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Blutelf Valentin ist alles andere als glücklich über seine Rolle als Kronprinz. Trotz seiner kriegerischen Ader kann er sich nicht vorstellen, König zu sein. Nach einem Streit mit Vater Falgot flieht er in die Menschenwelt und trifft dort auf Verena, die nach einem tragischen Schicksalsschlag alleine im Wald lebt. Der attraktive Elf bringt ihr Blut in Wallung und sie folgt ihm ins Elfenreich. Doch Falgot ist alles andere als erfreut, denn er fürchtet und verabscheut alle Menschen. Im Hirn des Blutelfenherrschers reift ein teuflischer Plan …
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Asmodina Tear
Im Bann der Blutelfen
Band 1
Valentins Schicksal
Ein Fantasy-Roman
Neuausgabe
Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv
Cover: © by Steve Mayer, mit einem Motiv von Steve Mayer by NightCafe (KI), 2024
Dieser Roman erschien ursprünglich unter dem Titel »King – Kampf der Blutelfen, Band 1«.
Korrektorat: Antje Ippensen
Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang
Die Handlungen dieser Geschichte ist frei erfunden sowie die Namen der Protagonisten und Firmen. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig und nicht gewollt.
Alle Rechte vorbehalten
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Inhaltsverzeichnis
Impressum
Das Buch
Im Bann der Blutelfen, Band 1
Valentins Schicksal
Prolog
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
Epilog
Blutelf Valentin ist alles andere als glücklich über seine Rolle als Kronprinz. Trotz seiner kriegerischen Ader kann er sich nicht vorstellen, König zu sein. Nach einem Streit mit Vater Falgot flieht er in die Menschenwelt und trifft dort auf Verena, die nach einem tragischen Schicksalsschlag alleine im Wald lebt. Der attraktive Elf bringt ihr Blut in Wallung und sie folgt ihm ins Elfenreich. Doch Falgot ist alles andere als erfreut, denn er fürchtet und verabscheut alle Menschen. Im Hirn des Blutelfenherrschers reift ein teuflischer Plan …
***
Asmodina Tear
Erbarmungslos prasselte der Regen hernieder, verwandelte Wald und Flur in eine regelrechte Moorlandschaft, obwohl dies für die Gegend nicht typisch war. Sie stand am Fenster des Gebäudes, das sie seit mehreren Monaten ihr Zuhause nannte. Viele hatten ihre Entscheidung belächelt und sie hinter vorgehaltener Hand als verrückt bezeichnet. Eventuell hätten sie ihr auch gerne den Besuch eines Psychiaters oder eine Langzeittherapie empfohlen, aber die Regeln der Höflichkeit untersagten es. Zumal niemand in der tiefen Trauer herumrühren wollte.
Über Trauer spricht man nicht, immer wieder dachte sie an jenen verabscheuungswürdigen Satz, der gesellschaftlich akzeptiert und als normal angesehen wurde.
Rückblickend gesehen war er ihr zum Verhängnis geworden. Natürlich hätte ein Gespräch ihre Schuld weder tilgen noch ihn zurückbringen können, aber vielleicht hätte es die unerträgliche Bürde ein wenig leichter gemacht. Vielleicht …
Ihre Hand legte sich an den Fensterrahmen, während der Regen sich mit ihren Tränen vermischte. Salzwasser. Es war etwas Natürliches und sagte dennoch mehr, als manche glauben wollten. Gleichzeitig tröstete das leise Rauschen ihre Seele. Denn hier in der Stille des Waldes kamen jene furchterregenden Bilder seltener an die Oberfläche. Und wenn überhaupt, dann nur in Form von Albträumen.
Sie seufzte und wie von selbst wanderte ihr Kopf in Richtung Boden. Diese gebückte Haltung gehörte seit dem tragischen Tag zu ihr und sie glaubte nicht, dass es sich noch einmal ändern würde. Es war ihre Strafe, eine persönliche Buße, die sie ihr Leben lang würde tragen müssen. Für eine dumme Unachtsamkeit, die, gemäß vieler Meinungen, jedem hätte passieren können.
Ein schwacher Trost, denn es war nicht jedem passiert, sondern ihr und seit diesem Tag war nichts mehr so wie vorher.
Ohne eine Regung stand er an der Klippe und blickte zum Himmel empor. In dieser Nacht leuchteten die Sterne besonders schön und vermittelten ihm das Gefühl von Geborgenheit. Schon oft hatte er sich während seiner jahrhundertelangen Existenz gefragt, ob sie wohl sprechen oder anderweitig kommunizieren konnten.
Gedanken, die er vorsorglich niemandem anvertraute. Nicht der daraus resultierende Spott war es, welcher ihn zu dieser Entscheidung bewog, sondern der stetig wachsende Druck seitens des Vaters. Jener wollte seinen Charakter formen und schreckte dabei selbst vor Ohrfeigen oder ähnlichen Bestrafungen nicht zurück.
Das war früher anders. In Kindertagen hatte er mit seinem Bruder auf diesen Wiesen sorglos spielen können. Sie hatten durch die Wälder getobt, dabei ihre Mysterien erkundet und den Umgang mit Schwert und Bogen erlernt. Doch mit zunehmendem Alter, sofern es für sein Volk überhaupt existierte, musste er, so glaubte sein Vater, intensiver auf seine Rolle als Thronfolger vorbereitet werden. Die Folge war ein strenger Tagesablauf, der kaum Zeit für Mußestunden ließ.
Jedoch war das nicht das einzige Problem. Im Laufe weniger Monate kristallisierte sich immer mehr heraus, dass er anders war. Warum, konnte niemand mit Bestimmtheit sagen. Rein äußerlich entsprach er dem Schönheitsideal seines Volkes, aber irgendetwas anderes fehlte.
Nach einigen Stunden des Grübelns und einem stillen Zwiegespräch wusste er um seinen Makel. Die Gefühlskälte, seit Jahrtausenden ein Merkmal seines Volkes, fehlte ihm beinahe völlig. Er besaß Mitgefühl und tat stets sein Bestes, sich in andere Kreaturen hineinzuversetzen und ihre Sicht der Dinge zu verstehen. In den Augen des Vaters eine Schande und willkommener Anlass, den Druck auf seinen Sohn noch einmal zu erhöhen. Heimlich wurde sogar über Zweifel an seiner Herkunft getuschelt.
Bestrafungen und Streitereien waren die Konsequenz, auch weil er nicht im Traum daran dachte, sein Wesen dermaßen zu verändern. Schon bei der Vorstellung sträubte sich alles in ihm. Außerdem hatten ein paar Kriege und kleine Kämpfe in der Vergangenheit gezeigt, dass die väterliche Methode nicht unbedingt die Beste war.
Seine dunklen Augen funkelten melancholisch und er strich sich über die fast taillenlangen Haare. Wie alle Angehörigen seines Volkes war es weiß, wie frisch gefallener Schnee, hatte jedoch aufgrund seiner Trauer und des inneren Zwiespalts eine schwarze Note bekommen. Er konnte sich nicht daran erinnern, was er alles versucht hatte, um den Ansprüchen seines Vaters zu begnügen. Ohne Erfolg. Einzig sein Blut verband ihn mit dem Thron, doch er würde sich damit abfinden müssen, ein schwacher Herrscher zu sein.
»Nein, Vater, begreifst du es nicht? Die fremde Familie einfach anzugreifen, wäre falsch. Wir sind zwar sehr stark und unsere Krieger verfügen über herausragende Fähigkeiten, trotzdem ist es nicht unmöglich, dass sie entweder noch stärker ist oder über eine Geheimwaffe verfügt. Ich schlage vor, dass wir zuerst den diplomatischen Weg über Gespräche gehen, ehe wir ein derartiges Unterfangen starten.«
Valentins Stimme senkte sich bei den letzten Worten und er hoffte, dass sie ihre Wirkung nicht verfehlen würden, obwohl die Wahrscheinlichkeit gering war. Einige Sekunden lang herrschte Stille, nur das Atmen der zahlreichen Gäste war zu hören. Eigentlich sollte dies ein Fest zum Vergnügen werden, doch wie üblich hatte sein Vater sich mit seinen kriegerischen Taten und Plänen nicht zurückhalten können. Und somit die ganze Stimmung ruiniert. Das Schlimmste war, so glaubte Valentin, dass jeder ihm zuhören musste. Sei es, weil man gefesselt war oder weil man es sich mit dem König des Reiches nicht verscherzen wollte.
Ihn persönlich nervten diese Angebereien, da Falgots Ausführungen mit großer Wahrscheinlichkeit sehr überzogen waren. Niemand bezweifelte, dass er in seiner langen Zeit als Herrscher große Taten vollbracht und das Reich mehr als einmal beschützt hatte. Doch manchmal mussteman eben andere Wege gehen.
»Mein lieber Sohn …« Der Tonfall des Blutelfen glich einem Schwert. »Noch sitzt du nicht auf dem Thorn, sondern ich. Außerdem kann ich dir garantieren, dass du mit deiner Weichheit nicht lange König sein wirst. Der Krieg mit seiner Wildheit und dem kochenden Blut gehört zu unserem Volk und begleitet uns seit dem Tag unserer Geburt. Bei dir scheint er jedoch kaum zu existieren. Manchmal frage ich mich, ob du überhaupt von meinem Blut und nicht irgendein Wechselbalg bist, mit dem deine Mutter mich vor ihrem Ableben betrogen hat.«
Der letzte Satz traf Valentin mitten ins Herz und er ballte die Hände zu Fäusten. Seine eigentlich weißen Haare färbten sich wie auf ein stilles Zeichen hin gelb, während die seines Vaters in einem aggressiven Rot schillerten. Auch das gehörte zu den Eigenschaften des Blutelfenvolkes. Die Haare zeigten ihre seelische Stimmung an, indem sie sich farblich anpassten. Nur hatte im Laufe der Zeit kaum ein Angehöriger eines anderen Volkes das Rätsel der Färbungen entschlüsselt. Stattdessen erfanden sie lieber Mythen und Legenden, von denen eine absurder als die andere war.
»Sprich nicht so über Mutter«, zischte er gefährlich leise. »Im Gegensatz zu dir war sie eine verständnisvolle und treue Seele, wie es sie zwischen den Sternen kein zweites Mal gab. Wie sie ihr Herz an dich verlieren konnte, verstehe ich bis heute nicht.«
Anstatt etwas zu erwidern, grinste der König nur schelmisch und verharrte in der Erwartung, dass Valentin die Beherrschung verlieren und sich auf ihn stürzen würde. Dass er sich und ihn dabei vor allen Gästen blamierte, war ihm egal. Sie würden es nicht wagen, Partei zu ergreifen oder sich gar einzumischen. Zwar waren alle Blutelfen oft wild und unbezähmbar, aber es mangelte ihnen nicht an Respekt.
Doch Valentin reagierte anders. Seine dunklen Augen funkelten zornig und jeder einzelne Muskel vibrierte unruhig. Doch anstatt sich auf Falgot zu stürzen, fegte er mit einer schnellen Bewegung einige Teller und Gläser vom Tisch und wandte sich anschließend, ohne jemandem in die Augen zu schauen, ab. Mit eleganten und gleichzeitig schnellen Schritten verließ Valentin den Saal. Die belustigten, entsetzten Laute der anderen Gäste sowie das eilige Bemühen der Diener zauberte ihm ein spöttisches Lächeln aufs Gesicht.
Die Tür fiel laut ins Schloss, als der Elfenprinz sein Zimmer betrat und sich auf das große Bett fallen ließ. Langsam verrauchte die Wut auf seinen Vater und machte einer Bitterkeit Platz, die schon seit einiger Zeit unterdrückt in seinem Herzen schlummerte. Sie erwachte nicht am Sterbetag seiner Mutter zum Leben, sondern einige Monate später.
»Valentin!« Die strenge Stimme seines Vaters ließ ihn zusammenzucken, obwohl sie während der letzten Zeit zur Gewohnheit geworden war.
Seitdem seine Mutter aufgrund einer seltsamen, unheilbaren Krankheit ins Mondlicht gegangen war, hatte das, was er seit achtzehn Mondläufen sein Zuhause nannte, sich sehr verändert. Zwar war der Vater seit seiner Kindheit eher der strenge, raue Part gewesen, während seine Mutter die liebevolle, sanfte Seele gewesen war.
Von jenem Moment an, als sie den toten Körper feierlich den Flammen übergeben hatten, war eine große Trauer über den Königshof gefallen, der sich niemand entziehen konnte. Es wurde weniger gelacht und sich oft nur im Flüsterton unterhalten. Die Streitereien unter den Adligen und Dienern häuften und steigerten sich teilweise dermaßen, dass die Gerichtsbarkeit schlichtend eingreifen musste. So etwas war früher noch nie passiert. Zumindest konnte er sich nicht erinnern.
Auch die Bande innerhalb der Familie waren anders geworden. Valentin hatte keine Ahnung, wie er diesen Zustand beschreiben sollte. Eine unbeschreibliche Kälte, die sich in jedem Wort, in jeder Geste niederschlug. Ebenso schien jene sonderbar gefühlsarm geworden zu sein. Falgot war zwar noch nie großartig zum Scherzen aufgelegt gewesen, doch seit diesem Vorfall redete der König selten einen vollständigen Satz mit Valentin oder dessen jüngerem Bruder Milad. Und wenn doch, brüllte er sie an oder kritisierte irgendwelche Sachen, die sie getan hatten. Dabei handelte es sich um Lappalien.
Immer wieder hatte der Ältere Milad beschützen müssen. Vor allem, da dieser von kriegerischen Idealen weit entfernt war. Er bevorzugte es, sich in die geistige Welt aus Büchern, Kunst und Musik zurückzuziehen, was an sich kein Problem darstellte. Nur aus Falgots Sicht war es eine Unart.
Der junge Elf schluckte und zwang sich, seinem Vater in die Augen zu blicken. Sein Herz klopfte bis zum Halse und obwohl sein Gegenüber keinen Kommentar abgab, wusste er, dass seine Haare von pinkfarbenen Strähnen durchzogen waren. Ein Zeichen großer Verlegenheit. Falgots hingegen waren, wie die meiste Zeit, rot.
»Es ist so weit, du wirst erwachsen.« In seiner Stimme lag deutliches Missfallen. »Das heißt, dass du jetzt mit dem heutigen Tag offiziell mein Thronfolger wirst und eine große Verantwortung hast. Deswegen ist es an der Zeit …« Er grinste höhnisch. »… diesen Kinderkram zu beenden und auch den Kontakt zu deinem Bruder wirst du einschränken.«
»Das werde ich nicht«, wehrte Valentin sich trotzig und verschränkte die Arme vor der Brust. »Milad ist nicht wie du oder ich und außerdem hat Mutters Tod ihm sehr zugesetzt.«
Das stimmte. Früher hatte der nur fünf Minuten jüngere Elf sich lediglich gerne in geistige Welten begeben, in letzter Zeit jedoch glich diese Leidenschaft immer mehr einem Rückzug. Außerdem war Valentin aufgefallen, dass Milad noch weniger sprach, als er es zuvor getan hatte.
»Was glaubst du, wie gleichgültig mir das ist?«, erwiderte Falgot zynisch und packte seinen Sohn an der Schulter, sodass dieser schmerzlich das Gesicht verzog. »Du bist mein Sohn und zukünftiger Herrscher dieses Reiches. Dabei ist es deine Aufgabe, seine Macht um jeden Preis zu erhalten. Und das geht nur mit unerbittlicher Härte, kriegerischer Feinfühligkeit sowie Skrupellosigkeit. Für Gefühlsduseleien und Gespräche ist da kein Platz.«
Valentin presste die Lippen aufeinander und schwieg. Diese Äußerung passte haargenau zu seinem Vater. Seit er denken konnte, war dieser rau, unbarmherzig und teilweise aggressiv gewesen. Stets wählte er den Weg des Kampfes, ob es sinnvoll war oder nicht. Leider hatte sein Streben bisher Erfolg gezeigt, das Königreich der Blutelfen lebte seit Jahren in Frieden. Selbst Plündereien oder andere Binnen-Probleme waren selten. Doch Valentin ahnte, dass dieser Zustand ein Trugbild war. Auch wenn er Milad in seinem Wissensdurst nicht das Wasser reichen konnte und lieber durch die Wälder streifte, anstatt sich in ein Buch zu vertiefen.
Trotzdem wusste er durch die Geschichte seines Volkes sowie durch einige Erzählungen seines Bruders, dass ein solcher Friede, wie Falgot ihn hielt, irgendwann zerbrach. Kein Volk, keine Gruppierung jeglicher Art ließ sich auf Dauer durch aus ihrer Sicht falsche Entscheidungen unterdrücken. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie sich zusammentun und das Königreich der Blutelfen stürzen würden. Und ob ihre großartige Armee ausreichte, um ein derartiges Bündnis zu zerschlagen, bezweifelte Valentin stark. Es gab also nur eine Möglichkeit: diplomatische Gespräche und Kompromisse.
Doch kein Wort verließ seinen Mund. Denn er wusste um die Sinnlosigkeit. Also fügte Valentin sich in sein Schicksal und tat augenscheinlich alles, um den Erwartungen des Vaters gerecht zu werden. Was ihm jedoch mehr schlecht als recht gelang. Im Gegenteil, die Strafen für sein Scheitern wurden mit jedem Mal strenger und reichten von Stockschlägen bis hin zu Aufenthalten im Kerker.
Trost fand er nur bei seinem Bruder, den er heimlich oder durch geplante Zufälle immer wieder traf. Lange Zeit war er der einzige Eingeweihte, wenn es um Valentins Andersartigkeit ging.
»Wenn Vater das herausfindet, wird ihm jedes Mittel recht sein, dich zu formen«, hatte Milad mit einem deutlichen Zittern in der Stimme vermutet und Valentin musste ihm zustimmen.
Wenn sein Vater herausfand, dass er für einen Blutelfen überdurchschnittliche Gefühle besaß, wäre es ein großes Glück, wenn ihm die Züchtigungsmaßnahmen sein Leben ließen. Andererseits war Milad aus Falgots Sicht noch weniger für die Thronfolge geeignet als sein Bruder.
Kurze Zeit später jedoch kam das Geheimnis durch einen dummen Zufall ans Licht. Valentin verfluchte sich bis heute dafür, dass er sich mit den Bauern unterhalten hatte, anstatt ihnen auf der Stelle seine Forderungen zu nennen. Niemals würde er den hasserfüllten Blick seines Vaters vergessen, als dieser die Peitsche auf ihn niedersausen ließ.
»Valentin?« Der Frage folgte ein zaghaftes Klopfen an der Tür.
Dennoch fuhr der Angesprochene unwillkürlich zusammen. Wer mochte das sein? Sein Vater? Er würde niemals anklopfen, so viel Höflichkeit besaß er nicht. Ein Diener, der ihn eine Nachricht überbringen wollte? Aber dann würde dieser ihn mit ›Königliche Hoheit‹ ansprechen. Einer der Gäste, welcher sich nach seinem Befinden erkundigen wollte? Dies schien noch die beste Option, wobei er sich hüten würde, ihnen sein Herz auszuschütten. So ein Wissen konnte man sehr leicht gegen ihn verwenden.
Valentin erhob sich, straffte die Schultern und bat den Besucher so würdevoll wie möglich, einzutreten. Dabei hoffte er inständig, dass seine Haarfarbe sich wieder halbwegs normalisiert hatte. Für den Bruchteil einer Sekunde entglitten ihm die Gesichtszüge, als der Gast sich als Milad herausstellte.
Auch er wirkte angeschlagen und war augenscheinlich nicht dazu gekommen, seine Festtagskleidung abzulegen. Die tiefblaue Seide lastete schwer auf seinen Schultern, da er selbst für einen Elfen sehr schmächtig gebaut war. Aber unter dieser zerbrechlichen Oberfläche wohnte ein wacher Geist mit hoher Intelligenz, den man nicht unterschätzen sollte. Warum Falgot ihn dermaßen verkannte, hatte Valentin nie nachvollziehen können. Achtlos warf er seine Samtjacke auf das Bett und schloss Milad in die Arme, was dieser stürmisch erwiderte. Es schien ihnen, als ob sie sich lange nicht gesehen hatten, was in einer gewissen Art die Wahrheit war. Nach einigen Minuten lösten sie sich voneinander.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte Milad und ein Hauch von Sorge lag in seinem Blick.
Überrascht hob Valentin die Brauen. »Ja, natürlich. Wieso denn nicht? An solche Auseinandersetzungen mit Vater sind wir doch mittlerweile gewöhnt, obwohl sie jedes Mal lächerlicher werden.«
Sein Mund verzog sich zu einem traurigen Grinsen, das Milad erwiderte.
»Es war das erste Mal, dass dabei Gegenstände zu Bruch gegangen sind«, bemerkte der Jüngere anerkennend. »Ansonsten bist du die Ruhe in Person, was Vater regelmäßig zur Weißglut treibt. Aber heute – ich glaube, er hätte nichts dagegen gehabt, wenn du ihn an Ort und Stelle zum Zweikampf herausgefordert hättest.«
Valentin schlug sich gegen die Stirn. Ein derartiges Verhalten war weder klug, noch entsprach es seinem Stil. Jenes bewies, dass Falgot hinter seiner Fassade ein schwacher Charakter war … wahrscheinlich noch mehr als sein Bruder.
»Was ist passiert, nachdem ich den Saal verlassen habe?«, erkundigte er sich und schritt an das große Fenster heran.
Der wundervolle Ausblick in Richtung der eisblau schillernden Berge sowie das kaum hörbare Plätschern des Sees beruhigten seine angespannten Nerven. Milad zögerte mit der Antwort und seine Miene veränderte sich. Er konnte schwer ein Kichern unterdrücken.
»Eigentlich ist es schade, dass du verschwunden bist. Das danach war beinahe ebenso aufregend wie die Szene zwischen Vater und dir.«
Interessiert wandte Valentin sich um und seine Haare leuchteten in einem dunklen Violett, das dem des vollen Mondes glich.
»Falgot nahm nur langsam die Hand vom Schwertgriff, sodass alle sehen konnten, was er vorgehabt hatte. Aufgeregtes Getuschel kam auf und ich glaube, nur sein Status als König hat unsere Gäste davon abgehalten, ihn zu kritisieren oder zu berühren. Immerhin hatte er die Absicht, sich vor aller Augen mit seinem eigenen Sohn und Thronfolger zu schlagen. Aufgrund einer Provokation, die er ausgesprochen hatte.«
Er holte tief Luft. »Als Falgot merkte, dass ihm die Situation entglitt, begann er am ganzen Körper zu zittern und alle Farbe wich aus seinem Gesicht. Seine Haarpracht war noch viel röter als sonst. Doch anstatt sich zu erklären, rief er nur nach unseren Dienern und befahl ihnen, das Chaos wegzuräumen, was sogleich geschah. Noch während des ganzen Trubels stapfte er ebenfalls aus dem Saal. Wohin er ging, weiß ich nicht.«
Zum Glück kam er nicht zu mir, dachte Valentin und unterdrückte ein Schaudern.
Wenigstens so viel Verstand schien Falgot geblieben zu sein. Schon öfter hatte er die Vermutung, dass der tragische Tod der Mutter etwas in seinem Verstand zerstört hatte. Erneut schloss er seinen Bruder in die Arme und spürte zum ersten Mal seit einiger Zeit Geborgenheit. Er atmete tief durch und drückte seine Stirn gegen Milads. Eine Geste, die sie seit ihrer Kindheit miteinander austauschten.
»Ich möchte hier raus«, sagte er fest, nachdem der sanfte Moment vorüber war.
»Das kann ich gut verstehen«, erwiderte Milad und strich seinem Bruder über den Rücken. »Aber wohin willst du gehen? Vater wird sehr wütend sein und dir danach einen Suchtrupp hinterherschicken. Außerdem wäre es nur eine Frage der Zeit, bis er dich findet. Durch die Zauberbecken kann er unser sowie die umliegenden Reiche beobachten.«
»Ich habe doch nicht vor, für immer zu gehen«, meinte Valentin belustigt und gab Milad einen liebevollen Schlag gegen die Schulter. »Glaubst du, ich würde dich hier alleine zurücklassen?«
Der Angesprochene lächelte über seine Aussage. Einen Moment lang hatte er tatsächlich befürchtet …
»Aber das wird in Vaters Augen keinen Unterschied machen«, gab er zu bedenken. »Gerade nach eurem Streit wird er denken, dass du dich der verdienten Strafe entziehen möchtest.«
Valentin lachte auf. »Dabei kann er mich schon lange nicht mehr schrecken. Natürlich tun die Schläge jedes Mal höllisch weh, doch mein Geist hat sich längst abgewendet. Trotzdem habe ich momentan keine Lust, ihm unter die Augen zu treten. Das ewige Geprahle nervt.«
Milad nickte und schaute zur Decke, während Valentin unruhig im Zimmer hin und her ging. Die Brüder überlegten.
»Ich weiß etwas: Du gehst in die Menschenwelt«, schlug Milad vor und zum ersten Mal seit er Valentins Gemächer betreten hatte, strahlten seine Augen. »Du weißt, wie Vater diese Spezies hasst. Einzig und allein im Falle einer Bedrohung würde er einen Fuß in diese Welt setzen.«
»Du hast recht«, freute Valentin sich ebenfalls. »Ja, genau dorthin werde ich gehen.«
Seine Mundwinkel hoben sich und die Faust ballte sich siegessicher. Zwar hatte er Falgots Abneigung den Menschen gegenüber nie ganz nachvollziehen können, zumal dieser sich hartnäckig weigerte, darüber zu sprechen. Aber in diesem Fall war es das Beste, was ihm passieren konnte.
»Komm!« Milads schmale Finger legten sich um den Türknopf. »Wir müssen uns beeilen. Die Nacht ist bald vorüber und Zeugen können wir bei der Öffnung des Portals nicht gebrauchen.«
Valentin nickte hastig und beide eilten davon. Die mit farbigem Samt oder auch Seide behängten Gänge schienen ihnen diesmal sehr lang und die Zeit arbeitete gegen sie. Erst im großräumigen, aufwendig gestalteten Schlossgarten wagten sie, ein wenig Luft zu holen. Der Duft von Lotus und Gardenia breitete sich wohltuend aus und beruhigte den Herzschlag. Valentin schmunzelte, als er Milad dabei zusah, wie dieser versonnen über die sensiblen Blütenblätter strich und dem kaum hörbaren Lied der Nachtigall lauschte. Milad war ein Träumer, schon seit seiner Geburt, und aus diesem Grund hasste sein Vater ihn.
Mit einem dezenten Räuspern holte er ihn in die Wirklichkeit zurück und stellte sich in die Mitte des Gartens, der mit einem pastellfarbenen Mosaik ausgelegt war. Dies zeigte die Form eines gewaltigen Himmelskörpers, hinter dem die meisten eine Fiktion vermuteten. Valentin und Milad wussten jedoch, dass es sich um ein Portal zwischen den Welten handelte. Eines der wenigen, die noch existierten.
Valentin warf Milad einen vielsagenden Blick zu und nickte. Dieser verstand und hob gebietend die Arme, während er gleichzeitig seinen Blick zum Boden senkte. Nicht zu laut, aber dennoch verständlich murmelte er einige Worte in einer alten Sprache, die kaum jemand noch kannte. Erneut musste Valentin lächeln, es war die Sprache der Magier, seit dem Anbeginn der Zeiten wurde sie genutzt und gepflegt.
Der Boden unter seinen Füßen wurde durch ein merkliches Beben erschüttert und Valentin spannte seine Muskeln an. Es würde nicht mehr lange dauern, bis das Portal sich öffnete. Er wusste, dass die Eingangstore in der Menschenwelt in sehr alten Baumstämmen verborgen lagen, aber wo genau er herauskommen würde, wusste er nicht. Diese Entscheidung oblag dem Schicksal.
Dicke Schweißperlen rannen über seine Schläfen, als die Struktur des Mosaiks sich regelrecht auflöste und zu einem hellen Strudel wurde. Dort musste er hineintreten, um zu den Menschen zu gelangen. Valentin warf einen letzten Blick auf Milad, der ihm mit einer flüchtigen Kopfbewegung Mut zusprach und leicht lächelte. Nur die rötliche Färbung seiner Haare verriet die Aufregung und Valentin erging es nicht anders. Dennoch trat er mutig hinein und wurde innerhalb weniger Sekunden verschluckt.
Schweißgebadet erwachte sie und setzte sich im Bett auf. Nahezu jeder Zentimeter ihres Körpers mit den angenehmen Rundungen war schweißnass und sorgte dafür, dass das dünne Nachthemd unerträglich an ihrem Rücken klebte.
Langsam berührte sie ihre Stirn und stieß die Luft aus. Die Temperatur war normal, dennoch tobte dahinter ein heftiger Schwindel. Obwohl sie ihn schon länger kannte und sich eigentlich daran gewöhnt haben sollte, war es jedes Mal unangenehm. Denn es konnte nur eines bedeuten; heute war jener wöchentliche Tag, an dem sie wieder einmal dieser Albtraum plagte.
Immer noch besser als jede Nacht.
Mit diesem tröstenden Gedanken schwang Verena ihre Beine herum und versuchte aufzustehen, was sich jedoch als schwierig erwies. Erst einige Minuten später erlangte sie ihr Gleichgewicht und spazierte in Richtung Küche. Die Holzdielen knarrten und auch wenn Verena alle Mühe hatte nicht zu stolpern, war sie froh über den vertrauten Klang. Denn der zeigte ihr, dass ihr Geist sich noch in der Realität befand und sich nicht in dem grausigen Traum verloren hatte.
In der kleinen Küche angekommen, ließ sie sich auf den nächstbesten Stuhl fallen, obwohl ihre trockene Kehle nach einem Glas Wasser verlangte und ein Blick zur Arbeitsfläche ihr verriet, dass noch ein wenig Wasser übriggeblieben war. Sie würde also nicht noch einmal zum Fluss müssen. Ein erleichtertes Lächeln umspielte ihre Mundwinkel, dennoch ließ Verena sich noch ein paar Wimpernschläge Zeit. Nach und nach wurden die grausamen Bilder in ihrem Kopf blasser und lösten sich schließlich ganz auf. Zumindest vorerst. Gleichzeitig normalisierte sich ihr Herzschlag, lediglich der pochende Kopfschmerz blieb.
Endlich. Verena stützte sich an ihrem hölzernen Esstisch ab und erhob sich. Einige Augenblicke später kehrte sie mit einem Glas Wasser zurück und trank es in einem Zug leer. Das tat gut. Ein flüchtiger Blick durch die dünnen Vorhänge verriet ihr, dass der Morgen bereits dämmerte. Es war also doch später, als sie gedacht hatte. Trotzdem war an Frühstück noch nicht zu denken, obwohl sie erst gestern frisches Brot gebacken hatte. Bereits der Gedanke an den duftenden Laib ließ ihren Magen mit Übelkeit protestieren. Reflexartig hielt sie die Hände vor den Mund.
So war es immer an jenem Tag, wenn der Albtraum sie heimsuchte. Tränen brannten hinter Verenas Augen, und sie zwang sich, diese zurückzuhalten. In den vergangenen Monaten hatte sie so viel geweint, dass es für zwei Leben reichte, und dieser Umstand hatte sie dazu bewogen, ihr altes Umfeld hinter sich zu lassen und hier in der Abgeschiedenheit des Waldes zur Ruhe zu kommen. An einen Neuanfang inmitten der Gesellschaft war noch nicht zu denken, doch Verena gab die Hoffnung nicht auf. Zwar hatte ihr Wunsch, dass mit dem Umzug auch die Albträume verschwinden würden, sich nicht ganz erfüllt, doch sie waren seltener geworden. Ein guter Anfang, oder nicht?
Sie seufzte und stützte den Kopf auf. An manchen Tagen war ein kleiner Teil von ihr übermächtig und wollte ihr einreden, dass alles keinen Sinn mehr hätte und es besser gewesen wäre, wenn sie in jener verhängnisvollen Nacht ebenfalls gestorben wäre. Bevor Verena es verhindern konnte, schluchzte sie auf, doch die erwartete Tränenflut blieb diesmal aus. Stattdessen begann ihr Körper wie Espenlaub zu zittern und machte jede weitere Bewegung unmöglich. So sehr sie sich auch dagegen sträubte, die Schatten der Albträume erwachten zum Leben und formten eine grauenhafte Szenerie.
An jenem Tag war es neblig gewesen, glich ihrer Stimmung. Gedankenverloren hatte Verena aus dem Beifahrerfenster gestarrt, obwohl sie außer undeutlichen Schemen nicht viel erkennen konnte. Alles wirkte düster, bedrohlich und hatte sehr viel Ähnlichkeit mit ihrem Inneren. Kaum merkbar stieß sie die Luft aus und blickte in Richtung des Fahrersitzes. Dort saß ihr Ehemann Christian und konzentrierte sich geradezu verbissen auf die Straße. Dabei umklammerten seine kräftigen Hände das Lenkrad so sehr, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten.
Zwar war er schon immer ein gewissenhafter Fahrer gewesen, aber diese verkrampfte Haltung passte nicht zu ihm. Und Verena wusste nur zu gut, woran es lag. Ihre Lippen pressten sich zusammen, während ihr Herzschlag schneller wurde. Sie hatten sich wieder einmal gestritten. Dies geschah in letzter Zeit öfter, sehr zu Verenas Leidwesen. Sie spürte, wie ihre Augen feucht wurden, und ihr Hals schnürte sich zusammen. Es ging immer um das gleiche Thema: Sie wollte unbedingt ein Kind, eher sogar mehr als eines. Christian hingegen stand diesem Wunsch skeptisch gegenüber und wollte sich lieber auf seine Karriere fokussieren. Schließlich sorgte diese dafür, dass sie beide gut versorgt waren und sich um nichts Sorgen zu machen brauchten.
Eine Ansicht, die Verena oft eher traurig, andererseits wütend machte. Natürlich war Geld wichtig, schließlich brauchte man es zum Leben. Doch warum sollte es nicht möglich sein, Karriere und Familie miteinander zu verbinden? Millionen anderer Männer auf der Welt gelang es schließlich auch, angefangen beim Amazon-Gründer bis hin zum einfachen Bauarbeiter. Nur Christian wollte es nicht. Doch anstatt dies offen zu sagen, flüchtete er sich in irgendwelche Ausreden, die von Mal zu Mal lächerlicher klangen Er fühle sich noch nicht reif … oder es sei nicht der richtige Zeitpunkt und vieles andere mehr. So hatte Verena auch keine Chance, seine Zweifel zu zerstreuen, was sie noch frustrierter werden ließ.
Am Anfang dieses Fiaskos hatte sie regelrechte Angst gehabt, Christian liebe sie nicht und hätte schon längst eine andere.