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In diesen warmherzigen Romanen der beliebten, erfolgreichen Sophienlust-Serie wird die von allen bewunderte Denise Schoenecker als Leiterin des Kinderheims noch weiter in den Mittelpunkt gerückt. Neben den alltäglichen Sorgen nimmt sie sich etwa des Schicksals eines blinden Pianisten an, dem geholfen werden muss. Sie hilft in unermüdlichem Einsatz Scheidungskindern, die sich nach Liebe sehnen und selbst fatale Fehler begangen haben. Dann wieder benötigen junge Mütter, die den Kontakt zu ihren Kindern verloren haben, dringend Unterstützung. Denise ist überall im Einsatz, wobei die Fälle langsam die Kräfte dieser großartigen Frau übersteigen. Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Doch auf Denise ist Verlass. Der Sophienlust Bestseller darf als ein Höhepunkt dieser Erfolgsserie angesehen werden. Denise von Schoenecker ist eine Heldinnenfigur, die in diesen schönen Romanen so richtig zum Leben erwacht. »Fall nicht, Mirjam.« Joram Segal streckte fürsorglich die Hand aus, um seiner Freundin beim Abstieg zu helfen. Auf der Höhe des Hügels, zu der sie bereits am frühen Morgen aufgestiegen waren, standen die Reste eines alten Kastells. Stundenlang waren sie in den Ruinen herumgeklettert. Mirjam schüttelte den Kopf. »Meinst du wirklich, ich komme nicht von allein wieder hinunter?« Sie lachte. »Schließlich bin ich ja auch hinaufgekommen.« Mit einer Hand hielt sie sich an der Felswand fest. »Ich möchte nur nicht, daß du stürzt und mir nachher die Schuld in die Schuhe schiebst, wenn du dir die Knie aufgeschlagen hast«, meinte der junge Mann amüsiert. »Gib zu, du hast nur Angst, mich womöglich trösten zu müssen.« Mirjam kletterte über eine Erhebung. Sie richtete sich auf und blickte über die einer Mondlandschaft gleichende Wüste. »Ein herrliches Fleckchen Erde«, meinte sie. »Früher habe ich mir unter Wüste immer endlose Sanddünen vorgestellt, aber seit ich den Negev kenne, weiß ich, daß es auch noch eine andere Wüste gibt.« Joram wartete, bis Mirjam neben ihm stand. Er strich ihr zärtlich die blonden Haare aus der Stirn. »Kannst du dir vorstellen, mit mir im Negev zu leben, Liebling?«
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Seitenzahl: 146
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»Mutti, hier ist eine Eisdiele.« Henrik wollte über die Straße stürmen, doch Denise von Schoeneckers Hand hielt ihn gerade noch rechtzeitig fest. »Moment, mein Sohn. Wir sind doch in die Stadt hereingefahren, um Einkäufe zu machen. Wir wollten vor allem Geschenke kaufen. Zwei unserer Kinder haben nächste Woche Geburtstag.« Henrik seufzte laut und deutlich. »Du hast recht«, gestand er dann. Kurz fixierte er seine Schuhspitzen, dann hob er wieder entschlossen den Kopf und fragte: »Ich war doch brav, nicht wahr? Kein Wort habe ich gesprochen, als du deinen Besuch gemacht hast.« Seine grauen Augen forschten erwartungsvoll im Gesicht der Mutter. Denise von Schoenecker, die Verwalterin des Kinderheims Sophienlust, strich ihrem Jüngsten über den widerspenstigen Haarschopf. Sie lächelte. »Ich kann nicht sagen, daß du kein Wort gesprochen hast, aber du hast ausnahmsweise einmal nicht zuviel gesprochen.« Zuerst sah es so aus, als wollte sich das Gesicht des Neunjährigen beleidigt verziehen, doch dann besann sich der Junge eines Besseren. Er frohlockte: »Also, gib schon zu, daß ich brav war.« Denise nickte. »Und weißt du, was du mir versprochen hast, wenn ich mich gesittet benehme?« trumpfte Henrik auf.
»Fall nicht, Mirjam.« Joram Segal streckte fürsorglich die Hand aus, um seiner Freundin beim Abstieg zu helfen. Auf der Höhe des Hügels, zu der sie bereits am frühen Morgen aufgestiegen waren, standen die Reste eines alten Kastells. Stundenlang waren sie in den Ruinen herumgeklettert.
Mirjam schüttelte den Kopf. »Meinst du wirklich, ich komme nicht von allein wieder hinunter?« Sie lachte. »Schließlich bin ich ja auch hinaufgekommen.« Mit einer Hand hielt sie sich an der Felswand fest.
»Ich möchte nur nicht, daß du stürzt und mir nachher die Schuld in die Schuhe schiebst, wenn du dir die Knie aufgeschlagen hast«, meinte der junge Mann amüsiert.
»Gib zu, du hast nur Angst, mich womöglich trösten zu müssen.« Mirjam kletterte über eine Erhebung. Sie richtete sich auf und blickte über die einer Mondlandschaft gleichende Wüste. »Ein herrliches Fleckchen Erde«, meinte sie. »Früher habe ich mir unter Wüste immer endlose Sanddünen vorgestellt, aber seit ich den Negev kenne, weiß ich, daß es auch noch eine andere Wüste gibt.«
Joram wartete, bis Mirjam neben ihm stand. Er strich ihr zärtlich die blonden Haare aus der Stirn. »Kannst du dir vorstellen, mit mir im Negev zu leben, Liebling?« fragte er und legte den Arm um ihre Schultern.
»Ja.« Sie sah zu ihm auf.
»Dann werden wir im Herbst heiraten«, sagte Joram. Er legte seine Hände auf ihre Wangen. »Ich werde deinem kleinen Sohn ein guter Vater sein«, versprach er. »Du wirst nie bereuen, mir dein Jawort gegeben zu haben.«
»Ich bin unendlich glücklich«, flüsterte Mirjam. Leidenschaftlich schmiegte sie sich an ihn, als er sie küßte.
Am Fuß der Anhöhe gab es eine winzige Quelle. Sie legten ihre Rucksäcke in den Schatten der Felsen und machten sich daran, auf einem kleinen Lagerfeuer nach Art der Beduinen Tee zu kochen.
»Sag mal, war da nicht etwas?« fragte Mirjam. Lauschend hob sie den Kopf.
Joram griff nach seinem Gewehr, das er hinter sich gelegt hatte. »Pst«, machte er. Er stand auf und schaute sich um. An und für sich gab es im Negev nur selten Überfälle auf Wanderer, dennoch mußte man höllisch aufpassen. »Du hast dich geirrt, Liebling«, meinte er und legte die Schußwaffe wieder hin.
»Es wird der Wind gewesen sein.« Mirjam ging zu ihrem Rucksack, um das Päckchen mit den belegten Broten zu holen, das sie mitgenommen hatte. Wieder hörte sie ein undefinierbares Geräusch. Sie beachtete es nicht weiter und hob den Rucksack an.
»Au!« Erschrocken ließ sie den Proviantbeutel zur Seite fallen. Entsetzt starrte sie auf die braungezeichnete Schlange, die sich schlängelnd auf den Felsen zubewegte.
Joram war mit zwei Schritten bei ihr. Er nahm sich nicht die Zeit, die Schlange zu erschlagen, sondern griff sofort nach dem Arm der Freundin. Deutlich zeichneten sich die beiden Bißstellen auf ihrem Handgelenk ab.
»Mirjam, setz dich hin«, sagte er. »Wir dürfen keine Zeit verlieren. Beweg dich so wenig wie möglich.« Er zog seinen Rucksack zu sich und entnahm ihm das Verbandpäckchen, das er bei Ausflügen immer bei sich hatte. Hastig öffnete er es.
»Was war das für eine Schlange?« fragte Mirjam mit schmerzverzerrtem Gesicht, als er ihr den Arm oberhalb des Handgelenks abband. Ihr wurde übel.
»Eine Otter«, erwiderte er ausweichend und ritzte mit einem scharfen Messer die Bißstellen auf. Rasch beugte er sich über die Wunde und saugte sie aus.
»Was für eine Otter?« fragte die junge Frau. Vor ihren Augen begann die Landschaft zu verschwimmen. »War es eine Puffotter?«
»Ja, aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Liebling. Ich bringe dich sofort ins Krankenhaus. Dort gibt es für alle hier vorkommenden Schlangen Gegengifte.« Joram richtete sich auf, trat das Feuer aus und kehrte dann zu seiner Freundin zurück. Er schob die Arme unter sie, um sie zum etwa zweihundert Meter entfernten Jeep zu tragen
»Ich bin dir doch viel zu schwer«, sagte Mirjarn benommen »Laß mich, ich kann laufen.« Sie machte einen schwachen Versuch, sich aus seinen Armen zu befreien.
»Nicht bewegen, Mirjam, bleib ruhig!« Joram zwang sich, nicht in Panik zu geraten. Der biß einer Puffotter war eine gefährliche Sache, zudem war er sich nicht sicher, ob die Schlange nicht ein Blutgefäß getroffen hatte.
Nie waren ihm zweihundert Meter weiter erschienen, als an diesem Vormittag. Mirjam wog nicht viel, aber mit jedem Schritt wurde sie schwerer. Endlich hatte er den Jeep erreicht. Er setzte sie auf den Beifahrersitz und schwang sich hinter das Steuer.
»Unsere Rucksäcke«, murmelte die junge Frau undeutlich.
»Die hol ich später.« Joram warf einen besorgten Blick auf seine Freundin. Ihr Gesicht war unnatürlich blaß, auf ihrer Stirn hatten sich Schweißperlen gebildet, die nicht von der Hitze herrührten. Sein Blick glitt zu ihrem rechten Arm. Er war unförmig angeschwollen.
Der Mann riß sich zusammen. Es half nichts, wenn er jetzt die Nerven verlor. Mirjam mußte so schnell wie möglich ins Krankenhaus. Geh nicht von mir, Liebling, dachte er und gab Gas.
*
»Nehmt uns mit.« Heidi Holsten und Stefanie Fach rannten Hand in Hand den beiden Großen nach. »Kommt zurück! Nick, Pünktchen, das ist gemein.«
Nick blieb stehen, drehte sich zu den kleinen Mädchen um. »Pünktchen und ich haben den ganzen Vormittag mit euch gespielt, jetzt möchten wir auch einmal etwas Zeit für uns haben. Geht zu den anderen zurück. Sie vermissen euch sicher längst.«
»Wir gehen mit euch mit.« Entschlossen ergriff die fünfjährige Heidi die Hand ihrer gleichaltrigen Freundin.
»Nein, das werdet ihr nicht«, sagte Angelina Dommin, die wegen ihrer vielen Sommersprossen von allen Pünktchen genannt wurde. »Wenn ihr jetzt nicht endlich Ruhe gebt, spielen wir nie wieder mit euch.«
Stefanie löste ihre Hand aus Heidis. »Ich geh zu den Zelten zurück«, entschied sie. »Ich bin eine In-dian-er-in.« Schreiend lief sie davon.
»So, und was ist mit dir?« fragte Nick, Er drehte das kleine Mädchen sanft in die Richtung, in die Stefanie gelaufen war. »Jetzt fehlt den anderen noch immer eine kleine Indianerin. Vielleicht holt sich Häuptling Fabian eine andere Squaw in sein Zelt«, meinte er.
»Auswahl hat er ja genug«, warf Pünktchen ein. »Zum Beispiel Vicky, oder…«
»Ich geh ja schon, fiel ihr Heidi ins Wort. »Das sagt ihr nur, um mich los zu sein.« Sie wirbelte herum. »Aber morgen komme ich mit, wenn ihr spazierengeht. Morgen spielen wir nicht Indianer.« Wie ein Pfeil schoß sie davon. Ihr Indianergeheul ließ ein Eichhörnchen erschrocken auf eine Buche flüchten.
»So, die beiden wären wir los«, meinte Dominik von Wellentin-Schoenecker zufrieden. »Manchmal können die Kleinen schon eine rechte Plage sein.«
»Ob wir früher an den Großen auch so geklebt haben?« Pünktchen lachte. »Wahrscheinlich waren wir die gleichen Nervensägen. Heidi und Stefanie sind richtige Freundinnen geworden. Schade, daß Stefanie schon nächste Woche Sophienlust verlassen wird.«
»Es wird sicher bald wieder ein Kind in Heidis Alter kommen«, erwiderte Nick. Er legte leicht den Arm um ihre Taille. »Zum Spazierengehen habe ich eigentlich keine rechte Lust. Laß uns unsere Räder holen. Wir könnten zum Waldsee radeln. Das Wasser ist sicher schon warm genug.«
»O ja!« Pünktchens Augen strahlten.
»Wir müssen nur aufpassen, daß keiner von den anderen etwas merkt, sonst wollen sie alle mit«, meinte Nick. »An erster Stelle mein lieber Bruder Henrik.«
In einem Bogen kehrten sie zum Kinderheim zurück. Nick holte sich aus der Kleiderkammer eine Badehose, Pünktchen hatte einen Badeanzug in ihrem Zimmer. Bewaffnet mit Handtüchern verließen sie vorsichtig das Haus. Es war beiden klar, daß Frau Rennert und Schwester Regine etwas gegen ein Bad im Waldsee einzuwenden gehabt hätten. Immerhin war es erst Ende April.
Mit den Rädern war es nicht weit zum See, dennoch wurde aus dem geplanten Bad nichts, denn kaum hatten sie die Lichtung mit dem See erreicht, entdeckten sie auch schon den riesigen Bernhardiner, der an einem Baum angebunden wie ein Häufchen Elend ihnen entgegenstarrte.
Die beiden Jugendlichen ließen ihre Räder ins Gras fallen. Vorsichtig näherten sie sich dem Hund. »Was machst du denn hier?« fragte Nick.
Er blieb kurz vor dem Tier stehen. Pünktchen, die sich weiter vorwagen wollte, wurde von ihm zurückgehalten.
Der Bernhardiner stieß ein tiefes Heulen aus, es ging ihnen durch Mark und Bein, dann legte er sich lang hin und streckte eine Vorderpfote nach ihnen aus.
»Bestimmt hat man ihn ausgesetzt«, meinte Pünktchen mitleidig.
»Dumm, daß wir nichts zu essen dabeihaben. Er hat sicher Hunger.«
»Wir bringen ihn zu meinem Schwager«, bestimmte Nick. Er schob dem Bernhardiner seine Hand entgegen. Der Hund schnupperte an ihr, dann leckte er rasch mit seiner riesigen Zunge über die Fingerspitzen. Nick verzog das Gesicht.
»Feindlich ist er uns jedenfalls nicht gesinnt.« Pünktchen ließ jede Vorsicht außer acht. Sie trat näher und begann ihn zu kraulen. Mit einem herzzerreißenden Seufzer ließ es sich das Tier gefallen.
Nick band es vom Baum los. Der Bernhardiner sprang auf die Beine und rannte zum See. Hastig begann er das Wasser zu schlappern. »Wer weiß, wie lange er nichts getrunken hat. Wie kann man nur einen Hund aussetzen, wenn ein Tierheim ganz in der Nähe ist? Den Kerl der das getan hat, müßte man auch in der Nähe von Wasser an einen Baum ketten.«
Der Bernhardiner hob den Kopf, drehte sich um und trottete zurück. Sanft stieß er seinen Kopf gegen Nicks Beine.
»Also auf zum Tierheim«, meinte Pünktchen. Sie beugte sich über den Hund und nahm seinen Kopf zwischen die Hände. »Dort wird es dir gutgehen.« Sie sah zu Nick auf. »Baden wir eben ein anderes Mal. Parry ist jetzt wichtiger.«
»Wie kommst du denn auf Parry?« fragte der Sechzehnjährige.
»Ich finde, der Name paßt zu ihm. Barri können wir ihn nicht nennen, da wir in Sophienlust bereits einen Bernhardiner mit diesem Namen haben, also habe ich aus dem ersten Buchstaben nur ein P gemacht.«
»Parry, was hältst du davon?« fragte Nick.
Der Bernhardiner wedelte aufgeregt mit dem Schwanz. Ihm schien alles recht zu sein.
Knapp eine halbe Stunde später hatten sie Waldi & Co. erreicht. Der alte Justus trat gerade durch das Tor des Tierheims, über dem ein rotes Schild mit grünen Buchstaben hing. Die Kinder von Sophienlust hatten es vor einiger Zeit gemalt.
»Was sein das für Hund?« fragte Justus, nachdem die beiden Jugendlichen ihre Räder hingelegt hatten und mit Parry auf ihn zugingen. »Das sein doch nicht Barri von Sophienlust. Dieses Hund viel älter.«
»Wir haben ihn am Waldsee gefunden«, berichtete Angelina mit vor Zorn sprühenden Augen. »Jemand hat ihn dort an einen Baum angebunden.«
»Vielleicht der Mann oder die Frau wollten zurückkommen«, meinte Justus, der von jeher immer zuerst nur das Beste von jedem Menschen annahm.
»Nie und nimmer«, erklärte Nick. »Er muß schon ziemlich lange angebunden gewesen sein. Er hat fast den ganzen Waldsee ausgetrunken. Und dann sieh dir mal sein Fell an. Richtig struppig ist es, und meiner Meinung nach hat er einen gehörigen Ausschlag.«
»Du hast recht«, erklärte der Tierpfleger, nachdem er Parry gründlich gemustert hatte. »Du guter Hund.« Er tätschelte den Kopf des Bernhardiners. »Du haben Hunger? Du bekommen bei uns feines Freßchen.«
»Ich hol welches«, erbot sich Pünktchen und rannte bereits zu dem langgestreckten Landhaus, in dem Nicks Schwager, der Tierarzt Hans-Joachim von Lehn, mit seiner Familie lebte.
Zufrieden schauten einige Minuten darauf Andrea von Lehn, Justus, Pünktchen und Nick zu, wie es sich der ausgesetzte Hund schmecken ließ. Hans-Joachim von Lehn hatte im Augenblick keine Zeit, da das Wartezimmer voll besetzt war. Er wollte sich Parry gleich nach der Sprechstunde ansehen.
»Sperren wir ihn solange in eine Box«, schlug Nick vor, als der Bernhardiner seine Schüssel geleert hatte.
»Sieh nur, wie er dich anschaut«, meinte Pünktchen. »Ich glaube, wenn es nach ihm ginge, wärst du sein neues Herrchen.«
»Er ist auch ein besonders lieber Kerl.« Nick strich über den breiten Rücken des Tieres. »Komm, Parry, sehen wir uns deine neue Behausung an«, sagte er und ging in Richtung Tor. Parry erhob sich blitzschnell auf seine vier Pfoten und folgte ihm.
*
»Mutti verreist!« verkündete der neunjährige Henrik von Schoenecker, als sein Halbbruder nach Hause kam. »Stell dir vor, sie fliegt nach Israel.«
»Oh, was will sie denn dort?«
»Es ist leider keine sehr erfreuliche Reise«, meinte Denise von Schoenecker. Sie war gerade aus der Bibliothek gekommen. »Ich muß einen kleinen Jungen abholen, der vor zwei Tagen seine Mutter verloren hat.«
»Kennen wir ihn?« wollte Nick wissen.
»Seine Mutter hat einige Wochen in Sophienlust gearbeitet. Ihr erinnert euch gewiß noch an sie.« Denise seufzte in Gedanken auf. »Sie hieß Mirjam Stein. Wir hatten sie alle sehr gern.«
»Wir nannten sie Tante Mirjam«, sagte Nick. »Ich kann mich gut an sie erinnern. Sie hatte immer für jeden ein liebes Wort. Ihr Sohn war noch sehr klein, als sie fortging.«
»Genau zwei Monate«, erwiderte die Mutter. »Jetzt ist Manuel drei. Der junge Mann, der mich von Israel aus anrief, sagte mir, daß er mit Frau Stein verlobt war. Sie ist auf einem Ausflug von einer Schlange gebissen worden.«
»Es ist angerichtet, Frau von Schoenecker«, meldete das langjährige Hausmädchen Gusti.
»Dann werden wir erst einmal essen gehen«, bestimmte die Verwalterin.
»Ich wasch mir nur noch die Hände.«
Nick eilte die Treppe zum ersten Stock hinauf. Er hatte seiner Mutter von Parry erzählen wollen, doch gegen das, was er jetzt erfahren hatte, verlor seine Geschichte an Bedeutung.
Seine Eltern und Henrik hatten bereits im Eßzimmer Platz genommen, als Nick zurückkam. »Einen guten Appetit«, wünschte er und setzte sich.
»Dir auch«, erwiderte Alexander von Schoenecker.
»Ich eß mindestens zwei Omeletten«, verkündete Henrik, als Gusti eine Platte mit heißen Eierpfannkuchen hereinbrachte. Das Wasser lief ihm im Mund zusammen.
»Erst mal gibt es nur eine«, bestimmte seine Mutter. »Wenn du dann noch nicht satt bist, kannst du nachnehmen.«
»Ich glaube eher, bei Henrik wollen die Augen wieder einmal mehr als sein Magen«, sagte Alexander von Schoenecker lachend. »Was hast du denn so den ganzen Tag getrieben, Sohnemann?«
»Wir haben Indianer gespielt. Ich war ein Häuptling.« Henrik schlug sich gegen die Brust. »Mein Stamm hat gegen den Stamm von Fabian gekämpft.«
»Und wer ist Sieger geworden?« erkundigte sich Nick.
»Fabian«, kam es kleinlaut von seinem Bruder. Henrik hob den Kopf. »Aber wärst du nicht mit Pünktchen weggelaufen, hätten bestimmt wir gesiegt.«
»Wir haben einen Bernhardiner am Waldsee gefunden«, sagte Nick. Er berichtete, was sich an diesem Tag abgespielt hatte. »Hoffentlich findet sich bald ein geeignetes Herrchen für ihn. Von seiner Seite sieht es so aus, als hätte er mich zu seinem neuen Herrn erkoren.«
»Nehmen wir ihn doch.« Henrik war sofort Feuer und Flamme.
»Haben wir nicht schon genug Hunde?« fragte sein Vater skeptisch. »Glaubt mir, mir tut so ein armer Kerl auch leid, aber wir können nicht jeden Hund aufnehmen, der ausgesetzt worden ist.«
»Schade«, meinte Henrik.
»Es wird sich schon jemand finden, der einen Bernhardiner möchte«, sagte Nick. »Aber er ist schon etwas Besonderes, unser Parry.«
Schon bald nach dem Abendessen war es für Henrik Zeit, schlafen zu gehen. Grollend zog er sich in sein Zimmer zurück. Nick hatte noch für die Schule zu arbeiten. Er brachte seine Hausaufgaben lieber schon am Samstagabend hinter sich, als sich mit ihnen den Sonntag zu verderben.
Denise und Alexander gingen in die Bibliothek, um dort noch ein Glas Wein zu trinken. Der Gutsbesitzer legte eine Platte, die er erst am Vortag gekauft hatte, auf den Plattenteller. Wie verzaubert lauschten sie einige Minuten Dvoraks achter Sinfonie.
»Ich würde dich gern nach Israel begleiten«, sagte Alexander. Er schenkte sich und seiner Frau Wein nach. »Zu dumm, daß ich ausgerechnet jetzt überhaupt keine Zeit habe.«
»Ich würde auch lieber in deiner Begleitung reisen.« Denise schmiegte ihren Kopf an seine Schulter, als er sich neben sie setzte und den Arm um sie legte. »Nun gut, es geht nicht, da kann man nichts machen. Mehr als drei, vier Tage werde ich wohl auch nicht brauchen.«
»Ich erinnere mich noch, wie Fräulein Stein uns sagte, sie werde ihren Sohn Manuel nennen, das komme von Imanuel und heißt, mit uns ist Gott.« Alexander sah Denise an. »Hat sie dir damals eigentlich den Namen des Kindesvaters genannt?«
Denise nickte. »Er heißt Simon Beer und ist ein erfolgreicher Unternehmer. Ich habe heute nachmittag in meinen Unterlagen nachgesehen. Er weiß nicht einmal, daß er einen Sohn hat. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.«
»Wird er es erfahren?«
»Ja, ich meine, das sind wir Manuel schuldig. Immerhin besteht trotz aller Probleme, die sich aus seiner Vaterschaft ergeben werden, die Möglichkeit, daß er den Jungen zu sich nehmen wird.«
»Kommt darauf an, ob er es wagt, seiner Frau den Seitensprung zu gestehen«, bemerkte der Gutsbesitzer. »Wo ist Manuel eigentlich jetzt?«