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In diesem zweiten Band der „Schriftrolle der Liebe“ geht es um einen Aspekt der Liebe, den wir im Allgemeinen nicht in Zusammenhang mit ihr bringen: Ihre Herrschaft. Die Schriftrolle wird ein wenig weiter geöffnet und offenbart tiefe Erkenntnisse über den Umgang der Liebe Gottes mit uns: • warum ihr Gericht nicht zu fürchten, sondern zu begehren ist • wie ihre Herrschaft die Welt und auch die Kirche (!) beendet und wieder neu erschafft • wie sie unser Leben vor ihren Spiegel stellt und uns in ihr Feuer tauft Diese und viele andere spannende Aspekte werden beleuchtet und eröffnen dem Leser eine einzigartige Sicht sowohl auf den eigenen Zustand als auch auf die Perspektive der Welt und Gemeinde – durch die Augen der Liebe. Dieses Buch stellt den zweiten Teil von drei Bänden dar, in denen die Schriftrolle der Liebe ihre Geheimnisse offenbart.
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Seitenzahl: 198
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Frank Krause
Die Schriftrolle der Liebe (Band 2)
Die Herrschaft der Liebe
GloryWorld-Medien
1. Auflage 2017
© 2017 Frank Krause
© 2017 GloryWorld-Medien, Xanten, Germany, www.gloryworld.de
Alle Rechte vorbehalten
Bibelzitate sind, falls nicht anders gekennzeichnet, der Elberfelder Bibel, Revidierte Fassung von 1985, entnommen.
Das Buch folgt den Regeln der Deutschen Rechtschreibreform. Die Bibelzitate wurden diesen Rechtschreibregeln angepasst.
Lektorat/Satz: Manfred MayerGrafiken: Sylvia Krzemien, www.zoi-lovespainting.deUmschlaggestaltung: Kerstin & Karl Gerd Striepecke, www.vision-c.deFoto: istock
ISBN (epub): 978-3-95578-418-8
ISBN (Druck): 978-3-95578-318-1
Vorwort
1. Das Gericht der Liebe
Das immerwährende Gericht – Wer leben will, der höre auf das Gericht der Liebe! – Erkenne dich selbst! – Ich brenne! – Erleuchtung – Liebe dich selbst! – Egoismus? – Lass dich los! – Diene allem mit Liebe! – Unmittelbarkeit
2. Die Herrschaft der Liebe
Identität – Die Krone – Die Vision – Bettelnde Welt – Autoritätsprobleme – Teilhabe – Kluge Vögel, törichte Welt
3. Die Lektionen der Einsamkeit
Das Leben als Dialog – Tradition – Verborgenheit – Alles für Nichts – Schule der Achtsamkeit – Vom rechten Gottesdienst – Fluch der Halbherzigkeit – Verlorene Herrlichkeit – Das Gericht hat begonnen – Frommes Theater – Anmaßung – Bettinas Lied – Routine – Tradition versus Geist – Konsequenzen – Geburt
4. Kind des Regenbogens
Ein neuer Anfang – Waisenkinder – Zeichen des Himmels – Morgensonne – Wer sehen will, der sehe! – Gottes Lächeln – Der richtige Standort – Fürbitte – Klage – Halleluja!
Nachwort
Krieg – Freunde – Sehnsucht – Stille
Und dies ist die Botschaft,die wir von ihm gehört haben und euch verkündigen:dass Gott Licht ist und gar keine Finsternis in ihm ist.
1. Johannes 1,5
Im zweiten Band der Reihe „DieSchriftrolle der Liebe“ geht es um Dimensionen der Liebe, die wir nur schwer mit ihr in Zusammenhang bringen.
Zuerst das Gerichtder Liebe. Der Begriff „Gericht“ ist für die meisten von uns wahrscheinlich negativ belegt und die Liebe Gottes gibt uns doch – und darin sind sich alle Christen einig – einen Stellvertreter vor Gericht: Jesus Christus, der unseren Platz einnimmt und unser Urteil trägt, damit wir frei sein können. Ja, das ist eine ungeheuerliche Erlösung, und ja, sie ist von Liebe motiviert, denn „… so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat“ (Joh 3,16).
Und doch befreit die Liebe uns nur aus dem Sündengefängnis, um uns sogleich unter ihre Fittiche zu nehmen und in ihr ganz eigenes Gericht zu stellen. „Die Liebe freut sich an der Wahrheit“, heißt es im berühmten Hohelied der Liebe in 1. Korinther 13. In ihrem Gericht werden wir vor einen Spiegel gestellt, um zu sehen, wo wir von der Wahrheit darüber, wer wir wirklich sind, abgewichen sind und uns selbst verraten und verkauft haben an die Furcht, die Lüge und andere Sünden mehr.
Die Liebe ist sowohl der Furcht als auch der Lüge gegenüber intolerant. In diesem Buch berichte ich über meine persönlichen Erlebnisse damit.
Danach wurde ich mit einer weiteren Ungewöhnlichkeit konfrontiert: Der Herrschaft der Liebe. Wie schon der Begriff Gericht, stößt uns möglicherweise auch dieses Wort unbehaglich auf. Haben wir die Ausübung von Autorität(en) doch so häufig als fremdbestimmend und unterdrückend erlebt! Wie nun herrscht die Liebe und was ist ihr Zepter? Was mir darüber mitgeteilt wurde, ist meines Erachtens einfach nur als revolutionär zu bezeichnen und lässt mich sehnlichst nach dieser Herrschaft verlangen.
In den Lektionen der Einsamkeit schließlich lernte ich, wie überaus persönlich die Liebe uns erzieht und uns in die Abgeschiedenheit holt, um uns Offenbarungen über die Wirklichkeit von Gott, uns selbst, über Himmel und Erde und alle Dinge mitzuteilen, die uns verwandeln und wirklich zu neuen Menschen machen. Wir gehen von Wahrheit zu Wahrheit, was uns zunehmend erleuchtet und zu Kindern des Regenbogens macht, wovon schließlich das letzte Kapitel des Buches handelt.
Die Wahrheit braucht Mut. Die große Gabe der Liebe an uns ist ein solches Maß an Trost und Treue, dass wir es wagen, den Weg ins Licht zu gehen, bis wir selbst dieses Licht werden.
Steh auf, werde licht!Denn dein Licht ist gekommen,und die Herrlichkeit des Herrn ist über dir aufgegangen.
Jesaja 60,1
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Anmerkung zu Zitaten: Die von mir in meinen Büchern benutzten Zitate dienen ausschließlich der Erläuterung, Bereicherung und Untermauerung des eigenen Textes. Sie sollen zum Nachdenken anregen, inspirieren, Gedankengänge zusammenfassen und, je nachdem, den Text auflockern und den Leser zum Schmunzeln bringen. Gleiches gilt für die Zeichnungen. Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass ich weder alle Werke der von mir zitierten Autoren kenne, noch zwingend deren Weltanschauungen oder sonstigen Ansichten teile.
Wie der Vater mich geliebt hat, habe auch ich euch geliebt; bleibt in meiner Liebe. Wenn ihr meine Gebote haltet, so werdet ihr in meiner Liebe bleiben, wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe. Dies habe ich zu euch geredet, damit meine Freude in euch sei und eure Freude völlig werde.
Jesus in Johannes 15,9-11
Der Engel legt seine Hand auf die meine, die auf den Worten der pergamentenen Schriftrolle der Liebe liegt. Die wundervollen und lebendigen Worte über die Liebe und ihre vielfältigen Dimensionen haben mich seit einiger Zeit regelrecht gefangen genommen. Die Zeit ist allerdings so rasch vergangen; ich mag gar nicht glauben, wie schnell sie vergeht bzw. ich vergehe. Was haben wir Menschen angesichts der Vergänglichkeit aller Dinge und unserer selbst zu verlieren, dass wir der Wahrheit so hartnäckig ausweichen? Was hindert uns daran, die wesentlichen Fragen zu stellen und den Weg heraus aus der geschäftigen und medialen Überreizung mit ihrer Sintflut an marktschreierischen Nebensächlichkeiten zu gehen, um einmal zur Besinnung zu kommen?
Die Hand des Engels liegt sanft auf meiner Hand und wir bewegen uns bedächtig über die Worte der Rolle, die für mich so schicksalhaft sind. Die Worte, nun, sie stehen einfach da, sie sind nur Zeichen auf einem Papier und doch steht hinter ihnen eine Wirklichkeit, in die es einzutreten gilt. Der Unmündige geht achtlos an ihnen vorüber und kommt niemals auf die Idee, vor ihnen zu erzittern und sie als Tor in den Himmel zu betrachten.
Alles, was von Gott geschrieben ist, will geschehen! Dafür eben ist es ja geschrieben. Was sollten wir sonst damit anfangen? Lediglich noch mehr Informationen ansammeln, die unseren Kopf beschäftigen? Nein, die Worte Gottes sind immer eine potentielle Türe zur Wirklichkeit. Sie wollen uns ansprechen, aufwecken und einladen einzutreten. Sie fordern uns auf, unsere Fragen an sie zu richten. Alles beginnt mit dem kindlichen Fragen, einem „Fragen von Herzen“ nach der Bedeutung der Worte.
Kinder wollen Antworten nicht nur hören und intellektuell verarbeiten. Sie wollen die Antworten sehen, anfassen und schmecken. Sie sind nicht interessiert an einem theologischen Vortrag oder einer schriftlichen Abhandlung, sie wollen die Wahrheit ganzheitlich erfassen. Darum wendet sich das „kindliche“ Fragen an Gott selbst, der sein Wort durch den Heiligen Geist zu uns ganz persönlich sprechen lässt und uns in die Erfahrung dessen hineinführt, was sie bedeuten.
Meine Finger gleiten über die Buchstaben, um sie gleichsam in meine Hände aufzunehmen. Ich könnte mich geradewegs mitten hinein in die Schrift legen, um von ihr umgeben zu sein und darin „mariniert“ zu werden. Vielleicht, wenn die Rolle einmal weit genug aufgerollt sein wird, werde ich das ausprobieren. Ich werde mitten in den Worten liegen und „selig“ sein …
Erneut war ich nach der großartigen Erfahrung des himmlischen Lehrhauses und der Bereisung des Körpers (Band 1) eine Zeit lang mit anderen Dingen beschäftigt gewesen und habe die Rolle unangerührt liegen gelassen. Jetzt kommt es mir vor, als habe ich sie sträflich vernachlässigt und nicht gebührend beachtet. Aus diesem Grund hatte ich gezögert und mich geschämt, sie überhaupt wieder zu öffnen, aber dann hatte der Engel seine Hand auf die meine gelegt, was mich sehr motivierte, alle Hindernisse mit seiner Hilfe zu überwinden. Gemeinsam schlagen wir die Schriftrolle nun wieder auf, es ist wirklich an der Zeit, dies zu tun.
Langsam und respektvoll öffnen wir sie und die bekannten Texte und Bilder erscheinen. „Sie sind noch da!“, denke ich erleichtert. Eine Wirkung des Alltags ist ja manchmal die, dass er die „heiligen Momente“ mit seinem Lärm und aufdringlichen Forderungen verdrängt. Aber andererseits ist er auch das irdische Feld, in dem sich abbilden und bewähren muss, was unser Herz bewegt und an Offenbarung vom Himmel in ihn einbringt.
Wir müssen uns davor hüten, im Alltagsgedränge den Kontakt zu unserem Herzen zu verlieren. Immer wieder gilt es, die alte Übung der „Gegenwart Gottes“ zu beherzigen, indem alles, wirklich alles, in Gottes Licht gestellt und dort von ihm „gerichtet“ wird. Kleine Momente des Innehaltens über den Tag verteilt, in denen wir uns fragen, wo wir gerade stehen, ob wir noch auf Kurs oder vom Weg abgekommen sind und ob wir wirklich anwesend und uns Gottes bewusst sind, können schon viel helfen. Alle geistliche Arbeit ist in erster Linie eine Arbeit der Bewusst-Werdung und in zweiter Linie eine des Bewusst-Bleibens. „Vergiss nicht, was der Herr dir Gutes getan hat!“ (Ps 103,2)
Früher habe ich das Wort „Gericht“ nur negativ verstanden, aber dann lernte ich, dass der Sinn des Gerichts darin besteht, alles (wieder) richtigzustellen, und damit ist das Gericht sehr notwendig und gut. Es geht um Wiederherstellung. Dieses „Richtigstellen“ von Verkehrtheit und Wiederherstellen der heilsamen, liebevollen, wahrhaftigen, friedevollen, erfreulichen, gütigen, göttlichen, angemessenen Verhältnisse braucht es allerdings nicht erst nach dem Tod, im „letzten Gericht“, wo Gott die Verfehlung der ganzen Welt richtigstellen wird, sondern jeden Tag. Wie im Körper ständig alles austariert und in bestimmten Wertebereichen gehalten werden muss, damit wir nicht krank werden, so muss es auch im Bereich des Geistes und der Seele (Psyche) geschehen – und ebenso im ganzen menschlichen Miteinander.
„Die Inseln warten auf Gottes Gericht“, steht in der Bibel; verstanden hatte ich das nie. Aber jetzt begreife ich, warum sie so sehnsüchtig darauf warten, dass der kommt und eingreift, der auch für sie „Recht schafft“ und alles wieder ins Lot bringt. Ohne Gerechtigkeit kein Frieden.
Wie die Hand des Engels auf meiner Hand liegt und sie bewegt, so muss die Hand der Liebe auf unserem ganzen Sein ruhen, um uns in einer ganzheitlichen Art und Weise recht zu führen. Ohne ihre Beruhigung und Zügelung laufen wir los und zerschlagen jede Menge Geschirr oder verharren im Gegenteil in einer zu passiven Haltung. Ohne ihre Hand auf unserer Hand begehen wir leichtfertig Taten, die wir danach zutiefst bedauern.
Überdies mahnt die Liebe uns zur Besonnenheit: erst denken, dann handeln; erst die Kosten überschlagen und dann loslegen. Was wir brauchen, ist das Vertrauen zu ihr, dass sie mit Güte und Barmherzigkeit auf uns aufpasst – selbst wenn sie einmal streng mit uns „ins Gericht“ geht. Sie tut es für- und nicht gegen uns!
Beim letzten Mal, wie im ersten Buch dieser Reihe beschrieben, hatte Jesus die Schriftrolle der Liebe selbst Stück für Stück geöffnet und den Engeln und mir allerlei Geheimnisse über den Körper erklärt. Jetzt ist es mir seltsam, dass ich es bin, der sie aufrollt, aber ich bin es schließlich, zu dem sie sprechen will; dafür wurde sie mir ja an erster Stelle gesandt. Und der Engel macht es mit mir gemeinsam. Also rolle ich sie beherzt weiter auf und komme an das Ende der bereits bekannten Bilder des Körpers und der Organe. Dann aber halte ich auf einmal inne, ich weiß nicht, warum.
„Keine Angst“, sagt der Begleitengel zu mir, „es gibt nichts zu befürchten.“
Was befürchte ich denn? Und was lässt mich zögern, nun in der Schriftrolle weiterzugehen? Ich bin mir über mich selbst nicht im Klaren. Ich schaue den Engel etwas verlegen und fragend an, der meine Gedanken kennt und mir hilft.
„Du fürchtest, dem, was du zu sehen bekommst, nicht zu entsprechen oder ihm nicht gewachsen zu sein. Du fühlst dich nicht so vollkommen oder heilig, wie diese Rolle es ist und nicht qualifiziert, sie anzufassen. Aber wärst du es nicht, wäre sie nicht hier. Lass ruhig die Liebe selbst entscheiden, was sie dir wann und wie zeigen will. Lass sie dich richten.“
Da ist das Wort wieder! Gericht … Sicherlich kennt und beurteilt die Liebe mich anders, als ich selbst es tue, und ich sollte ihre Einschätzung ruhig zur Kenntnis nehmen. Bestimmt erkennen und durchschauen ihre Augen mich tiefer, als ich selbst es tue, und gewiss ist das Gericht der Liebe sowohl ohne Vorurteile als auch ohne Verurteilung. Es ist die Wahrheit in Liebe, die wir verkraften können. Wäre sie ohne Liebe, könnten wir sie keineswegs ertragen.
Da es in der Welt „Gericht in Liebe“ eher selten gibt, erwartet meine Seele ganz spontan aus dem Unterbewusstsein heraus Bedrohliches, irgendeine peinliche Bloßstellung oder dergleichen. Vielleicht die Auflistung eines ganzen Sündenkataloges mit der Aufforderung, endlich zu bereuen … und mich zu bessern. Das ist eine tief eingefahrene religiöse Vorstellung, welche nichts als Scham und Verstecken produziert.
Ich habe das unbestimmte Gefühl, dass mir die Liebe einen Spiegel vorhalten wird, wenn ich die Rolle weiter öffne. Bin ich bereit, mich darin anzuschauen?
Der Engel legt seine andere Hand um meine Schulter, so, wie er es schon einmal getan hatte, als ich ihm über die mangelnde Geborgenheit erzählt hatte, die ich empfinde (siehe Band 1). „Weißt du denn nicht, wie begehrenswert das Gericht der Liebe ist?“, fragt er gütig.
„Nein, das weiß ich eigentlich nicht“, antworte ich, gerührt von der Zuwendung des Engels.
„Deswegen musst du diese Erfahrung machen. Und nicht nur einmal, sondern immer wieder, bis das Programm der Furcht mit ihrer Isolation und Scham im Unterbewusstsein überschrieben ist. Die Liebe denkt über dich nämlich viel besser als du selbst es tust! Sie erkennt deine Weite, Tiefe und Größe, deine Schönheit und dein Potential – und sie liebt es. Weil du dies alles so wenig erkennst, reagierst du gar nicht darauf und lässt es brachliegen. Also will die Liebe dir die Augen öffnen. Sie ist unduldsam mit der Ignoranz, der Furcht und dem Stolz, die alles verderben und treibt sie aus, wenn du es erlaubst und mit ihr an deiner Befreiung zusammenarbeitest. Sie zeichnet ein Bild von dir, welches deine kühnsten Vorstellungen übersteigt und dich im Kleid der Gnade und Gerechtigkeit Gottes in Christus zeigt. Du wirst staunen! Das Gericht der Liebe ist wahrlich sehr begehrenswert und wohl dem, der ihm nicht ausweicht, sondern umgekehrt danach verlangt. Hab nur Mut!“
Ich fasse mir also ein Herz und rolle das Pergament entschlossen ein Stück weiter auf und finde in großen und schnörkeligen Lettern die Überschrift:
Das Gericht der Liebe
Es folgt eine einführende Ode bzw. Besingung des Gerichts:
Wer leben will, der höre auf das Gericht der Liebe!
Die Liebe hat sich gesetzt auf den erhabenen Thron,ihre Augen sortieren Recht und Unrecht,flammend mit Eifer und Feuer,entschlossen, die Dornen und Disteln zu verbrennen,die das Feld verderben und unfruchtbar machen.
Die Liebe hat Geduld und wartet auf ihre Zeit,dass ein jeder Mensch sich selber richte,zur Besinnung kommt und sein Feld überprüfe.Wer die Zeit versäumt und die angebotene Hilfe ignoriert,wird sich selbst verantworten müssenam Tage des Gerichts.
Wie wundern sich die Menschen, dass es Liebe ist,die sie richtet – voller Wahrheit und Erbarmen.Wie haben so wenig von ihr verstanden,ihre Wege nicht erkannt!So haben sie ihr Menschsein verraten und verlorenauf dem Weg ohne Liebe.
Die Liebe sitzt auf dem erhabenen Thronund stellt das wahre Zeugnis aus.Wer gerichtet werden will, der kommt hierher,der stellt sich in ihr reines Lichtund wird verwandelt in ihr Bild,das Bild Gottes.
Wer klug ist, der komme und höre,was die Liebe ihm zu sagen hat!Wer töricht ist, der bleibe fernund verliere das wahre Urteil über sich,das ihn gerettet hättevon sich selbst zu sich selbst,von den Götzen zu Gott,vom Tode zum Leben,aus der Finsternis ins Licht.
Wer leben will, der höre auf das Gericht der Liebe!
Nach diesem Prolog ist mir klar, dass es sich bei diesem Gericht um keine Nebensächlichkeit handelt und keineswegs um etwas, was man nicht ernst zu nehmen bräuchte oder auf später verschiebt. Die Liebe will uns richten, das heißt, sie will uns richtigstellen, wo wir dem Irrtum geglaubt haben, und zurückrufen, wo wir vom Weg abgekommen und uns im Wald verirrt haben. Sie bringt uns zur Besinnung darüber, wer wir eigentlich sind und worum es in unserem Leben geht.
Ich bin jetzt doch gespannt, was die Schriftrolle der Liebe weiter zu diesem Thema offenbaren wird! Mein Zögern ist wie weggeblasen und ist einer belebenden Neugierde gewichen. Der Engel lächelt darüber und ermuntert mich, nur fortzufahren.
Was als Nächstes in der Schriftrolle erscheint, sind einzelne Grundsätze, die, Paragraphen gleich, aufgeführt sind und dann kommentiert werden. Der erste Grundsatz ist ein allseits bekanntes Wort und heißt:
Als ich diese Worte lese, wird mir sofort bewusst, dass ich stets meine, mich selbst zu kennen. Aber bei genauerem Hinsehen bastle ich eher unentwegt an einem Ideal von mir herum, welches in vieler Hinsicht gar nichts mit meiner Wirklichkeit zu tun hat, sondern mit der Erfüllung von Erwartungen: Erwartungen, die die Eltern hatten, die Schule, die Kirche, später die Firma, der Ehepartner, die Gesellschaft usw.
Mein Idealbild von mir nährt sich neben diesen Forderungen der zahlreichen Erwartungen anderer auch noch aus einem Sammelsurium von Eindrücken aus dem Fernsehen: der Werbung, zig Spielfilmen und vor allem bestimmten Serien. Meine Seele suchte dort nach Orientierung für mich als Mensch und Mann und Hinweise auf (m)eine Identität. Unbewusst benutzte ich eigentlich alle und alles um mich her als Spiegel, um darin zu sehen, wie und wer ich bin. Aber ich bekam immer nur ein Zerrbild zu sehen und ebenso verzerrt war mein Selbstbild. Dass die Liebe mir einen Spiegel vorhalten könnte, an so etwas hatte ich allerdings niemals gedacht.
Wo und wie kann ich mich selbst finden?, waren die Fragen der Jugend. Wer kann mir zuverlässige Auskunft über mich selbst geben?
In der Kirche bzw. Gemeinde schien es eine Zeit lang ganz so auszusehen, als hätte ich den „Spiegel der Wahrheit“ gefunden, bis ich dahinter kam, dass dort häufig und unbewusst genauso Rollen gespielt und Idealen nachgelaufen wurde, wie überall sonst auch, nur auf „fromm“, also in einer religiösen Art und Weise.
Da nimmt der Engel, mein treuer Begleiter, mich an der Hand und nimmt mich in einer Vision mit in einen prunkvollen, großen Saal in einem Schloss und ich weiß intuitiv, dies ist der Raum, in dem der Spiegel der Wahrheit exklusiv aufbewahrt ist. Ich erinnere mich daran, schon früher im Geist einige Male hier gewesen zu sein und in den Spiegel geschaut zu haben. Dieser Saal ist der Eingangsbereich des Schlosses. Ohne angemessene Selbsterkenntnis ist es nicht möglich, weiter in das Schloss hineinzugehen. Intuitiv weiß ich jedoch, dass ich eingeladen bin, über den Vorraum hinaus, in dem alles Verkehrte und Unechte abgelegt wird, tiefer in das Schloss hineinzugehen. Soll hier nicht eine Hochzeit stattfinden?
Jedes Mal, wenn ich hierhergekommen war, konnte ich in dem Spiegel zunächst gar nichts sehen. Dann ging ich ganz nah heran und berührte ihn, und da erst begann das Bild sich zu klären. Ein distanzierter Blick auf mich selbst war mir also verwehrt. Ich musste schon mit mir selbst in Kontakt bzw. Berührung kommen, um mich zu sehen.
„Du kannst dich nur erkennen, wenn du dich wirklich erkennen willst“, sagt der Engel zu mir. „Viele Menschen haben große Angst davor, sich zu erkennen, wie sie sind, aus Furcht, dass es ein negatives Bild sein könnte, das sie zu sehen bekommen. Darum muss es die Liebe sein, die ihnen den Spiegel der Selbsterkenntnis vor die Augen hält, dann ist es sicher genug und die Seele kann den Blick riskieren.“
Meine Frau Brigitte erzählte mir einmal, wie Gott zu ihr sprach, als sie mit 21 Jahren ihren Weg mit ihm begann:
Mein Kind, jetzt fängt der Weg mit mir an, dich zu genau dem Menschen zu machen, den ich gemeint und kreiert habe, als ich dich erschuf, bevor du durch irdische Prägungen und Verletzungen zu der Person wurdest, die du jetzt bist.Dieser Weg mit mir wird in Liebe sein, ganz zart, aber je nachdem auch hart. Willst du mir vertrauen, dass ich dich richtig führe, egal was auch kommt und wie du dich dabei fühlst?“
„Lass uns jetzt weiter in diesen Raum hineingehen mit der Bereitschaft, die Wahrheit zu sehen“, meint der Engel zu mir und wir gehen entschlossen tiefer in den Saal hinein. Einige andere Engel schieben einen großen Spiegel herein. Er ist größer als ich, wesentlich größer. Ich vermute, dass das so ist, weil ich in meinem Geist und in meiner Seele auch größer bin als mein Körper, wie ich in den Lektionen über den Körper in Band 1 bereits gelernt habe.
Der große persische Dichter Rumi hat einmal gesagt:
Es gibt nur eine wichtige Aufgabe, für die der Mensch auf die Welt kommt, nämlich den Spiegel seines Herzens zu polieren. Selbst wenn er sonst nichts zustande bringen sollte, hat er damit alles erreicht. Kümmert er sich jedoch um alles andere, nur nicht um diese Aufgabe, hat er alles verloren. Dann gliche er dem Boten, den der König mit einem besonderen Auftrag auf die Reise geschickt hat. Weil dieser hundert andere Dinge erledigte, nur seinen Auftrag nicht, war die ganze Reise vergebens. So ist auch der Mensch alleine für einen bestimmten Zweck in diese Welt geschickt worden. Erfüllt er ihn nicht, ist sein Leben vertan.1
Ich trete an den Spiegel heran und mein Begleitengel bleibt ein wenig hinter mir zurück. Hier geht es nicht um ihn, sondern um mich, aber er steht mir im Rücken, was mich sehr unterstützt.
Wie zuvor ist der Spiegel zunächst „blind“, dann aber zeichnen sich Konturen von Flammen in ihm ab. Die Flammen bilden eine Gestalt und ich weiß, dass ich diese Gestalt bin, aber ich sehe nur die Flammen. Sie bilden eine Silhouette aus Feuer. Ich stehe einen Moment wortlos und auch ein wenig ratlos vor dem Spiegel und staune über dieses unerwartete Bild. Ich brenne! Das Feuer „fließt“ um meine Gestalt her und bedeutet offenbar keinerlei Gefahr, sondern macht ganz im Gegenteil den Eindruck von „Herrlichkeit“.
Ich trete noch etwas näher an den Spiegel heran und lege vorsichtig meine ganze Hand auf die Fläche. Sogleich fließt das Feuer aus ihm heraus zu mir herüber. Meine Hand ist umspielt von diesem Feuer, das mich nicht verbrennt, sondern vielmehr ein Teil von mir ist … oder bin ich ein Teil von ihm?
Ich wende mich etwas zu dem Engel um und sage: „Ich brenne!“ Er antwortet lächelnd: „So ist es. Du brennst. Du bist brennend im Geist. Dein Geist ist eine heilige Flamme, die dein ganzes Wesen einhüllt in Feuer. Ist das nicht großartig?“
„Ich komme mir aber ehrlich gesagt meistens weder heilig noch großartig, noch brennend vor, sondern, genau anders herum, verkehrt und kraftlos.“
„Du kommst dir so vor, ja, aber du bist es nicht“, erwidert der Engel. „Dies ist ja die schwere Lektion für die Menschen, dass sie erkennen müssen, dass sie anders sind, als sie sich vorkommen! Gefühle sind keine verlässliche Quelle der Selbsterkenntnis und können die Selbstwahrnehmung sehr verzerren.“
Ich wende mich wieder dem Spiegel und meiner Hand zu, die noch immer auf der Glasfläche liegt. Jetzt sehe ich im Spiegel meinen Arm und langsam immer mehr Stücke von mir selbst erscheinen – im Feuer. Warum zeigt die Liebe mir wohl gerade dieses Bild von mir selbst? Ich sehe mich in dem Feuer wandeln und meine ganz alltäglichen Tätigkeiten verrichten. So zeigt es mir der Spiegel wie in einem Film.