unserem Herzen, als er unterwegs mit uns sprach und uns den Sinn der Heiligen Schriften aufschloss?“ (Lk 24,32 GNB).
Schon die Idee, die in den heiligen Schriften niedergeschriebenen Wahrheiten seien eine Art von Tür hinein bzw. hinüber in eine transzendente Wirklichkeit „auf der anderen Seite“, ist für viele Schriftgelehrte (Theologen) ganz fremd. Das klingt nach metaphysischem „Hokuspokus“7, den sie meiden wie die Pest. Sie selbst gehen in der Folge nicht durch die Tür hinein in die tiefere, höhere, weitere und breitere Wirklichkeit, von der die heiligen Worte sprechen – also in ihre Erfüllung – und sind für diejenigen, die hineingehen wollen, eher ein Hindernis anstatt eine Hilfe.
Jesus hat die Leute nicht aufgefordert, den Schriftgelehrten in ihre frommen Gedankengebäude hinein zu folgen, sondern an seiner Hand in die himmlische und göttliche Realität – das Reich Gottes – einzutreten. Und das ist viel mehr eine Sache des Herzens als des Kopfes, denn Glaube, Hoffnung und Liebe sind keine Gegenstände wissenschaftlicher Analyse. Es braucht dafür kein theologisches Wissen, sondern das Vertrauen zu Jesus, dass er selbst die Tür IST und uns auch selbst durch die Tür in den Himmel FÜHRT, wo Glaube, Hoffnung und Liebe die bestimmenden Größen sind und keine theologischen Konzepte.
Von der Wirklichkeit, die immer eine Begegnung ist, also gerade jener Form der Wirklichkeit, die für die Naturwissenschaft nicht existiert, spricht die Heilige Schrift. Aus ihr heraus hat Jesus gelebt und um ihretwillen ist er gestorben; in ihr allein können wir unser Menschsein ganz erfüllen.8
Versuchen wir es einmal mit folgendem Gedankengang: Bei der Wahrheit geht es um die Wirklichkeit. Wir sind in der Welt jedoch nicht die, die wir in Wirklichkeit sind, sondern spielen kulturell anerzogene Rollen und folgen der Inszenierung bzw. den Regieanweisungen, die uns von den Architekten der gesellschaftlichen Matrix vorgegeben werden. Wer wir SIND, ist in diesem Entwurf von Welt irrelevant, es zählt, was wir leisten. DAS wird betont und entlohnt.
Unsere Identität ist „Privatsache“, die nicht interessiert, sondern unsere Arbeit fürs Geschäft zeichnet uns aus. Weder die Wahrheit noch die Wirklichkeit spielen dabei eine maßgebliche Rolle. Das ganze Marketing zielt darauf ab, uns mächtiger, leistungsstärker, glücklicher und erfolgreicher darzustellen als wir SIND. In den Schein wird viel investiert. Die optimale Darstellung ist wichtiger als das tatsächliche Produkt, die Verpackung bedeutender als der Inhalt.
Gott hingegen ist nicht so sehr interessiert an unserer Leistung oder Performance, unseren Produkten und Verpackungen, sondern an unserem „nackten“ Sein. Also jenem Aspekt von uns, über den wir am wenigsten Bescheid wissen, denn niemand fragt danach. Eine meiner Lieblingsgeschichten von Anthony de Mello, die ich immer wieder zitiere, geht folgendermaßen:
Eine Familie ließ sich zum Essen in einem Restaurant nieder. Die Kellnerin nahm zunächst die Bestellung der Erwachsenen auf und wandte sich dann dem Siebenjährigen zu.„Was möchtest du essen?“, fragte sie.Der Junge blickte schüchtern in die Runde und sagte dann: „Ich möchte gern einen Hot Dog.“Noch bevor die Kellnerin die Bestellung aufschreiben konnte, unterbrach die Mutter. „Keine Hot Dogs“, sagte sie, „bringen sie ihm ein Steak mit Kartoffelbrei und Karotten.“Die Kellnerin überhörte sie. „Möchtest du Ketchup oder Senf auf deinem Hot Dog?“, fragte sie den Jungen.„Ketchup.“„In einer Minute bekommst du ihn“, sagte die Bedienung und ging zur Küche. Alle schwiegen fassungslos, als sie weg war.Schließlich sah der Junge die Anwesenden an und sagte: „Wisst ihr was? Sie denkt, ich bin wirklich!“9
Gerade als Christen, die die Evangelien ernst nehmen, sollten wir begreifen, dass Gott uns keine Religion, Institution, Dogmatik, Liturgie, Theologie und Klerus, Sonntagsgottesdienste, Auslegungstraditionen usw. geschickt hat, sondern seinen Sohn. Also einen, der ihn sehr genau und ohne Abstand, also wirklich, kennt. Einen, der in der unmittelbaren Gegenwart Gottes lebt, seit Anbeginn der Schöpfung live dabei war und uns die „ganze Wahrheit“ sagen kann – über alles … von Anfang bis Ende. Denn er ist das A und das O, der Anfang und das Ende.
Ich BIN das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende (Offb 22,13).
Die revolutionäre Frage an uns lautet: Wie kann man das sein? Und ist es auch für uns möglich, wahre Menschen bzw. Menschen der Wahrheit zu sein, indem wir durch die Tür gehen und von der lebendigen Wahrheit selbst sowohl geführt als auch transformiert werden? Können wir vom Schein ins Sein gelangen – dorthin, wo alles und alle genau das sind, was sie sind und es als ihre Berufung ansehen, dieses SEIN auszudrücken und auszuleben? Hören wir, was der Philosoph Ernst Bloch dazu sagt:
Es gibt Phasen in unserem Leben, in denen wir das Gefühl haben, uns weit von unserem eigentlichen Ich entfernt zu haben, es (uns) nicht mehr zu spüren. Vielleicht fragen wir uns dann: Wer bin ich? Was weiß ich eigentlich über mich? Passt das Leben, das ich führe, überhaupt zu mir? Vielleicht überlegen wir auch: Bin ich so, wie andere mich sehen, oder spiele ich ihnen etwas vor? Bin ich hier wirklich am richtigen Platz? All das sind wichtige Fragen, an denen wir nicht gedankenlos vorbeiziehen sollten. Es lohnt sich, ihnen auf den Grund zu gehen. „Du selbst zu sein, in einer Welt, die dich ständig anders haben will, ist die größte Errungenschaft“, erkannte der US-amerikanische Philosoph und Schriftsteller Ralph Waldo Emerson.10
Im „letzten Gericht“ werden wir nicht nach unserer Religion, Theologie und Kirchenzugehörigkeit gefragt werden, nicht nach unserer Leistung und Performance, unseren Produkten und Verpackungen, sondern ausschließlich nach unserem Verhältnis zu dem Sohn, dessen Mission darin besteht, uns aus der Finsternis ins Licht zu führen, aus dem Sterben ins Leben und aus der Lüge in die Wahrheit.
1 Wikipedia, „Wahrheit“, 14.6.23.
2 Alfred Polgar, https://zitate.net/wahrheit-zitate
3https://beruhmte-zitate.de/zitate/124688-antoine-de-saint-exupery-man-sieht-nur-mit-dem-herzen-gut-das-wesentliche/
4https://beruhmte-zitate.de/zitate/1970672-aristoteles-je-mehr-ich-weiss-um-so-mehr-weiss-ich-dass-ich-ni/
5 Albert Einstein, http://www.poeteus.de/autor/Albert-Einstein/2
6 Renzie, Thom, https://www.zitate.de/kategorie/wahrheit?page=13
7 Hokuspokus, auch hocus pocus fidibus ist ein Zauberspruch, dessen latei-nisch klingende Worte keine konkrete Bedeutung haben. Seit dem 17. Jahr-hundert (erstmals 1624) ist die Zauberformel (zunächst in England) als „ho-cas pocas“ und „hocus pocus“ belegt. Sie bezeichnet zunächst die Person des Taschenspielers, aber auch die Taschenspielertricks (Wikipedia 25.8.23).
8 K. G. Dürckheim, „Im Silberstrom des Seins“, Verlag Herder 1996, S. 36.
9 Aus A. de Mello, „Geschichten, die gut tun“, Verlag Herder, S. 124
10 Ernst Bloch im Artikel „Wer bin ich?“, Mindstyle-Magazin „happinez“, Nummer 7-2023, Bauer TV & Science KG Hamburg, S. 29.
Ich wurde geboren und bin in die Welt gekommen,um die Wahrheit offenbar zu machenund als Zeuge für sie einzutreten.Wem es um die Wahrheit geht,der hört auf mich.
Johannes 18,37 GNB
Jesus ist nicht nur dafür in die Welt gekommen, um unsere Sünden auf sich zu nehmen, sondern ebenso, um uns die Augen für die Wahrheit zu öffnen. Sind wir von unseren Sünden erlöst, gehen aber nicht den Weg der Wahrheit, dann ist der Sinn der Erlösung kompromittiert. Wir müssen davon ausgehen, dass wir den Weg der Wahrheit nicht kennen und dass er auch allein durch Theologie und Lehre (Dogmatik) – auch durch Wissenschaft und Philosophie – keineswegs zu erkennen ist. Und sollten wir etwas davon erkennen, weil der von Jesus gesandte Geist der Wahrheit unsere Augen dafür öffnen konnte, dann brauchen wir auch noch den Mut und die Kraft, diesen Weg zu gehen.
Das ist der Geist, dessen Wesen Wahrheit ist. Den kann die von Gott abgewandte Menschheit nicht bei sich aufnehmen, denn sie nimmt ihn nicht wahr und erkennt ihn nicht. Aber ihr nehmt ihn wahr, denn er bleibt bei euch und wird in euch sein (Joh 14,17 DBU).
Es gibt gemäß diesem Vers also eine „Menschheit“, welche die Wahrheit nicht wahrhaben will und sie „nicht bei sich aufnimmt“. Das musste Jesus, die personifizierte Wahrheit, leider genauso erleben und erleiden: „Er kam in das Seine, und die Seinen nahmen ihn nicht an“ (Joh 1,11). Die Welt lebt ein von der Wahrheit „abgewandtes“ Leben, wir aber, die den Geist der Wahrheit bei uns aufnehmen, nehmen die Wahrheit wahr, weil sie „durch den Geist, dessen Wesen Wahrheit ist“ bei uns bleibt und in uns lebt. Wir werden noch darauf zu sprechen kommen, dass es eine statische und eine lebendige Wahrheit gibt, eine exegetische Buchstabenwahrheit und eine geistgewirkte Offenbarungswahrheit.
In den Evangelien sehen wir, wie die Pharisäer und Schriftgelehrten die Fraktion der Buchstabenwahrheit darstellten und Jesus die Seite der Offenbarungswahrheit, denn der Geist war auf ihm und in ihm. Die Wahrheit der Schriftgelehrten und die des Sohnes Gottes prallten aufeinander, dass nur so die Funken flogen. Extrem gegensätzliche Positionen wurden eingenommen und die eine Seite warnte ausdrücklich vor der anderen.
Ich würde sagen, viele Christen hören Theologie bzw. Lehre über die Wahrheit, wenige von ihnen empfangen geistgewirkte Erkenntnis (Offenbarung) darüber und noch weniger die Kraft, den Erkenntnissen die entsprechenden Taten folgen zu lassen. Und auch das reicht noch nicht …
Die Erfahrung zeigt uns, dass es auf dem Weg der Wahrheit weder nur um Erkenntnisse geht noch um die notwendige Ermächtigung, sie umzusetzen, sondern zudem um ein persönliches, ganzheitliches Wahrwerden. Das heißt, die Wahrheit Gottes verwandelt (transformiert) uns in wahre Menschen bzw. Menschen der Wahrheit. Wir werden immer „echter“, immer mehr wir selbst, immer weiter verwandelt in das Bild Christi, der die Wahrheit in Person IST.
Viele Christen haben das weder gehört noch realisiert. Sie gehen in die Kirche und meinen, DAS sei es, was von ihnen verlangt wird. Aber Jesus will, dass wir auf ihn hören, damit er uns die Wahrheit sagen kann. Dabei geht es nicht primär um die zehn Gebote, sondern um das Leben. Das „wahre“ Leben.
Der „gute Hirte“ Jesus führt seine Schafe, die seine Stimme hören (s. Joh 10,4-5), den Weg in die „Fülle des Lebens“ (s. Joh 10,10). Die „ganze Wahrheit“ und das „volle Leben“ sind zwei Seiten einer Medaille. Wir erfahren beides nur, wenn wir Jesus zuhören und ihm folgen.
Wobei ich immer wieder darauf hinweisen will, dass religiöse Organisationen und Institutionen keine lebendigen Wesen sind, auch keine Ohren haben und darum nicht in der Lage sind, Jesus zu hören. Auch die Kraft, ihm zu folgen, können sie weder für sich selbst empfangen noch verwalten noch an andere „sakramental“ weitergeben. Sie können jedoch sehr elitär und autoritär auftreten und die Deutungshoheit der Offenbarung Gottes für sich beanspruchen. An sich fordern sie nach wie vor nichts anderes als Unterwerfung unter ihre Herrschaft, da ihr Weltbild und entsprechend ihre Institution hierarchisch strukturiert sind. Das wird mit allerlei unhaltbaren Behauptungen begründet, die sich nicht an Jesus orientieren, sondern an sich selbst.
Heute scheint die kirchliche Ausgestaltung von Geistlichkeit dermaßen weit von dem entfernt zu sein, was Jesu sagt, dass dabei schwerlich etwas „Wahres“ und „Lebendiges“ herauskommen kann. Diese Diskrepanz – voller gepflegter (traditioneller) Heuchelei – kommt indes heute genauso ans Licht wie jede andere Unstimmigkeit in der Welt. Ein Skandal nach dem anderen beutelt derzeit die Kirchen und die Mitgliederzahlen schwinden dahin.
Was passiert, wenn die Wahrheit wirklich, ungeschminkt und umfänglich herauskommt? Was, wenn sie weder ignoriert noch instrumentalisiert noch gebeugt, gehandelt oder nach religiös-ideologischem Belieben umgedeutet werden kann? Dann beendet sie die Welt, wie wir sie kennen … inklusive der Religionen und Kirchen. Denn sie richten sich nicht nach der Wahrheit, sondern richten die Wahrheit nach sich selbst. Sie folgen nicht Jesus, sondern verlangen von ihm, dass er ihnen folgt und ihre Agenda bedient bzw. „segnet“. Da es schon so lange so läuft, ist es unbewusst geworden, zur Routine und Gewohnheit, also Tradition. Dagegen anzukommen, ist nicht leicht. Jesus erklärt die Wirkung der Tradition in Matthäus 15,6b-9 (GNB) so:
So habt ihr das Wort Gottesaußer Kraft gesetzt mit euren Überlieferungen. Ihr Scheinheiligen, treffend hat der Prophet Jesaja euch im Voraus beschrieben: „Dieses Volk ehrt mich nur mit Worten, sagt Gott, aber mit dem Herzen ist es weit weg von mir. Ihr ganzer Gottesdienst ist sinnlos, denn sie lehren nur Gebote, die sich Menschen ausgedacht haben.“
Die Entdeckung, dass religiöse Traditionen nicht die Wahrheit sind und kein Leben geben, ist ernüchternd. Jesus sagt es ganz klar: „ICH BIN (nicht, die Tradition ist) der Weg, die Wahrheit und das Leben …“ (Joh 14,6)
Meine Definition lautet: Die Wahrheit ist die Definition der Wirklichkeit. Die lebendige Wahrheit ist eine fortschreitende Offenbarung der Wirklichkeit durch den Heiligen Geist, der sie uns Stück für Stück aufdeckt. Mehr noch als sie aufzudecken, führt er uns auch in den angemessenen Umgang damit ein. Dabei geht es nicht nur um die geistlichen oder religiösen Anteile der Wirklichkeit, sondern um das ganze Spektrum. Wir werden tauglich für die Wirklichkeit! Zuvor waren wir dafür unfähig und lebten in der Lüge, die wir für die Wahrheit hielten …
Schließlich gibt uns der Heilige Geist auch noch die Kraft, die größere Wirklichkeit, die wir erfahren, zu bewältigen und zu integrieren. Wir gehen von Wahrheit zu Wahrheit. Gott erweitert unsere WAHRnehmung, denn die Wirklichkeit ist unermesslich tief und hoch, weit und breit.