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Laurent lebt mit seinen Eltern zurückgezogen in einer einsam gelegenen alten Villa im Wald. Viele Freunde oder Kontakte hat er nicht. Nach dem mysteriösen Tod seiner Mutter schickt sein Vater ihn auf ein Hochschul-Internat. Dort freundet er sich mit Niklas an und verliebt sich zum ersten Mal. Gleichzeitig plagen ihn finstere Träume und auch am Tage fühlt er sich von einer unheimlichen, ungreifbaren Präsenz verfolgt.
Als seine normabweichende Beziehung zu Niklas ans Licht kommt, kehrt Laurent nach Hause zurück und verliert sich in seinem Kummer. Bis der geheimnisvolle Camillo in sein Leben tritt. Mit seiner charmanten Art bringt er Laurents Sinne zum Schwingen – doch kann dieser ihm vertrauen?
Laurents Vater und seine Hauslehrerin Eliza sind gegen die Beziehung zwischen Laurent und Camillo – was durchaus nachvollziehbar ist, denn Camillo scheint kein Mensch zu sein. Nach und nach spitzt sich die Situation zu und dann überschlagen sich die Ereignisse …
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Asmodina Tear
Vampirische Leidenschaft
Dark-Romance
Neuausgabe
Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv
Cover: © by Steve Mayer, mit einem Motiv von Steve Mayer by eedebee (KI), 2024
Korrektorat: Antje Ippensen
Dieser Roman erschien ursprünglich unter dem Titel Vampire Passion
Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang
Die Handlungen dieser Geschichte ist frei erfunden sowie die Namen der Protagonisten und Firmen. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig und nicht gewollt.
Alle Rechte vorbehalten
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Inhaltsverzeichnis
Impressum
Das Buch
Vampirische Leidenschaft
Prolog
1 – Leben in unserer Familie
2 – Der dunkle Freund
3 – Schnitter Tod
4 – Internat des Grauens
5 – Verbotenes Gefühl
6 – Finstere Gedanken
7 – Sündige Nacht
8 – Rückkehr ins alte Leben?
9 – Eliza
10 – Pläne und Schmerz
11 – Geheimnisvolle Dunkelheit
12 – Camillo
13 – Ein sonderbarer Gast
14 – Der neue Freund
15 – Mein dunkles Geheimnis/ich bin anders.
16 – Gib mir dein Blut
17 – Asche zu Asche
18 – Am Ende der Zeit
Epilog
Laurent lebt mit seinen Eltern zurückgezogen in einer einsam gelegenen alten Villa im Wald. Viele Freunde oder Kontakte hat er nicht. Nach dem mysteriösen Tod seiner Mutter schickt sein Vater ihn auf ein Hochschul-Internat. Dort freundet er sich mit Niklas an und verliebt sich zum ersten Mal. Gleichzeitig plagen ihn finstere Träume und auch am Tage fühlt er sich von einer unheimlichen, ungreifbaren Präsenz verfolgt.
Als seine normabweichende Beziehung zu Niklas ans Licht kommt, kehrt Laurent nach Hause zurück und verliert sich in seinem Kummer. Bis der geheimnisvolle Camillo in sein Leben tritt. Mit seiner charmanten Art bringt er Laurents Sinne zum Schwingen – doch kann dieser ihm vertrauen?
Laurents Vater und seine Hauslehrerin Eliza sind gegen die Beziehung zwischen Laurent und Camillo – was durchaus nachvollziehbar ist, denn Camillo scheint kein Mensch zu sein. Nach und nach spitzt sich die Situation zu und dann überschlagen sich die Ereignisse …
***
Asmodina Tear
Es gibt Geschichten, welche auf den ersten Blick so surreal scheinen, dass der menschliche Verstand sie nicht zu begreifen vermag. Und trotzdem wurden sie nicht selten vom Leben oder von dem, was wir als solches bezeichnen, geschrieben.
So eine Geschichte habe ich erlebt und selbst heute, nach fünf langen Jahren, ist ein Teil von mir noch immer nicht in der Lage, sie wirklich als Realität zu begreifen. Damals war ich ein heranwachsender College-Student, heute habe ich einen Abschluss und bin der offizielle Erbe meines Vaters. Arbeiten müsste ich nicht und trotzdem überlege ich manchmal, es vielleicht doch zu tun, schon um im Leben eine Aufgabe zu haben. Nach dem überraschenden Tod meines Vaters lebe ich nun allein in unserem Herrenhaus, das eigentlich zu groß ist. Ich denke schon darüber nach, von dort wegzugehen, aber dann würde ich ein gutes Stück meiner Kindheit, meines Lebens zurücklassen, und ob ich das kann …?
Mein Blick wandert zu dem alten Gemäuer, das, gemäß der Definition moderner Menschen, eine merkwürdige Kreuzung zwischen Schloss und Herrenhaus darstellt. Ob es sich tatsächlich so verhält, kann ich nicht sagen, aber auf jeden Fall ist es eines: mein Zuhause oder sollte es zumindest sein. Obwohl ich einige hundert Meter entfernt an einem See sitze, spüre ich die unheimliche Ausstrahlung des Hauses, welche wie ein vergifteter Windhauch zu mir herüberweht. So eine Aura hatte das Haus schon immer, aber seit dem Vorfall vor fünf Jahren ist es noch viel schlimmer geworden. Jenes scheint wie ein Hauch des Bösen, es verfolgt mich, beschert mir unruhige Nächte, aus denen ich nicht selten schweißgebadet aufwache.
Vielleicht ist das der Grund, warum viele mir raten, ich solle das Haus verkaufen und in die Stadt ziehen. Schließlich befindet es sich trotz seines Alters in einem tadellosen Zustand und würde mit Sicherheit einen guten Preis erzielen. Dem kann ich ohne Einschränkungen zustimmen, denn unsere Familie, mein Vater und ich inklusive, hat seit Generationen dafür gesorgt, dass nichts von ihm dem Verfall preisgegeben wurde, und weder Kosten und Mühen für die notwendigen Renovierungen gescheut.
Trotzdem spüre ich jene Veränderung, die kein neuer Anstrich oder Vergleichbares wieder entfernen kann. Es ist da wie ein Blutfleck, welchen außer mir niemand sehen kann. Ich schlucke, außer mir weiß niemand, was hier passiert ist. Ein Grund, weshalb meine Verwandtschaft, die seit dem Tod meines Vaters scheinbar aus dem Nichts hier aufgetaucht ist, meinen Gemütszustand mit Sorge betrachtet. Hinter vorgehaltener Hand nennen sie mich sogar schon psychisch krank.
Obwohl ich ihnen die Bezeichnung nicht wirklich verübeln kann, ziehe ich scharf die Luft ein. Denn eines weiß ich ganz genau, es war weder ein Hirngespinst noch das Produkt meiner überspannten Fantasie, sondern so wirklich und begreifbar wie das kraftlose Gras neben mir. Außer meinem Vater, meiner früheren Hauslehrerin Eliza und mir weiß niemand von den mysteriösen Vorkommnissen und das ist auch gut so, auch wenn wir der sonderbaren Dame eine großzügige Geldsumme zahlen mussten, damit sie schwieg und sich nicht gleich an die Presse wandte. Wahrscheinlich hätte man ihr diese Geschichte nicht abgenommen, sondern Eliza hätte vielmehr fürchten müssen, in die Psychiatrie zu kommen. Wobei mich ihre Skrupellosigkeit sehr erschreckt hat. Trotzdem war mein Vater sehr auf unseren Ruf bedacht, was absolut verständlich ist. Ich möchte nicht wissen, was die Leute über meine Familie und mich selbst denken würden, wenn sie von der Sache erführen.
Ich stoße die Luft aus. Mein Atem steigt in leichten, nebelartigen Schwaden zum bedeckten Himmel empor. Dass mein Vater dort oben ist, daran hege ich absolut keine Zweifel, er war immer gottesfürchtig und hat, soweit es möglich war, stets nach den Geboten unserer heiligen Schrift gelebt. Aber was ist mit – ihm? Wohin gehen Seelen, die verdammt und schon lange nicht mehr am Leben sind beziehungsweise waren? Er hat getötet, um sich vom Lebenssaft der Menschen zu ernähren. Kann man es ihm verübeln? Schließlich essen wir auch Tiere und das mit Leidenschaft. Meine Hand presst sich auf das wild schlagende Organ in meiner Brust und ich verabscheue mich regelrecht dafür, dass meine Gefühle für ihn nicht weniger geworden sind. Im Gegenteil, er fehlt mir und für den Bruchteil glaube ich sogar, sein Gesicht auf der Oberfläche des Sees zu erkennen, obwohl das unmöglich sein kann. Mit zitternden Händen ziehe ich den edlen Füller aus meiner Manteltasche, er ist rot-gold und begleitet mich seit meiner Jugend. Nur ihm will ich erzählen, was damals passiert ist, auch wenn mich das mit einem komischen Gefühl zurücklässt. Tue ich das Richtige? Ich schüttele den Kopf und beginne zu schreiben. Beobachtet mich jemand?
Unsere Familie ist das, was andere gerne als seltsam und wunderlich bezeichnen, obwohl ich diese Ansicht nicht unbedingt teile. Unser Blut ist alt und der Stammbaum lässt sich bis ins tiefe Mittelalter zurückverfolgen, was bei nicht vielen der Fall ist, oder aber sie machen sich nicht die Mühe, ihre Ahnen zu erforschen. Schade, dabei ist es etwas, dem ich mich in jungen Jahren gerne gewidmet habe.
Obwohl wir nicht zu den Reichen zählen, wohnen wir doch nicht in einer anonymen Mietwohnung in der Stadt, sondern in einem alten Herrenhaus auf einer kleinen Anhöhe mitten im Wald. Etwas Idyllischeres kann man sich nicht vorstellen und ich selbst war von Kindesbeinen an dem Zauber erlegen, welchen dieser Ort ausstrahlt. Das mag ein bisschen verrückt klingen, entspricht jedoch der Wahrheit. Auch die Straße, welche als Einzige dorthin führt, ist sehr schmal und noch nie verändert worden. Zu unserem Anwesen gehört ein großzügiger Garten, in dem ich, wenn ich nicht gerade durch den Wald spazierte, gerne meine freien Nachmittage verbrachte. Es gab einige hochgewachsene Bäume, wuchtige Sträucher, sorgsam angelegte Blumenbeete, unter anderem mit Rosen und Lilien, sowie einen großen Teich, auf dem schwarze Schwäne schwammen. Ich liebte diese Tiere über alles und nannte sie in Kindertagen meine Freunde.
Jenes mag vielleicht seltsam klingen, aber ich hatte in dieser Zeit kaum Kontakt zu anderen Menschen. Wobei eine Ausnahme die Regel bestätigte. Mein Dasein in unserem Haus war, ob objektiver Sicht betrachtet, sehr einsam und alles andere als optimal für ein Kind oder auch einen Jugendlichen. Doch mich selbst störte das nicht, es gab die große Bibliothek, in der ich lernen konnte, dann ein Zimmer mit vielen Spielsachen, welches ich später zum Arbeiten nutzte, den Garten, und außerdem meinen geliebten Wald, in dem ich Tausende Abenteuer erlebte. Mehr als einmal kam ich mit aufgeschrammten Knien nach Hause, immer wenn die jeweilige Nanny außerstande war, mich zu halten und ich frei wie ein Vogel auf Bäume kletterte oder über die Abhänge sprang. Letzteres artete einmal so aus, dass wir den Notarzt verständigen mussten und ich beinahe im Krankenhaus gelandet wäre. Meine Mutter stand an meinem Bett und hielt das Telefon schon in der Hand, während meine Kinderfrau sich in endlosen Erklärungen und Entschuldigungen verlor. Es half nichts, mein Vater kündigte ihr auf der Stelle und kontaktierte die Familie meines einzigen und somit besten Freundes Maximilian, welcher Zeuge meines Unfalls gewesen und außerdem ein angesehener Arzt war.
»In Krankenhaus muss der Junge nicht. Aber es wäre gut, wenn er heute Nacht nicht alleine wäre.«
In diesem Moment warfen mein bester Freund und ich uns einen verschwörerischen Blick zu, denn wir wussten beide, dass dies hieß, dass er bei mir übernachten durfte. Meine Eltern hatten mich zwar ordentlich ausgeschimpft und einen ungestümen Wildfang genannt, doch im Grunde waren sie mir nicht böse. Ich war eben ein Heranwachsender und wollte etwas erleben. Außerdem schien der Wald im Vergleich zu den Möglichkeiten in der Stadt die bessere Alternative. Hier lief ich wenigstens nicht Gefahr, mit meinen fünfzehn Jahren schon mit dem Rauchen anzufangen oder andere verbotene Dinge zu tun. Niemand wusste damals, was sich in mir verbarg, auch ich selbst nicht.
Außerdem stellte Maximilians Vater fest, dass mein Blutverlust nicht so groß war wie zunächst angenommen. Auch lagen keine Knochenbrüche oder Ähnliches vor. Ich hatte lediglich, wie Maximilian auch, einige üble Schürfwunden und blaue Flecken, was in unserem Alter nicht ungewöhnlich war. Die einzige Strafe, die wir beide zu erwarten hatten, war ohne Nachtisch ins Bett geschickt zu werden, worauf mein bester Freund mir abermals einen verschwörerischen Blick zuwarf. Im Gegensatz zu unseren Eltern wusste ich ganz genau, was er meinte. Maximilian hatte heimlich Schokolade mitgeschmuggelt und würde diese, sobald wir alleine waren und unsere Eltern schliefen, mit mir teilen. Vor lauter Vorfreude lief mir das Wasser im Mund zusammen, was mir im Nachhinein schrecklich kindlich und naiv erscheint. Ich hatte keine Ahnung, welche Überraschungen dieser Abend oder vielmehr die Nacht für mich bereithalten würde. Zumal es etwas gab, was ich weder meinen Eltern noch Maximilian anvertraut hatte. Trotz meines jungen Alters wuchs ich bereits zum Mann heran und hatte begonnen, mich für die körperlichen Freuden zu interessieren.
»Sage mal, glaubst du an Geister?«, fragte Maximilian mich, nachdem wir die Schokolade gegessen hatten, und plötzlich fiel mir auf, dass seine Augen ein klein wenig größer waren als sonst.
»Warum?«, fragte ich irritiert zurück und wusste im ersten Augenblick nicht, wie er diese Frage meinte.
»Weil …«, das Gesicht meines Freundes wurde um ein paar Nuancen blasser und er zitterte am ganzen Leib. Ich hob die Augenbrauen, so kannte ich Maximilian nicht. Obwohl wir beide etwa gleich alt waren, war er stets der Mutigere gewesen.
Er scheute keine Herausforderung oder Gefahr, während ich mich eher zurückzog und für mich blieb. Warum, war mir zu dem Zeitpunkt noch nicht klar, aber jenes sollte sich schneller ändern, als mir lieb war. Jetzt jedoch wirkte er beinahe wie ein verängstigtes Kleinkind und seine bebenden Hände zeigten, dass er sich am liebsten die Bettdecke über den Kopf gezogen hätte.
»Was ist los?«, fragte ich ihn und schwankte zwischen Spott und Ernsthaftigkeit.
Das konnte doch nur ein Scherz sein, oder etwa nicht? Auch wenn ich mein ganzes Leben lang in diesem alten, zugegebenermaßen manchmal unheimlichen Herrenhaus verbracht hatte, so hörte ich zum ersten Mal von Geistern oder ähnlichen Kreaturen. Natürlich. Die Menschen erzählten einander gerne Geschichten, wenn ihnen langweilig war und ich hatte auch schon mitbekommen, dass die wenigen Besucher unseres Waldes einen auffallend großen Bogen um das Haus und den Garten machten und auch, wenn wir manchmal in die Stadt fuhren, hinter dem Rücken über uns tuschelten, aber meine Eltern lächelten solche Dinge einfach weg und ich tat es ihnen gleich. Wenn die Leute unbedingt daran glauben wollten, so stand es ihnen frei, dies zu tun. Doch jetzt … ausgerechnet mein bester Freund?
Meine Miene schwankte noch immer zwischen Belustigung und Ärger. Dennoch folgte ich seinem starren Blick, welcher in Richtung meines Fensters zeigte. Wie immer war dies aufgrund der Zufuhr von frischer Luft offen. Jenes war nichts Ungewöhnliches, weder für ihn noch für mich. Und doch, nach wenigen Augenblicken, in denen Maximilian auf das offene Fenster gestarrt hatte, spürte ich es. Dort bewegte sich etwas und starrte zu uns ins Zimmer herein. Auch wenn dieses Etwas mit bloßem Auge nicht zu sehen war, so wusste ich instinktiv, dass es da war. Aber wer oder was war es? So unauffällig wie möglich musterte ich meinen besten Freund, aus dessen Gesicht alle Farbe gewichen war. Er sah aus wie eine Leiche mit offenen Augen, welche noch zuckte, und allein das Heben und Senken seiner Brust bewies, dass noch Leben durch seinen Körper floss. Ohne weiter nachzudenken, griff ich nach seiner Hand und hielt sie fest.
»Hab keine Angst. Es ist alles gut«, sprach ich ihm Mut zu, obwohl mein Glaube daran selbst gering war. Irgendetwas ging hier nicht mit rechten Dingen zu.
Nach einer Weile entließ ich Maximilian aus meiner Umarmung und ließ ihn, obwohl aus seinem Blick die pure Verzweiflung sprach, allein im Bett zurück. Ich ging, sein Schluchzen ignorierend, zum Fenster und ich schäme mich nicht, zuzugeben, dass mein eigenes Herz in diesem Moment bis zum Halse schlug. Natürlich war ich an die Dunkelheit bis zu einem gewissen Grad gewöhnt, denn obwohl unser Haus selbstverständlich über Elektrizität verfügte, war es schwierig, wirklich alle Räume zu beleuchten. Jenes funktionierte mal mehr, mal weniger gut und es gab durchaus Zimmer, in denen fahles Kerzenlicht effektiver zu sein schien. Außerdem tat die Sonne sich manchmal schwer, mit ihren Strahlen durch das tiefgrüne Dach der Waldbäume zu brechen und aus diesen zwei Gründen waren mir Dämmerung und Dunkelheit vertraut. Aber jetzt, in diesem Moment, teilte ich Maximilians Furcht und auf einmal kam mir der Weg vom Bett zum Fenster schrecklich lang vor. Der weiße dünne Vorhang tanzte im Takt des Windes und ich wunderte mich darüber, dass er zusätzlich in der Lage war, den schweren dunklen Vorhang darüber zu bewegen.
Jenen hatten wir aus Sicherheitsgründen angebracht, ebenso wie die Alarmanlagen unten in der Halle. Hier in den Wäldern war es selbst für die Polizei schwierig, hierherzukommen, weswegen wir selbst für unseren Schutz sorgen mussten. Mich hatte das bis zu diesem Zeitpunkt nie gestört, da ich es ja auch nicht anders kannte. Doch jetzt in dieser furchteinflößenden Situation hätte ich mir sehr gerne jemanden gewünscht, der an meiner Seite stand und mich beschützen konnte. Obwohl ein Teil von mir sagte, dass es sinnlos war.
Ich stieß die Luft aus und trat auf den winzigen Balkon, sofern man jenen Vorbau überhaupt als solchen bezeichnen konnte. Ich hasste ihn regelrecht und stellte mir des Öfteren die Frage, welcher unser Vorfahren so dämlich war, so etwas an die ansonsten makellose Fassade zu setzen. Zumal dieser jetzt augenscheinlich dem Bösen Einlass gewährte.
Du redest Unsinn, schalt meine Vernunft und ließ mich schlagartig stehen bleiben. Sei froh, dass deine Eltern noch nichts davon mitbekommen.
Ich schüttelte den Kopf und klammerte mich verzweifelt an meine Vernunft, welche mich trotz meiner Jugend schon vor mancher Dummheit bewahrt hatte. Wahrscheinlich hatte Maximilian einfach Angst oder ein Problem und verhielt sich deswegen so. Trotzdem wagte ein Teil meines Herzens noch immer, daran zu zweifeln, und ich schaute mich zögernd um. Schwerer Nebel lag zwischen den Baumkronen und mit einem Mal hatte ich das Gefühl, über allem zu stehen, obwohl das unmöglich sein konnte. Selbst der Himmel verbarg das Leuchten von Mond und Sternen und hüllte sich stattdessen in dunkelgraue Wolken, die mich einige Sekunden lang denken ließen, ein Gewitter wäre im Anmarsch.
Auf der anderen Seite wäre dies natürlich ein guter Grund für Maximilians Panik, mit der er mich sehr wirkungsvoll angesteckt hatte. Doch es steckte mehr dahinter, meine Beine fingen an zu zittern, und jenes lag nicht nur an der Kälte. Irgendetwas beobachtete mich, das spürte ich mit jeder Faser meines Körpers. Es griff und zog an meinem Herzen, berührte meine Seele in einem Maße, wie ich es noch nie zuvor erlebt hatte. Eine Hitze, die aus dem Nichts zu kommen schien, erfüllte meinen Körper und ich stieß die Luft aus. Meine Augen wanderten wie in Trance zum Himmel, konnten jedoch auf den ersten Blick nichts Auffälliges entdecken.
Oder doch? Mein Herz stand für den Bruchteil einer Sekunde still und ich glaubte, eine unheimliche Präsenz zu spüren. Gleichzeitig zog ein Schatten immer wieder über mein Gesicht und ließ mich bis zur Grenze erschauern. Wer oder was war das?
»Laurent?«, holte Maximilians Stimme mich in die Wirklichkeit zurück.
Noch immer machte er den Eindruck eines verängstigten Kindes und nicht den eines Jugendlichen, aber ich schluckte meinen Spott herunter. Denn ich konnte seine Angst verstehen. Zwar hatte ich dieses Etwas nicht mit eigenen Augen gesehen, aber seine Gegenwart ebenso gespürt wie mein bester Freund. Es war einfach da, ohne Gesicht oder wirkliche Gestalt und trotzdem nicht weniger mächtig. Außerdem kannte ich Maximilian zu gut, er fürchtete sich nicht vor einem Schatten und schon gar nicht in dem Maße wie jetzt.
Zögernd ging ich ins Zimmer zurück und schloss vorsichtshalber das Fenster, was sonst nicht meine Art war, und überprüfte noch einmal die Zimmertür. Fest verschlossen. Zum Glück. Und offensichtlich hatten meine Eltern nichts davon mitbekommen, sie hätten uns beide sonst für verrückt erklärt. Auch mein bester Freund schien sich langsam zu beruhigen, wenngleich die Farbe noch nicht in sein Gesicht zurückgekehrt war.
»Hast du es auch gespürt?«
Ich nickte mechanisch, schließlich war es nicht gelogen. Ich hatte die unheimliche Gegenwart ebenso wahrgenommen wie er, ohne sie zu sehen. Wir tauschten einen Blick aus, der versprach, dass wir zu niemandem darüber sprechen wollten, was in der heutigen Nacht passiert war. Keiner von uns konnte die Reaktionen der Eltern abschätzen und wir wollten kein Verbot riskieren. Dennoch bat er mich im selben Atemzug, mich zu ihm ins Bett zu legen und vor bizarren Träumen zu schützen, anstatt, wie sonst üblich, über ihm zu schlafen. Trotz des historischen Flairs legte meine Familie Wert auf moderne Einrichtung und obwohl ich langsam aber sicher zum Mann wurde, liebte ich mein oberes Etagenbett nach wie vor.
Mit gemischten Gefühlen gab ich schließlich nach. Irgendetwas beim Gedanken an diese Nähe störte mich. Lag es daran, dass schon seit Ewigkeiten niemand direkt neben mir geschlafen hatte? Ja, das war es höchstwahrscheinlich oder zumindest redete ich mir das ein. Dennoch vibrierte mein Herz unruhig, als ich die Bettdecke zurückschlug und mich neben ihn legte, auch weil ich überrascht feststellte, dass mein bester Freund halbnackt schlief. Was ich zuvor nicht gewusst hatte.
Trotzdem gab es kein Zurück mehr und auch wenn ich versuchte, so viel Abstand wie möglich zwischen uns zu bringen, so wanderten meine Augen immer automatisch zu ihm. Und das nicht etwa zum Gesicht, sondern über seinen nackten Oberkörper. Maximilian hatte einen sehr hellen Teint, sodass man ihn beinahe für einen Engel halten konnte, was auch seinen blonden lockigen Haaren geschuldet war. Mein Blick saugte sich regelrecht fest, vor allem an den rosigen Brustwarzen und an den erotisch schmalen Hüften.
Was um alles in der Welt denkst du da?
Eine flammende Röte schoss in meine Wangen, was in der Dunkelheit zum Glück niemand sah. Ich schluckte, konnte mich jedoch nicht abwenden.
»Laurent?« Maximilian schien sich wieder beruhigt zu haben und seine Stimme holte mich in die Wirklichkeit zurück, was meine Verlegenheit jedoch noch mehr wachsen ließ.
Was sollte ich ihm antworten? Ich hatte doch selbst keine Erklärung für meine Gefühle. So etwas hatte ich noch nie zuvor gespürt, schon gar nicht bei einem anderen Jungen. Es verwirrte mich und ich konnte nicht anders als den Kopf zu schütteln. Sekundenlang schauten wir uns nur an und ich hatte plötzlich das Gefühl, mich in seinen Augen zu verlieren. Warum um alles in der Welt hatte ich es nicht eher bemerkt? Bevor ich nur einen vernünftigen Gedanken fassen konnte, legte ich meine Lippen auf seine und ignorierte die Tatsache, dass er sich augenblicklich versteifte. Auch seine Augen weiteten sich, was ich jedoch nicht mitbekam. Sekundenlang dauerte der Kontakt und ich ließ ihn erst los, als er zu zappeln anfing.
»Was soll das? Lass mich sofort los«, schrie er mich mehr oder weniger an und erst dann begann ich zu realisieren, was ich gerade getan hatte.
Mein bester Freund zitterte am ganzen Körper und beim Anblick seiner geballten Fäuste wurde mir klar, dass ich von Glück reden konnte, wenn er mir nicht sofort eine Ohrfeige gab. Mein Atem ging schneller und mein Gefühl schwankte zwischen Freude, denn sein Geschmack war sehr köstlich gewesen, und Schock. Was hatte ich nur getan? Über Sekunden hinweg lähmte uns die Stille, weder er noch ich sprachen ein Wort. Schließlich legte Maximilian sich zu meiner Erleichterung wieder hin, ohne mich zu schlagen.
»Tue das nie wieder, hast du verstanden?« Seine Stimme klang schneidend wie ein Messer und erschreckend fremd.
Meine Lippen bebten, als ich die Abscheu in seinem Blick erkannte, und ich wollte etwas sagen, mich entschuldigen. Doch meine Kehle war wie zugeschnürt, stattdessen legte ich mich auf die andere Seite und versank in unruhigen Träumen, geboren aus dem, was soeben passiert war, aber auch von der schwarzen Gestalt, für die ich noch immer keine Erklärung hatte.
Es war das letzte Mal, dass ich Maximilian sah. Am nächsten Tag verließ er unser Anwesen, ohne sich mit der gewohnten Herzlichkeit zu verabschieden. In diesem Moment wusste ich, unsere Freundschaft war am Ende und ich allein trug die Schuld. Aber es sollte noch viel schlimmer kommen. Wir sprachen tagelang kein Wort mehr miteinander und erst durch Zufall erfuhr ich, dass Maximilian mit seinen Eltern weggezogen war und keinen Kontakt mehr zu mir wünschte. Ich akzeptierte es mit Tränen in den Augen, nur der Schmerz über diesen Verlust blieb monatelang.
Was aus Maximilian geworden ist, kann ich nicht sagen. Zwar habe ich, nachdem der Sturm, welcher kurze Zeit später unser Anwesen heimsuchen sollte, sich gelegt hatte, versucht, ihn zu finden. Doch leider ohne Erfolg – vielleicht ist es auch besser so. Seit damals ist eine Menge passiert und ich bin beileibe nicht mehr derselbe. Wer weiß, vermutlich hätte er sogar Angst vor mir, weil ich ihm in jener schicksalhaften Nacht ein wenig zu nahe kam. Im Nachhinein kann ich auch nicht mehr sagen, was zu diesem Zeitpunkt in mich gefahren war. Wirklich nicht. Jedoch war Maximilian nicht der einzige Verlust, den es für mich noch zu verkraften galt … beileibe nicht.
Obwohl ich gemäß dem Versprechen zwischen meinem besten Freund und mir kein Wort über jene schicksalhafte Nacht verlor, schmerzte das Ende unserer Freundschaft bis ins Mark. Schließlich hatten wir uns von Kindesbeinen an gekannt und waren mehr oder weniger immer zusammen gewesen. Außerdem war Maximilian einer der wenigen Menschen, der mir ohne Vorurteil bezüglich unserer Familie entgegentrat. Denn auch wenn ich es meinen Eltern nie offensichtlich gezeigt habe, um sie nicht zu verletzen, belastete es mich schon sehr. Aber was sollte es? Es gab kein Gegenmittel, so sehr ich es mir bis zu einem gewissen Grad auch wünschte. Unsere Familie war nun einmal alt und geheimnisvoll, daran ließ sich nichts ändern.
Die Schuldgefühle bezüglich dieses Vorfalls verdrängte ich mehr oder weniger erfolgreich. Zumindest, wenn ich nicht alleine war. Zwar hatte ich das eine oder andere Mal das Gefühl, dass meine Mutter mich durchdringend, fragend anschaute, aber wirklich gebohrt hat sie nie. Ich war schon immer ein Mensch, welcher erst dann über etwas redete, wenn ihm danach war, und keine Sekunde früher. In mich zu dringen, hatte wenig Sinn und führte dazu, dass ich erst recht mauerte oder wütend wurde.
Aber nachts, wenn es dunkel wurde und ich alleine für mich war, kamen die Erinnerungen zurück. Nicht nur an das Zerwürfnis, sondern auch an jenes seltsame Gefühl, welches mich in diesen Augenblicken durchströmt hatte. Natürlich hatte ich eine vage Ahnung, was es sein konnte, schließlich war ich trotz allem nicht weltfremd. Aber war es tatsächlich möglich?