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Cheyennes Leben besteht fast nur aus Arbeit. Und aus ihren – meist vergeblichen – Versuchen, Abstand zu gewinnen von ihren verständnislosen, dünkelhaften Eltern. Doch da sind auch noch ihre seltsamen, höchst lebendigen Albträume, in denen ein geheimnisvolles Wesen ihr Furcht einflößt, aber gleichzeitig eine magische Anziehungskraft ausübt. Als Cheyennes Chef sie für einen besonderen Auftrag nach Finnland schickt, nimmt sie mit gemischten Gefühlen an. Ihr Vater hat sie vor diesem Land gewarnt.
Schon bald gerät sie dort in tödliche Gefahr, denn Jorma, der gefallene Engel, hat eine Aufgabe zu erfüllen: Sein Meister will eine uralte Blutschuld endlich beglichen wissen. Allerdings hadert Jorma mit seinem Auftrag, da er Gefühle für Cheyenne entwickelt – und sie für ihn – und es dauert nicht lange, bis die beiden Liebenden sich nach einer Zeit der Flucht dem Teufel selbst stellen müssen.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Asmodina Tear
Schattenreich
Die Schwingen des Todes
Dark-Romance
Neuausgabe
Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv
Cover: © by Steve Mayer, mit einem Motiv von Steve Mayer by eedebee (KI), 2025
Korrektorat: Antje Ippensen
Dieser Roman erschien ursprünglich unter dem Titel »Dark Angel«
Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang
Die Handlungen dieser Geschichte ist frei erfunden sowie die Namen der Protagonisten und Firmen. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig und nicht gewollt.
Alle Rechte vorbehalten
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Inhaltsverzeichnis
Impressum
Das Buch
Schattenreich – Die Schwingen des Todes
Prolog
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
Epilog
Cheyennes Leben besteht fast nur aus Arbeit. Und aus ihren – meist vergeblichen – Versuchen, Abstand zu gewinnen von ihren verständnislosen, dünkelhaften Eltern. Doch da sind auch noch ihre seltsamen, höchst lebendigen Alpträume, in denen ein geheimnisvolles Wesen ihr Furcht einflößt, aber gleichzeitig eine magische Anziehungskraft ausübt. Als Cheyennes Chef sie für einen besonderen Auftrag nach Finnland schickt, nimmt sie mit gemischten Gefühlen an. Ihr Vater hat sie vor diesem Land gewarnt.
Schon bald gerät sie dort in tödliche Gefahr, denn Jorma, der gefallene Engel, hat eine Aufgabe zu erfüllen: Sein Meister will eine uralte Blutschuld endlich beglichen wissen. Allerdings hadert Jorma mit seinem Auftrag, da er Gefühle für Cheyenne entwickelt – und sie für ihn – und es dauert nicht lange, bis die beiden Liebenden sich nach einer Zeit der Flucht dem Teufel selbst stellen müssen.
***
Asmodina Tear
Der Schnee fiel in leichten Flocken herab. Der Waldboden war so weich und nachgiebig, dass seine Schuhe fast darin versanken. Er stieß die Luft aus, welche in farblosen Schwaden zum Himmel emportrieb. Er schaute ihnen nach, wobei die schwarzen Augen in dem bleichen Antlitz wie Edelsteine wirkten. Ebenso unheimlich wie seine dunkle Kleidung, die ihn wie zwei schwarze Schwingen umhüllte.
Vielleicht ist es näher an der Realität, als manche glauben.
Sein Blick wanderte erst zum Himmel, als könne er aus dem sternenklaren Firmament etwas lesen, was anderen Augen verborgen blieb. Auf den ersten Blick schien alles wie immer, aber er wusste, dass dem nicht so war. Danach streiften seine Augen die zum Teil kahlen Bäume. Schwarz und vorwurfsvoll starrten sie ihm entgegen, während die Tiere sich eilig versteckten.
Für deinen Zustand ist er nicht verantwortlich. Aber für viele andere Gräueltaten.
Seine Hände ballten sich zu Fäusten, während er Schritt für Schritt den Trampelpfad entlangging. Im fahlen Mondlicht wirkte dieser fast unsichtbar. Trotzdem war er sich sicher, dass SIE ihn finden würde, sofern sie den Wunsch verspürte.
Und das wird so sein, da bin ich mir ganz sicher.
Zwar hatte er sich ihr noch nicht genähert. Wobei das Absicht war. Die Zeit würde noch früh genug kommen, das spürte er mit jeder Faser seines Körpers. Eine Sehnsucht, gepaart mit unbändigem Verlangen, jagte durch seine Adern. Und er war gezwungen, einige Sekunden zu verharren. Auch wenn sein schlechtes Gewissen ihn plagte.
Vielleicht begehe ich den größten Fehler meiner Existenz. Und es ist vielleicht auch Wahnsinn. Aber ich kann es einfach nicht zulassen.
Schon vor etlichen Jahren, die genaue Anzahl wusste er nicht mehr, schickte man ihn auf die Erde, um sie zu finden. Oder auch, um zu helfen, eine alte Schuld zu begleichen, welche SIE mit ihrem Blut übertragen bekommen hatte.
Lächerlich … zumal sie mit Sicherheit nichts davon weiß.
Tausend Jahre sind für mich und den Meister zwar wenig. Aber für die Menschen eine Ewigkeit.
Er schnaubte leise, sodass nur ein paar Kleintiere es hörten. Was sollte er bloß tun? Sein Auftrag war klar und deutlich. Aber … konnte er es …?
Seine Hand schlug gegen den Kopf. Seit er zu denken begonnen hatte, war er sein treuer Diener gewesen, hatte für ihn getötet oder andere grausame Dinge getan. Alles allein auf SEINEN Befehl hin und die ganze Zeit über hatte er kein schlechtes Gewissen gehabt.
Nur dieses Mal ist es anders.
Ungläubig schüttelte er den Kopf, sodass die langen schwarzen Haare flogen.
Niemals zuvor habe ich jemals an einer Mission gezweifelt. Doch jetzt …
Dabei hatte er keine Chance. Jenes stand von der ersten Sekunde lang fest. Wer auch immer sich dem Meister entgegenstellte, wurde im Kampf zerquetscht wie eine Fliege. Oder so schlimm bestraft, dass er oder sie eines langsamen, grausamen Todes starb. Er selbst war mehrere Male dabei gewesen, als es passierte. Er gab es nicht gerne zu, aber manchmal verfolgten ihn die Schreie bis in die Träume.
Dennoch habe ich nie gezweifelt … bis …
Seine Zähne bohrten sich in die von Natur aus schwarzen Lippen. Bis er Blut schmeckte. Warum um alles in der Welt kamen jetzt wieder Gefühle zum Vorschein, von denen er glaubte, sie längst begraben zu haben?
»Ein Wesen wie du soll nicht lieben«, hatte sein Meister oder der Dunkle, wie er genannt wurde, damals gesagt. Und ihn dabei aus durchdringenden Augen gemustert. »So etwas gehört sich nicht für dich. Denn das Böse verträgt die Liebe nicht.«
Jahrtausendelang hatte dieser Satz ihn begleitet. Im Laufe der Zeit sogar eine regelrechte Mauer um sein Herz und die finstere Seele errichtet.
Zumindest dachte ich das …
Sein Frust wuchs, als er sich eingestehen musste, dass diese Fassade langsam, aber sicher nicht nur Risse bekam, sondern bedenklich zu wackeln anfing. Als würde ein unberechenbarer Sturm dagegen drücken.
Vielleicht ist das schon längst passiert. Nur du willst es nicht erkennen. Ein Knurren verließ seine Kehle.
Derartige Gedanken suchten ihn in letzter Zeit häufiger heim. Ohne dass er ihren Ursprung kannte. Es war ein Glück, dass der Meister augenscheinlich noch nichts davon mitbekommen hatte. Aber es war nur noch eine Frage der Zeit oder zumindest ahnte er das. Zwar war es durchaus schon einmal vorgekommen, dass seine Art solche Gefühle entwickelte, aber das Ende davon war alles andere als schön.
Entweder gibt man sich der ewigen Verzweiflung hin, weil dieses Gefühl am Ende ohne Chancen ist oder man erleidet ein Schicksal, das schlimmer ist als der Tod.
Zwar gab es lediglich Gerüchte darüber, wie der Meister mit solchen Kreaturen verfuhr. Aber wenn auch nur ein Bruchteil davon der Wahrheit entsprach …
Dann wundert es mich nicht, dass niemand es wagt, darüber zu sprechen. Er zog die Luft ein und straffte die Schultern, während er seinen Weg fortsetzte. Ich konzentriere mich besser darauf, sie zu verführen. Auch ohne diese lästigen Empfindungen. Sie werden bald vergehen … hoffentlich.
Seine schweren Stiefel hinterließen im Schnee tiefe Fußspuren, die jedoch genauso schnell verschwanden, wie sie gekommen waren.
Cheyenne stieß einen leisen, aber frustrierten Seufzer aus. Obwohl sie mit aller Kraft versuchte, sich auf den Bildschirm zu konzentrieren, schweiften ihre Gedanken immer wieder ab. Mehr noch, die Skizzen vor ihr schienen unklar zu werden. Ein- und zweimal hatte sie sogar das Gefühl, dass die Linien vor ihren Augen verschwammen.
Dabei kann das eigentlich überhaupt nicht sein. Ich war vor einer Woche erst beim Augenarzt und da war alles in Ordnung.
Sie blinzelte einige Male. Doch das Ergebnis blieb unverändert. Nachdenklich griff Cheyenne zu dem Wasserglas und nahm einen kräftigen Schluck. Jenes gehörte ebenso zu ihrem Schreibtisch dazu wie die Duftlampe mit Moschusöl, die normalerweise zur Ruhefindung diente.
Vielleicht sollte ich sie anzünden. Die junge Frau griff nach dem Feuerzeug, verharrte jedoch mitten in der Bewegung.
Warum bin ich bitteschön unruhig?
Cheyenne presste die Lippen aufeinander und legte den Anzünder, zumindest vorerst, wieder zur Seite. Natürlich. Die Arbeit war in letzter Zeit sehr viel anspruchsvoller als sonst. Es gab einige Aufträge, die auf dem schnellsten Wege erledigt werden mussten und nur wenig Zeit für Pausen ließen. Eigentlich machte ihr so etwas nichts aus. Im Gegenteil, als die allgemeine Lage dermaßen kippte, stellte Cheyenne sich ohne Zögern an die Seite ihres Chefs und versicherte, ihr Bestes zu geben.
Dieses Versprechen brachte ihr eine Sonderzahlung sowie ein eigenes Büro ein. Dass sie nach ihrem Geschmack gestalten und wo sie in Ruhe arbeiten konnte. Obwohl diese Maßnahme sehr nötig war, da die junge Frau von der ganzen Belegschaft die meisten Überstunden hatte, beäugten die meisten Kollegen diese Entwicklung kritisch.
Zwar wagte niemand, sie öffentlich anzugreifen oder ihre Arbeit außerhalb der Fachkenntnisse zu kritisieren. Aber das Getuschel hinter ihrem Rücken ging auch an Cheyenne nicht spurlos vorüber. Im Gegenteil.
Wenn Blicke töten könnten, wäre ich schon längst leblos vom Stuhl gefallen oder auf dem Flur zusammengebrochen.
Schnell wischte die junge Frau eine Träne weg, die sich ärgerlicherweise aus ihrem Augenwinkel gelöst hatte. Sofort trocknete sie ihre Hände mit einem Tuch und versuchte, den Kloß im Hals loszuwerden.
Es hat keinen Sinn zu weinen oder sich beunruhigen zu lassen, an diesen Gedanken klammerte Cheyenne sich wie an einen Strohhalm und das nicht zum ersten Mal. Die anderen sind einfach nur neidisch oder auch sauer, weil du viel besser bist als sie. Und trotz deiner fünfundzwanzig Jahre keine Auszubildende, sondern die rechte Hand des Chefs bist.
Zwar trug Cheyenne diese Bezeichnung nicht offiziell. Zum Glück, wie sie manchmal fand. Aber im Grunde wusste jeder, dass es so war. Und die Kollegen ließen sie mehr als deutlich spüren, was sie davon hielten. Schaudernd dachte Cheyenne an eine Situation zurück. Jene hatte sie nicht, wie die zahlreichen anderen zuvor, abhaken können. Die Worte hatten sich tief in ihr Gedächtnis gegraben und ob diese jemals wieder verschwinden würden, konnte die junge Frau nicht vorhersagen. Natürlich hoffte sie es, aber …
An diesem Morgen hatte Cheyenne sich ungewöhnlich müde und erschöpft gefühlt. Dabei war das sonst überhaupt nicht ihre Art. Im Gegenteil, normalerweise strotzte sie vor Energie und konnte selbst zwölf Stunden am Tag durcharbeiten, ohne sichtbar müde zu werden. Aus diesem Grund hatte es schon öfters bösartige Gerüchte gegeben. Von einer psychischen Anomalie bis hin zum Missbrauch von Aufputschmitteln war die Rede.
Die junge Frau wusste nicht, ob sie darüber lachen oder weinen sollte. Auf der einen Seite waren diese Behauptungen haltlos und unverschämt. Auf der anderen Seite konnte man mit diesen Leuten nur Mitleid haben.
»Dass die kein eigenes Leben haben«, hatte sie damals vertraulich zu ihrem Chef gesagt und dabei breit gegrinst.
»Oder nicht genügend Arbeit«, hatte dieser lachend erwidert. »Man könnte eigentlich meinen, sie wären mit ihren Aufgaben gut ausgelastet. Aber dem scheint nicht so zu sein. Dabei ist die Auftragslage, seitdem die Immobilienpreise gefallen sind, wieder ganz toll. Einerseits ist das natürlich schön, denn so fließt Geld in die Kasse. Andererseits bedeutet es selbstverständlich eine höhere Belastung der Arbeitskräfte sowie Überstunden.« Beim letzten Satz klang ihr Chef beinahe so, als hätte er ein schlechtes Gewissen.
Sofort stand Cheyenne neben ihm. »Machen Sie sich bitte keine Vorwürfe. Solche Zeiten können immer kommen und außerdem sind Sie, im Gegensatz zu vielen anderen Chef, so fair und zahlen. Sofern kein Freizeitausgleich möglich ist.«
Sie hatte schon von anderen Betrieben in der Branche gehört, wo das alles andere als selbstverständlich war. Dort mussten die Beschäftigten, teilweise mithilfe von Anwälten oder Gerichten, für ihr Recht streiten und selbst nach einem erfolgreichen Prozess wurde ihnen die selbstständige Kündigung nahegelegt. Mit der Begründung, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter diesen Umständen nicht mehr möglich sei. Aus diesem Grund schwiegen die meisten und ließen die Ungerechtigkeiten wortlos über sich ergehen.
»Nur, weil sie auf ihrem Recht als Arbeitnehmer bestanden haben«, dachte Cheyenne und ballte die Hand zur Faust. »Und dann machen hier einige unserem Chef Vorwürfe, beschweren sich oder ziehen ihn in den Dreck.«
Ein solches Verhalten würde sie niemals nachvollziehen können. In der Immobilien- und Baubranche gab es ein ständiges Auf und Ab. Das war schon immer so gewesen. Und wer sich für diesen Beruf entschied, musste damit rechnen. Außerdem empfand Cheyenne es als falsch, den Chef dafür verantwortlich zu machen.
»Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann. Es war damals die absolut richtige Entscheidung, Cheyenne.«
Ihre Mundwinkel wanderten nach oben. Es passierte selten, dass ihr Chef sie mit dem Vornamen ansprach. Das passierte nur, wenn die beiden unter sich waren und niemand anders zuhörte. Zwar verband sie lediglich ein vertrauensvolles Arbeitsverhältnis, das aber schon sehr lange bestand.
Die junge Frau erinnerte sich noch sehr gut an den ersten Tag, an dem sie sich, unsicher und schüchtern, in diesem Betrieb vorgestellt hatte. Es schien wie ein Wunder, dass ihre Bewerbung es überhaupt bis auf den Stapel geschafft hatte. Nicht, weil die junge Frau an ihren Qualitäten zweifelte, sondern weil die Eltern einen Großteil der Bewerbungen gezielt manipuliert hatten.
In ihren Augen war es unmöglich, dass die Tochter ein selbstständiges, unabhängiges Leben außerhalb der Familie führen wollte. Und überhaupt … warum musste man denn arbeiten? Ihr über Generationen hinweg erwirtschaftetes Vermögen reichte aus, um ein sorgenfreies Leben zu bieten. Also wozu einen Finger krumm machen? Ferner konnte man auch heiraten und davon profitieren. Schon die Vorstellung ließ Cheyenne das Gesicht verziehen.
»In diesem Moment wusste ich zwei Dinge. Zum einen, dass ich nicht in diese Familie gehörte und zum anderen, dass ich so schnell wie möglich mein eigenes Leben haben musste. Wenn ich nicht auf kurz oder lang Teil dieser Maschinerie werden will.«
Die Erinnerung ließ Cheyenne erschauern und sie unterdrückte nur knapp die Tränen. Selbst ihr Chef kannte nicht die ganze Geschichte. Auch wenn die junge Frau ihm im Laufe der Zeit einiges anvertraut hatte. Manche Dinge wie zum Beispiel ihr zum Teil etwas übertriebener Arbeitseifer, welcher für viel Neid und Getuschel sorgte. Auch der Chef war am Anfang ein wenig irritiert gewesen, jedoch hatte er es vorgezogen, sie direkt zu fragen, anstatt selbst zu interpretieren. Dafür war sie ihm unendlich dankbar.
Ich kann mich noch genau erinnern, wie ich mich freute. Als ich die Einladung zum Vorstellungsgespräch in den Händen hielt. Wobei meine Eltern diese selbstverständlich nicht teilten. Im Gegenteil, meine Mutter wirkte sogar, als wolle sie mir Vorwürfe machen. Was mich sehr verbitterte. Viel Verständnis hatten meine Eltern noch nie aufgebracht, aber das hier schlug dem Fass den Boden aus. Schon von Kindesbeinen an hatte ich jede freie Minute mit Zeichnen oder Beobachten verbracht.
Obwohl mich das zu einem stillen, vermeintlich gehorsamen Mädchen machte, sahen meine Eltern diese Entwicklung skeptisch. In unseren Kreisen war es nicht üblich, sich für solche Dinge zu interessieren. Erst recht nicht in diesem Alter. Jedoch tolerierten sie es mit verkniffenen Gesichtern und versuchten, es gegenüber anderen als Kinderei abzutun. Was mal mehr, mal weniger gut gelang. Ich muss eine Entschlusskraft an mir gehabt haben, welche die anderen beeindruckte und vor allem überzeugte. Sehr zum Ärger meiner Eltern.
Im Alter von acht Jahren kam eine Faszination für Gebäude dazu. Zuerst überwiegend die älteren Varianten wie Schlösser, Burgen oder Ähnliches. Was man noch ohne Weiteres als kindlichen Spleen entschuldigen konnte. Aber dann ging es mit alten verfallenden Gebäuden oder auch modernen Häusern weiter und der Schock stand ihnen in den Gesichtern.
Ich interessierte mich für jeden Baustil und zeichnete alles auf, was mir in die Finger kam. Als Jugendliche besuchte ich sogar einige alte Villen und kann bis heute von Glück sagen, das diese Ausflüge unbemerkt geblieben sind.
Allein die Vorstellung der elterlichen Reaktion ließ Cheyenne grinsen.
Doch auch wenn ich nie erwischt wurde, so hatten diese verbotenen Ausflüge doch einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Durch sie wuchs nach und nach mein Wunsch heran, zu studieren und Bauzeichnerin zu werden.
Kaum hörbar zog die junge Frau die Luft ein. Jene Erinnerungen schmerzten, auch wenn sie ohne Zweifel stolz sein konnte.
Als ich zum ersten Mal mit meinen Eltern darüber sprechen wollte, war die Reaktion nicht nur verhalten, sondern grausam. Meine Mutter verzog das Gesicht, als hätte sie in eine Zitrone gebissen, und mein Vater lachte nur schallend.
»Du willst studieren?«, hatte er höhnisch gefragt und sein Gesicht erinnerte mich fast an einen Fremden.
»So etwas muss eine Frau nicht tun …«, ergänzte meine Mutter und trug dabei ihre Nase noch ein Stückchen höher als sowieso schon.
Reflexartig senkte ich den Blick und bereute es jetzt schon, das Thema überhaupt angesprochen zu haben. Ich hätte meinen Plan einfach umsetzen und sie anschließend vor vollendente Tatsachen stellen sollen. Schließlich hatte ich meine Volljährigkeit erreicht.
»Ja, das will ich.« Von plötzlicher Entschlossenheit getrieben schaute ich sie beide an und meine Augen hatten wohl etwas Kämpferisches. Denn einige Wimpernschläge lang brachen ihre selbstsicheren Fassaden ein.
»Meinst du wirklich, dass das sinnvoll ist?«, versuchte es meine Mutter. Doch ihr Lächeln machte dem Schiefen Turm von Pisa Konkurrenz und wirkte unecht. »Ich meine, wenn du ein wenig mehr aus dir machen würdest, könntest du bestimmt ohne Probleme einen Ehemann finden …«
Am liebsten hätte ich aufgeschrien. In welchem Jahrhundert lebte meine Familie eigentlich? Selbst in einer Ehe mussten heutzutage meist beide Partner arbeiten und außerdem hatte ich nicht vor, bis an das Ende meiner Tage zu Hause am Herd zu stehen. Allein die Vorstellung ließ mich schaudern.
»Was ist das überhaupt für eine Arbeit? Architektin …«
Mein Vater sagte das Wort, als sei es etwas Schlimmes. Dabei hatte ich ihm nicht einmal vorgeschlagen, Model oder Künstlerin zu werden. Wie viele andere Mädchen in meinem Alter.
»Ja, du weißt genau, dass ich alte Bauwerke mag.«
Entgegen meiner ursprünglichen Absicht stemmte ich die Hände in die Hüften, um wenigstens ein bisschen selbstsicher zu wirken. Meine Eltern sollten nicht mitbekommen, wie sehr ihr Verhalten mich verletzte. Zwar hatte ich schon vor einigen Jahren begriffen, dass sie mein Handeln niemals verstehen, geschweige denn, es honorieren würden. Sie lebten in ihrer eigenen Welt und jene bestand aus wenig mehr als Partys, Mode, Urlaub und Geld, viel Geld.
Aber ich wollte etwas anderes. Mein eigenes Leben. Es zu etwas bringen und vor allem nicht in diesem Maße von etwas oder jemandem abhängig sein. Denn nicht selten schien mir der Alltag meiner Eltern wie ein wunderschöner, goldener Käfig. Natürlich. Sie konnten sich alles leisten, waren aber trotzdem in ihrem eigenen Reichtum gefangen. Zumal keiner von ihnen in der Lage war, über den Tellerrand zu schauen.
Ich zog die Luft ein, verließ ohne ein weiteres Wort den Raum und schloss mich in meinem Zimmer ein. Mithilfe des Computers erledigte ich alles, was für das Einschreiben und den Umzug nötig war. Aber ich sträubte mich dagegen, noch einmal mit meinen Eltern darüber zu sprechen. Ich sah den Sinn hinter einer solchen Unterhaltung nicht. Außerdem kostete sie nur Energie, welche ich lieber in andere Dinge investierte. Es war nicht einfach, eine Wohnung zu finden, obwohl meine Eltern mir finanziell keine Grenzen setzten. Doch ich wollte keinen überflüssigen Luxus, sondern eine einfache Studentin sein. Außerdem war mein oberstes Ziel, für mich selbst zu sorgen. Was für einiges Unverständnis sorgte. Aber ich blieb standhaft. Woraufhin mein Vater mehr oder weniger versuchte, mir meine Pläne madig zu machen. Zwar äußerte er sich nie wirklich über das Studium, aber versteckte Bemerkungen und Blicke sagten mehr als tausend Worte. Tapfer schluckte ich alles herunter, denn ich wusste, wohin mein Weg ging.
Aber es war hart, obwohl ich das Studium mit Auszeichnung bestand. Jedoch blieben meine Eltern skeptisch und intrigant, was meine Jobsuche danach betraf. Es war deutlich, wohin ihre Hoffnung ging. Aber da hatten sie die Rechnung ohne meinen Chef gemacht. Zwar hatte ich mich nach zwei vorläufigen Absagen hartnäckig beweisen müssen, doch als ich es bis zum Vorstellungsgespräch geschafft hatte, bekam ich den Platz.
Von Anfang an zeigte mein Chef mir, dass ich auch ohne meine Eltern weiterkomme. Mittlerweile habe ich mich damit abgefunden, zu ihnen nur noch sporadisch Kontakt zu haben. Denn obwohl es manchmal schmerzte, ich hatte das, was ich wollte.
»Cheyenne?« Die Stimme ihres Chefs holte die junge Frau in die Wirklichkeit zurück. Ein bisschen verwirrt schaute sie sich um.
»Hast du schon wieder an die Vergangenheit gedacht?« Mitfühlend schaute er sie an und Cheyenne nickte. Es machte keinen Sinn, es abzustreiten.
»Deswegen habe ich dich herkommen lassen.« Für den Bruchteil einer Sekunde schrak die junge Frau zusammen.
Will er mich etwa entlassen? Eine vereinzelte Schweißperle rann über ihre Schläfe. Bitte … alles, nur das nicht.
Wieder schien der Chef ihre Gedanken erraten zu haben.
»Nein, warum sollte ich dir denn kündigen? Du bist eine meiner besten Mitarbeiterinnen, merke dir das. Vielmehr möchte ich dir …« Er ging hinter den Schreibtisch zurück und schien nach einigen Dokumenten zu suchen. »… die Chance auf einen Tapetenwechsel geben. Ich glaube, er wird dir guttun.«
»Tapetenwechsel?« Cheyenne wusste nicht, wie sie reagieren sollte, und achtete einen Moment lang nicht auf ihren Tonfall. »Wollen Sie mich etwa versetzen?«
Ihr Tonfall klang schriller als gewöhnlich. Nicht, weil sie ihrem Chef nicht vertraute. Im Gegenteil. Dennoch gehörten plötzliche Veränderungen nicht unbedingt zu den Dingen, welche die junge Frau besonders schätzte. Wahrscheinlich, weil ihre Eltern sich in der Vergangenheit einen Spaß daraus gemacht hatten, ihre Tochter damit zu verunsichern und in gewisser Weise auch zu quälen.
Mit Schaudern erinnerte Cheyenne sich an gewisse Vorfälle. Zum Beispiel war ihre Mutter eines Tages der Meinung gewesen, ihrer Tochter einen anständigen Geschmack in Sachen Kleidung, Musik und Ähnlichem vermitteln zu müssen. Von jetzt auf gleich musste Cheyenne Angst haben, ihre geliebten Kleider sowie die CD-Sammlung zu verlieren. Zwar hatte sie das meiste an Musik digitalisiert, aber die Angst war trotzdem da. Außerdem verstand das damals noch junge Mädchen nicht, was das plötzlich sollte. Auf Nachfrage erwiderte ihre Mutter lediglich, dass es Zeit für Veränderungen wäre. Schließlich ging Cheyenne langsam, aber sicher auf die Volljährigkeit zu. Jenes Argument glaubte sie von Anfang an nicht, zumal es wie pure Schikane wirkte.
Aus diesem Grund entschloss Cheyenne sich zur Gegenwehr und rebellierte. Zahlreiche Streits mit Geschrei und Vorwürfen waren die Folge. So lange, bis die Mutter ihren Plan schließlich aufgab und sie ihre Sachen behalten konnte. Jedoch hatte ein Blick in ihr Gesicht verraten, dass dies nicht das letzte Mal sein würde, und so kam es auch. Im Laufe der Zeit musste Cheyenne sich noch einige Male durchsetzen, was ihr zum Glück jedes Mal gelang. Dennoch nagte das an ihrem Selbstbewusstsein und mündete in eine ständige Angst, welche sich nur schwer verbergen ließ. Manchmal zuckte sie regelrecht zusammen, wenn die Mutter ihr Zimmer betrat oder ihr Kommen ankündigen ließ.
Natürlich hatte ihre Angst durch den Abstand zu ihrer Familie merklich nachgelassen. Aber in manchen Augenblicken kam sie einfach wieder hoch. So wie jetzt. Dennoch zwang die junge Frau sich, ruhig zu bleiben und den Blickkontakt mit ihrem Chef zu halten.
»Entschuldigung … Sie haben mich ein wenig überfahren«, gestand sie mit einem verlegenen Lächeln. »Worum geht es denn?«
»Zuerst einmal, Cheyenne«, lächelte ihr Chef beruhigend und wies ihr einen Stuhl, »ich möchte dich nicht dauerhaft versetzen. Was hätte ich denn davon? Wie vorhin bereits gesagt, du bist eine der besten und außerdem eine der fleißigsten Mitarbeiterinnen, die ich je hatte. Nahezu alle sollten sich ein Beispiel an dir nehmen.«
Sagen Sie das besser nicht zu laut, schoss es durch ihren Kopf. Die Kollegen würden mich dafür hassen. Von den Gerüchten ganz zu schweigen.
Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Zwar hatte die junge Frau sich an die Tratschereien gewöhnt. Schließlich würde es immer Menschen geben, deren eigene Leben nicht interessant und aufregend genug waren. Deswegen mussten sie ihre Nasen unbedingt in fremder Leute Angelegenheiten stecken. So traurig es zum großen Teil auch war. Zumal Cheyenne es beim besten Willen nicht nachvollziehen konnte.
Trotzdem gab es immer wieder Augenblicke und in letzter Zeit gehäuft, in denen das Getuschel hinter ihrem Rücken mehr schmerzte, als es sollte. Einen Grund dafür wusste die junge Frau nicht.
Vielleicht wäre ein Standortwechsel tatsächlich nicht übel. Da könnte ich zur Ruhe kommen und vor allem ungestört arbeiten. Was hier nicht unbedingt gegeben ist.