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Jason Stone hat es satt, im Schatten seines Rockstarbruders Jax zu stehen. Also fährt er kurzerhand ins Sommerdomizil seiner Familie nach Sea Breeze, um etwas Dampf abzulassen. Dass er sich dabei von der verboten gut aussehenden Jess um den Finger wickeln lässt, war definitiv nicht sein Plan, denn Jess ist ein böses Mädchen und Jason auf dem Weg in die Ivy League. Aber sie können nicht voneinander lassen und was als heißer Flirt beginnt, wird bald mehr, als beide sich eingestehen wollen.
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Ein »Sea Breeze«-Roman
Übersetzung aus dem Amerikanischen von Lene Kubis
ISBN 978-3-492-96956-7 September 2015 © 2013 Abbi Glines Titel der amerikanischen Originalausgabe: »Misbehaving«, Simon Pulse 2013 Deutschsprachige Ausgabe: © Piper Verlag GmbH, München/Berlin 2015 Covergestaltung: Zero Werbeagentur, München Covermotiv: FinePic, München Datenkonvertierung: CPI books GmbH, Leck
Für alle Leser, die sich immer schon ein richtiges Bad Girl als Heldin gewünscht haben.
Klar. Ich hätte es besser wissen müssen. Aber ich war manchmal einfach ein bisschen schwer von Begriff. Ein Hundeblick oder ein Flunsch von Hank hatten immer genügt, mich wieder ankriechen zu lassen. Damit war jetzt Schluss! Ich hatte ihm verziehen, dass er eine andere Frau geschwängert hatte. Aber jetzt hatte er den Bogen endgültig überspannt.
Hank Granger hatte mich jetzt zum letzten Mal verarscht. Ich war doch nicht sein Fußabtreter! Meine Mom hatte mir früh beigebracht, dass man sich nicht so mies behandeln lassen durfte, und ich wollte mich dieser ewigen Achterbahnfahrt der Gefühle nicht länger aussetzen. Er war doch noch nicht einmal ein richtiger Kerl. Aus dem Jungen, mit dem ich aufgewachsen war und den ich immer geliebt hatte, war ein waschechter Taugenichts geworden. Er würde niemals sesshaft werden, und ich hatte die Nase voll davon, ihn auf meinen Gefühlen herumtrampeln zu lassen.
Scheinbar dachte er, dass es eine clevere Idee war, seinen aufgepimpten Pick-up hinter der Bar zu parken. Eigentlich müsste er doch ahnen, dass ich genau wusste, wo ich nachsehen musste! Tja, ich hatte ihn entdeckt. Ursprünglich hatte er mir für den heutigen Abend ein richtiges Date versprochen und mich zum Essen ausführen wollen. Aber dann hatte er mir vor zwei Stunden abgesagt, weil es ihm angeblich nicht gut ging. Ich als pflichtbewusste Freundin hatte ihm natürlich sofort ein heißes Süppchen gekocht, um es ihm vorbeizubringen. Hank aber war – Surprise, Surprise! – nicht zu Hause. Wahrscheinlich hatte ich in Wahrheit schon geahnt, dass er gelogen hatte.
Ich trat aus dem Schatten des Waldes, durch den ich über eineinhalb Kilometer gestapft war, auf den dunklen Parkplatz des Live Bay. Ich wollte nicht, dass jemand meinen Pick-up entdeckte, und hatte ihn deswegen vor dem Haus meiner Mom stehen lassen. So würde jeder denken, dass ich zu Hause war – und ich war im Zweifelsfalle zu Fuß sowieso schneller, wenn ich fix verschwinden musste.
Ich griff nach dem Baseballschläger, den ich mir vor zwei Wochen von meinem Cousin Rock geborgt hatte, als ich meine Mom von der Arbeit hatte abholen müssen. Ihr Motor war nicht angesprungen, und um drei Uhr morgens war es vor einem Stripclub nicht so richtig sicher. Mom hatte zwar immer eine Knarre dabei, aber ich hatte keinen blassen Schimmer, wie man die benutzte. Als ich sie gefragt hatte, ob sie mir Schießen beibringen könnte, hatte sie laut aufgelacht, um mir dann zu unterstellen, dass ich Hank damit eines Tages aus lauter Wut die Eier abschießen würde. Sie hatte sich geweigert, mir den Umgang mit der Pistole zu erklären, aber nicht, weil sie sich Sorgen um Hank machte, sondern weil sie nicht wollte, dass ich im Knast landete.
Als ich das Gewicht des Schlägers in meinen Händen spürte, lächelte ich. Tja, damit würde ich heute einigen Schaden anrichten … In meiner Hosentasche steckte außerdem ein Messer. Auch die Lackierung würde leider dran glauben müssen, und wenn ich Zeit genug hatte, würde ich außerdem alle Reifen kaputt stechen!
Ich ging um den verdammten Pick-up herum, den Hank die letzten Jahre über umsorgt und gehätschelt hatte wie ein Baby, und ein Gefühl der Macht erfüllte mich. Immer und immer wieder hatte dieser Typ mich verletzt – und jetzt würde ich es ihm heimzahlen. Ich höchstpersönlich, nicht Rock!
Ich sah mich noch einmal um, um zu prüfen, ob die Luft rein war. Schließlich würde das Splittern der Scheiben ziemlichen Krach machen. Noch konnte ich schwer abschätzen, wie weit ich mit meinem Zerstörungswerk kommen würde, ehe mich jemand erwischte. Hoffentlich hielt Jackdown, die örtliche Band, die Meute genug bei Laune, um sie von einem verfrühten Aufbruch abzuhalten.
Nachdem ich eine Skimaske aufgesetzt hatte, um mich zu schützen, konnte ich ein siegessicheres Grölen nur schwer unterdrücken. Schließlich richtete ich den Schläger auf die Scheibe der Fahrertür, während ich in Position ging. Zeit für den ersten Schlag, in den ich all den Zorn und all den Schmerz hineinlegte, der mich beinahe von innen aufgefressen hatte, als ich erfahren hatte, dass Hank mich betrogen hatte. Hank, der Junge, den ich liebte, seit ich zehn war. Als der Schläger in die erste Scheibe krachte, brach ich in wildes Gelächter aus, um mich sofort über sämtliche anderen Fenster herzumachen.
Ganz berauscht von meiner süßen Rache nahm ich das Messer und ließ die Klinge herausschnappen. Ich würde ein paar nette Worte in den Lack kratzen und mich dann um die Vorderreifen kümmern.
»Hey!«, hörte ich eine tiefe Stimme rufen und erstarrte. In Windeseile griff ich nach dem Schläger und zog das Messer wieder aus dem Reifen, ehe ich Richtung Wald sprintete und mir gleichzeitig die dämliche Maske vom Kopf riss, um besser sehen zu können. Wenn ich jetzt gegen irgendeinen Baum knallte, würde mich der Kerl sofort erwischen, obwohl ich mir da ansonsten keinerlei Sorgen machte.
Das Trappeln von Füßen auf dem Gehweg sagte mir, dass ich tatsächlich verfolgt wurde. Mist, das brauchte ich jetzt eigentlich überhaupt nicht, wo ich doch gerade so viel Spaß gehabt hatte! Hank hatte es nicht anders verdient, dieser verfluchte Bastard! Ich hatte keinen Bock, deswegen im Kittchen zu landen. Was würde meine Mom dazu sagen?
»Hey!«, rief die Stimme erneut. Wer war das nur? Und was erwartete er bitte? Dass ich stehen blieb und mich von ihm schnappen ließ? Wohl kaum!
In der Ferne hörte ich weitere Stimmen. Super, er hatte eine ganze Meute angelockt. Ich verließ den Pfad, den ich bis jetzt entlanggerannt war, und schlug mich tiefer ins Unterholz. Lange würden die Bäume mich nicht mehr verbergen, denn ich musste schon in ein paar Metern auf die Landstraße. Jetzt ärgerte ich mich beinahe, dass ich zu Fuß gekommen war. Tja, ich musste wohl schneller sein als die gesamte Horde. Verdammt.
Das Trappeln der Füße war verstummt, also hatte ich sie entweder abgehängt oder sie waren besonders listig. Zögernd trat ich aus dem Schutz des Waldes hinaus auf die Straße, die völlig verlassen vor mir lag.
Auch als ich mich umdrehte, konnte ich niemanden entdecken. Natürlich konnte sich Hank leicht zusammenreimen, wer sich da an seinem Auto vergangen hatte, aber ihm fehlten die Beweise! Lächelnd atmete ich einmal tief ein. Das war das Ende, endgültig. Hank würde mir niemals verzeihen, was ich getan hatte, also konnte ich auch nicht dazu verführt werden, zu ihm zurückzugehen. Bestimmt hasste er mich jetzt genauso sehr wie ich ihn.
»JESS!«, hörte ich Hank plötzlich grölen. Ich wirbelte herum und konnte ihn zwar nicht sehen, wusste aber, dass er durch den Wald auf mich zugestürmt kam. Shit. Shit. Shit. Wie hatte er das so schnell herausgefunden? Panisch sah ich mich nach einem Versteck um. Nichts als Asphalt, Kilometer über Kilometer. Keine Häuser, nichts.
Als sich das Licht von zwei Scheinwerfern um die Ecke tastete, machte ich das Einzige, was mir in den Sinn kam: Ich stürzte auf die Straße und ruderte, den Baseballschläger immer noch in der Hand, mit den Armen.
Das Auto verlangsamte und blendete ab.
Gott sei Dank!
Moment. War das ein Porsche? Was ging denn hier ab?
Vor mir stand eine langhaarige blonde Frau in eng anliegender schwarzer Kleidung mitten auf der Straße und … wirbelte einen Baseballschläger durch die Luft. Donnerlüttchen. So was passierte einem auch nur in Alabama! Ich bremste ab, um sie nicht über den Haufen zu fahren, und sah zu, wie sie zur Beifahrertür rannte und an die Scheibe hämmerte. Der wilde, panische Ausdruck in ihren Augen hätte ziemlich Furcht einflößend wirken können – wären die Augen nicht so strahlend blau und die Wimpern nicht so dicht und schwarz gewesen. Ich drückte auf den Türöffner, und die Frau riss die Tür auf, um sich ohne weitere Umstände auf den Beifahrersitz zu werfen.
»Los, fahr! Schnell!«, befahl sie hektisch, ohne mich auch nur anzusehen. Ihren Blick hatte sie nach draußen gerichtet, auf irgendetwas, das nur sie zu sehen schien. Da war nichts, dachte ich. Doch plötzlich kam ein Kerl mit wutverzerrtem Gesicht aus dem Wald gestürzt, und ich verstand, worum es ging. Kein Wunder, dass sie völlig panisch war! Der Typ war riesengroß und wirkte, als wäre er jederzeit bereit, jemanden abzumurksen.
Ich wechselte den Gang und gab ordentlich Gas, ehe er uns zu nahe kommen konnte.
»O mein Gott, vielen Dank! Das war verdammt knapp!« Sie seufzte erleichtert auf und lehnte sich zurück.
»Soll ich dich zur Polizei bringen?«, fragte ich und linste zu ihr hinüber. Ob er sie wohl angegriffen hatte, ehe sie sich befreien konnte?
»Auf keinen Fall! In zehn Minuten sind die wahrscheinlich sowieso schon hinter mir her. Du musst mich heimbringen! Meine Mom wird mich decken, aber ich muss so schnell wie möglich zu ihr!«
Sie suchten sie? Ihre Mom deckte sie? Was?!
»Er hat eigentlich keine Beweise. Ich habe nur meine Skimaske liegen lassen, aber das war so ein billiges Teil, das ich mir vor ein paar Jahren an Halloween in einem riesigen Sozialkaufhaus geholt habe. Das wird er schwer zurückverfolgen können!«
Als mir klar wurde, was sie da gerade gesagt hatte, ging ich vom Gas. Ich hatte nicht ein Mädchen vor seinem bösen Verfolger gerettet, sondern wurde als Fluchthilfe missbraucht! Zumindest, wenn ich ihr Gebrabbel richtig verstanden hatte.
»Warum fährst du denn plötzlich wie ein Opa? Ich muss dringend zu meiner Mom, sofort! Bis zu ihrem Haus sind es nicht mal mehr drei Kilometer. Du fährst einfach bis zur County Road 34, biegst rechts ab, dann bleibst du ungefähr einen Kilometer auf der Straße, bis du dann links in die Orange Street abbiegst. Es ist das dritte Haus rechts.«
Ich schüttelte den Kopf und hielt am Straßenrand.
»Ich fahre keinen Meter mehr weiter, bevor du mir nicht ganz genau erklärt hast, auf was für einer Art von Flucht ich dir da helfen soll!« Ich starrte auf den Baseballschläger zwischen ihren Beinen, dann auf ihr Gesicht. Obwohl es relativ dunkel war, konnte ich erkennen, dass sie eine von diesen unglaublichen Südstaaten-Blondinen war. Mir kam es vor, als würde diese Art von Frau hier besonders gut gedeihen.
Sie seufzte frustriert und blinzelte schnell, woraufhin Tränen in ihre Augen traten. Wow, sie war gut. Richtig gut. Die Nummer mit den Tränen war beinahe glaubwürdig!
»Ist ’ne ziemlich lange Geschichte. Wenn ich sie dir jetzt komplett erzähle, werden wir auf jeden Fall erwischt und ich muss die Nacht im Kittchen verbringen. Bitte, bitte, bring mich nach Hause. Wir sind doch schon fast da!«
Hm, sie war wirklich ziemlich hübsch. Schade, dass sie eindeutig Dreck am Stecken hatte!
»Sag mir eins: Wieso schleppst du diesen Baseballschläger mit dir herum?« Irgendeine Info brauchte ich. Wenn sie mit dem Teil jemanden bewusstlos geprügelt hatte, dann konnte ich ihr bei der Flucht leider wirklich nicht behilflich sein. Am Ende war jemand verletzt oder tot …
Sie fuhr sich grummelnd mit der Hand durchs Haar. »Okay, na schön. Aber du musst wissen, dass er es wirklich nicht anders verdient hat!«
Shit. Sie hatte jemanden zusammengeschlagen.
»Ich habe alle Scheiben des Pick-ups von meinem Exfreund zertrümmert.«
»Du hast was?« Ich musste da was falsch verstanden haben. So was passierte meinetwegen in Countrysongs, aber nicht im wirklichen Leben!
»Dieser Arsch hat mich betrogen und eine gehörige Abreibung verdient! Er hat mich verletzt, also hab ich es ihm heimgezahlt. Und jetzt glaub mir bitte und schaff mich hier weg!«
Das war ja wohl das Lustigste, was ich je gehört hatte! Ohne etwas dagegen tun zu können, brach ich in schallendes Gelächter aus.
»Was gibt’s denn da zu lachen?«
Ich schüttelte den Kopf und bog wieder auf die Fahrbahn.
»Ich habe einfach eine völlig andere Story erwartet!«
»Was denn, bitte schön? Ich trage doch schließlich einen Baseballschläger mit mir herum!«
Ich spähte grinsend zu ihr hinüber. »Na, ich dachte, du hast damit jemanden vertrimmt.«
Sie machte große Augen und lachte dann ebenfalls auf. »So was Durchgeknalltes hätte ich doch nie gemacht!«
Ich wollte eben höflich anmerken, dass es ja wohl auch relativ durchgeknallt war, erst den Wagen des Exfreundes zu demolieren und dann durch den Wald zu irren, ließ es dann aber bleiben. Wahrscheinlich war sie da ganz anderer Meinung.
»So, hier musst du rechts abbiegen.« Sie deutete auf die Straße, und ich setzte nicht einmal den Blinker, weil sowieso weit und breit kein Auto zu sehen war.
»Also, wie heißt du? Irgendwie kommst du mir bekannt vor, aber ich kenne hier niemanden, der Porsche fährt.«
Sollte ich ihr sagen, wer ich war? Eigentlich fand ich die Privatsphäre, die ich hier in Sea Breeze Alabama genießen durfte, sehr angenehm. Im kommenden Monat musste ich über einiges nachdenken, da hatte ich nicht vor, mich großartig mit den Locals anzufreunden. Selbst dann nicht, wenn sie so heiß waren wie meine Beifahrerin.
»Ich bin nur zu Besuch hier«, erklärte ich wahrheitsgemäß. Ich lebte hier im Strandhaus meines Bruders, bis ich wusste, wie es weitergehen sollte.
»Aber ich habe dich schon mal irgendwo gesehen … Ganz bestimmt!«, insistierte sie und sah mich mit schräg gelegtem Kopf an. Sie würde es sowieso bald herausfinden. Ich war der Bruder von Jax Stone, der bereits als Teenager ein Star gewesen und jetzt mit zweiundzwanzig in den Rockolymp aufgestiegen war. Und weil wir uns ziemlich ähnlich sahen, heftete sich die Presse gern an meine Fersen, wenn sie an Jax gerade nicht herankam. Sosehr ich meinen Bruder auch liebte, sosehr hasste ich es doch auch, derart im Scheinwerferlicht zu stehen. Alle schienen mich als eine Art Ersatz für Jax zu betrachten. Niemand, nicht einmal meine Eltern, hatte großartiges Interesse an dem wahren Jason. Stattdessen wollten alle nur, dass ich mich so verhielt, wie sie es von mir erwarteten.
»Das ist doch ein Porsche, oder? In echt habe ich nämlich noch nie einen gesehen …«
Der Wagen war ebenfalls ein Spielzeug meines Bruders. Hier in Sea Breeze hatte ich kein Auto, also hatte ich mir einfach einen der fünf Wagen geborgt, die in seiner Garage standen. Nachdem Jax als Teenager berühmt geworden war und seinen plötzlichen Aufstieg erst einmal verkraften musste, hatten meine Eltern uns im Sommer immer in dieses Strandhaus geschickt. Jetzt aber war Jax erwachsen und das Haus gehörte ihm. Und auch ich war mit einundzwanzig kein kleines Kind mehr.
»Ja, es ist ein Porsche.«
»Bieg hier ab.« Wieder deutete sie auf die Straße, und ich tat wie mir geheißen, um dann vor dem dritten Haus auf der rechten Seite stehen zu bleiben.
»Das ist es. Gott sei Dank ist noch niemand hier! Ich muss los, und auch du solltest schleunigst die Biege machen, damit dir niemand unangenehme Fragen stellt. Vielen, vielen Dank!«
Sie öffnete die Tür und sah mich noch ein letztes Mal an.
»Ich bin übrigens Jess. Und du hast mir heute Abend den Arsch gerettet!« Sie zwinkerte mir zu, schloss die Tür und rannte dann auf die Haustür zu. Jetzt, wo ich ihren Hintern in der engen schwarzen Jeans betrachten konnte, war ich froh, dass ich ihn gerettet hatte. Das war wirklich der hübscheste Po, den ich je gesehen hatte.
Ich legte den Rückwärtsgang ein und stieß zurück auf die Straße. Höchste Zeit, dass ich auf die Privatinsel zurückkehrte, auf der das Sommerhaus stand. Auch wenn der Abend nicht ganz so gelaufen war, wie ich es mir vorgestellt hatte, war er doch sehr unterhaltsam gewesen …
Ich hörte, wie etwas über den Beifahrersitz kullerte und gegen die Tür prallte. Der Baseballschläger! Sie hatte ihn vergessen. Lächelnd sah ich zu ihrem Haus zurück und beschloss, dass ich auf jeden Fall dafür sorgen würde, dass sie ihn zurückbekam. Heute vielleicht nicht mehr, aber bald.
Ich ließ die Fliegengittertür achtlos hinter mir zufallen, besann mich dann aber eines Besseren und sperrte sie ab. Nicht, dass Hank selbst Polizei spielen wollte … Gut, so dämlich war er vermutlich nicht. Schließlich würde er sich nie mit meiner Mom anlegen.
»Bist du das, Jess?«, rief sie aus der Küche. Eigentlich musste ich ihr direkt erzählen, was los war. Schließlich konnten jeden Moment die Cops hier sein, und dann musste ihr das perfekte Pokerface gelingen.
»Jepp, ich bin’s. Und es könnte sein, dass wir gleich Probleme kriegen«, erwiderte ich und ging durch das schmale Wohnzimmer in die Küche. In diesem Haus aus Betonziegeln mit den fünf Zimmern war ich aufgewachsen. Es war nichts Besonderes, dafür aber bezahlbar. Uns hatte kein Mann beim Bezahlen der Rechnungen unter die Arme gegriffen, und Mom hatte sich immer allein um alles kümmern müssen.
»Was hast du denn ausgefressen?!«, fragte sie, als ich in die Küche kam. Sie stand in ihrem liebsten pinkfarbenen Satinmorgenrock an der Kaffeemaschine und hatte eine Kippe im Mund. Wahrscheinlich hatte sie sich gerade für die Arbeit zurechtgemacht und dann beschlossen, doch noch ein Päuschen einzulegen.
Ich zog einen mit Vinyl bezogenen Stuhl unter dem Küchentisch hervor und setzte mich.
»Ich hab den Pick-up von Hank vermöbelt.«
Mom nahm die Zigarette aus dem Mund. »Du hast was?!«
»Er war mit der Schlampe, mit der er mich betrügt, im Live Bay und hat mich wieder mal angelogen. Ich habe die Schnauze gestrichen voll und wollte ihm noch einen kleinen Denkzettel verpassen.«
Mom aschte in die Spüle und griff nach einer Kaffeetasse. Ihr langes blondes Haar war immer noch beeindruckend, aber ihr Gesicht, das einst strahlend schön gewesen war, war vom Leben gezeichnet. Und das Rauchen machte es sicher auch nicht besser!
»Shit, Mädchen. Ich muss in einer Stunde zur Arbeit. Was machst du, wenn die Cops kommen?«
Mist, daran hatte ich nicht gedacht. Wer gab mir dann ein Alibi?
Ich zuckte mit den Schultern. »Vielleicht kommen sie ja noch, bevor du aufbrichst?«
Mom ließ sich mit einer Tasse schwarzen Kaffees vor mir nieder. »Bist du denn wenigstens so richtig in die Vollen gegangen? Wenn wir uns schon mit den Bullen rumschlagen müssen, hat es sich hoffentlich gelohnt! Ich habe heute Abend überhaupt keine Lust auf diese Nervensägen …«
Bei dem Gedanken an die zersplitterten Autoscheiben musste ich lächeln.
»Och ja, ich glaube, du wärst stolz auf mich.«
Sie nickte zufrieden, drückte die Zigarette aus und nahm einen tiefen Schluck.
»Er ist ein erbärmlicher Vollidiot, von dem du dich dringend fernhalten solltest! Das Leben liegt noch vor dir, und ich will auf keinen Fall, dass du so endest wie ich. Hank hat bereits ein Mädchen geschwängert, das er nicht heiraten wird, und du darfst auf keinen Fall das nächste Opfer werden! Das Leben ist kein Ponyhof, aber das weißt du ja. Ich bin mir sicher, dass du hübsch genug bist, um dich aus dem Mist herauszukämpfen. Zumindest wünsche ich mir das für dich.« Sie lehnte sich zurück und schlug ihre langen Beine übereinander.
Diese Unterhaltung führten wir, seit ich alt genug für diese Dinge war – also seit ich neun war. Wenn deine Mutter eine Stripperin ist, bist du eben ein bisschen früher im Bilde. Keine Zeit für Unschuld.
»Das mit Hank ist für immer vorbei. Versprochen.«
Mom wirkte nicht sonderlich überzeugt, und ich konnte ihr das nicht verübeln. Die Sache zwischen Hank und mir ging jetzt schon seit Jahren, und ich musste sie wirklich endlich abhaken. Hank war mein One-Way-Ticket in die Art von Leben, das meine Mutter führte. Und sosehr ich sie dafür bewunderte, dass sie es immer ohne die Hilfe eines Mannes geschafft hatte, so wenig wollte ich so ein Leben. Ich wusste, dass sie es hasste.
»Mein Fluchtwagen war ein Porsche«, erzählte ich ihr grinsend. Ich konnte es ja immer noch nicht fassen. Auch nicht, was für einen Fahrer ich da gehabt hatte. Nicht meine Liga. Ganz und gar nicht meine Liga! Er war vermutlich stinkreich und hatte mich angesehen wie ein seltsames Tier, mit dem er nicht so recht umzugehen wusste. Wahrscheinlich hatte ich den Typen zu Tode erschreckt! Er kam ja auch nicht aus der Gegend, sondern war nur zu Besuch da und wollte wohl so schnell wie möglich zurück in seine Ferienvilla.
»Porsches sieht man hier ja nicht sonderlich oft«, meinte Mom skeptisch.
»Er war ja auch kein Einheimischer, sondern macht wahrscheinlich Urlaub auf der Insel. So sah er zumindest aus.«
Mom nickte, mit diesem Schlag Mensch kannte sie sich aus. Mein Leben lang hatte sie mich vor zwei Sorten von Mann gewarnt: Einmal vor »dreckigen Taugenichtsen« wie Hank, und dann vor den »reichen Knackern von der Insel, die dich nur flachlegen wollen und dann sitzen lassen«.
»Mach dir mal keine Gedanken wegen ihm. Der hält mich ganz bestimmt für eine Psychopathin«, versuchte ich, sie zu beruhigen.
Mom zog die Augenbrauen nach oben und lehnte sich an den Tisch. »Glaubst du das wirklich? Dachte, ich hätte dir beigebracht, nicht so wahnsinnig naiv zu sein. Er ist ein Mann, Süße, nur darauf kommt es an. Jetzt, wo er dich gesehen hat, wird er garantiert zurückkommen. Pass auf dich auf!«
Ich hatte schon mehr als einmal versucht, mir einen wohlhabenden Mann aus Sea Breeze zu angeln, aber es hatte nie funktioniert. Auf den guten alten Marcus Hardy hatte ich ein Auge gehabt, seit ich ein kleines Mädchen war. Er war ein Freund meines Cousins Rock, aber er war anders als wir. Er lebte in einem großen Haus am Strand, sah in mir aber nie mehr als jemanden, mit dem man eine heiße Nummer schieben konnte. Sobald er Willow begegnet war, war sowieso alles zu spät gewesen. Die beiden waren jetzt verheiratet und hatten ein Kind, also war er jetzt absolut tabu.
»Ich hätte dich doch dazu kriegen sollen, aufs College zu gehen. Da hättest du jemanden kennenlernen können, der dich hier rausholt.« So, wie sie das sagte, klang es, als wäre Sea Breeze der schlimmste Ort der Welt. Ich sah das anders und liebte die Küstenstadt, in der ich aufgewachsen war.
»Ich wollte nicht weg«, erinnerte ich sie. Stattdessen hatte ich mich dafür entschieden, auf das örtliche College zu gehen, weil ich weder die Stadt verlassen wollte noch meine Mom. Wir waren doch mein Leben lang ein Team gewesen!
Mom seufzte und stand auf.
»Ich weiß doch, Süße. Ich freu mich ja auch, dass du hiergeblieben bist. Das macht es aber nicht besser! Es wird ziemlich schwer werden, hier einen Mann zu finden, der dir ein besseres Leben bietet. Und du sollst einfach nicht so enden wie ich.«
Ich wollte gerade eine Diskussion beginnen, als jemand an die Tür klopfte. Mom blickte zum Eingang, fuhr sich mit der Hand durchs Haar und zog den Satinstoff ihres Morgenrocks ein wenig nach unten, sodass man ihr beeindruckendes Dekolleté sehen konnte.
»Komm, geh duschen, Kleines. Ich hab die Sache im Griff, mach dir keinen Kopf!«, sagte sie und schlüpfte in ein Paar roter High Heels, sodass ihre Beine noch länger wirkten. Lächelnd huschte ich ins Bad und stellte die Dusche an, um dann, das Ohr an die Tür gedrückt, zu lauschen.
»Oh, hallo, Officer Ben! Sie wissen doch, dass ich normalerweise keine Hausbesuche anbiete«, sagte sie mit der leisen, anzüglichen Stimme, die ich so gut kannte.
»Guten Abend, Starla. Ich störe Sie ja nur ungern, bevor sie … ähm …« Er räusperte sich, und ich verdrehte die Augen. Ich wusste, dass der liebe Officer Ben Stammkunde im Jugs, einem Stripclub in einem Vorort von Sea Breeze, war.
»Bevor Sie … zur Arbeit gehen. Aber ich habe einen Anruf wegen Jess bekommen und muss die Sache überprüfen. Ist sie zu Hause?«
»Ich weiß ja nicht, wer Sie angerufen hat, Ben«, meinte meine Mutter und ließ seinen Namen über ihre Zunge rollen, als würde sie jeden Moment einen Lapdance mit ihm starten. »Aber meine Kleine war den ganzen Abend bei mir. Sie duscht gerade, weil wir einen ordentlichen Hausputz hinter uns haben. Sie können die Motorhaube ihres Pick-ups überprüfen – sie ist eiskalt. Jess ist den ganzen Tag nicht damit gefahren.« Mom verstummte, und ich konnte ihre Absätze auf dem Boden klackern hören, als sie vermutlich auf ihn zutrat. »Und sosehr mir die Vorstellung gefällt, mit Ihnen zu duschen, so wenig kann ich Ihnen natürlich gestatten, meine Kleine im Bad zu belästigen«, sagte sie in nicht minder zweideutigem Tonfall.
Wow. Meine Mom hatte es echt drauf.
»Oh, ähm, klar, das verstehe ich. Verzeihen Sie die Störung, Starla. Wollte nur sichergehen. Es gab jemanden, der sie gesehen hat, und ich werde auch noch den Wagen überprüfen, um Ihr Alibi zu verifizieren«, stammelte er, und ich presste mir die Hand auf den Mund, um nicht laut loszuprusten. Wahrscheinlich hatte er gerade einen wunderbaren Ausblick auf Moms Brüste, die sie im Umgang mit Männern immer wieder geschickt einsetzte.
Trotzdem war es wichtig, dass er mich kurz sah, um zu wissen, dass ich daheim war. Ich zerrte mir das T-Shirt vom Leib, wickelte ein Handtuch um mich und öffnete die Tür dann einen Spaltbreit. Als ich meinen Kopf hinausstreckte, riss Officer Ben seinen lüsternen Blick von meiner Mutter los.
»Ist alles okay bei dir, Mom? Ich habe eine Stimme gehört«, rief ich so unschuldig, wie ich nur konnte.
»Ja, Kleines, alles in Ordnung! Es ist nur Officer Ben«, erwiderte sie und drehte sich mit einem strahlenden Lächeln zu mir um.
Sobald Officer Ben erneut zu einer Entschuldigung ansetzte, schloss ich die Badezimmertür wieder.
»Verstehe ich doch, Officer. Sie machen nur ihren Job und sorgen dafür, dass unsere Stadt ein sicherer Ort ist. Ich kann wirklich besser schlafen, wenn ich weiß, dass sich so mutige, hingebungsvolle Männer wie Sie um uns kümmern. Martha hat ja so ein Glück, dass ein so fleißiger Mann wie Sie Nacht für Nacht zu ihr nach Hause kommt.«
Wieder verdrehte ich die Augen. Wie konnten Männer ihr diesen Stuss nur abkaufen?! Ben hatte einen Bierbauch und einen kahlen Schädel. Nichts, aber auch wirklich gar nichts an ihm war mutig. Noch dazu wusste ich, wie viel seines ach so hart verdienten Geldes er mehrmals pro Woche im Jugs verplemperte, um meine Mom und andere Frauen nur in einem Tanga bekleidet tanzen zu sehen. Ob Martha da wirklich solch einen Glückstreffer gelandet hatte? Ich war da anderer Meinung und meine Mom garantiert auch.
»Ja, also …« Er schluckte so heftig, dass ich es bis ins Bad hinein hören konnte. »Freut mich, dass Sie sich dank mir sicherer fühlen. Ich tue, was ich kann! Werden Sie denn, ähm, heute auch arbeiten?«
»Klar, ich hübsche mich ja gerade schon ein wenig auf! Kommen Sie vorbei, um mich zu sehen? Das würde mich sehr freuen! Vielleicht mache ich Ihnen ja heute eine kleine Freude – mit einem ganz besonderen Lapdance!«, erwiderte Mom.
Wow, das brachte mich beinahe zum Würgen. Wie schaffte sie es nur, den Männern währenddessen nicht ins Gesicht zu kotzen? Sie hatte mir mal erklärt, dass sie gelernt hatte, in ihrem Kopf den entscheidenden Schalter umzulegen und nur daran zu denken, dass sie umso mehr Geld verdiente, je besser die Performance war.
»Ich komme!«, meinte Officer Ben. »Letzte Woche habe ich Ihren Auftritt ja verpasst, weil es auf der Wache einen Zwischenfall gab. Aber ich habe die ganze Woche an Sie gedacht …«
»Es freut mich, dass Sie mich offensichtlich nicht aus dem Kopf kriegen!«, meinte meine Mutter zuckersüß.
»Wie sollte ich das schaffen?«, schäkerte der Officer und räusperte sich – vielleicht, weil ihm auffiel, dass er ganz offensiv mit meiner Mom flirtete, die nichts als einen Morgenrock trug und auf der Türschwelle stand. »Ich muss jetzt los und Bescheid geben, dass Jess nichts mit der Sache zu tun hat.«
»Machen Sie das, und wir sehen uns dann später«, erwiderte Mom, und ich hörte das Klacken ihrer High Heels, als sie sich von der Tür entfernte.
»Dann bis später!«, rief Ben, und die Tür fiel ins Schloss. Ich hörte, wie sie die Tür verriegelte, und drehte den Wasserhahn zu, ehe ich zurück ins Wohnzimmer trat.
»Danke«, sagte ich schlicht.
Mom zuckte mit den Schultern und winkte ab. »Sei froh, dass es nur Ben war. Der ist doch Wachs in meinen Händen. Wenn es David oder Rooster gewesen wären, hätte ich schon einiges mehr an nackter Haut zeigen müssen, um sie von dir abzulenken!«
Ich nickte und bekam auf einmal richtige Bauchschmerzen vor lauter schlechtem Gewissen. Immerhin hatte meine Mom meinetwegen mit einem verheirateten Cop geflirtet.
»Es tut mir leid«, sagte ich.
Mom, die eben in ihr Zimmer hatte gehen wollen, blieb stehen.
»Ach, das muss es nicht. Irgendwer musste den Wagen doch zertrümmern. Bin froh, dass du dich drum gekümmert hast.« Dann zog sie die Tür hinter sich zu.
Ich musste lächeln. Nein, ich hatte nie besonders viele Freundinnen gehabt, weil mich niemand verstand und mir nahekommen wollte. Aber meine Mom war meine allerbeste Freundin.
Zwei Tage später musste ich immer noch an die Pick-up-zertrümmernde Blondine denken. Sie war wirklich … etwas Besonderes. Jemand, der einem nicht aus dem Kopf ging.
Ihr Baseballschläger stand nach wie vor in einer Ecke meines Zimmers, und ich überlegte, was ich damit machen sollte. Gerade war es ihr wahrscheinlich ganz lieb, wenn das Beweisstück nicht in ihrer Nähe war.
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