Möglichkeitenraum - Maria Cura - E-Book

Möglichkeitenraum E-Book

Maria Cura

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Beschreibung

Das Buch von Maria Cura ist ein Gedankenexperiment zum Thema Möglichkeitenraum. Bereits Laotse wies vor über 2500 Jahren darauf hin, dass es der leere Raum in einem Behältnis ist, der es dem Gegenstand erst ermöglicht, als Gefäß zu dienen. Der als leer empfundene Raum ist nicht leer: er steckt voller Möglichkeiten. Diese sind so zahlreich, dass sie - schränkt man sie nicht willkürlich ein - durch keinen Computer errechnet werden können. Aber unser Geist hat Zugang zu den Möglichkeiten: durch Fantasie und Vorstellungskraft und auch im Zusammenhang mit dem Gefühl. Wirkungen und Zusammenhänge werden hier in ganz verschiedenen Richtungen beleuchtet. Dabei geht es nicht alleine um "gegenständliche" Räume, sondern genauso um geistig freie Räume. Dem Sein wird das große, raumgebende "Nicht-Sein" ergänzend an die Seite gestellt. Die Texte schrieb Maria Cura 1994/1995 und 2000, aber erst jetzt hat sie durch den Verlag BoD die Möglichkeit gefunden, sie zu veröffentlichen. Da die enthaltenen Überlegungen zeitlos sind, sind die Texte aktuell geblieben.

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Seitenzahl: 371

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Möglichkeitenraum

DankVorwort 2017Vorwort 2000LaotseVorbemerkungDaseinDie Eindimensionalität des logischen DenkensGibt es in unserer Welt Unendlichkeiten?Der leere RaumKulturelle Unterschiede in der Betrachtung der Leere, geprägt durch die ReligionenWie können leere Freiräume aussehen? Wie geht unsere Gesellschaft damit um?Das Schauen der Freiräume - der Fülle der leeren Räume und meines Platzes darinFreiräume im AlltagFreiräume im religiös-spirituellen BereichDie Ordnung des SinnvollenDie Welt als GemäldeBewusstsein und Materie, Geist und RaumDie Frage nach der IdentitätDie unterschätzte Bedeutung der GefühleGefühle, Wille und HirnforschungGefühle und die neue physikalische Theorie von den Extra-DimensionenGrundprinzipien der WeltAusgewogenheit - allgemein und in Kunst, Musik und LebenskunstNoch einmal über den Sinn, das Leben und den TodLernen aus der AnschauungDie Frage nach der Bedeutung von Computern und virtuellen WeltenDie Theorie von der zunehmenden Vereinigung von Sein und MöglichkeitenraumLebendiges Wachstum ins Nichts, Band 1: GrundgedankenElementare GrundgedankenBildlich-symbolische VeranschaulichungChaos und Möglichkeitenraum, Ordnung und Starrheit, Ausgewogenheit zwischen beidenMaterie-Geist: entsprechen ihnen Sein und Möglichkeitenraum? Eine gewagte HypotheseWille und Gefühl - Ausdruck von Sein und MöglichkeitenraumDimensionsentfaltung und RedimensionierungZeit rückwärts und Zeit vorwärts, Gravitation und StrahlkraftKleiner Exkurs: Unsere Welt als ein Konglomerat aus Zeit-rückwärts und Zeit-vorwärtsKomplexitätEin Entwurf des AbsolutenAusblick: Die Notwendigkeit der schauenden Wahrnehmung des inneren MöglichkeitenraumesLebendiges Wachstum ins Nichts, Band 2: Die Theorie in Hinblick auf Religionen und MystikVorbemerkungDie Sein-Möglichkeitenraum-Theorie - ein neuer Weg zum Dialog?Allgegenwärtige UnendlichkeitLiebe schenkt MöglichkeitenraumEin Meer aus geheimnisvoll dunklem LichtReligionen weisen Wege zur Schau der unendlichen MöglichkeitenfülleSpielfreude an Sein und NichtseinReligionen haben auch Teil am SeinReines "Ich bin"Das Wunder reinen SeinsLoslassen: Freiheit für den offenen Möglichkeitenraum und die reine SeinswahrnehmungDas Schauen der Möglichkeitenfülle in der Ganzheit von vereintem Sein und NichtseinVergleich: Judentum, Buddhismus, Christentum und NaturreligionenJesus ChristusOsternPfingstenAusblick: Ausdünnung der Wahrnehmung oder Schau des WesentlichenAnhang 1 - Nachträgliche persönliche Überlegungen zur christlichen ReligionAnhang 2 - Homöopathie und Nicht-Sein - Ein noch vorsichtiger Vorschlag zu neuen GedankenEinführung in die wichtigsten Grundsätze der klassischen HomöopathieHomöopathische Mittel als Information über den Bereich des Nicht-Seins - als eine komplementäre Information"Homöopathie" als natürlicher ProzessKurze Erklärung der Mandelbrot-Menge und Gedanken dazuErklärung: Innerer und äußerer MöglichkeitenraumLiteraturlisteGedichtWas hier nicht istImpressum

Dank

Für meine Familie

Danken möchte ich vor allem meiner Familie: meinen Eltern, meinen Kindern, ihrem bereits verstorbenen Vater und meinem jetzigen langjährigen Freund und Lebenspartner. Sie zusammen haben mir über viele Jahre hinweg das Umfeld gegeben, in dem sich meine Gedanken und Beobachtungen entfalten konnten.

Meine Kinder waren noch dazu, als sie sehr klein waren, für mich eine Möglichkeit, erneut mit ihren, d.h. mit staunenden Kinderaugen zu sehen. Ich weiß noch, wie mein Sohn fasziniert einen kleinen Plastikball betrachtete - und in dem Moment begriff ich etwas, das ich aber noch nicht in Worte fassen konnte. Heute würde ich vielleicht sagen: mein kleiner Sohn war staunend fasziniert von den Möglichkeiten, die so eine runde Kugel bot. Und er konnte mir, wie später auch meine Tochter, etwas von diesem kindlich-unbefangenen Staunen übertragen.

Sehr dankbar bin ich auch dem Verlag BoD, der es mir so unkompliziert ermöglicht, Bücher zu veröffentlichen, und dies, ohne dass ich mich den Vorstellungen eines Lektors anpassen muss (meine Freiheit ist mir hier sehr wichtig). Bei Fragen bekomme ich schnell und freundlich Auskunft. Vor über 20 Jahren wollte ich bereits über einen eigenen Verlag ein Buch veröffentlichen, daher weiß ich, wie viel Mühe es kostet, einen Verlag zu gründen, und noch dazu der Aufwand um den Druck herum. Daher schätze ich die Leistungen des BoD-Verlages sehr. Ein aufrichtiges: Danke.

Vorwort 2017

Dieses "gedankenspielerische" Buch - das dabei aber durchaus ernste, wichtige Anliegen enthält - wurde im Jahre 2000 geschrieben, Teile stammen sogar von 1994/1995. Es wurde aber damals nicht veröffentlicht (außer ein paar privaten Kopien für Familie und Freunde).

Jetzt ergibt sich die einfache Möglichkeit, Bücher über BoD zu verlegen (BoD - ein moderner Verlag, mit dem ich gerne zusammenarbeite, der mir auch völlig freie Hand bei Inhalt und Gestaltung läßt), und ich beschloss daher, diese Schriften als Buch ebenfalls zu veröffentlichen. Der Titel ist verändert in "Möglichkeitenraum - die unsichtbare Fülle des leeren Raums". Ansonsten ist der Text der Schriften unverändert, nur ein paar überflüssige Vorab-Kapitel wurden gestrichen (eine lange Beschreibung über mich als Autorin, eine sehr lange Dankesliste und außerdem Hinweise auf die Lesemöglichkeiten des Textes - z.B. Kapitel isoliert lesbar) und ganz wenige winzige, unerhebliche Veränderungen wurden an ganz wenigen Stellen vorgenommen.

Viele Gedanken und Überlegungen, die in meinem 2017 verfassten kleinen Buch "Geschenk Lebenssinn" angesprochen sind, finden sich bereits hier angelegt, wenn auch meist noch nicht so deutlich und unkompliziert ausgesprochen. Dafür gehe ich hier stärker theoretisch in die Tiefe grundsätzlich gesehener Zusammenhänge, während "Geschenk Lebenssinn" vor allem auf unsere jetzige Lebenssituation eingeht.

Viele Kapitel können für sich stehen, es ist daher nicht unbedingt notwendig, das Buch der Reihe nach von A-Z zu lesen.

Die Texte sind teilweise einfach und anschaulich, teilweise sehr abstrakt (so wie z.B. gleich das zweite Kapitel über die Unendlichkeiten oder Band 1 von 1995) und spekulativ (z.B. Überlegungen zur Homöopathie) oder auch spirituell-mystisch (Band 2 von 1995).

Meine Erfahrung ist, dass viele der Menschen, die meine Texte bisher gelesen haben, sehr positiv etwas mit meinen Gedanken anfangen können - aber jeder auf seine ganz eigene Weise. Das hat mich anfangs sehr verblüfft. Inzwischen vermute ich, dass meine sehr grundsätzlichen und doch oft neuen Überlegungen anregend wirken, und aus einem ungewohnten Blick auf die umgebende Welt jeder selbst neue Beobachtungen und Gedanken entfaltet und meine Gedanken mit seinen eigenen Beobachtungen und Überlegungen zu etwas Neuem verknüpft.

Das Buch ist ein Gedankenexperiment zum Thema Möglichkeitenraum. Bereits Laotse wies vor über 2500 Jahren darauf hin, dass es der leere Raum in einem Behältnis ist, der es dem Gegenstand erst ermöglicht, als Gefäß zu dienen.

Der als leer angesehene Raum ist nicht leer: er steckt voller Möglichkeiten. Diese sind so zahlreich, dass sie - schränkt man sie nicht willkürlich ein - durch keinen Computer errechnet werden können.

Aber unser Geist hat Zugang dazu: durch Fantasie und Vorstellungskraft und auch im Zusammenhang mit dem Gefühl.

Die Wirkungen und Zusammenhänge rund um den Möglichkeitenraum werden hier in ganz verschiedenen Richtungen beleuchtet. Dabei geht es nicht alleine um "gegenständliche" Räume, sondern genauso um geistig freie Räume. Dem Sein wird das große, raumgebende "Nicht-Sein" ergänzend an die Seite gestellt.

Im Bereich der Naturwissenschaften und der Mathematik mag ich in mancher Hinsicht irren. Aber vielleicht ist es trotzdem sinnvoll, dass nicht immer nur Experten ein Gebiet betrachten, sondern auch mehr Außenstehende, die vielleicht manchmal etwas erkennen, was man von innen übersieht. Daher riskiere ich es, auch über Gebiete zu schreiben, die ich vielleicht falsch verstehe - ich denke, der Leser weiß ja, dass er meine Überlegungen liest, und es sich nicht um die Darstellung wissenschaftlich geprüfter Erkenntnisse handelt. Wie sehr aber eine gewisse Distanz helfen kann, etwas auf zusammenhängende Weise zu erkennen, hat mir folgendes Beispiel einmal wunderbar veranschaulicht:

Es war in einer Ausstellung (Frederic Vesters "Unsere Welt - ein vernetztes System" 1978 in München im Deutschen Museum, siehe Ausstellungskatalog, Stuttgart 1978, S.166 f). Dort hing ein Bild mit vielen gleich großen Quadraten, die teils weiß, teils schwarz und teils verschieden grau waren. Ich konnte beim besten Willen zuerst nichts außer diesen Quadraten erkennen. Als ich aber, wie empfohlen, ein paar Schritte zurückging und blinzelte, so dass das Bild kleiner und undeutlicher wurde, da sah ich doch plötzlich ziemlich deutlich ein Portrait des amerikanischen Präsidenten A. Lincoln. Für mich war das damals wirklich eine verblüffende Erfahrung: Distanz und Unschärfe führten zur Erkennbarkeit!

Heute findet sich das Bild auch im Internet (z.B. beim Googeln: "Frederic Vester Abraham Lincoln - Bilder").

Wie auch beim stärker gesellschaftskritischen Buch "Geschenk Lebenssinn" will ich nicht festzementierte Aussagen unumstößlich in den Raum stellen (auch wenn ich aus sprachlichen Gründen oft eine sehr entschiedene Formulierung wähle und natürlich auch meine Gedanken für schlüssig halte - aber ich weiß auch, wie schnell man irrt), sondern ich wollte spielerisch auch einmal grundsätzliche Ansichten neu angehen - dass das auch Widerspruch erzeugen kann, würde mich nicht überraschen, ist sehr wahrscheinlich stellenweise notwendig, und ich sehe Widerspruch als Teil eines kreativen Prozesses.

Ich bin keine Professorin oder sonst irgendwie mit der offiziellen Lehre beauftragt, ich bin keiner philosophischen oder weltanschaulichen Richtung verpflichtet - und ich nutze einfach diese Freiheit des Gedankenspiels. Vielleicht lassen Sie sich einladen "mitzuspielen"…

Das Buch habe ich mit großem Zeilenabstand formatiert, weil es zumindest mir so geht, dass ich sehr dichte Informationen gerne in einer nicht auch noch verdichteten Schrift lese. Der große Zeilenabstand könnte eher etwas entspannend wirken und möchte zum langsamen Lesen einladen.

Das Umschlagbild wurde von mir mit 16 Jahren gemalt, und ich gab ihm den Titel: “Lebendiger Vorstoß ins Nichts” - hier zeichnet sich schon ein wenig mein späteres Interesse für den offenen Möglichkeitenraum ab.

Maria Cura

München im August 2017

Ich möchte hier noch nachträglich einen kleinen Absatz, den ich zuerst im Vorwort des Buches "Der kleine Möglichkeitenraum" schrieb, einfügen:

Noch eine Bemerkung zum "Nichts" bei Laotse. Es verführt den Leser dazu - so habe ich bemerkt - zu denken, ich würde über das "Nichts" schreiben. Aber mein Thema ist der leere Raum (vielleicht könnte man Laotses "Nichts" auch mit "leerem Raum" übersetzen). Über das "Nichts" kann ich auch nichts sagen, über den leeren Raum dagegen schon. Dieser kann auf ganz verschiedene Weise leer sein, und so ergibt sich ein vielfältiges Thema.

Maria Cura

München im Oktober 2017

Vorwort 2000

"Spektrum:

Was ist mit der von Kurzweil beschriebenen Möglichkeit, das Gehirn vor seinem natürlichen Tod zu "scannen", also in irgendeiner Form datenmäßig zu erfassen und auf eine Festplatte zu bannen oder ins Internet zu speisen, wo es dann virtuell unbegrenzt weiterleben könnte? Das erscheint doch auch sehr fantastisch.

Roth:

Nicht unbedingt. Ich habe das früher einmal selbst durchdacht: Es könnte durchaus möglich sein. Nur - der Mensch, mit dem das passiert, der wird nichts davon haben, denn sein ursprüngliches Ich wird nicht mit übertragen. Es entsteht ja eine Kopie, also ein zweites, ein anderes Ich.

Spektrum:

Wie beim Klonen der Körper reproduziert wird, so entstünden zwei Ichs?

Roth:

Genau. Die Erinnerungen bis zum Zeitpunkt des Kopierens wären identisch. Danach aber machen beide, das Original und die Kopie, jeweils neue, unterschiedliche Erfahrungen.

Spektrum:

Aber beide wären entscheidungsfähig?

Roth:

Ja.

Vollmer:

Das glaube ich nicht. Das zweite Ich wird doch nicht durch den bloßen Transfer von Daten erzeugt.

Roth:

Nein, die Idee ist, dass man die extrahierte Informationsmenge an ein anderes bewusstes System anschließt. Dieses müsste den "Download" natürlich zunächst einmal lesen können - was an sich schon ein erhebliches Problem darstellt. Nach heutigem Stand der Dinge ist das noch unmöglich; den Naturgesetzen widerspräche es jedoch nicht. - Aber selbst wenn die Grenzen der Machbarkeit in absehbarer Zeit weiter gezogen werden könnten: Mein Ich würde immer noch mit dem alten Gehirn sterben, während die Kopie meines Ichs, die aber nicht ich bin, weiterlebt.

Vollmer:

Immerhin würde das überlebende Ich von sich selbst behaupten, es habe früher in Ihrem Körper gelebt und existiere nun virtuell weiter."

Das ist kein Szenario aus einem Sciencefiction-Roman, sondern das sind Ausschnitte aus einem Gespräch, das die Spektrum-Autoren Reinhard Breuer und Carsten Könneker mit dem Philosophen Gerhard Vollmer und dem Neurobiologen Gerhard Roth führten. (Spektrum der Wissenschaft, Heft Oktober 2000, S. 72 - 75, Titel: "Es geht ans Eingemachte"). Da die Zeitschrift "Spektrum" sehr auf den Ruf der Seriosität achtet, kann man davon ausgehen, dass die Gesprächspartner anerkannte Wissenschaftler sind.

Es ist hier nicht der Ort, zu beurteilen, wie weit diese Feststellungen berechtigt sind oder nicht. Aber sie zeigen auf, wie wichtig es in unserer Zeit ist, sich ein neues Bild vom Menschen zu machen, ein neues Bild vom Leben, von Identität, von Sinn - auch wenn man nicht gleich an die hier vorgestellten Entwicklungen glaubt.

Die alten religiösen und philosophischen Vorstellungen werden durch die neuen Wissenschaften nicht unbedingt falsch - sie sprechen bloß eine völlig andere Sprache. Und es muss viel Gedankenarbeit geleistet werden, um wieder den Faden zum Anknüpfen an die modernen Wissenschaften zu finden.

Dies ist aber eine sehr wichtige Aufgabe, denn ansonsten "verwildern" die Ergebnisse der Wissenschaft, sie verselbständigen sich und entwickeln ein Eigenleben, abseits von jeder Moral, abseits von jeder Kontrolle. Was machbar ist, wird dann gemacht, und wer das Geld hat, es zu bezahlen, der darf es nützen. Was mit dem Rest der Menschen und mit der Erde geschieht, das spielt dann keine Rolle mehr - vor allem, weil es sowieso keiner mehr versteht und durchschaut.

Der Graben zwischen den alt-ehrwürdigen Weltbildern und der Begriffs- und Vorstellungswelt der modernen Wissenschaften ist sehr tief geworden. Er ist sicherlich nicht mit einem Satz zu überwinden. Viele Versuche müssen unternommen werden, mancher Irrweg wird gegangen werden. Aber dennoch: wir müssen uns auf den Weg machen.

Der Weg in diesem Buch ist nicht einfach, es ist bei schwierigen Themen eine Gratwanderung zwischen zu festen Behauptungen: "Es ist so und so..." und zu zögerlichen Aussagen: "Vielleicht könnte man sagen...".

Ein großer allgemeiner Hinderungsgrund für solche Themen scheint mir oft die Schwierigkeit zu sein, dass man in renommierten wissenschaftlichen ebenso wie in religiösen Kreisen oder in den Medien, die heutige weltanschauliche Unsicherheit nicht zugeben darf, wenn man nicht bald "weg vom Fenster" sein will. Fast jeder Wissenschaftler präsentiert vorwiegend Antworten, verifizierte Theorien, überprüfbare Aussagen. Wenige stellen einmal die Fragen nach dem, was wir nicht wissenschaftlich verstehen, was wir nicht rein logisch begreifen können - oder von Seiten der Religionen, wie man alte Wahrheiten neu formulieren könnte, so dass sie auch den Wissenschaften etwas sagen können. Es wird meist nicht einmal versucht, klar einzugrenzen, was wissenschaftlich zugänglich ist und was nicht. Die Sinnfrage wird so gut wie gar nicht mehr gestellt.

Hier will dieses Buch einige Überlegungen in den Raum setzen und zur Diskussion anbieten. Es ist nur ein Anfang, und vieles mag noch der Überarbeitung bedürfen. Aber ich denke, dass so mancher Gedanke hier, auch wenn er vom Leser nicht bejaht werden sollte, zu interessanten und neuen Überlegungen führen kann. Der Sinnbegriff wird wieder verwendet und es wird versucht, ihn auch in unserem verwissenschaftlichten Weltbild als wertvollen Begriff wieder einzuführen, ja ihn vielleicht sogar einem wissenschaftlichen Teil-Verständnis zuzuführen. Gefühle bekommen eine neue Wertigkeit. Der Leerraum wird auf neue Weise betrachtet.

Vielleicht werden Sie neugierig. Ich würde mich freuen.

Laotse

(Sehr alte chinesische Weisheitslehren, vermutlich von einem Mann namens Laotse)

Nr. 1

"Der Sinn, der sich aussprechen lässt,

ist nicht der ewige Sinn.

Der Name, der sich nennen lässt,

ist nicht der ewige Name.

"Nichtsein" nenne ich

den Anfang von Himmel und Erde.

"Sein" nenne ich

die Mutter der Einzelwesen.

Darum führt die Richtung auf das Nichtsein

zum Schauen des wunderbaren Wesens,

die Richtung auf das Sein

zum Schauen der räumlichen Begrenztheiten.

Beides ist eins dem Ursprung nach

und nur verschieden durch den Namen.

In seiner Einheit heißt es das Geheimnis.

Des Geheimnisses noch tieferes Geheimnis

ist das Tor, durch das alle Wunder hervortreten."

Nr. 11

"Dreißig Speichen umgeben eine Nabe:

In ihrem Nichts besteht des Wagens Werk.

Man höhlet Ton und bildet ihn zu Töpfen:

In ihrem Nichts besteht der Töpfe Werk.

Man gräbt Türen und Fenster, damit die Kammer werde.

In ihrem Nichts besteht der Kammer Werk.

Darum: Was ist, dient zum Besitz

Was nicht ist, dient zum Werk."

Zitiert aus: "Laotse. Tao te king. Texte und Kommentar", Übersetzer Richard Wilhelm, Diedrichs Gelbe Reihe DG 19 China, München 1978/1993, S. 41, Nr. 1 und S. 51, Nr. 11

Vorbemerkung

Dieses Buch ist eine Paradoxie, ein Widerspruch in sich selbst.

Es versucht, logisch denkend und untersuchend, aufzuzeigen, welche Bereiche unseres Daseins sich der Logik entziehen, bzw. über sie hinaus gehen. Da die moderne Technik und die Computer durch ihre logischen Berechnungen und Analysen zunehmend mehr unsere Welt bestimmen und verändern, so wird es immer wichtiger, klar zu beschreiben, wo die Grenzen des logisch eindeutig Erfassbaren liegen, und wo Bereiche beginnen, die sich dem entziehen.

Um bei dem anschaulichen bildlich-symbolischen Beispiel von Laotse zu bleiben:

Es ist nicht nur wichtig, den Topfrand eines Kruges wahrzunehmen und nötigenfalls genau zu beschreiben, es ist auch wichtig, die Bedeutung des leeren Raumes im Topf zu erkennen, ohne gleich festzulegen, womit er gefüllt werden wird. Wenn diese Bedeutung nicht erkannt wird, so besteht die Gefahr, dass der Topf falsch gefüllt wird (z.B. mit erhärtendem oder vergiftendem Material), und so schließlich unbrauchbar und überflüssig wird.

Und dieses Buch bricht Tabus, spricht Themen an, über die man sonst schweigt.

Die Generation vor mir hat in verdienstvoller Weise überholte alte Werte (z.B. Einseitigkeit des Nationalsozialismus, zu strenge formelle Erziehung, blinde oder verängstigte Obrigkeitsgläubigkeit, usw.) in Frage gestellt und hat viele alte Tabus gebrochen. Dies war durch den Wandel der Zeit notwendig und sinnvoll geworden. Und es kann auch sinnvoll sein, für eine gewisse Zeit ohne genau festgelegte, tiefe Werte zu leben, um sich zu öffnen für neue Lebensweisen und neue Sichtweisen.

Wenn aber dieser Zustand der "Wertelosigkeit" lange anhält, dann wird aus dem lebendigen, kreativen Freiraum eine tote, öde Leere. Wir haben in der letzten Zeit fast alle bestehenden Tabus aufgebrochen. Aber fast unbemerkt haben sich neue Tabus eingeschlichen. Diese Tabuthemen sind: die Sinnfrage; die Frage, was nach dem Tod geschieht; die Frage, ob es so etwas, wie Ewigkeit oder Jenseits und Seligkeit gibt; die Frage, was ist gut, was ist böse; die Frage nach den grundlegenden Werten.

Es ist im allgemeinen verpönt - und ganz besonders im wissenschaftlichen Bereich - über diese Dinge zu reden. Etwas ratlos schweigt man sich aus. Für den Staat haben wir zwar ausgesprochen gute Werteordnungen (allerdings hat er gegenüber der Wirtschaft immer weniger zu sagen), aber es scheint, dass wir oft die persönliche Verantwortung in sehr vielen Bereichen an Institutionen abgegeben haben:

Allgemeiner Umgang und Entwicklungen:

Staat und Gesetze

Wirtschaft:

Konzerne (und wir erkennen meist nicht mehr bewusst, dass diese durch unsere einzelnen, persönlichen Kaufentscheidungen in ihrem Handeln bestimmt werden.)

Gesundheit:

Ärzte, Krankenhäuser

Herstellung und Zubereitung von Nahrung (früher Kleinbauer in der Nähe und Hausfrau):

Landwirtschaftliche fast-industrielle Hochleistungs-Großbetriebe, international verfügbar, Bestandteile oft mehrfach weit transportiert, verarbeitet von der Nahrungsmittelindustrie, schnell zu sich genommen in Kantinen, aus Dosen, als Fast Food

Probleme mit sich selbst:

Psychologen

Absicherung (früher Nachbarschaft, Familie, Dorfgemeinschaft):

Versicherungen

Geldverdienen:

allmählich statt persönlicher Arbeitsleistung vermehrte Aktienspekulation

Praktische Arbeit:

Automaten, Roboter

Teile der Denkarbeit:

Computer

Kindererziehung:

Kindergarten, Hort, Schule, Fernsehen, Computer-Lernprogramme

Über das Private hinausgehende Ziele:

Wirtschaft, Banken, computergestützte Statistiken

Informationsgewinnung, Wissen:

Institute, Computer

Vermittlung von Information, Wissen und Wertung:

Medien.

Persönlich, so scheint es, müssen wir uns nur noch um Erfolg, Geld und Vergnügen kümmern. So trifft vielleicht wirklich zu, was der Tibeter Sogyal Rinpoche in unserer Gesellschaft beobachtet: viele fragen nicht mehr danach, was gut ist oder schlecht, sondern was aufregend ist oder langweilig.

Diesem Rückzug auf das Private steht eine große Verantwortung für die Erde gegenüber. Nie zuvor konnten wir durch unsere Technik so viel verändern wie heute. Der Rückzug aus der Verantwortung ist sicher zu einem großen Teil nicht wirklich in egoistischer Vergnügungssucht zu suchen, sondern ist Ausdruck eines Ohnmachtsgefühls, das uns oft lähmt, und auch Ausdruck der Überreizung durch ständig Neues, das oft beängstigend oder verlockend auf uns wirkt, ob wir es nun wollen oder nicht.

Aber wir haben jetzt eine einmalige Chance, die Freiheit, die wir jetzt auch im Bereich der Wertefragen erreicht haben, auch für Fragen nach wesentlichen Werten zu nutzen. Wir müssen nicht mehr so fürchten wie früher, verurteilt zu werden, wenn wir eine ungewöhnliche, eigenständige Meinung zu diesen Themen haben.

Wichtig erscheint mir allerdings, dass wir mehr lernen, uns in diesen Bereichen "offen" zu äußern, d.h. eigene, vielleicht noch etwas unfertige Überlegungen zu äußern und zur Diskussion zu stellen. Früher verkündeten hohe Institutionen letzte Wahrheiten und duldeten keinen Widerspruch. Heute hat jeder die Gelegenheit, seine eigenen, vielleicht auch etwas eigensinnigen Gedanken zu äußern, sofern er bereit ist, diese nicht als endgültig und nicht mehr hinterfragbar, sondern als Vorschlag zu betrachten. Diese Chance sollten wir ergreifen.

Denn wenn der Zustand der inneren "Wertelosigkeit" über längere Zeit anhält, entsteht die Gefahr der Selbstzerstörung, innerlich oder durch gefährliche Abhängigkeiten, z.B. durch Sekten, obskure esoterische Zirkel (es gibt auch sehr gute Ansätze in der Esoterik, ihre Spannbreite ist sehr weit), durch Rechts- oder Linksextremismus, Terrorismus, Fanatismus, aber auch durch Konsumsucht, durch Alkohol und Drogen (gemeint ist hier nicht der sinnvolle rituelle Gebrauch von psychoaktiven Substanzen, z.B. bei Heilritualen der Naturvölker). Diesen selbstzerstörerischen Abhängigkeiten ist gemeinsam, dass sie kurzzeitig das Gefühl vermitteln, mit dem allumfassenden Sinn verbunden zu sein - bis das böse Erwachen folgt.

"Nachhaltige Werte"

Wir brauchen daher, was ich "nachhaltige Werte" nennen möchte. Aus der Ökologie-Bewegung ist der Begriff der Nachhaltigkeit bekannt. So gibt es nachhaltige Energie und nachhaltige Landwirtschaft: dabei werden die Ressourcen nicht endgültig aufgebraucht, sondern sie wachsen nach, oder entstehen jederzeit wieder neu (z.B. Sonnen- und Windenergie, Fruchtwechsel-Wirtschaft ohne Kunstdünger, usw.) Ebenso brauchen wir Werte, die nicht schnell modisch entstanden sind, uns aufputschen und dann wieder untergehen. Wir brauchen wieder Werte, die auch im rasanten Wandel unserer Zeit Bestand haben, also "nachhaltig" sind, die sich auch in immer wieder neuen Situationen als wahr bewähren.

Solche Werte lassen sich nicht einfach durch Übernahme alter Werteordnungen oder durch schnelle Entwicklung neuer Ordnungen finden. Das Finden solcher neuen Werte ist ein langsamer Wachstumsprozess, wahrscheinlich mit vielen Irr- und Umwegen dabei. Die Suche hat bereits in manchen Gebieten (z.B. Ökologiebewegung, Alternativmedizin, manche Wissenschaftsbereiche, Zuwendung zu asiatischen Religionen, usw.) begonnen. Die Tabus und das Schweigen zu Sinn- und Wertefragen werden mehr und mehr gebrochen. Unter diese Versuche möchte sich dieses Buch hier auch einreihen.

Ich schreibe hier allerdings seltener über spezielle Situationen, und wie sie zu bewerten sind, sondern ich versuche herauszufinden, wie grundsätzliches Sinnempfinden überhaupt entsteht. Es ist aber wirklich ein Versuch, und wenn auch manches scheinbar eindeutig fest beschrieben wird, so ist dies oft einfach der Fall, weil ich mich nicht ständig wiederholen und schreiben kann: "Dies ist ein Vorschlag - bitte prüfen Sie selber kritisch, ob Sie das so übernehmen können". So hoffe ich, dass es nicht als Arroganz angesehen wird, wenn ich hier Tabus breche, und u.a. auch über die "letzten Dinge" und den Sinn schreibe. Ich glaube, dass wir inzwischen den Freiraum erreicht haben, in dem wir dies offen tun können.

Dasein

Dasein -—

Was ist Dasein? ---—

"Da"

"Sein"

Ich bin

Du bist

Er ist

Sie ist

Es ist

Wir sind

Ihr seid

Sie sind

D A

das heißt: hier und jetzt ganz da -----

jeden Augenblick

S E I N

das heißt: sein, existieren

das Gegenteil von Nicht-Sein

Wirklich sein

DA - SEIN

Aber was heißt da sein?

Hier und jetzt wirklich sein?

Hier und jetzt sind Orte und Momente.

Welche Orte, welche Momente?

Können wir es logisch verstehen, das "DA", das uns ins "Dasein" versetzt?

Nur zum Teil.

Wo ist der Ort des Daseins in einem Moment?

Ist das der Raum, den mein Körper von Kopf bis Fuß einnimmt?

Ist es mein Gehirn?

Ist es eine bestimmte Stelle in meinem Gehirn?

Ist es das Herz?

Ist es ein unbestimmbarer Punkt?

Wo ist der Ort des Daseins eines Gegenstandes?

Der Raum, den seine Länge und Breite und Höhe einnimmt?

Oder ist er erst in meinem Geist (Gehirn?) ein Gegenstand?

Ist er erst durch meine Benennung ein bestimmter Gegenstand?

Gibt es sonst nur Orte mit unterschiedlichen Eigenschaften, an denen unterschiedliche Kräfte wirken, die aber nicht zu einem da-seienden Gegenstand gehören?

Ist der Gegenstand erst durch unser Denken da?

Was ist "da" ohne unser Denken?

Einfaches Hier

Einfache Anwesenheit

Einfaches So-sein

Ohne Name

Einfach da

Einfaches Sein

Und dort?

Ist Nicht-da.

Nur aus diesem dort - aus diesem Nicht-da bezieht das "Da" seine Identität.

Sonst gäbe es nur ein ungeheueres riesiges "Da" - ohne Unterschied.

Das "Dort", das Nicht-da macht den Unterschied.

Nur durch das "Nicht-da" gibt es Verschiedenes - sonst wäre nur Eines.

Nur durch das "Nicht-da" können wir "Da" und "Dort" als Verschiedenes denken.

"Jetzt"

Unendlich kurz.

Ein Augenblick.

Wenn gedacht, ist er schon lange vorbei.

Wenn bewusst wahrgenommen, ist er schon längst nicht mehr.

Geboren aus dem "Vorher", sich unaufhaltsam wandelnd in das "Nachher".

Unbegreiflich für das Denken.

Eigentlich gar nicht vorhanden, so kurz.

Trotzdem leben wir im kontinuierlichen "JETZT".

Das "Jetzt" durchstreicht die Zeit.

So kurz, dass es nicht festzumachen ist.

Es ist nur aus dem benennbar, was es nicht ist:

Nicht vorhin und nicht nachher.

Reines Jetzt treibt durch die Zeit.

Ist DA und SEIEND.

Und wir in ihm.

"SEIN"

Was ist "Sein"?

Was ist der Unterschied zum "Nicht-Sein"?

Nur verschiedene Eigenschaften lassen Sein und Nichtsein unterscheiden.

Hier ist etwas rot, dort gelb, hier ist etwas hart, dort weich, hier ist etwas, was sich nach links bewegt, dort ist etwas, was sich anders bewegt, dort ist etwas, was Widerstand macht, dort nicht, usw..

Nur der Gegensatz lässt etwas erkennen.

Erkennen, dass es hier und jetzt etwas gibt, was woanders nicht ist.

Dass etwas D A - I S T.

Nichts wäre erkennbar, wenn da nicht das NICHT-DA-IST wäre.

Das NICHT-DA-SEIN ist unendlich groß und weit.

Während das bewusste DA-SEIN in kleinen Augenblicken und an eingegrenzten Orten besteht.

Wir denken vor allem an das bewusste DA-SEIN

und vergessen so leicht die Größe und Weite des NICHT-DA-SEINS.

Und damit nehmen wir uns den Raum für ungeahnte Möglichkeiten.

Das DA-SEIN als letztenendes übergreifendes Ganzes, quasi das absolute, ewige DA-SEIN, besteht sowohl aus ort- und augenblick-eingegrenztem DA-SEIN, als auch aus dem NICHT-DA-SEIN. Beide zusammen lassen unsere Welt entstehen, sind in der Ewigkeit eine Einheit.

Für das gesunde und erfüllte Leben im Hier und Jetzt müssen wir uns vor allem auf das mit uns hier und jetzt Seiende beschränken.

Aber wenn wir uns zu sehr beschränken, wird alles nach und nach immer enger.

Es muss eine Ausgewogenheit bestehen, zwischen dem Blick auf das hier und jetzt Seiende und der Weite des Nicht-seienden.

Exakte Naturwissenschaften und Computer können zwar - ausgehend von bestimmten festen Grundvoraussetzungen - berechnend auf Zukünftiges und Vergangenes blicken - aber die Schau der Fülle der Möglichkeiten im Raum des NICHT-DA-SEINS bleibt ihnen verwehrt. Sie können nur unter bestimmten Bedingungen eintretendes So-Sein vorausberechnen. Sie können aber nie die Fülle aller Möglichkeiten, die eintreten könnten, erfassen. Denn die festen Grundvoraussetzungen können bei genauer Betrachtung auch variieren, die Grundvoraussetzungen selbst haben Grundvoraussetzungen und diese ebenfalls wieder. Man kann in verschiedensten Situationen die Grundvoraussetzungen auf ein übersichtliches Maß reduzieren und festlegen, z.B. im Experiment. Im "wirklichen Leben" dagegen spielen so viele Einflüsse eine Rolle, dass man zwar meist von einer gewissen Wahrscheinlichkeit ausgehen kann - aber es ereignen sich immer wieder unberechenbare Dinge, so dass alles einen ganz anderen Verlauf nehmen kann.

Das NICHT-DA-SEIN in seiner Größe zu ahnen und wahrzunehmen, bedeutet sein eigenes DASEIN in den richtigen Rahmen zu stellen. Das ist wesentlich.

Die Eindimensionalität des logischen Denkens

In diesem Kapitel zeichne ich "schwarz-weiß", d.h. ich hebe die Eindimensionalität logischer Vorgänge etwas überspitzt hervor. Ich vermute, dass z.B. Mathematiker und Physiker einige Argumente dagegen setzen könnten. Z.B. bringen Chaosforschung und Fraktale hier ganz andere, neue Aspekte in die Mathematik. Ich möchte Sie aber trotzdem bitten, diese Einseitigkeit erst einmal stehen zu lassen (im Bewusstsein, dass sie etwas überspitzt ist), spätestens im Kapitel "Der leere Raum" werden Sie zu verstehen beginnen, welchen Gegensatz ich damit verdeutlichen möchte.

Das logische Denken ist in gewisser Weise notwendig und grundsätzlich eindimensional. Es ordnet immer an. Zuerst dies, dann das. Aber nicht zuerst das, dann dies, das wäre unlogisch. Das logische Denken schreibt Reihenfolgen, Ordnungsgrößen vor. Erst 1 dann 2 dann 3 dann 4....

Dazu muss erkennbar sein, was eine Einheit, ein Gedachtes eigentlich ist. Z.B. Ein Ball, ein Mensch, ein Photon, ein Koffer, eine Rübe, ein Computer, aber auch: ein Gedanke, eine Idee, ein Gefühl, usw. D.h. das Denken individualisiert, grenzt ab. Das ist dieses Ding, jenes ist nicht mehr dieses Ding. Identifizierung muss möglich sein und zwar eine eindeutige, zumindest in einem Aspekt. Das Denken individualisiert, benennt Einheiten und kann dann Beziehungen zwischen diesen herstellen. Das logische Denken ist eindeutig und klar. Es grenzt ab und ein, trennt deutlich in "ist so" und "ist nicht so". In einer Werbung für Brockhaus-Lexika heißt es entsprechend: "Wissen kommt nicht von ungefähr. Sondern von ganz genau." (GEO-Heft Nr.11 / 2000, S.17).

Die Begriffsbildung für das logische Denken entsteht praktisch durch zunehmende Eingrenzung. Für ein Neugeborenes ist noch alles offen und möglich. Aber schnell setzt die Eingrenzung ein: das ist meine Mama, jenes nicht, das ist ein Gegenstand, den ich greifen kann, jener dahinten nicht, usw., usw..... So bildet sich durch Eingrenzung ein vielfältiges Weltbild dessen, was ist und was nicht ist, und auch dessen was durch Veränderung auseinander hervorgehen kann. Dieses logisch vorhersehbare "Auseinander-Hervorgehen" bedeutet das Eingrenzen des Wandels durch eindeutige Gesetze. Also überall beim logischen Denken muss eingegrenzt werden, um eindeutig sagen zu können, was für einen bestimmten Gedankengang "ist" und was "nicht ist", und was unter bestimmten Voraussetzungen auseinander hervorgehen oder nicht hervorgehen kann.

Logisches Denken ohne Eingrenzung und Eindeutigkeit ist nicht möglich. Weniger Eindeutiges wird in einem größeren Rahmen eingegrenzt, aber eine Umgrenzung, die identifizierbar macht, muss für das logische Denken erkennbar sein. "Diffuser Nebel" lässt sich nicht klar logisch denken - nur in seiner Abgrenzung gegen "klare Sicht" z.B.. Es muss diese Abgrenzung vorhanden sein.

Alles, was wir mit dem Denken "begreifen", begreifen wir aus dem Kontrast "ist - ist nicht". Ich bin überzeugt, wenn wir z.B. von Geburt an vor unserem Auge nur die Farbe Rot (gleichmäßig verteilt und gleich hell) sehen würden, wir wüssten gar nicht, dass wir etwas sehen, geschweige denn, dass es Rot ist. Oder wenn wir seit Beginn unseres Lebens einen ganz bestimmten Ton im Ohr haben würden, der nicht variiert - wir wüssten nicht, dass wir ihn hören.

Wenn um uns herum nur geklonte Menschen, in einer völlig einheitlichen Gesellschaft, mit völlig gleichem Schicksal und gleicher Persönlichkeit leben würden - wie wüssten wir dann, wie wir sind? Dass wir sanftmütig oder zornig, dass wir geduldig oder drängend, dass wir ängstlich oder mutig, dass wir schlau oder dumm, dass wir schwach oder kräftig sind - das wissen wir doch nur dadurch, dass wir uns mit anderen Menschen vergleichen, die anders sind, wie wir. Gäbe es nur einen Menschen, er würde keine Überlegungen über diese Eigenschaften anstellen, er wüsste gar nicht (außer durch Tiere), dass es diese Eigenschaften gibt. Es gäbe nur die Möglichkeit, dass er sich mit sich selbst im Laufe der Zeit vergleicht und sagt: heute bin ich aber müde im Vergleich zu vor ein paar Tagen. D.h. er kontrastiert sich heute mit sich selbst in der Vergangenheit. Aber immer besteht diese individualisierende Abgrenzung: ich heute - ich damals. Eingrenzung, "Auf den Punkt bringen", ist grundlegend für das logische Denken. Dies zeigt sich auch in den besonders logischen Naturwissenschaften. Sie können fast alles durch Grafiken veranschaulichen, in denen Werte durch Punkte eingetragen werden. Die exakten Naturwissenschaften reduzieren so alles Beobachtbare auf mathematische Formeln. Mathematik ist aber in der ursprünglichsten Form das punkthafte Anordnen einer Reihenfolge. Es gibt eine Linie (d.h. eine Dimension) und auf dieser Linie gibt es eindeutige, ausdehnungslose Orte, Punkte eben, denen eine eindeutige Zahl zugeordnet wird. Ein Punkt hat nur eine Zahl, keine andere, und alle anderen Zahlen liegen entweder vor oder hinter ihm. "Ein"deutiger geht es nicht. Auch die Ausdehnung in anderen Dimensionen (z.B. in Geometrie und Physik) wird in zahlenmäßigen Größen angegeben: in Winkelgraden und Längeneinheiten, in Zeiteinheiten. (Allerdings schleicht sich bei Gebilden, die die Eindimensionalität verlassen, schon die Unberechenbarkeit ein - auch bei ganz eindeutig erkennbaren Formen - wie sich bei der Zahl Pi, die mit dem zweidimensionalen Kreis verbunden ist, zeigt. Sie hat wahrscheinlich unendlich viele Stellen hinter dem Komma, ist also nicht exakt benennbar - und somit hat auch schon der Kreis etwas Unberechenbares, etwas eindimensional nicht mehr exakt Darstellbares an sich.)

In der Physik versucht man, alle Vorgänge mit einer Art Urformel zu beschreiben, d.h. letzten Endes wären dann alle Vorgänge mit dieser eindeutigen Zahlenreihe, die sich auf einer Linie aufreihen lässt, beschreibbar und vorhersagbar (bzw. rückwärts ableitbar). Wenn unsere Gefühle und Gedanken auch nur chemische Vorgänge sein sollten - wie ja teilweise vermutet wird - dann wären letzten Endes auch diese mit den mathematischen Formeln - zumindest theoretisch - exakt berechenbar, da ja die chemischen Vorgänge letztendlich auch physikalischen Gesetzen folgen. (Einen Einbruch in diese Berechenbarkeit stellen nichtlineare Gleichungen dar, die durch Aufschaukelung und Rückkoppelung in unberechenbare Bereiche eindringen. Hier setzt die Chaosforschung ein.)

Meiner Meinung entspricht diesem Bild der Berechenbarkeit der gesamten Welt durch die lineare (d.h. auf einer Linie anordenbare), letztendlich eindimensionale Zahlenfolge der Mathematik, das Bild der Superstrings, durch das derzeit versucht wird, die Welt zu beschreiben. Ich kann nicht behaupten, dass ich wirklich verstehe, worum es dabei geht, aber es heißt, man solle sich die Welt wie aus Violinensaiten aufgebaut vorstellen, die in verschiedenen Tönen schwingen. Hier ist wieder dieses lineare Bild - wobei die Eindimensionalität noch durch das Bild des Schwingens aufgelockert wird. Aber schon stellt sich die Welt als eine lange Linie dar - wie die Zahlenfolge der Mathematik. Kein Wunder, dass dieses Weltbild vor allem durch mathematische Überlegungen entstand.

Dass auch unser normales, sprachlich formuliertes Denken die zahlenmäßig nummerierende und individualisierende Beschreibung benutzt, zeigt sich darin, dass den Wörtern, die eine logisch erkennbare Einheit beschreiben, ein Artikel vorangestellt wird. Wenn allgemeiner nur eines einer bestimmten Sorte beschreiben wird, ist es ein Zahlenwort, nämlich "Ein" oder gegebenenfalls auch "zwei", "viele", "wenige" usw. (z.B. ein Elefant, ein Waschbecken, viele Blumen, wenige Worte...."). Damit wird etwas oder jemand aus der Vielzahl der Erscheinungen herausgeholt, individualisiert und einer bestimmten Erscheinungsgruppe zugeordnet. Gleichzeitig wird gezählt, wie viele dieser ganz speziellen Erscheinungen vorhanden sind. Ist kein solches zählendes Wort vorangestellt, so wird die Gesamtheit aller dieser ähnlichen Erscheinungen gemeint, wird also die Gesamtheit wieder als eine identifizierbare Einheit verstanden (z.B. Wolken enthalten Wasser, Bücher sind zum Lesen da....). So entsteht unsere Sprache durch Isolierung einzelner Begriffe, die etwas mit bestimmten erkennbaren Eigenschaften beschreiben und gleichzeitig auch mit beschreiben, was es nicht ist.

"Ein Bär" heißt, es ist ein Bär, nicht zwei und nicht viele, nicht Tiger und nicht Affen, ein starkes Tier und kein dürres und schwaches, nicht Stühle oder Autos, nicht Waschmaschinen oder Regentropfen, nicht abstrakte Begriffe oder mathematische Formeln - die Dinge die ein Bär nicht ist, sind unzählig, man muss sie nicht nennen - "ein Bär" - das beinhaltet, was es ist und zugleich, was es nicht ist. Dass ein Begriff etwas darüber sagt, was etwas ist, ist selbstverständlich. Dass er aber auch darüber etwas aussagt, was etwas nicht ist, ja dass dadurch überhaupt erst die Aussage, was es ist, möglich wird, darüber macht man sich normalerweise keine Gedanken.

Die unendliche Anzahl an Möglichkeiten ist aber ein Teil unserer Welt.

Ich will überhaupt nicht sagen, dass Logik, Mathematik, naturwissenschaftliches Weltbild falsch sind. Sie sind auf logischem Denken aufgebaut und im Bereich des logischen Denkens sicher in großen Bereichen richtig. Sie sagen mit Sicherheit auch vieles richtig voraus. Aber sie sind nicht vollständig. Sie sind ein Aspekt unserer Wirklichkeit. Es gibt andere. Und diese anderen Aspekte sind nicht unlogisch (im Sinne: der Logik widersprechend), nur zeigen sie sich erst bei einer anderen Schau-Weise. Und sie sind wesentlich.

Gibt es in unserer Welt Unendlichkeiten?

Dieses Kapitel ist mehr abstrakt. Es ist nicht unbedingt nötig, es zu lesen, um den Rest des Buches zu verstehen.

Die Frage erscheint mir interessant, aber ich muss zugeben, ich kann sie nicht mit Sicherheit beantworten. Trotzdem möchte ich meine Gedanken hier als Anstoß zum Nachdenken anführen.

Es scheint mir in den Naturwissenschaften - wenn ich es richtig verstehe - eine Richtung zu geben, die dazu tendiert, keine echten Unendlichkeiten in der Welt zuzulassen. Dass die Ausdehnung des Raumes evtl. nicht unendlich ist, wird schon länger diskutiert. Man kann sie sich dann gekrümmt wie einen Ball vorstellen: wenn man auf dem Erdball sich immer vorwärts bewegt, kommt man nicht immer weiter voran, sondern ist irgendwann wieder einmal am Ausgangspunkt. Es ist aber noch nicht klar, ob unser Weltall derart gekrümmt ist oder in anderer Gestalt. Oder ob es sich immer weiter ausdehnt oder auch wieder einmal zusammenzieht, ob es, wenn überhaupt, nur einen Urknall oder viele gab, ob es andere Weltalle gibt oder was in den schwarzen Löchern geschieht.

Für mich selbst stellt sich die Frage: Wenn der Raum derart gekrümmt ist, dass das Weltall endlich ist - was liegt dann jenseits der Krümmung. Denn jede Krümmung bedeutet eine Abweichung von der Geraden, also eine Änderung der Richtung. Also muss es auch die ursprüngliche Richtung geben, die das Weltall aber in seiner Raumausdehnung nicht einhält. Aber eine Krümmung kann es nur dort geben, wo auch Nicht-Krümmung möglich ist - wenn auch außerhalb unserer Reichweite.

Die andere Frage ist, gibt es Unendlichkeit im Inneren unserer Welt? Ich persönlich glaube ja, aber ich will zuerst eine gegenteilige Betrachtung aufzeigen.

Ich denke hier an die räumliche und zeitliche Ausdehnung auf kleinen und kleinsten Abschnitten. Man denke an das alte philosophische Beispiel des Läufers, der theoretisch die Schildkröte nicht überholen kann, weil in jedem Moment, in dem der Läufer der Schildkröte ein Stück näher gekommen ist, diese ein winziges Stück weitergekrochen ist. Hat der Läufer dieses winzige Stück eingeholt, so ist die Schildkröte ein noch viel winzigeres Stück vorangekommen usw. usw., bis es sich praktisch um unendlich viele kleine Stückchen handelt. Also kann der Läufer die Schildkröte nicht überholen, denn wie könnte denn ein unendlich fortlaufender Vorgang zu Ende gebracht werden?

Dieses Paradox wäre keines mehr, wenn der Raum aufgeteilt wäre in winzig kleinste Raumabschnitte, die bei einer Bewegung sprunghaft durchquert werden (wie beim Quantensprung). Z.B. es gäbe nebeneinander angeordnete winzigste Raumquadrate, und Bewegung geschieht, indem sich ein Teilchen (Gegenstand, Mensch usw.) von einem Raumquadrat zum nächsten begibt und zwar in einer Art und Weise, dass es kein Gleiten ist, es kommt nicht am Ende des einen Quadrats an, um dann an den Anfang des anderen Quadrats zu gelangen und dieses zu überqueren und dann wieder an dessen Ende zu gelangen - nein, es springt ohne Übergangsphase vom Zentrum eines Raumquadrats zum Zentrum des nächsten Raumquadrats. Dies wäre ähnlich wie in einem Film, auch dort sind Bewegungen zerteilt in einzelne starre Momente, die aber im zeitlichen Hintereinander eine kontinuierliche Bewegung vermitteln. Ich glaube, ich habe in irgendwelchen naturwissenschaftlichen Abhandlungen einmal eine solche Vorstellung gelesen. Wenn dann noch der Raum in sich geschlossen gekrümmt wäre, dann könnte man letzten Endes die "Raumteilchen", also die in unserem Weltall für Bewegung jeglicher Art zur Verfügung stehenden Raumquadrate zählen, es gäbe weder Unendlichkeit des Raumes nach außen noch nach innen.

Ähnlich wie mit den Raumquadraten könnte es mit der Zeit sein. Wir könnten in winzigen Zeitabschnitten leben (im Gehirn hat man angeblich schon festgestellt, welche Zeiteinheit als wirklicher Moment erfasst werden kann - physikalische Zeitschritte könnten aber noch sehr viel kürzer sein), Zeitabschnitten in denen die Zeit für einen Moment still steht, um sich dann sofort in einen ganz neuen Moment zu verwandeln, ohne gleitenden Übergang.

Die allgegenwärtige "Quantifizierung" in der Physik scheint mir in diese Richtung zu weisen. Nicht nur das kleinste Materieteilchen wird gesucht, auch die kleinste Energieeinheit, die kleinste Gravitationseinheit, die kleinste Raum- und Zeiteinheit. So jedenfalls ist mein Eindruck. Dann würde alles aus eindeutig isolierbaren und zählbaren Einheiten bestehen, letzten Endes wäre dann die Welt zumindest theoretisch voll berechenbar, voll mathematisch darstellbar. Paradoxerweise wäre es dann nur noch die abstrakte, linear-aufreihende Mathematik, in der unendliche Zahlen möglich wären.

Für mich stellt sich die Frage, ob dieses "additive" Denken, wie ich es nenne, nicht fehlerhaft ist. Dem gegenüber sehe ich das "kontinuierliche" Denken, das Denken in Ausdehnungen, die unendlich klein oder groß werden können. Bei diesem Denken ist eine Bewegung ein gleitender Vorgang und nicht ein abgehacktes Vorwärtsspringen, die Zeit ist ein kontinuierlicher Fluss und normalerweise ohne Sprünge. Dies führt aber zu Paradoxien, wie der oben genannten, mit dem Läufer und der Schildkröte. Aber Unendlichkeit scheint mir immer Paradoxes zu bringen. Kann es sie daher nicht geben? Ich glaube eher, dass einfach unser menschliches logisches Denken nicht für Paradoxien geeignet ist, dass wir aber durchaus auf anderen Ebenen ein Empfinden für das Unendliche (und die damit verbundenen Paradoxien) haben, und dass dies sogar ein ganz wichtiger Bestandteil unseres Menschseins ist - aber nicht logisch mitteilbar.

Zur Vorstellung von aneinandergereihten Raumquadraten fällt mir ein: Wenn ich einen Raumpunkt ganz exakt benennen kann, dann hat er keine Ausdehnung, ist punktförmig ohne jede Verdickung in auch nur eine Richtung. Wenn ich mehrere solcher raumloser Punkte aneinanderreihe, dann fallen sie entweder auf einen einzigen Punkt zusammen, oder ich habe Leerräume zwischen ihnen. Wenn ich um diese Leerräume Kugeln bilde, dann können sich diese in der Mitte mit ihren Bäuchen berühren, aber es bleiben trotzdem oben und unten Leerräume. Wenn ich Würfel bilde, dann habe ich keine Leerräume mehr, aber auch keine nach allen Richtungen (in Bezug zum Mittelpunkt hin) gleichen Objekte, wie es bei der Kugel wäre. Das wirkt schon befremdend. Und was ist mit dem Raum innerhalb des Quadrats? Kann er nicht in kleinere Einheiten eingeteilt werden? Dass ein Objekt vielleicht regelmäßig von einem Quadratmittelpunkt zum nächsten springt, heißt ja noch nicht, dass nicht dazwischen Raum existiert - und wer könnte dann mit Sicherheit sagen, dass dieser Raum nicht doch wieder teilbar ist - nur weil wir vielleicht dessen Teilung nicht erlebt haben? Und jedes andere Teilchen, das irgendwann einmal nicht mehr teilbar schien - woher wissen wir, dass nicht nur wir es nicht teilen können, dass es also absolut unteilbar ist? Das können wir meines Erachtens nach gar nicht wissen.

Ich persönlich komme besser klar mit dem Bild einer kontinuierlichen Ausdehnung, mit der Vorstellung einer kontinuierlich gleitenden Bewegung, mit der Vorstellung, dass unendlich Großes und Kleines möglich ist.

Die Chaostheorie hat aufgezeigt, dass in nichtlinearen Beziehungen Unendlichkeit und Unberechenbarkeit auftauchen. Ins Unendliche gehende Zahlenmengen um die Mandelbrot-Menge wurden durch herrliche Computergrafiken berühmt (kurze Erklärung siehe vor der Literaturliste am Ende des Buches). Es scheint, dass es uns schwer fällt, genau zu verstehen, was eigentlich die Ergebnisse der Chaosforschung bedeuten, sie zeigen auf, dass das Paradox von Ordnung im Chaos möglich ist, und dass viele Erscheinungen mit mathematischen Gleichungen zu tun haben, die in Bereiche des Unendlichen gehen, z.B. durch Rückkoppelungswirkungen. Die Chaosforschung hat auch erkannt, dass im Grunde alles mit allem zusammenhängt, und alles auf alles rückwirkt. Ich will hier nicht näher auf die Chaosforschung eingehen, sie ist ausreichend in der Literatur beschrieben. Sie zeigt auf jeden Fall, dass egal, ob die Welt aus einer endlichen Zahl zählbarer Teilchen (Materie, Raum, Energie, Gravitation usw.) besteht oder nicht, - dass es auf jeden Fall unmöglich ist, ihren Werdegang hundertprozentig vorauszuberechnen - und da alles auf alles wirkt, bewirkt die kleinste Unberechenbarkeit die Unberechenbarkeit des Ganzen. Berechenbarkeit gibt es nur relativ und vorläufig, jederzeit kann spontan Unvorhergesehenes geschehen.

Durch diese spontane Offenheit eröffnet sich eine unendliche Weite: die Weite der offenen Möglichkeiten.

Kleiner Anhang: Literatur zur Chaosforschung:

Gerd Binnig:

Aus dem Nichts. Über die Kreativität von Natur und Mensch

München 1992, 1.Aufl. 1989 (ein recht anregendes Buch, nicht nur über Chaos und Fraktale, sondern auch über viele unterschiedlichste Themen)

John Briggs:

CHAOS. Neue Expeditionen in fraktale Welten

Original: Fractals. The Patterns of Chaos

New York 1992, deutsch: München, Wien, 1993 (sehr anschaulicher Bildband, auch künstlerische Aspekte)

John Briggs, F.David Peat:

Die Entdeckung des Chaos

Original: Turbulent Mirrow. An Illustrated Guide to Chaos Theory and the Science of Wholeness

New York 1989, Deutsch: München 1990 (Ein Taschenbuch, das gut verständlich viele Aspekte der Chaosforschung aufzeigt.)

Heinz-Otto Peitgen, Hartmut Jürgens, Dietmar Saupe

(alle drei vom Zentrum für komplexe Systeme und Visualisierung der Universität Bremen):

Bausteine des Chaos: Fraktale

Berlin, Heidelberg, New York, Stuttgart 1992 (englisch: "Fractals for the classroom" Part 1, New York 1992)

Heinz-Otto Peitgen, Hartmut Jürgens, Dietmar Saupe

C.H.A.O.S: Bausteine der Ordnung

Berlin, Heidelberg, New York, Stuttgart, 1994 (englisch: "Fractals for the Classroom" Part 2, New York 1992)

(Diese beiden Bücher sind stärker mathematisch-wissenschaftlich ausgerichtet als die beiden ersteren, aber dennoch auch für Nicht-Mathematiker verständlich.)

Der leere Raum

Wenn wir die Unendlichkeiten nach außen (also gemeint ist die Größe des Weltalls), einmal beiseite lassen, wo gibt es dann Unendlichkeit für uns in unserer Welt, wenn wir die Welt in einem sinnvollen Gedanken-Rahmen begrenzen? Wir können doch theoretisch alle Objekte zählen, die wir wahrnehmen können: Elementarteilchen, Atome, Moleküle, Energieeinheiten, Entfernungen, Bakterien, Pflanzen, Tiere, Menschen usw. usw.. Was ist denn nun so unendlich, dass wir es nicht zählen können?

Es sind die Möglichkeiten.

Wo finden wir Möglichkeiten?

Dort, wo noch nicht alles festgelegt ist.

Noch nicht alles festgelegt ist dort, wo Offenheit herrscht.

Offenheit heißt auch leerer Raum.

Wir achten viel zu wenig auf die wunderbaren Aspekte des leeren Raumes, auf die Aspekte des Freiraums.

Unsere Welt besteht nicht nur aus dem, was ist, sondern auch aus Freiräumen.

Leere Räume sind als Freiräume für Möglichkeiten viel mehr, als leere Raumeinheiten bestimmter mathematischer Größeneinheit. Diese Freiräume sind die Entfaltungsräume der Zukunft.

Stellen Sie sich folgende Szene vor: Eine leere Wohnung, der Vermieter sucht einen Mieter. Viele melden sich zu einer Besichtigung. Sie kommen und sehen die leere Wohnung - da sind nur weiße Wände und Fenster und Türen. Aber jeder sieht eine andere Wohnung. Der erste denkt sich eine bunte Tapete an die Wand, sieht in einem Zimmer sein Bastelzimmer und überlegt, wo im Wohnzimmer Fernseher, Sitzecke und Bücherregel hinkommen. Die nächste Bewohnerin hat Kinder und überlegt, wo die Kinderzimmer hinkommen könnten, ob ihre alten Möbel sinnvoll angeordnet werden können, ob man vielleicht eine Kinderschaukel einbauen kann, ein weiterer Bewerber möchte ein wissenschaftliches Buch in aller Ruhe schreiben können, er schaut, wo am besten ein großer Schreibtisch stehen könnte, und wie er das Wohnzimmer für viele Gäste einrichten kann, da er zu Hause Diskussionsrunden mit anderen Wissenschaftlern und Studenten veranstalten will. Das nächste ist ein junges Paar, bei denen beide gerne kochen, und sie überlegen natürlich wie die Küche aussehen könnte. Die Möbel, mit denen die Bewerber in Gedanken die Wohnung ausstatten, sehen ganz unterschiedlich aus: Stilmöbel und schwergewichtig oder Fichte und Ikea, oder viel Stahl und glänzende Flächen. Die Wohnung wird im Geiste perfekt aufgeräumt gesehen oder gemütlich etwas unordentlich. Sie soll ein zu Hause für eine Familie für den ganzen Tag sein, oder nur Übernachtungsgelegenheit für den alleinstehenden Berufstätigen. Sie wird als groß vom Single empfunden und als klein von der 5 köpfigen Familie. usw., usw..

Ich denke, es ist klar geworden, was ich meine. Eine unbewohnte Wohnung mit leeren Zimmern bietet unendlich viel Freiraum zur Gestaltung dieser Räume. Gäbe es hundert Menschen, die diese Wohnung besichtigen, gäbe es hundert verschiedene Vorstellungen, sie einzurichten und zu nutzen. Wären es Tausend oder Hunderttausend - es gäbe tausend oder hunderttausend Vorstellungen, oder sogar noch mehr, da eine Person selbst schon verschiedene Pläne entwerfen kann. Und keiner dieser zahllosen Vorstellungen wird völlig identisch sein mit einer anderen. Welch ein Reichtum an Möglichkeiten!

Lassen Sie die Erkenntnis, dass leerer Raum unendlich viele Möglichkeiten anbieten kann, einmal in Ruhe in Ihr Bewusstsein eindringen.

Plötzlich erscheint der leere Raum gar nicht mehr leer. Er ist mit Unendlichkeit, mit Unendlichkeit an Möglichkeiten gefüllt!