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Das sechste Buch der grossen kenyanischen Familien-Saga, erzählt vor dem Hintergrund wahrer geschichtlicher Begebenheiten. William Shrimes kam 1939 nach Kenya, hatte kaum Geld, aber einen Traum. Er wollte einen Bauernhof aufbauen. In mühevoller Kleinarbeit hat er es geschafft, die Shrimes-Farm entstand. Es war ein beschwerlicher Weg, auf dem er gegen Rassenschranken gekämpft hat, genauso wie gegen die Mau-Mau-Bedrohung, Krankheiten, Dürre, Heuschreckenplagen und zahlreichen mehr. Er hat Freunde und Feinde zu Grabe getragen, seine Frau, seine Tochter. Sein 89. Geburtstag steht bevor und er stellt bei einem Rückblick auf sein Leben fest, wie wenig sich im Land, der Republic Kenya, verändert hat. Seine Familie ist zwar mangelhaft vereint, aber es brodelt unter der Oberfläche gleichwohl wie in dem Staat, den er lieben gelernt hat. Nun stehen 2013 die Wahlen vor der Tür. Bringen die eine Wende in die Nation? Es ist Kritik der gegenwärtigen Gesellschaft und Projektion in die Zukunft.
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Seitenzahl: 1114
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Angelika Friedemann
Kenyas neue Hoffnung
Buriani
Impressum
Copyright: © 2023. ISBN: 9783752685299. Alle Rechte am Werk liegen bei Kevin Friedemann, Herrengasse 20, Meinisberg/ch
Das Werk einschließlich aller Inhalte ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder Reproduktion (auch auszugsweise) in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie oder anderes Verfahren) sowie die Einspeicherung, Verarbeitung, Vervielfältigung und Verbreitung mithilfe elektronischer Systeme jeglicher Art, gesamt oder auszugsweise, ist ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung untersagt. Alle Übersetzungsrechte vorbehalten.
Autor: Angelika Friedemann [email protected]
Picture-Source: piqs.de., Photografer: Sabmojo79, Title:Sonnenaufgang
Milima haikutani,
lakini binadamu hukutana.
Berg und Tal kommen nicht zusammen,
aber Menschen.
*
Das Jahr 2011 begann auf der Shrimes-Farm mit viel Arbeit. Es hatte einige unerwartete Regenschauer gegeben und die lösten eine rege Betriebsamkeit bei allen Bewohnern aus. Der Boden musste gelockert werden, damit das kostbare Nass nicht ungenutzt in den schmalen Gräben von der Sonne vernichtet wurde. Alle, selbst William, waren von morgens bis abends auf den Beinen gewesen, hatten die trockene, feste Erde gehackt, Unkraut entfernt. Das wiederum führte zu heftigen Auseinandersetzungen mit James, seinem Sohn, der vom ersten Morgengrauen bis zum Einbruch der Dunkelheit ohne Pause mitarbeitete. Er forderte: Er solle das gefälligst sein lassen, sich nur um die Leute kümmern, damit die alle arbeiteten. Das hätte man alles bereits vor Wochen erledigen müssen, schimpfte er weiter. Die faulen Kerle machten alles stets, wenn es fast zu spät ist. William lacht darüber; im Stillen, war er sehr stolz auf seinen mwana. Die Shrimes-Farm war bei ihm einmal in guten Händen.
Die leeren Wasserbehälter hatten die jungen Frauen aus dem Dorf gesäubert, um jeden Tropfen einzufangen. Sie stellten Eimer und sonstige Gefäße draußen auf, umso viel wie möglich von dem Wasser für den Haushalt aufzufangen. Man konnte nie voraussagen, wann der nächste Regen kam. Regenwasser zu ergattern, war immer noch das Wichtigste im Land. Man durfte keine Tröpfchen verschwenden, so Williams Motto. Daran hatte sich in über siebzig Jahren nichts verändert.
William schlenderte vom Grab seiner Frau Richtung Haus, da erkannte er in der Ferne eine riesige Staubwolke. Er schüttelte den Kopf, als er den Jeep seines Enkels gewahrte. Wazimu dachte er.
Schwerfällig stieg er die vier Treppenstufen zu der Veranda, die das Haus an drei Seiten umschloss, hinauf, und betrat kurze Zeit später das Wohnzimmer. Dort waren die Familie und einige Freunde versammelt. Er holte einen Kaffee in der Küche, setzte sich, da wurde bereits die Tür aufgerissen und Erik polterte herein, grüßte alle.
„Man klopft an. Bist du nur bozi?“, meckerte William. „Wie kann man dermaßen angerast kommen, die Tiere aufscheuchen, Menschen und Tiere mit einer Staubwolke zudecken? Lernst du nie denken?“
„Die blöden Viecher sind ja wohl unwichtig. Es ist eben trocken.“
„Unwichtig sind bei dir dope alle, außer Doctor Erik Shrimes. Das sagt ein Tierarzt. Da waren vier kranke watoto und die Schwester draußen.“
„Babu, reg dich ab“, erwiderte der aufgebracht, gab seiner Frau einen Kuss.
„Sei vorsichtig, du einfältiger Bengel, wie du mit mir redest. Verschwinde, da ich keine Lust habe, mich drei Tage mit dir dope herumzuärgern.“
„Richtig Mzee, schick den Angeber zum Teufel“, amüsierte sich Keith. „Den will generell niemand sehen.“
„Wo sind Lara und Gerret?“, lenkte Erik ab.
„Drüben, sie schlafen bei Kinjija, da dort Kindertreffen ist.“
„Wussten sie nicht, dass ich komme?“
„Sicher, nur deswegen werden sie nicht ihre Freunde vernachlässigen. Erik, das interessiert sie nicht. Du bist ein Fremder für sie. Du siehst sie ja morgen.“
Sabrina und Jonas traten herein und Erik bemerkte, wie sie das Gesicht verzog. Blöde Kizee dachte er.
„Babu, es sind Drillinge. Niedlich und alle putzmunter.“
„Da wird sich Elimu freuen. Früher hätte man sie getötet, weil ein Thahu über der shamba liegt.“
„Der Mondomogo war trotzdem in der Nähe und hat vertrieben. Klärte er vorher mit dem stolzen Babu. Zwei Jungen und ein Mädchen. Kihiga William, Elimu James und die kleine Wanjiru Eve. Du siehst Babu, die Wazee werden geehrt. Morgen darfst du sie besuchen. Elimu und Talibm kommen später herüber“, erzählte Jonas.
„Nun besitzt er genug Enkelkinder. Die arme Wangari hat alle Hände voll zu tun, mit drei watoto. Eure watoto sind bei Kinjija und schlafen dort. Nina fragte mich neulich, ob euer Baby bald kommt.“
„Fragt sie jede Woche“, lachte Jonas. „Das dauert ihr zu lange. Gerret klärte sie neulich auf, dass Babys stets lange auf sich warten lassen. Mädchen kommen früher, weil ihnen das gewisse kleine Stückchen fehlt. Kimani fing mit X- und Y-Chromosomen an. Da stellt Siri fest, dass sie weder ein X noch ein Y irgendwo hat.“
Alle lachten schallend, nur Erik nicht.
„Ihr bekommt Nachwuchs?“, erkundigte er sich und jeder sah ihm an, wie wenig erfreut er darüber war.
„Der verblödete Mischling und seine Niggerhure erwarten Nachwuchs und das Baby, mein ach so netter Schwager, wirst du nicht töten, sonst verschwindest du für dreißig Jahre im Gefängnis. Obwohl solange lebst du nicht, da sie dich vorher killen. Derjenige wird wahrscheinlich reichlich von einer gewissen Familie belohnt werden. Würde ich Geld benötigen, wäre ich sofort Anwärter auf den Job. Soll ich in Kibera verkünden, wer die kleine Smith vergewaltigte, und die Welt ist um einen Schwerverbrecher ärmer. Millionen Schwarze jubeln.“ Jonas Kuoma schaute Erik dabei dermaßen böse an, dass der rasch die Lider senkte.
William hingegen dachte an seinen lange verstorbenen Freund Karega. Der hatte, wenn er wütend war, den gleichen Blick, wie sein Enkel heute gehabt. Karega hätte Erik und einige andere Personen schon vor Jahren zu den fisi geschafft und keiner hätte ihn vermisst.
„Alle Essen kommen!“, rief Charlotte, Williams Schwägerin.
„Karanja und Joyce fehlen noch.“
„Babu, ich schaue nach, wo sie bleiben. Sie sind sonst immer pünkt…“
Jonas Handy klingelte und er sprang auf. „Bin sofort da.“
„Nyala, James, kommt bitte mit. Sie haben David gefunden. Was er hat, wissen sie nicht“, eilte er hinaus.
William erhob sich. „Jenny, sage bitte in der Küche Bescheid.“
Alle hasteten hinterher, nur Erik, seine Frau Janina, seine Schwiegermutter, James Frau Kathy, Jennifer, Keith Frau blieben sitzen. „Ein Zirkus“, stöhnte diese.
„Diese Wogs sind zum Laufen zu blöde“, stellte Janina fest.
Einige Männer aus dem Dorf trugen David gerade auf einem Brett ins hospitali.
„Was ist passiert?“
„Keine Ahnung! Wir wollten zu euch, da haben wir etwas gesehen und fanden ihn ohnmächtig. Es ist nichts zu sehen“, berichtete Karanja Kuoma.
Nyala und Jonas schickten alle weg, schlossen die Tür.
Nach einer Weile kamen sie heraus.
„Was ist los?“, erkundigte sich William besorgt.
„Babu, alles in Ordnung. Er ist mit dem Kopf anscheinend gegen den Baum geknallt, hat sich das Sprunggelenk gebrochen, eine Wunde und Beule am Kopf. Morgen darf er rüber. Diese Nacht bleibt er hier. Ich gehe später nochmals nachsehen. Wir sollen ein bia für ihn mittrinken.“
Sie verließen gemeinsam das Hospital.
„Müssen wir morgen prüfen, was dort für ein Loch ist.“
„Er wird einige Zeit nicht laufen können.“
„Schluss mit Krankheiten. Seit sechs Uhr höre ich nichts anderes“ Nyala Okawana jetzt. „Heute streike ich.“
„Du bekommst dafür ein Glas Wein.“
„William, du bist mein Traummann“, hängte sie sich an seinen Arm.
„Richard, du bist abgemeldet“, Jonas lästernd.
„Sie stand immer auf den Mzee. Suche ich mir eine 20-jährige Bibi.“
„Dann kastriere ich dich“, Nyala gespielt empört.
William öffnete die Tür. „Ich denke, du bleibst bei mir?“
„Deswegen muss Richard sich kein Kind zulegen.“
„Wer nimmt was? Wie geht es David?“, erkundigte sich Charlotte.
„Er darf einige Wochen faulenzen, sonst gut. William und Nyala sind das neue Traumpaar und Richard sucht eine 20-jährige Bibi.“
„Hapana, ich nehme mir Charlotte. Sie kann gut kochen, sieht lecker aus und nervt nicht. William, ich habe die besseren Karten. Du weißt nicht, auf was du dich da einlässt.“
Erik schaute zu seinem Babu, der Nyala um die Schulter gefasst hielt. „Wollt ihr euch scheiden lassen?“
„Sicher!“, Nyala ernsthaft. „Wir sind seit Jahren ein Paar. Ich werde William heiraten und sein Erbe in zehn Jahren kassieren. Du gehst leer aus.“
„Setzt euch, sonst verschmort alles“, schmunzelte Charlotte.
Richard ging zu Charlotte, dreht sie im Kreis. „Komm her, holde Bibi. Kommst du mit in meine thingira?“
„Du hast keine“, James lachend.
„Wie, keine thingira? Bau eine, sonst keine neue Bibi“, Charlotte nun. „Wie viele Ziegen bin ich dir wert?“
„Frauen sind alle sooo materiell eingestellt“, Mweze Nteke nun, rollte dabei seine großen schwarzen Augen, worauf alle lachten, ihm Maisha, seine bibi, in die Seite boxte.
Später saß man im Wohnzimmer zusammen.
„Meint ihr, dass die Unabhängigkeit im Sudan störungsfrei über die Bühne geht?“
„John, ich denke ndiyo, nur danach gehen die Probleme los. Die Republik Süd Sudan verfügt über reichliche Ölvorkommen, die derzeit über den Norden des Landes exportiert werden. Nach der Unabhängigkeit ist der Norden Sudans Ausland, und der neue Staat wird seine Abhängigkeit vom Norden verringern wollen. Die Chinesen planen eine Pipeline, die vom Süden Sudans Ölgebieten bis zur kenyanischen Insel Lamu im Indischen Ozean reicht.“
„Ausgerechnet Lamu.“
„Unsere Regierung will Lamu in den zweitgrößten Hafen des Landes verwandeln. Mombasa ist überfüllt, weil sich dort bereits die Im- und Exporte Ostafrikas stauen. Nach Lamu soll Öl nicht nur aus Süd Sudan strömen, sondern zudem aus Uganda. Eine Raffinerie ist ebenfalls in Planung. Äthiopien ist an Lamu interessiert, weil es selbst keinen Zugang zum Meer hat.“
„Das arme Lamu, die schönen weißen Strände. Ich finde das fürchterlich.“
„Nyala nicht nur du. Lamu ist bei den Touris sehr beliebt. Gerade weil es dort keine Autos gibt, nur die Esel allerorts herumlatschen, verkörpert es ein gewisses Flair. Die dortige Küste steht auf der UNESCO-Liste der geschützten Gebiete. Mit einer Raffinerie kannst du das vergessen. Tauchgebiet – kwa heri.“
„Dabei ist es dort herrlich. Die Fischschwärme zu bestimmten Jahreszeiten, einmalig. John, bevor das passiert, fahren wir alle noch mal zum Tauchen hin“, Keith Kuoma.
„Machen wir eine Woche Urlaub. Dan und Jasmin ziehen bestimmt mit. Am besten im März, da Dan und Jasmin sowieso hier sind.“
„Ndogo, kannst du tauchen?“, erkundigte sich Erik erstaunt.
„Seit 15 Jahren tauchen wir vier Paare regelmäßig. Hapana, Amy war nie dabei. Seit 2003 fahren wir kontinuierlich zweimal jährlich mit Johns Dhau hinaus. Wir haben irgendwo geankert, unser Essen selbst gefangen. Spaß pur. Wir waren schwimmen, tauchen, haben unsere Bibi ins Wasser geworfen, wenn die zu frech wurden, haben auf dem Schiff herumgesessen, abends bei einem Glas Wein die Sonne untergehen sehen“, schwärmte Ndogo Nteke.
„Der Fischreichtum ist umwerfend. Mantas, Walhaie, Delfine und Schildkröten. Das Riff bietet eine einmalige, reichhaltige Abwechslung an Fischen, Korallen, Kleinlebewesen. Es gibt Marlin, Segelfische, Wahoos, Doraden, Gelbflossen-Thunfische, Barrakudas, Königsfische, verschiedene Arten von Haien“, fügte seine Frau Karubi hinzu.
„Tauchen würde ich gern mal probieren.“
„Jenny, kannst du bei John lernen, da er Tauchlehrer ist. Lernt man sehr schnell und es ist traumhaft. Keith bringt dir den Rest bei.“
„Duuu kannst tauchen?“, fragte Erik seine Schwester, die ihn jedoch ignorierte.
„Hört auf, sonst will ich los“, Karubi jetzt. „Unser Vize ist begeistert von der Idee. Das Projekt würde den ganzen Norden von Kenya erschließen, der bisher vernachlässigt wurde.“
James und William schauten sich verstehend an. In James brodelte es dabei. Er hasste diese verlogenen Heuchler. Er musterte Karubi, fragte sich zum wiederholten Male, was wusste sie? Gehörte sie auch dazu? Inwieweit war sie involviert, deckte Ndogo.
„Musyoka spinnt. Der schielt nach dem Präsidentenposten. Wird er nur nie bekommen.“
„William, warum nicht?“, erkundigte sich Keith Frau Jennifer. „Wäre ein junger Präsident.“
„Doctor Kalonzo Stephen Musyoka wurde 1953 in Tseikuru, ein kleines Dorf in der Ostprovinz geboren. Studierte erst an der Uni in Nairobi und folgend am Institut für das Management in Zypern. Musyoka trat erstmals 1983 im Kitui-Nordwahlkreis für einen parlamentarischen Sitz an. Verlor! 1985 bekam er den Sitz. 1986 wurde er zum stellvertretenden Arbeitsminister ernannt. Er wurde in den parlamentarischen Wahlen 1988 wiedergewählt. Er war der Nationale organisierende Sekretär der KANU von 1988 bis 1998, Außenminister von 1993 bis 1998. 1997 wurde er im Mwingi-Nordwahlkreis gewählt. 2002 verließ er die KANU, wechselte zur LDP. Im Konflikt um die Nominierung von Uhuru Kenyatta als Nachfolger von Moi schloss er sich dem Oppositionsbündnis der NARC an, die Kibaki als Präsidentschaftskandidaten aufstellten. Unter Kibaki wurde er wiederum Außenminister. Die ersten Koalitionsquerelen hatten 2004 eine Kabinettsumbildung zur Folge, bei der ihm das weniger einflussreiche Ministerium für Umwelt und Bodenschätze übertragen wurde. August 2004 wurde er von seiner Position als Vorsitzender der sudanesischen und somalischen Friedensgespräche entlassen und durch John Koech ersetzt. Nach dem Verfassungsreferendum 2005 verlor er sein Regierungsamt, da er gegen die neue Verfassung eintrat. Er wirkte folgend am Aufbau des ODM mit, die sich vor der Wahl 2007 spaltete. Musyoka führte die ODM-Kenya, die kleinere der beiden aus der Spaltung hervorgegangenen Gruppierungen und wurde von den Mitgliedern zum Präsidentschaftskandidaten nominiert. Er erhielt knapp 10 Prozent der Stimmen. Seine Partei gewann bei den Parlamentswahlen 15 Sitze, darunter 13 der insgesamt 17 Sitze des Kamba-Landes, was die ODM-K zu einer wichtigen Regionalpartei machte. Seine Beziehung zu seinem ehemaligen Gefährten Raila Odinga, der Präsidentschaftskandidat war, gab damals zu vielen Spekulationen Anlass. Ein Teil der ODM unterstützte Raila, die anderen Musyoka. Intern hieß es, Raila hätte wesentlich weniger ODM-Stimmen erhalten, als Musyoka. Gemäß offiziellen Ergebnissen lag er hinter Kibaki und Odinga auf Platz drei. Kibaki ernannte ihn 2008 zum Vizepräsidenten und Innenminister. 2010 unterstützte Musyoka plötzlich die Draftverfassung, obwohl viele behaupten, das wäre nur Show, um nicht ins Abseits zu geraten. Es heißt, er gleiche einer Wassermelone, außen grün und innen rot. Nun strebt er erneut das Präsidentenamt an. Wird er nie“, amüsierte sich William. „Keine klare Linie, wankelmütig, kann sich nicht wirklich durchsetzen.
„Musyoka ist Eigentümer der Hotelanlage Mwingi Hotel Cottage in Mwingi. Der Kalonzo-Musyoka-Foundation ist eine nicht parteiische, gemeinnützige Organisation, die von Partnern und Unterstützern gefördert wird. Ziel soll es sein, eine Verbesserung der Lebensqualität, weniger Armut, Förderung der Gesundheitsfürsorge, von kulturellen Werten, Menschenrechten und Demokratie. Momentan geht er gegen Raila vor. Viele sind der Meinung, dass bei uns der Wahlkampf 2012 bereits im vollen Gange ist und da sind die beiden eben- Konkurrenten. Wie Baba gerade sagte, wird er nie.“
„James, gegen Odinga gehen viele vor, weil dieser dope nur Mist labert. Uhuru wetterte in Nyeri gegen ihn, berichtete von seiner Beteiligung bei dem Staatsstreich 1982, von seinen lukrativen Parteienwechsel und wie wankelmütig Odinga sei. Er habe nur eins im Sinn und das wäre Präsident zu werden. Wahrheiten!“
„Meine Bibi war dabei, hörte sich Uhurus Rede an“, Jonas nun.
„Raila dreht völlig ab. Er betitelt einige Minister als Alkoholiker, Rauschgiftsüchtige und Diebe. Musyoka fragte, ob unserem Premier die politischen Ideen ausgingen, dass er dermaßen beleidigend agieren müsse und man sollte Raila dafür massiv zurechtweisen. Raila geht augenblicklich gegen jeden vor, der eventuell kandidieren möchte. William Ruto, sein nächstes Opfer. Da tönte er, es ist unglaublich, dass diejenigen, die gegen das Ergebnis der Präsidentenwahl protestierten, dieselben Leute sind, die wegen der Aufforderung zur Gewalt 2008 im Land angeklagt und nach Den Haag gebracht würden. Kenya würde sich ähnlich, wie die Elfenbeinküste entwickeln. Seine Gegner wären Anti-Reformierte mit einer sehr zweifelhaften Geschichte. Man sollte sie hinter Schloss und Riegel bringen und ihnen nicht gestatten, das Land zu regieren. Andere konterten, der Premier solle lieber selber irgendwelche Entwicklungen und Reformen entwerfen oder vorweisen. Er wäre fast drei Jahre im Amt, aber er hätte, außer Reden zu schwingen, nichts getan, geschweige Reformen auf den Weg gebracht. Raila tobte, die KKK-Verbindung, Kikuyu-Kalenjin-Kamba, seien für ihn gewiss keine Bedrohung oder für sein zukünftiges Amt als Präsident. Ruto kritisiert wiederum einen Tag später Raila, dass er die Autorität der gewählten Führer untergrabe. Raila nun, er ließe sich nicht von Alkoholikern, Dieben und Rauschgiftsüchtigen etwas sagen. Es folgte Beschwerde gegen Raila vor der National Cohesion and Integration Commission. Ruto gab bekannt, das Uhuru, Kalonzo und er, eine gemeinsame Präsidentennominierung anstrebten. Raila sei nur ein intoleranter Diktator. Diejenigen, die das Idol in der ODM nicht anbeten, würden entweder vom Kabinett, den parlamentarischen Ausschüssen entfernt oder mit der Suspendierung und Ausweisung bedroht. Das ist für uns unannehmbar, Ruto weiter: Wakituletea kisirani tunaweza enda hiyo ODM. Kwani iko nini.“
„Raila, der dope, merkt nicht einmal, dass er sich widerspricht. Er sagte damit indirekt, das Uhuru nie Anlass hatte, zur Gewalt aufzurufen.“
„Nyala, erwartest du ernsthaft, dass er denkt? Er latscht und lächelte bereits als Präsident durch die Gegend, winkt huldvoll. Der dope ist peinlich und abstoßend in seinem Machtstreben. Nun mischte sich Kibaki ein, verkündet, sie sollten sich gefälligst alle benehmen, einander respektieren. Tuache mambo ya kutukanana. Wengine wanaona eti ni wakubwa sana. Eltern sollten Vorbilder für ihre Kinder sein. Lassen sie uns sicherstellen, dass wir sie gut erziehen, dass sie nützliche Leute zur Gesellschaft werden. Danach verpasste Kibaki seinem Premier eine Breitseite, wegen der Geschichte mit dem Privatbesitz. Er befahl sicherzustellen, dass das ganze Land im Laikipia Gebiet für die Allgemeinheit eingeschrieben und für den öffentlichen Gebrauch sichergestellt wird.“
„Ein Zirkus. Die kommen wegen ihres Kinderkrams nicht dazu, überhaupt an irgendwelchen Problemen zu arbeiten. Es dreht sich nur um dieses Amt. Heute brauchen wir Medikamente, Impfstoffe und nicht 2012, wenn wir einen neuen Präsidenten bekommen. Hoffen wir, dass es nicht Raila wird, sonst geht alles den Bach hinunter“, stellte Ndogo fest.
„Jetzt beginnt wenigstens die Erneuerung der Eisenbahn zwischen Mombasa und Kampala. 164 Millionen US-Dollar soll das Projekt kosten. Rift Valley Railways bringt zusätzliche 82 Millionen Dollar auf, um das erforderliche Investitionsprogramm zu verwirklichen.“
„Damit wollten sie bereits 2006 beginnen, oder?“, erkundigte sich Charlotte.
„Nun hetz sie nicht so. Das gab ein ewiges Hin und Her mit den Anteilseignern.“
„Das Marktpotenzial für einen funktionierenden, kostenmäßig wettbewerbsfähigen Schienenfrachtverkehr in der Region ist immens, wenn man bedenkt, dass bisher bis zu 90 Prozent des Güterverkehrs noch auf der Straße abgewickelt werden. Hinzu kommt die zukünftig verstärkte wirtschaftliche Anbindung des neuen Staates Süd Sudan an die Küste als Umschlagplatz für den Außenhandel, falls die Teilung auf Dauer ohne Querelen, Bürgerkrieg über die Bühne geht. Die Ugander erhoffen sich von dem neuen System vor allem einen Rückgang der Frachtverluste durch Umleitungen und Betrügereien auf dem langen Weg aus unserem Hafen. Die Betreiber der Anlagen in Tororo bauen nach Informationen darüber hinaus in Mombasa eine neue Abfertigungsanlage für Waren mit Kosten von 50 Millionen Dollar.“
„Warten wir ab, wann das fertig wird.“
„Nyala, das denken viele. Habt ihr gelesen, was die Amis von unseren Politikern halten? Mir erzählte Dan davon und ich habe das bei Wikileaks durchgelesen.“
„Richard zeigte es mir und es gefiel mir.“
„Raila schäumte sicher deswegen vor Wut.“
„Schade, dass er keinen Infarkt bekommen hat“, erklärte John lakonisch. Er war einer der wenigen Weißen außer den Shrimes in der Runde. Er war seit Jahren mit Jane, Keith Schwester, verheiratet.
„Bei uns in der Botschaft herrscht seitdem das absolute Chaos“, stöhnte Janina, Eriks Frau.
„Ach mein armes Kind“, Kathy sofort, was ihr einen eher ungehaltenen Blick von James einbrachte.
„Kibaki bezeichnen sie als Mann mit guter Gesundheit und das er alles fest unter Kontrolle habe. Raila hingegen sei ein pragmatischer Politiker, der nur das Präsidentenamt im Sinn habe, den das Land oder Reformen wenig interessieren. Ist korrekt.“
„Keith, dafür lyncht dich Odinga. Ranneberger bezeichnet Kibaki als engagiert. Er habe sich mit Kibaki getroffen und der hätte sich offen zu den Problemen des Landes geäußert. Er kritisierte, Kibaki würde die Reformen nicht weit genug vorantreiben. Die neue Verfassung gehe nicht weit genug, hätte drastischer ausfallen müssen. In den Jahren, seit er Präsident sei, habe es keinen Wandel gegen die Korruption gegeben. Kibaki und Odinga seien sich einig, dass sie keine Schritte in Bezug auf das Netz der Bestechung unternehmen wollten, sobald die Interessen ihrer Familien und Partner darin verwickelt seien. In dieser Beziehung hat jede Seite wahrscheinlich viel belastende Informationen, um den anderen damit zu nötigen, die Klappe zu halten.“
„Unseren Vize charakterisieren sie als einen politischen Opportunisten. Gemäß Ranneberger wusste Kalonzo, das er keine Chance hatte, die Präsidentschaft 2007 zu gewinnen, wollte sich aber aus strategischen Gründen präsentieren, im Hinblick auf die Wahl 2012. Ungeachtet das sich Musyoka als einen spät berufenen Christen mit reinsten politischen Absichten hinstellt, sehen Beobachter ihn größtenteils als einen Ehrgeizling, der sich in Erster Linie für das Vorrücken seiner politischen Bestrebungen interessiere, schrieb Ranneberger. Obwohl Musyoka zungenfertig wirkt, betrachten einige ihn als einen intellektuellen Leichtgewichtler. Die Berichte sagen weiter, Kalonzo hätte Bush aufgefordert, er solle dafür sorgen, dass Kibaki aus gesundheitlichen Gründen zurücktreten solle. Er wäre an dessen Stelle gerückt. Kalonzo baute darauf, dass er von der Unterstützung profitiere, die vorher Kibaki hatte, basierend auf die traditionellen nahen Bande zwischen Kikuyu und Kamba. Kalonzo habe geäußert, besser Kibaki als Raila als Präsident. Er behauptete, Uhuru würde ihn bei der Wahl 2012 unterstützen, da die Mehrheit der Kenyaner niemals nach einem Kikuyu-Präsidenten, ergo Kibaki, sofort einem anderen Kikuyu, folglich Uhuru, wählen würden. Ranneberger äußerte weiter, Kalonzo habe sich auf eine Litanei von Beschwerden über Kibaki und Odinga konzentriert. Kindereien“, William kopfschüttelnd.
„Raila bekommt ebenfalls sein Fett weg. Raila als Präsident würde zu Instabilität führen. Raila würde unter dem Einfluss des Sozialismus stehen, den er in der damaligen DDR kennengelernt habe. Ein Sieg Railas wäre eine Revolution, und zwar im negativen Sinne. Keine Handlungen gegen die Bestechung, keine Verbesserung in Sozialeinrichtungen und auf allen anderen Gebieten.“
„Kalonzo spinnt. Er will sich Uhuru ins Boot holen, damit er Präsident wird. Nie wird er das.“
„Abwarten, du darfst dabei nicht Den Haag vergessen. Über Uhuru haben sie ebenfalls berichtet. Wenn sich Uhuru Kenyatta dafür entscheidet, die Präsidentschaft zu verfolgen, hätte er viele Befürworter. Uhuru sei hell, charmant, sogar charismatisch, enorm wohlhabend und hätte sich deshalb nie mit Bestechung beschäftigt. Ranneberger stellte fest, Uhurus Reichtum ist das Erbe von den Bestechungen seitens seines Vaters. Die Familie Kenyatta habe einen speziellen Status in Kenya. Er würde zu viel trinken und wäre kein Arbeitstier, obwohl er jeden durch die Scharfsinnigkeit über das Budgets überraschte, das sich wie verlautet aus zäher Arbeit im Laufe langer Stunden ergab. Die Berichte behaupten, das Uhuru früher mit der Mungiki-Sekte verbunden gewesen sei. Das wäre der Grund, das, wie man annimmt, Kenyatta auf der Waki-Kommissionsliste von verdächtigten Tätern der Gewalttaten von 2008 stehe. Uhuru kann veränderliche politische Dynamik in das Präsidentenamt bringen, zumal sie wahrgenommen haben, wie der derzeitige Premier, kraftlos, unfähig oder unangenehm, nicht jedoch effektiv regiert. Demgegenüber sei Kenyatta der Mann, der die Reform stark vorantreiben könnte. Uhuru kann zudem auf die Unterstützung der nationalen Jugendbewegung zählen.“
„Der arme Ranneberger. Nun gehen sie alle auf ihn los.“
„Ist normal, wenn die Botschafter Dossiers über die führende Politikerclique eines Landes erstellen. Ich weiß nicht, warum sich da einige aufregen? Blöd ist nur, dass das jemand verkauft hat und man überall nachlesen kann, was sie alle für dope sind, egal ob Politiker aus Afrika, Europa, Asien, vom Mond.“
„Was schreiben sie denn über die vom Mond, Nyala?“
„Sabrina, das ist nicht für Männerohren bestimmt. Erzähle ich dir später.“
Alle lachten.
„Versau mir meine Bibi nicht. Diese ehemaligen Mungiki-Anhänger haben ja mehr oder weniger Uhuru entlastet. Sie bestritten, dass ihr damaliger Führer Maina Njenga oder die Mungiki angeheuert wurden, für Randale zu sorgen. Weiter hieß es, die Mungiki als Gruppe seien völlig gegen einen PNU-Gewinn gewesen, außerdem habe Maina zu jener Zeit im Gefängnis gesessen. Mit den Aussagen von Wagacha und Ndung sind eigentlich die drei von der PNU raus.“
„Raila wird sofort sagen, gelogen, sie hat Kenyatta dafür bezahlt. Denk an die drei Polisi, bei der Wahl. Sie sind nur vor Ort, um die Wahlen in Eldoret vorzubereiten, und wurden gelyncht. Hinterher hieß es, die Männer wären von der Regierung gewesen, hätten für Manipulationen sorgen wollen. Wazimu! Raila wusste stets, nur er und seine Kumpanen haben Ansprüche auf das Amt von Kibaki. Ansonsten würde sie für eine Feuersbrunst im Land sorgen. Ich weiß, ich werde die Wahl überlegen gewinnen und folgend beginnt ein neues Zeitalter für Kenya. Sollte man mir den Sieg stehlen, wird unser Land brennen. Ich bin Kenyas neuer Präsident, tönt er permanent. Sein Stern war da bereits stetig im Sinken. Kibaki lag klar vor, falls die Zahlen richtig waren. Das Kenya brannte, haben wir alle miterlebt. Raila präsentierte rasch die Schuldigen: Kibaki, Kenyatta und alle, die ihm nicht zu Füßen lagen, ihn kritisierten. Nur ob er sich den Präsidentenstuhl 2012 sichert, ist fraglich.“
„Babu, Raila hat nichts, was ihn dafür tauglich macht. Er fördert keine gute Regierungsgewalt durch die Einigkeit und Majoritätsteilnahme auf eine offene und durchsichtige Weise. Das setzt Verfügbarkeit und ein verantwortliches System voraus, das Bestechung, Urteilsvermögen, Nepotismus und andere soziale Ungerechtigkeiten beseitigt. Bei ihm Fehlanzeige. Es müssen Gesundheitsfürsorge-Programme her, die eine Verbesserung im Gesundheitswesen reformieren sowie die Befürwortung für die Verhinderung und Bekämpfung der Armut, Gesundheitssicherheit, Gemeinschaftsentwicklung, Förderung zur Ausbildung von qualifizierten Arbeitskräften. Stabilisierung und Verbesserung der Wasser- und Energieversorgung, aber in erster Linie müssen sie dafür sorgen, dass die Nahrungs- und Trinkwasserversorgung gewährleistet ist. Saitotis Blumenfarm bekommt genug Wasser, aber die Menschen und deren Vieh verdursten. Odinga hat null Programme, was nur einen dieser Punkte betrifft. Der quatscht Mist daher, lobt sich kontinuierlich selbst, weil er der Größte ist und 2012 Präsident wird.“
„John, das sieht Raila anders. Dieser dope wird kandidieren. Er kann und weiß alles. Auf keinem Kontinent betrügen die politischen Führer ihre Wähler so oft und schamlos, um ihre Stimme zu erhalten, wie in Afrika. Jüngstes Beispiel ist die Elfenbeinküste. Da weigert sich Noch-Präsident Laurent Gbagbo, seinen Posten in Abidjan zu räumen, obwohl die United Nations, die African und die European Union ihn als klaren Verlierer der jüngsten Wahlen sehen. Zu Konzessionen wie sein Amtskollege Robert Mugabe ist Gbagbo nicht bereit. Simbabwes Präsident hatte die Wahlen 2008 manipuliert, nach internationalem Druck nahm er die Opposition immerhin in eine Regierung der nationalen Einheit auf und entschärfte so den Konflikt. Der äthiopische Premier Zenawi und der ruandische Präsident Paul Kagame dagegen blieben nach unfreien Wahlen im Frühjahr und Sommer unangefochten auf dem Stuhl kleben. Sie hatten es verstanden, die Opposition vorher wirkungsvoll einzuschüchtern. Der nächste Konflikt ist im Februar zu erwarten. Wahlen in Uganda. Dort herrscht seit 1986 Museveni zunehmend autokratisch. Er trickst im Vorfeld bei den Wahlbenachrichtigungen, damit er, wie die Opposition argwöhnt, seine Parteigänger ungehindert mehrmals an die Urnen schicken kann. Es müsste generell verboten sein, dass ein Präsident oder Regierungschef länger als zehn Jahre an der Macht ist. Würden sich viele Probleme von allein erledigen.“
„Babu, denkst du, das Saitoti eine Chance hat?“
„Hapana, Jane! George Saitoti setzt sich für Ökonomie ein, besonders was seine eigene Blumen-Farm betrifft. Tausende Liter Trinkwasser werden da vergeudet. Die Menschen, die dort arbeiten, kennen dagegen Durst und dreckiges Trinkwasser aus den Flüssen. Er wird null Chancen haben, außer Uhuru und Ruto hat Odinga bis dahin aus dem Verkehr gezogen. Das wird er mithilfe von Annan und Ocampo schaffen. Sollte wieder erwarten Uhuru da noch frei sein, er gewinnen, nimmt das Raila nie hin. Er wird sofort dagegen vorgehen und findet abermals einige dope, die ihm endlich den Titel Präsident zuschustern. Nur bevor Saitoti zu groß wird, fällt Odinga da gewiss etwas ein. Saitoti ist ein helles Köpfchen, nur eher unscheinbar, eine graue Eminenz. Als Minister für innere Sicherheit eher eine Niete. Die Hintermänner von prominenten Mordfällen, die Drogenhändler, alle blieben unbehelligt. Siehe die Entführung der diversen Touristen. Ihm fehlt das gewisse Etwas, was die Menschen berührt, daneben ist er zu sehr an seinem eigenen Profit interessiert. Saitoti zählt zu den reichsten Immobilienbesitzern Kenyas. Er war ganz dick in dem Goldenberg-Skandal involviert. Trotz Anklage musste er sich aber nie wirklich vor Gericht verantworten. 2006 wurde er durch einen mehr als anrüchigen Richterentscheid von den Verdächtigungen entlastet. Viele munkeln, diese Kandidatur sei nur erfolgt, weil er so zu mehr Einfluss kommt, damit man ihn nicht noch juristisch belangt. Nun wenden sich unsere Politiker ja einem extrem wichtigen Problem zu, unserer Sprache.“
„Mzee, meine Bibi und ich haben uns gefragt, ob sie spinnen. Gerade die haben es nötig, dagegen etwas zu sagen. In unserem Vielvölkerstaat werden außer den Amtssprachen mehr als 40 Sprachen gesprochen. Vor allem Eltern der aufstrebenden Mittelschicht und der Oberen legen Wert darauf, dass ihre Kinder vom Kindergartenalter an Englisch sprechen. Kisuaheli halten sie dagegen für weniger wichtig, da es außerhalb Ostafrikas wenig Nutzen für den Nachwuchs hat, der nach den Wünschen der Eltern in den USA oder Großbritannien studieren soll.“
„Kitula Kingei von der Kenyatta-Universität in Nairobi gibt vor allem der Slangsprache Sheng Schuld am Niedergang von Kisuaheli, das neben Englisch unsere Amtssprache ist. Sheng, vor allem in den städtischen Ballungszentren beliebt, vermischt beide Sprachen. Angesichts des als cool geltenden Sheng werde reines Kisuaheli immer mehr aus dem Alltag verdrängt, klagte Kingei: Die meisten Schüler benutzen Kisuaheli nur noch, wenn es auf dem Stundenplan steht. In Tanzania sei es umgekehrt, da würden immer mehr Kisuaheli sprechen und das Englisch vernachlässigen.“
„Ndiyo, wir sprechen nur Kikuyu und Suaheli, und wenn unsere watoto irgendwo eventuell studieren wollen, kommen sie damit sehr weit. Haben die keine anderen Sorgen? Ich könnte ihnen da einen Katalog vorlegen, was es allein im hospitali zu bemängeln gibt, was permanent fehlt.“
„Sei ehrlich, rafiki yangu, du willst eine Woche nicht operieren, sondern nur schreiben“, Jonas grinsend.
„Meinst du, eine Woche reicht?“
„Demnächst kommt eine Lieferung von Alessandro für euch. Ich habe oben Bescheid gesagt, damit ihr es in Nairobi abholen könnt und es keine Probleme gibt“, William nun.
„Asante Babu. Wenn wir dich nicht hätten, sähe es wesentlicher katastrophaler aus.“
„Falsch Jonas, wir haben Raila, der lächelt. Ist lustig, Kinder zu sehen, die jämmerlich sterben, weil es keine Medikamente gibt. Sie haben wieder ein Elefantenkind gefunden?“, wandte sich Ndogo an Keith.
„Ndiyo. Naipoki heißt sie und ist bei den Sheldricks. Sie soll schätzungsweise drei Monate alt sein. Welche meiner ehemaligen Kollegen haben sie in einem der Wasserbohrlöcher entdeckt. Eine Unsitte! Sie graben irgendwo ein Loch, um an Wasser zu kommen. Die Kleinen tapsen prompt hinein. Diesmal hatten Raubtiere bereits an dem Rüssel geknabbert. Die Ranger haben sie zum Sheldrick-Wildlife geschafft. Dort wird man sie in den nächsten Monaten aufziehen. Sie soll ansonsten gesund und kräftig sein. Das passiert ständig. Nun gehen die Ranger hin und schaufeln die Löcher zu. Die Menschen fluchen, nur was sollen sie sonst machen?“
„Keith, man kann sie leider zu gut verstehen. Wie geht es mit deinem Projekt vorwärts?“, erkundigte sich John.
William und James schauten sich an.
„Mithilfe der C-14-Isotopen-Methode lässt sich die Herkunft der Elefanten ziemlich genau bestimmen, nur das hält die Wilderer nicht davon ab, weiter ihrem dreckigen Geschäft nachzugehen. Sie haben im Meru-Nationalpark welche in flagrant erwischt. Die Patrouille hörte Schüsse und sie suchen. Dort stießen sie auf eine Gruppe, die gerade dabei waren, mit Macheten die Stoßzähne aus einem Elefantenbullen zu hacken. Die Wilderer eröffneten sofort das Feuer, im Kugelhagel wurde einer dieser Verbrecher erschossen. Für Wildhüter wird der Kampf gegen Wilderer immer gefährlicher. Der illegale Elfenbeinhandel ist mafiaähnlich organisiert. In einigen Regionen in Zentralafrika ziehen gut ausgerüstete Banden mit Schnellfeuerwaffen und Walkie-Talkie für einige Tage durch die Schutzgebiete, laden die Beute auf einen Pick-up und flüchten. Oft handelt es sich um Auftragsarbeiten im Dienste von Kartellen, die das Elfenbein in Schiffscontainern mit doppelten Böden nach Asien schmuggeln. Die mit Abstand meisten Käufer sitzen in Japan und China, wo Elfenbeinschnitzereien begehrt sind und Elfenbeinpulver traditionellen Medikamenten und Kosmetika beigemischt werden. Bis zu 400 Tonnen Elfenbein, die Stoßzähne von 10.000 Elefanten, werden Schätzungen zufolge jährlich auf dem Schwarzmarkt verkauft, sagte einer vom WWF. Damit soll bald Schluss sein. Mithilfe einer C-14-Isotopen-Methode lässt sich die Herkunft der Elefanten ziemlich genau bestimmen. Der WWF hat dieses Verfahren bei der UN-Elefantenschutz-Konferenz in Nairobi vorgestellt. 35 afrikanischen Staaten waren dort vertreten. Ich habe versucht, es ihnen zu erläutern. Resonanz vorhanden, fragt sich nur wie lange.“
„Was bedeutet das?“, erkundigte sich Erik mit hochgezogenen Augenbrauen, ignorierte den durchdringenden bösen Blick von Ndogo.
„Damit messen sie das Vorkommen bestimmter Isotopen, also Elementen mit unterschiedlicher Masse. Waldelefanten ernähren sich vorwiegend von Blättern, daher nimmt ihr Körper weniger Kohlenstoff-14 auf, als Elefanten in der Savanne, die vor allem Gras zu sich nehmen. Kann man allerdings an den Zähnen sehen. Wenn wir das für sechs Isotope machen und die Ergebnisse mit einer Referenzdatenbank abgleichen, wissen wir sofort, aus welcher Ecke Afrikas das Elfenbein stammt. Genau diese Referenzdatenbank soll in den kommenden Monaten erstellt werden, indem Proben in allen Staaten gesammelt werden, wo Elefanten leben. Der WWF rechnet mit Widerstand. Manche Staaten, vor allem in Zentralafrika, lassen sich natürlich nicht gerne nachweisen, dass sie schlechten Artenschutz praktizieren, außerdem profitieren in manchen Ländern Politiker bis nach ganz oben vom illegalen Elfenbeinhandel.“
„Interessiert trotzdem keinen. Sie knallen die tembo weiter ab.“
„Erik, weil es solche dope wie dich gibt. Mit deiner Meinung können sie den KWS abschaffen. Du in diesem Job, eine Lachnummer, wenn es nicht so mies und gruselig wäre, neben einigem mehr“, John aufgebracht.
„Habt ihr gehört, die UN will eine Lieferung von 73 Millionen Präservativen entsenden, um die permanente Knappheit bei uns einzudämmen. 34 Millionen kommen demnächst in Mombasa an, der Rest wohl einen Monat später“, lenkte James rasch ab, bevor es eskalierte, da es in seinem Inneren bereits rumorte.
„Das ist ein Scherz, oder?“, lachte Jane.
„Hapana, Tatsachen. Unsere Gesundheitsministerin Mugo hat an die United Nations um Unterstützung gebeten. Sie beklagte die große Nachfrage und die Regierung habe versäumt, genug Ware zu beschaffen.“
„Ein riesiges Theater machen sie darum. Die UN ist schrecklich besorgt, dass die Folgen dieser Knappheit viele Babys bedeuten. Deswegen will man schnell handeln. Mugo äußerte weiter, die Bevölkerung wird durch die Medien über die Vorteile von empfängnisverhütenden Mitteln mehr aufgeklärt und daher habe sich die Nachfrage vergrößert. 42,4 Prozent unserer Bevölkerung benutzen bereits welche, Tendenz steigend.“
„Es hat ein Gutes, das die Gesamtfruchtbarkeit rückläufig ist. 1990 waren es 6.7, 2000 4.8 und 2010 3.7 Kinder, Tendenz sinkend. Heute stehen wir bei 2.4.“
John erhob sich. „Bibi, komm, wir müssen 0,4 Kinder machen.“
„Besonders 0,4 Kinder finde ich auch gut“, rief Keith lachend seinem Schwager hinterher, der in die Toilette verschwand.
„Die Probleme haben wir die nächsten Monate nicht und bis dahin bin ich sterilisiert.“
„Ndogo, du willst waaass?“
„Ich werde in drei Wochen sterilisiert. Wo ist das Problem? Wir wollen nicht mehr als drei Kinder und so ist das Thema erledigt.“
„Ihr bekommt Nachwuchs?“
„Erik, sieht man ja wohl.“
„Wieso willst du dich sterilisieren lassen?“
„Erik, du bist ein dope. Weil wir keinen Nachwuchs mehr wollen, logischerweise.“
„Ich meine, du als Mann? Das ist Weib…“
„Blödes Machogehabe, von wegen, ich bin kein Mann mehr. Frage Keith, Jonas, Steffen, Njoki, Wayne, Dan, Ian, Ken. Alle sind sterilisiert und sind trotzdem Männer, mehr als du, der nicht sterilisiert ist. Schlimmer wie ein Analphabet“ schüttelte Ndogo den Kopf. „Da sagt man immer, die Schwarzen würden nur dümmlich denken. Wie viele watoto willst du noch in die Welt setzen? Kümmern tust du dich um keins, zahlst nicht einmal.“
„Wenn Jonas sterilisiert ist, wie kann die Kizee … ich meine, sie ein Kind bekommen?“
„Haben wir demnach vorher gezeugt. Sag noch einmal Kizee und du darfst in Zukunft nur Brei essen.“
„Kinder, lasst es. Der Viehdoktor kapiert es nicht. Erik, hast du wirklich jemals versucht zu studieren? Ich glaub es nicht. Nur gelogen, wie der angebliche Doktortitel. Richard, gehen wir schlafen, sonst kann ich morgen nicht mit meinem zukünftigen Lover feiern“, lachte Nyala, gab William einen Kuss. Die anderen verabschiedeten sich ebenfalls.
James setzte sich auf die Veranda, rauchte in der kühlen Nachtluft eine Zigarette. War Erik dabei, eskalierte jedes gemütliche Zusammensein zum Streit. Warum konnte dieser Mann nie erst überlegen, bevor er dumm wie ein Kind daher plapperte? Damned! Er konnte dieses verlogene Gerede manchmal nicht mehr hören. Hier fielen sie über Erik her, dabei ... Wann würden Nassir und Moses das endlich beenden, damit man die Kerle für viele Jahre wegsperrte?
Die Tür öffnete sich und er schaute zu William hoch. In drei Tagen würde er 89, und wenn man ihn sah, wirkte er nicht älter, als Mitte 70. Gerade in den letzten Wochen schien es ihm besser zu gehen, hatte er den Eindruck gewonnen. Er strahlte eine gewisse Ruhe und Gelassenheit aus, hatte etwas zugenommen, trotz der Arbeit, von der man ihn, obgleich er meckerte, nie abhalten konnte.
„Was machst du hier? Ich dachte, du liegst bei deiner Bibi?“
„Muss nicht sein! Nassir hat mir Zeugnisse, Aussagen gesandt. Keith hat gelogen. Erik hat nie seine Doktorarbeit in München gestohlen. Er hat über zwei Jahre mit einem Professor an seiner Dissertation in London gearbeitet. Belegt! Aber jetzt möchte ich die nächtliche Stille genießen und die frische Luft. Man hört die Blätter rascheln, leise, vereinzelte Tierstimmen und irgendwie ist das für mich mehr Erholung, als vieles andere.“
„Das kenne ich. Man kann den Tag abschließen, lässt das Negative hinter sich, schaltet ab.“ William setzte sich, streckte die Beine lang aus. „Früher habe ich wie du gesessen, die Beine auf die Brüstung gelegt. Heute schaff ich das nicht mehr. Karega hat es immer amüsiert. Er fand, das sah komisch aus und bequem sei es sowieso nicht.“
„Ich konnte nie ewig auf den Fersen hocken wie sie. Irgendwie sind mir dabei ständig die Beine eingeschlafen.“
„Konnte ich auch nie. Es gibt eben einige Unterschiede.“
„Baba, ich denke, das sind die einzigen Kleinigkeiten, die ich eher lustig fand. Früher habe ich die beiden Männer immer darum beneidet, dass sie sich nie die Haare kämmen, nicht jeden Tag rasieren müssen. Sie waren generell morgens viel schneller fertig als ich.“
„Karega und Ndemi haben mich einmal überrascht, als ich mich im strömenden Regen vor dem Haus duschte. Sie stellten sich in die Tür, schauten mir eine Weile zu und waren der Meinung: Du machen alles verwirrt. Springen in Wasser, schwimmen hoch, schwimmen runter und sauber“, lachte William. „Es war merkwürdig. Sie haben viele Arbeiten nie vorher im Leben verrichtet, nicht einmal gesehen, wie man das macht oder welchen Nutzen das brachte, aber sie hatten oftmals die besseren Ideen. Beim Hausbau zum Beispiel. Sie stellten sich davor, betrachteten es eine Weile und es folgte ihr Lieblingsspruch, du machen alles verwirrt. Du musst das so oder so handhaben. Geht schneller und ist besser. Ich habe mich oftmals gefragt, woher sie das wussten. Sie hatten eine Idee, teilweise keine Ahnung, wie man das verwirklicht. Gerade Karega war da erstaunlich. Er sagte einmal, man müsste etwas haben, um den Wind, die Sonnenstrahlen einzufangen. Sie können Energie geben.“
„Das hat er an seine watoto vererbt. Kinjija, Adina, Njoki sind da ebenso. Absolute Naturtalente.“
„Ndiyo. Hatte Karega eine Idee, ließ er nicht locker, selbst wenn es utopisch für die damalige Zeit erschien. Er konnte stundenlang auf dem Boden sitzen und darüber tüfteln.“ William lachte abermals. „Er war gerade kurz verheiratet, da habe ich Wakiuru aus Nairobi Nagellack mitgebracht. Karega fand das schick, war total begeistert. Nur nach der Wäsche im Fluss und all den anderen Arbeiten war der Lack abgeplatzt. Das war etwas, was er scheußlich fand. Mir ging es später genauso. Sah ich bei einer Frau abgeplatzten Nagellack, war sie für mich abgehakt. Er kommt morgens zu mir und wusste, er will eine Maschine erfinden, die die Wäsche wäscht und auswringt. Auswringen war leicht, weil ich das von daheim kannte, waschen, ohne die Hände zu benutzen - schwieriger. Auf jeden Fall führte er ein, dass man Wäsche in heißes Wasser tauchte. Die ersten Versuche waren katastrophal. Die Farben wurden herausgewaschen, weil das Wasser zu heiß war. Die Frauen tobten. Wakiuru musste weiter probieren, bis sie die richtige Temperatur fand. Allein durch das warme Wasser wurden die Sachen sauberer als durch die Bearbeitung im Fluss. Man musste das mit einem Holzstück nur wenden. Karega meinte dann, reibt Seife darein. Der Nagellack hielt wesentlich länger. Sie benötigten weniger Zeit, Muskelkraft. Es waren oftmals solche Kleinigkeiten, die ihr Leben vereinfachten.“
„Manchmal habe ich mir gewünscht, zu deiner Zeit gelebt zu haben. Sicher, es war essenziell anstrengender, aber ich hatte den Eindruck dafür schöner. Irgendwie etwas völlig Neues aufzubauen, das schwebte mir vor. Heute ist das mehr eine Frage des Geldes, als wie bei dir der Ideen, der Knochenarbeit. Einen Plan, einen Traum verwirklichen, wenn du kein Geld hast, ist fast unmöglich. Selbst Land zu kaufen ist ein teurer Spaß. Eve und ich hörten von dieser Windmühle, die Strom erzeugt, und wir konnten uns das nicht real vorstellen. Sie haben uns das stundenlang erklärt. Eve bestellte die und wir konnten es nicht erwarten, nach Hause zu fahren, weil wir wissen wollten, ob das wirklich funktioniert. Heute kaufst du eine Maschine und da ist nichts Interessantes mehr dabei. Sie funktioniert eben, wenn nicht, gibst du den Schrott zurück. Es ist nicht diese Vorfreude vorhanden. Man bemerkt deswegen keine gravierende Veränderung der allgemeinen Lebensumstände, so wie damals. Mir macht es Spaß, wenn ich bei Waiyaki bin und mit ihnen beraten kann, wie man mehr Wasser auf die Felder bekommt.“
„Du wärst ein guter Farmer geworden.“
„Wollte ich eigentlich immer werden, nur ich war eben dämlich. Ich habe es viele Jahre bereut. Ich wollte viel von dir lernen, mit dir zusammenarbeiten. Mein Leben habe ich mir früher völlig anders vorgestellt. Einige Jahre Safaris, mir Kenya ansehen, anschließend zu dir ziehen, mir ein Haus bauen, eine Bibi suchen und drei, vier watoto bekommen. Abends mit Karanja, Mweze, dir ein bia trinken, den Tag ausklingen lassen. Daneben gemütliche Wochenenden mit Freunden, der Familie, ab und zu auf die Jagd gehen. So sah meine ursprüngliche Lebensplanung aus. Durch meine blöde Sturheit kam es anders. Baba, das tut mir leid, weil ich damit dein Leben verdorben habe. Dabei habe ich dich immer lieb gehabt, dich bewundert, zu dir aufgeschaut. Du warst mein Vorbild, mein Idol und nicht nur mein Dad. Ich habe mich oftmals gefragt, wie würde das Baba finden? Würde er dies oder jenes anders machen? Gesagt hätte ich dir das nie, weil ich dazu viel zu stur war. Darüber habe ich nur mit Winston geredet.“
„Ich war trotz unserer Differenzen immer sehr stolz auf meinen mwana. Du hast viel erreicht. Du bist deinen Weg gegangen. Bei Sabrina hast du bereits Erfolge erzielt, und wenn ihr einmal Hand in Hand arbeiten solltet, wird das Verhältnis enger werden. Deine Enkelkinder lieben dich, weil sie dich kennen, wie du wirklich bist. Nur deine Wutanfälle solltest du besser unter Kontrolle bringen.“
„Mehr durch unsere Gespräche, vermute ich. Meine Altlasten habe ich zum großen Teil abgestreift und dadurch kann ich freier leben. Ich kann zu meinen Fehlern stehen. Irgendwie fühle ich mich dadurch wie befreit, erleichtert. Mir gefällt es, wenn ich mich unbekümmert mit dir unterhalten kann. Gerade diese Gespräche haben mir gefehlt. Umso mehr genieße ich es heute. Elimu nannte es einmal Nachholbedarf und daran ist etwas Wahres. Für mich gibt es nichts Schöneres, als den Tag mit dir zu verbringen, Baba.“
„Auch ich habe jeden Tag mit dir genossen. James, lebe dein Leben so, wie du es immer wolltest. Je älter man wird, umso schneller vergeht die Zeit. Du warst immer der Sohn, den ich mir gewünscht habe, trotz aller Differenzen. Nun solltest du nur noch dein Privatleben neu einrichten.“
„Du weißt es?“
„Ich bin nicht blind. Sie hat uns beide getäuscht. Trenne dich dieses Mal schneller. Du hast nicht noch einmal dreißig Jahre Zeit. James, du musst mit John reden, ihm sagen, was diese Gangster planen. Sie werden diese Tauchferien dafür nutzen.“
„Ich weiß Baba. Morgen werde ich mit ihm darüber sprechen, wenn wir kanga schießen gehen. Da ist keiner der Kerle dabei.“
„Gehen wir schlafen, mwana yangu. Ninakupenda sana.“
James erhob sich ebenfalls, umarmte William. „Lala Manama, Baba. Mimi ni jivunia sana kwa sababu wewe u Baba. Ninakupenda sana.“
*
James trat am frühen Morgen aus dem Haus und erblickte seinen Dad, der gerade langsam den Hügel hinabspazierte. Der alte Hund rannte vor ihm her, schien sich zu freuen. Er fragte sich: Wo wollte sein Baba hin?
Sie hatten gestern im großen Rahmen dessen 89. Geburtstag gefeiert und sein Dad sollte eigentlich schlafen. Er folgte ihm geschwind. Er konnte später die Erde in den Gräben lockern.
Am Gatter blieb William stehen, schaute zu den Rindern.
„Weißt du, als Ndemi am letzten Tag seinen Rundgang machte, hatte er einen Freund dabei. Ich wäre gern vor ihm gegangen. Hier haben meine ersten Rinder gegrast. Betty, das kleine Kalb. Damit begann es. Sie waren der Start zur Shrimes-Farm, der Anfang zu meinem Geld.“ William zündete eine Zigarette an, während er seinen Blick über das Land schweifen ließ.
Alles sah grün, frisch aus. Der Regen hatte den Staub von den Pflanzen gewaschen. Die Büsche, Bäume hatten neue Blätter bekommen. Die Wiesen strotzen vor neuem frischem Gras. Die Rinder fraßen sich satt. Es war nur wenig Nass heruntergekommen, zu wenig, aber für kurze Zeit sahen weite Gebiete wie grüne Oasen aus.
„Ich habe nur das Beste für dich, Eve, die Dorfbewohner gewollt. Leider habe ich vieles falsch gemacht. Nur eins habe ich geschafft, dass es vielen Menschen auf der anderen Seite des Flusses gut geht, besser als vielen anderen in diesem Land.“
„Baba, du hast bei mir oder Eve nichts falsch gemacht. Ich habe wesentlich mehr Fehler in meinem Leben fabriziert, besonders dir gegenüber. Weißt du, als ich damals in Europa war, habe ich mir genau diesen Blick immer vorgestellt. Ich saß gedanklich auf dem Gatter und schaute zum Kirinyaga hinüber. Manchmal habe ich mir eingebildet, du würdest neben mir stehen und ich habe mit dir geredet.“
„Ich habe mir gewünscht, dass wir nicht im Streit auseinandergegangen wären. Bevor du gefahren bist, wollte ich dir sagen, wie gern ich dich habe.“
„Baba, das wollte ich dir auch sagen, aber ich war zu stur. Du hast mir gefehlt. Du hast mir eigentlich immer gefehlt, wenn wir uns längere Zeit nicht gesehen haben. Ich wollte mit dir oft reden, dir von meinen Plänen, meinen Träumen erzählen. Nur es gab erneut Streit. Ich habe vieles falsch gemacht und das habe ich häufig bereut.“
„Ist gut, mein Junge. Wir haben beide Fehler gemacht, besonders weil wir uns so ähnlich sind. Sturköpfe nannte es Eve.“
„Weißt du noch, wie wir geschimpft haben, also sie uns mittags einsperrte?“, lachte James. „Sie quatschte ganz entspannt mit Sakina und Nyala, amüsiert sich noch darüber. Trotzdem war ihre Idee super.“
„An dem Tag fand ich das nicht“, musste auch William lachen. „Erst als wir geredet haben, war ich ihr dankbar dafür. Sie hat abends zu mir gesagt, hätte ich schon vor zehn Jahren machen müssen. Verlorene Zeit. Sie hatte wie meistens recht. Ndemi hat gesagt, man soll mit frohen Herzen aus der Welt scheiden und sich nicht mit den Problemen der Hinterbliebenen beschäftigen. Die müssen ihre Aufgaben ohne uns erfüllen. Wir haben viel und schwer gearbeitet, haben Geld für sie gescheffelt, trotzdem dabei ein ehrliches Leben geführt. Unsere watoto sind gut gelungen, wenn es bei einigen auch länger dauerte, bis sie erwachsen wurden. Du hast deinen mwana zu sehr verwöhnt, genauso wie Erik. Heute lacht dich Erik aus, bezeichnet dich als dumm und versucht, dich zu hintergehen. Er ist nur hinter deinem Geld her und dafür geht dieser Versager über Leichen. Versprich mir etwas, rafiki langu. Schütze die Menschen, denen du ein Teil deines Geldes und Besitzes vererbst, besonders James. Erfahren Erik und Julie, dass sie nichts bekommen, werden sie diese Menschen nach und nach töten, oder zumindest erpressen, wie sie es mit deiner Enkelin jahrelang getan haben. Sie haben alles Menschliche abgestreift, sind schlimmer wie die bösartigsten Raubtiere. Erfährt Erik jemals, dass sein Dad gegen ihn arbeitet, Winstons und Steves Mörder sucht, zögert der keine Sekunde und tötet James. Mweze und Karanja müssen allein für ihre und die Sicherheit ihrer Familie sorgen. Ich habe mit ihnen gesprochen. Karegas Enkel, Urenkel, meine Enkel, Urenkel sollen leben. Du musst für James, deine Enkel, Urenkel sorgen, damit man sie nicht aus Habgier und Hass tötet. Er hatte recht und ich habe dafür gesorgt, dass diese Menschen geschützt werden. Vergreift sich einer an diesen Personen, ist Schluss. James, dann kann ich auch auf dich, Nassir oder Moses keine Rücksicht mehr nehmen. Es dauert bereits zu lange. Winston musste dafür sein Leben lassen, danach Steve. Die Zukunft der Shrimes-Farm, des Dorfes liegt trotz allem in deinen Händen. Ich weiß, dass ich dir vertrauen kann, immer konnte. Du wirst damit viel Arbeit, Ärger bekommen.“
„Woher wusste es Ndemi?“
„Ist das wichtig? Wir wussten es und das reichte. Ndemi ahnte allerdings nie, wie weit seine Nachkommen in all das verstrickt sind. Als njamas wären ihre Köpfe dafür gerollt, auch wenn sie ihn dafür eingesperrt hätten. Pass auf dich auf, das war für ihn und mich immer das Primäre. Ich hatte stets Angst, dass du einmal vor mir gehen würdest. Schließe Frieden mit Karanja und Mweze. Jahrzehntelang verband euch Freundschaft. Ich weiß, wie wichtig Freundschaft immer war. Ich weiß, wie sehr man es bereut, wenn man Meinungsverschiedenheit nicht beseitigt, auch wenn es nie wieder die Freundschaft wie einst sein wird. Verlorene Zeit kann man nicht aufholen.“
„Maji yenye kumwagika, hayakuwa kuzoleka.“
„Ndiyo! Ich möchte noch einmal alles sehen. Frühstückt ohne mich.“
James spazierte zurück, fragte sich: Was war heute mit seinem Dad los? Er dachte an seinen Tod und das verursachte ein Gefühl der Kälte in ihm. Sollte er mit ihm gehen, ihn begleiten? Hapana, wusste er, sein Baba würde das ablehnen. Nachdenklich ging er zum Haus.
William hingegen lief langsam am Zaun entlang, vor seinen Augen zogen Episoden aus dem langen Leben vorbei. Es waren schöne, teilweise lustige Begebenheiten.
Er überquerte die schmale Holzbrücke, die in das Dorf führte. Als er das erste Mal in die Hüttenansammlung gegangen war, existierte nur ein schmaler Baumstamm, den er damals unsicher und langsam entlang balanciert war. Er blieb in der Mitte stehen, schaute auf den Fluss. Er hatte immer beobachtet, wie viel Wasser er führte, da viele Jahrzehnte ihre Ernten davon abhängig waren. Sein Blick wanderte weiter zu dem Ndemi-Nteke-hospitali, dass durch den dichten Bewuchs ringsherum, kaum zu erkennen war. Ein flacher, weiß getünchter Bau. Nicht sehr groß, aber ausreichend. Gitongo, der Gärtner, hatte dort ein wahres Blumenparadies geschaffen. Es hätte Eve gefallen, hatte er damals zu ihm gesagt. Die üppigen Jacarandabüsche bekamen die ersten Knospen. Kleinere wild wachsende Blumen streckten bunt ihre Blütenkelche der Sonne entgegen. Er erinnerte sich an den ersten Tag auf diesem Stück Land und seinen ersten Besuch im Dorf.
Runde Hütten mit strohgedeckten Dächern. Hühner gackerten, Ziegen meckerten, Schafe blökten, ein Hahn krähte irgendwo. Sie folgten einer weiteren Biegung, vorbei an einem hohen Dornengebüsch und leise Stimmen waren zu hören.
Wenig später erstarb jedes Geräusch in dem Dorf. Alle starrten zu William und Karega. Die Frauen wichen zurück, die Kinder glotzten ihn mit großen Kulleraugen an. Ein großer, dunkelbrauner Hund rannte laut bellend auf sie zu und ein älterer Mann stand auf. In schneller Folge sprach er mit Karega, der antwortete, dabei auf William deutete. Der stand nur lächelnd da, verstand kein Wort. Merkwürdig war, dass er keinerlei Angst verspürte. Er zählte an die dreißig Hütten, aber hinten schienen mehr zu stehen. Acht Männer waren zu sehen. Im Alter von vielleicht dreißig bis sechzig, nur genau konnte er das nicht abschätzen. Viele Frauen, junge und alte. Alle trugen nur ein buntes Tuch um die Hüften, manche hatten einen Turban aus buntem Stoff auf dem Kopf. Viele Kinder, unterschiedlichen Alters spielten und rannten nackt herum, starrten ihn kurz an. Einige junge Männer, die vielleicht sein Alter hatten, trugen ein Stück Stoff auf einer Schulter verknotet, das oberhalb der Knie endete. Manche hatten sogar Perlenketten um Arme und den Hals geschlungen. Alle waren barfuß.
Damals wusste er nicht, dass die meisten Dorfbewohner zum ersten Mal einen Weißen, einen mzungu, sahen.
Karega wandte sich an ihn und sprach mit ihm, so konnte er sich nicht weiter umsehen. Er verstand nur Kihiga, Mzee. Er verbeugte sich leicht. „Jambo, Mzee! Jina langu William. Ninaelewa kidogo. Nina Land nunua na ninataka shamba … bauen.“
Der Mann blickte ihn eine Weile an, lächelte etwas und redete schnell auf ihn ein. Karega zog ihn am Arm mit und sie folgten dem Mann, der zu den Dorfbewohnern sprach. Wieder verstand er nur wenige Wörter. Anscheinend erklärte er ihnen, dass der mzungu bleiben wollte.
Erst viel später hatte er erfahren, was Kidogo wirklich sagte: Dieser Junge ist ein Spinner. Er will drüben eine shamba aufbauen. Wazimu.
Der Mann hatte geendet, da rief William abermals „jambo!“, was ihm ein Lächeln der anderen einbrachte. Sie scheinen sehr freundlich zu sein, dachte er ein wenig beruhigt. „Ninaelewa kidogo“, fügte er an.
Ein großer junger Mann schlenderte auf ihn zu, taxierte ihn. Der ältere Mann sprach mit ihm und William verstand nur, dass es sein Sohn war. Verstohlen betrachtete er ihn. Er war fast so groß wie er, einen Kopf größer als sein Dad oder Karega, breitschultrig, sehr muskulös. Er hatte ein nettes Gesicht, fast rund, mit krausen schwarzen Haaren und runden, schwarzen Augen. Einen Mund ohne diese wulstigen Lippen, die er oft bei Schwarzen gesehen hatte und genau wie Karega strahlend weiße Zähne. Just in dem Moment fiel ihm ein, dass er heute keine Zähne putzte. Das Auftauchen von Karega hatte ihn aus seinem gewohnten Trott gebracht. Später! Er trug Shorts, lief barfuß.
Der junge Mann blickte ihn an, grinsend, denn er hatte die Musterung wohl wahrgenommen. „Jina langu Ndemi. Ich spreche ein wenig deine Sprache, da ich in der shule war. Das ist mein Abuu und der Dorfälteste. Er heißt Kihiga. Setz dich!“
„Ich freue mich, euch kennenzulernen. Ich verstehe eure Sprache nicht gut.“ Er ließ sich im Schneidersitz nieder, schaute kurz zu den anderen Männern, die alle irgendwie komisch auf den Fersen hockten.
„Du musst langsamer sprechen, damit ich verstehen dich.“ Ndemi sprach abermals zu den Männern, anscheinend übersetzte er. Kihiga antwortete.
„Was machen du bei uns, möchte mein Abuu wissen?“
„Ich habe Land eh … nchi gekauft und möchte einen Zaun bauen, für mein Vieh und danach ein Haus. Ich werde bald auf meinem Land wohnen und wir werden Nachbarn sein.“
„Umenunua nini? Das nchi gehört meinen Wazee. Wie kannst du kaufen? Kwa sababu gani?“
William erhob sich und holte die Urkunde für den Landkauf aus seiner Hosentasche, dazu die Zeichnung, während Ndemi mit den Männern sprach.
„Siehst du, ich habe das Land in Nairobi gekauft, da steht es und da ist eine Zeichnung, wo ich mir das Gebiet aussuchen darf. Direkt am Fluss. Mimi ni mkulima!“
Ndemi nahm ihm das aus der Hand und studierte das Papier, danach die Zeichnung, drehte sie mehrmals. Wiederholt sprach er mit seinem Vater, der das Gesicht verzog, zuhörte. Ein anderer Mann warf Wörter dazwischen und erklärte Ndemi etwas, was zu einem weiteren Palaver unter den Männern führte. Er hatte gewartet und sich gefragt, was das bedeutete? Bekam er Ärger? War er an der falschen Stelle gelandet? Nein, das konnte nicht sein. Es war oberhalb von Nyeri, wo er Land gekauft hatte und der Mann hatte gesagt, dass da nur wenige Farmen seien, und die waren eingezeichnet. Abwarten, sagte er sich.
William schmunzelte, als er das vor Augen sah. So hatte es angefangen. Viele Weiße hatten ihn damals für wazimu erklärt, weil er sich mit Schwarzen anfreundete, anstatt sie zur Arbeit anzutreiben, sie anzubrüllen, zu schlagen, wie sie es in mancher Hinsicht handhabten. Nur er war mit Freundschaft, gemeinsamen Plänen und Arbeiten weiter gekommen, als viele andere Mabwana.
Einige der kleineren Kinder rannten auf ihn zu und wie immer gab er ihnen einige Süßigkeiten, tätschelte ihre krausen, schwarzen Haare. Die älteren watoto waren in der shule. Er grüßte hier und da, unterhielt sich mit einigen Frauen. Es hatte sich nur wenig verändert. Die Hütten waren geblieben, der Platz unter den Baumkronen, wo die Männer saßen, ebenso. In der Ferne erblickte man jedoch die Neuerungen: Die Karega-Kuoma-shule, die Charly-children-shule, die eigentlich mehr eine Art Kindergarten war und nur vormittags kleinere watoto betreute. Die Eve-Shrimes-bustanini, die zwei größeren Häuser von Karanja und Mweze und weiter links, die kleineren flachen Häuser, in denen immer mehr Dorfbewohner wohnen wollten. Dahinter ein Bretterschuppen, in dem sie Autos und Maschinen reparierten, alles andere erledigte, wenn es draußen regnete.
Kaka kam angerannt und er tätschelte dessen Kopf, grinste, als er das Tuch um seinen Hals erblickte. Lara band ihm ständig irgendwelche Tücher um, weil das cool war.
„Mzee, setz dich zu uns“, rief ihm Elimu zu. „Der Regen kann kommen. Gestern haben wir die letzten Gräben und die letzten Äcker bearbeitet. Ich komme gerade von meinem Kontrollgang zurück. Wir wollen beratschlagen, wie viele Häuser wir bauen werden. Karanja hat die Zeichnungen fertig und das Gebiet ausgesucht, damit wir kein Ackerland opfern und nicht viele Leitungen verlegen müssen.“
„Hoffentlich kommt genug Regen herunter. Oben ist der große Tank leer und ich musste gestern umschalten. Wenigstens führt der Uaso genug Wasser.“ Mühsam setzte er sich zu den Männern, nahm dankend das Bier. Früher gab es pombe aus Tonbechern, heute bia aus Flaschen oder Dosen. Wobei er Dosenbier hasste. Warum? Er wusste es nicht, lehnte es strikt ab.
„Du siehst zufrieden, gut aus, Mzee. Ist etwas geschehen?“
„Hapana! Nimefurahi. Dein Onkel hat gesagt, ich lebe in der Erinnerung, bevor ich für immer kwa heri sage. Es ist schade, dass er mich nicht begleiten kann.“
Die Männer schauten ihn … ja … entsetzt an.
„Für jeden kommt der Tag und ich habe sehr viele wunderbare Jahrzehnte erlebt. Nicht viele Menschen werden so alt. Nun müssen Eve, Karega, Ndemi und all die lieben Freunde nicht mehr lange warten. Ich habe mein Tagwerk vollendet. Sabrina und Jonas lieben die Farm, das Land und werden es in das neue Kenya führen. So hoffe ich es. Wenn nicht, wird James eine Lösung finden, weil er niemals zulassen wird, dass wir alle umsonst gearbeitet haben. Ich kann Kihiga und Kidogo sagen, dass ihre Nachkommen, Verwandte und Freunde weiterführen, wie sie es gewollt, wofür ihre watoto schwer gearbeitet haben. Ich bin auf euch alle sehr, sehr stolz, weil ihr sehr viel geschaffen habt.“
Elimu schluckte. „Mzee, wir haben es durch dich geschafft. Ohne dich wären wir heute nicht so weit.“
„Ohne den Weitblick eurer Wazee wäre ich nie so weit gekommen, nicht ohne die tiefe Freundschaft zu Karega, Ndemi und vielen anderen. Das habt ihr allein bewerkstelligt und darauf könnt ihr stolz sein. Bewahrt euch diesen Stolz, weil der Kraft verleiht, etwas ungewöhnliches Großes zu vollbringen. Karega, Ndemi und ich hatten vor siebzig Jahren Visionen. Manchmal haben wir selber darüber gelacht, was wir planten, was wir erreichen wollten. Heute sind diese Visionen alle verwirklicht worden, weil wir uns nie von unseren Träumen verabschieden wollten, weil wir zu stolz waren, aufzugeben. Wir ließen uns nie von Krankheiten, Trockenzeiten, Überschwemmungen, Missernten, verendeten Herden entmutigen. Es war für uns eine Herausforderung, abermals kleiner neu anzufangen.“
„Mzee, du bist vom Wesen her mehr Kikuyu wie mzungu. Das Gute an dir war immer, dass du Geduld mit uns hattest und uns all die Neuerungen beibringen konntest. Ohne dich, unsere Wazee, wären wir heute nicht ein reiches Dorf. Ngai wird das anerkennen und dich bei sich aufnehmen. Wir werden dich, unsere Wazee nie vergessen, weil wir durch euch genug Nahrung für uns alle haben, weil wir unsere watoto in die shule schicken können, einen Daktari haben und viel mehr. Du lebst in James, Gerret, weiter. Wir haben unsere Wazee geehrt. Dich werden wir nie vergessen und ehren. Du bist einer von uns, selbst wenn deine Haut ein wenig heller als unsere ist. Schwarze Haut, weiße Haut, ist unwichtig, der Mensch zählt, hat mein Babu gesagt und so steht es in der shule für alle Zeiten festgeschrieben.“
„Ndiyo, so sollte es sein, wenn es viele nie begreifen werden. Elimu, vertrau meinem mwana, so wie es Ndemi bis zu seinem letzten Tag getan hat. Er will nur das Beste für alle Menschen, die hier leben. Bald werdet ihr erfahren, warum er in den letzten Jahren oftmals so handeln musste, er nie eine Wahl hatte. Heri adui mwerevu kuliko rafiki mpumbavu. Magineti moset ne kagoeet kolany ketit.” Mühselig erhob er sich. „Lazima niseme asante! Kwa heri.“
Die Männer erhoben sich, umarmten ihn und William war gerührt, da er die Betroffenheit spürte.
Er zündete die nächste Zigarette an, während er zum Haus von Karanja schlenderte. Er wollte seine Tränen der Rührung damit vertreiben.